Interview mit FISH: "Ich mache Musik für mich"

09.12.2018 | 22:55

Eine Karriere neigt sich dem Ende entgegen. Es gibt ein paar letzte Male, zum Beispiel das letzte Mal, dass er "Clutching At Straws" komplett spielen und singen wird, dann bald das letzte Album, das den Namen "Weltschmerz" tragen wird. Fish alias Derek William Dick wird dann vierzig Jahre im Musikgeschäft sein.

Es ist kaum zu glauben, dass er wirklich aufhören wird. Doch auf die Nachfrage reagiert er leicht verärgert oder eventuell auch genervt. Ich bin sicher nicht der erste, der nachfragt. Allerdings muss man auch zugeben, dass der großgewachsene Schotte nicht mehr der Jüngste ist. Dieses Jahr ist er 60 geworden und später auf der Bühne wird er ein bisschen Zeit, die er früher mit politischen Ansprachen verbrachte, darauf verwenden, Witze über sein Alter zu machen. Und über das der anwesenden Musikfreunde, denn seine Fanbasis ist ganz offensichtlich mit ihm gealtert. Aber sie durfte sich auch über drei neue Lieder freuen. "Wir haben angefangen, die Lieder zu schreiben und stellten fest, dass wir unseren ersten Termin nicht würden halten können. Wir hatten so viele Ideen und aus dem Album wurde ein Doppelalbum", berichtet Fish.

Die neuen Lieder klingen für mich als alten Fan großartig. Vor allem gehen sie wieder zurück zu den progressiveren Zeiten des Sängers und sind durchgehend sehr lang - etwas, das auch schon auf dem Vorgänger "Feast Of Consequences" in Form des epischen 'High Wood Suite' auffällig war. War das ein bewusster Prozess, eventuell ein kleines Geschenk an die Fans? Wieder antwortet der sonst so sympathische Schotte eher grummelig: "Ich mache Musik für mich, nicht für andere, sonst würde ich Lieder für Britney Spears schreiben!"

Über Umwege kommen wir dann doch nochmal auf sein Karriereende zu sprechen und ich erkenne möglicherweise den Grund einer gewissen Unzufriedenheit, die sich auch auf seiner Webseite in verschiedenen Postings bereits ausgedrückt hat. "Ich bin 60 Jahre alt und spiele heute Abend vor 250 Leuten. Ich schaffe es nicht mehr, jeden Abend aufzutreten und über Nacht mit dem Bus zum nächsten Auftrittsort zu fahren und trotzdem eine gute Show zu bieten. Wenn ich immer mal wieder einen Tag frei hätte, wäre es vielleicht möglich, aber eine Tour ist anstrengend und an Tagen ohne Auftritt müssen alle laufenden Kosten für Personal und Ausrüstung trotzdem bezahlt werden."

Ja, da hat er Recht. Die Musikindustrie war schon immer ungerecht, denn dass einer meiner absoluten Lieblingssänger im Spectrum in Augsburg, einem tollen Club, der allerdings nicht allzu groß ist, spielt, und nicht in einer großen Halle wie früher, tut mir weh. Vor allem deckt es nicht die Kosten. Doch seine Antwort bedeutet auch, dass er sicher mal wieder auftreten wird, falls er ein passendes Angebot bekommen würde und natürlich die Musiker findet. Auf einem Festival vielleicht. Aber zum Glück haben wir ja noch ein wenig Zeit, denn es wird ja noch das neue Album kommen und eine dazugehörige Tournee. "Nächstes Jahr wird "Vigil In A Wilderness Of Mirrors" dreißig Jahre her sein. Das werden wir auch live berücksichtigen." Oh, vielleicht sogar mit dem ganzen Album? "Weiß ich noch nicht", grummelt der Hüne.

Ich hoffe aber natürlich noch auf eine echte Best Of-Tour und Fish nickt. Er wohl auch. Ich kann mir den Rest denken: Aber nur, wenn es finanziell machbar ist, natürlich. Das ist das Los des Musikers, der sein eigener Herr ist, aber natürlich auch mit allen Rechnungen zu kämpfen hat. Apropos Rechnungen: Als Schotte dürfte er mit dem Thema Brexit auch eher auf dem Kriegsfuß stehen, oder? "Mehr als 60% der Schotten haben für den Verbleib gestimmt", bestätigt er, und er war schon immer ein schottischer Patriot, aber auch ein Europäer. Er meint, Schottland könnte in der EU bleiben, auch wenn England austritt. Meine Argumente, das würde nicht funktionien, wischt er fort und sagt: "Wenn der Brexit passiert, muss es eine neue Abstimmung geben!" Ob er über den Brexit oder eher über eine schottische Unabhängigkeit redet, kann ich nicht mehr fragen, denn er muss raus zum Soundcheck. Schade, aber zugegebenerweise ist Fish heute auch nicht bester Laune. Normalerweise gehört er zu den dankbarsten Interviewpartnern, aber der Stress der Tour und sicher auch die Tatsache, dass das Spectrum nicht einmal ausverkauft sein wird, dürften keine echten Stimmungsaufheller sein. Doch als erfahrener Entertainer wird man es ihm später auf der Bühne nicht anmerken. Da vermag Fish das Publikum mitzureißen und die vier neuen Lieder werden großartig aufgenommen werden. Vielleicht sind es nicht tausend Fans, aber denen wird er einen tollen Abend bereiten.

Redakteur:
Frank Jaeger

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