Interview mit THERAPY?
07.12.2010 | 18:55Das irische Punk-Trio THERAPY? war im November für einige Konzerte in Deutschland unterwegs. Andy Cairns, Michael McKeegan und Neil Cooper standen POWERMETAL.DE Rede und Antwort.
Nico: Hallo zusammen! Danke, dass Ihr euch die Zeit für ein Interview nehmt. THERAPY? feiern dieses Jahr ihr zwanzigjähriges Bestehen. Wie fühlt es sich an, so lange als Band aktiv zu sein?
THERAPY?: Es fühlt sich nicht so an, als wären es tatsächlich zwanzig Jahre. Es ist schon ein schönes Gefühl, das zu wissen, aber es kommt einem nicht so vor, die Jahre gingen einfach vorüber. Es gibt sehr berühmte Bands, die es nicht mal fünf oder sechs Jahre gegeben hat. Ich habe mich vor etwa einem Monat mit einem deutschen Fan unterhalten, er lernte uns mit unserem aktuellen Album "Crooked Timber" kennen, sein älterer Bruder hatte es ihm gegeben. Und er wurde geboren in dem Jahr, in dem unsere erste Single rauskam. Er sagte dann, dass unsere Band sein Leben ist, denn wir begannen, als er geboren wurde, dann ging er zur Schule, studierte und während dieser ganzen Zeit gab es die Band.
Pia: Erinnert ihr euch an euer allererstes Konzert?
Ja, tatsächlich. Das war damals in Belfast, unserer Heimatstadt. Wir haben mit einer englischen Hardcore-Band gespielt und durften die ersten 40 Minuten des Konzertes eröffnen.
Nico: Belfast ist seit jeher ein gutes Pflaster für euch, oder?
Ja, Belfast ist ein fantastischer Ort und als wir anfingen, gab es nicht viele Bands und Konzerte wegen der damaligen politischen Situation. Jetzt ist dort viel mehr los als damals, es spielen viel mehr Bands. Wegen des Heimvorteils haben wir dort einen sehr guten Stand.
Nico: Ihr spielt häufig in der Mandella Hall Belfast. Sehe ich das richtig?
Ja. Wir haben dort vor 1.500 Leuten gespielt. Das ist ein Ort, den wir gut kennen und an dem wir immer wieder gerne zurückkommen um ein Konzert zu spielen. Die Leute kommen dort über all die Jahre regelmäßig zu unseren Shows.
Nico: Was hat Euch dazu bewogen, dieser Tage ein Live-Album zu veröffentlichen?
Das hängt mit dem zwanzigsten Geburtstag zusammen. Viele Leute sagen, dass wir live sehr gut sind, und da lag es auf der Hand, so etwas zu veröffentlichen. Wir haben uns überlegt, dass es eigentlich keinen besseren Release momentan für uns gibt. Daraufhin haben wir uns entschlossen, es sehr Old School zu gestalten. Wir sind eine Band die gerne alte Lieder spielt, aber auch gern weitergeht um sich weiter zu entwickeln. Die 36 Lieder des Albums haben wir dann innerhalb von drei Konzerttagen in London aufgenommen. Wir hatten zunächst ausprobiert, ob es funktionieren würde, denn wenn du etwas live spielst und es dort gut klingt, muss das nicht heißen, dass es auch auf der CD genauso ist. Als wir anschließend ins Studio gingen, waren wir überrascht, wie gut die Atmosphäre während der Auftritte eingefangen wurde. Unser Gedanke war es, dass dieses Live-Album auch wirklich "Live" klingt und nicht nur nach Studiogetüftel. Etwas live einzuspielen und einen Song mischen, sind zwei völlig verschiedene Sachen. Des Weiteren kostet so etwas viel Arbeit. Wir wollten die Lieder so unberührt lassen wie möglich. Wir waren sehr überrascht, denn es passierte immer irgendwas. Den einen Tag war einer von uns krank, wir hatten einen seltsamen Gitarrensound und es ging etwas kaputt. Ich fühlte mich die anderen beiden Tage nicht gut, da haben wir auch nur 17 Tracks geschafft.
Pia: Ihr habt vor kurzem in Russland gespielt. Wie sind die Fans dort?
Sie sind großartig! Sie sind verrückt. Speziell in Moskau drehen sie total durch. Wir sind von der Bühne gegangen und sie hörten nicht auf, nach uns zu rufen. Das ging zwanzig Minuten lang so, bis die Securityleute sie rausgeschmissen haben.
Pia: Also durftet ihr keine weiteren Lieder spielen?
Nein. Sie mussten den Club nach der Show zumachen. In Russland beginnen alle Sonntagskonzerte um 19 Uhr, damit jeder am Montagmorgen normal zur Arbeit gehen kann. Das ist ein bisschen befremdlich.
Pia: Welche Höhepunkte gab es in eurer Karriere?
Da gab es viele! Unsere Konzerte in Belfast, und das erste Mal, das wir unsere Single im Regal gesehen haben. Bei uns in Belfast gab es einen CD-Laden, der hatte eine Abteilung für lokale Bands, und dort stand ein großes Banner mit unserer CD. Dann unser erstes Konzert in der Ulsterhall, das ist eine große Konzerthalle in Irland. Und etwas, wovon wir unseren Enkelkindern erzählen werden, ist, dass wir mit Ozzy Osbourne in Los Angeles aufgenommen haben. Das war fantastisch. Wir haben auch eine TV-Show gemacht. Aber allein, dass es uns seit zwanzig Jahren gibt, ist ein Highlight für uns. Dass wir jetzt das Live-Album gemacht haben, ist großartig. Wir sind nie sehr berühmt geworden, haben nicht die richtig großes Konzerte gespielt, aber die Menschen haben sich immer für uns interessiert. Wir sind gerne Musiker. Es ist nie langweilig geworden, Konzerte zu spielen und in der Welt umherzureisen.
Nico: Ich erinnere mich an die Zeit, als MTV sagte: "GREEN DAY, THE OFFSPRING und THERAPY? sind die nächsten drei großen Kapellen der Neunziger!" Was denkt ihr darüber? THERAPY? waren ja zu dieser Zeit auf einem Major-Label.
Ich bin nicht traurig darüber, dass wir nicht so groß wie die beiden anderen Bands geworden sind. Wir haben über die Jahre drei Millionen CDs verkauft und wie du sagtest, waren wir einige Jahre auf einem Majorlabel. Aber ich achte nicht auf so etwas. Ich denke, wenn man ein Rockstar sein möchte und so groß wie beispielsweise MUSE, die RED HOT CHILI PEPPERS oder GREEN DAY sein will, dann muss man auch so aussehen. Ich bin sehr realistisch und ich bin sehr froh, dass wir unseren eigenen Kurs eingeschlagen haben, denn schließlich haben wir damit trotz alledem viele Alben verkauft. Ich habe Freunde und Bekannte in England, die berühmt sind, und das ist manchmal ein richtiger Albtraum. Sie können nicht einfach in den Supermarkt gehen oder sich andere Konzerte angucken.
Pia: Habt ihr jemals darüber nachgedacht, euer Aussehen zu verändern, um mehr Erfolg zu haben?
Nein. Wir hatten 1993 einen Song namens 'Screamager', der an einigen Orten ein Hit war. Als wir ihn veröffentlicht haben, hieß es, dass wir ein bisschen in die RAMONES-Ecke gingen, danach hieß es, wir würden Grunge spielen. Nachdem GREEN DAY und THE OFFSPRING wirklich groß waren, haben sie mich gefragt, ob wir ein Video zu 'Screamager' machen könnten, in dem wir mehr nach Punks aussähen. Wir haben das abgelehnt. Sie wollten uns drei mit Iros filmen, wie seinerzeit GREEN DAY es taten. Etwas später veröffentlichten wir das Video und ich muss sagen, ich denke nicht, dass es zu uns gepasst hätte, wenn man unser Aussehen "verpunked" hätte. Es hätte uns in eine falsche Richtung geführt. Vielleicht hätten wir damit mehr Erfolg gehabt, aber wir hatten das nicht nötig.
Nico: 'Screamager' wurde damals als EP veröffentlicht; ein Jahr später erschien es dann abermals auf "Troublegum". War es eure Entscheidung, den Song auf "Troublegum" erneut zu veröffentlichen ?
Es war unsere Entscheidung. Das Album war sehr melodisch und 'Screamager' ist ein melodisches Lied.
Pia: Wer hatte die Idee, eine "Troubelgum"-Show zu machen?
Wir wurden gefragt, ob wir in Groß Britannien so eine Show spielen. Einer der Organisatoren hat uns angeboten, dort als Headliner aufzutreten, wenn wir das gesamte "Troublegum"-Album spielen. Das haben wir dann gemacht und auf einmal kamen einige Anfragen aus Holland, Belgien, Irland und auch Schweden. Schlussendlich haben wir uns entschlossen in Hamburg, Köln, Amsterdam und Brüssel sogenannte "Troublegum"-Shows zu spielen.
Pia: Habt ihr ein Lieblingsalbum, das ihr gerne mal am Stück live spielen würdet?
Ich mag "Crooked Timber", aber das haben wir nach dem Release auch komplett live gespielt. Ansonsten von den älteren Sachen würde ich das gerne mit "Babyteeth" oder "Never Apologise Never Explain" machen. Es ist immer seltsam, ein komplettes Album zu spielen, aber es ist gut, dass wir das mit "Troublegum" machen. Da sind gute Lieder drauf, die sich gut spielen lassen. "Crooked Timber" war auch gut. Es ist auch immer wieder ein wenig anders. Manchmal mag ich das eine Album lieber, manchmal das andere. Es ist, als müsse man sein liebstes Kind benennen. Im Moment sind wir damit beschäftigt, ein neues Album aufzunehmen. Wir haben vergangene Nacht Demos angehört und daran gearbeitet, weil wir uns vorher lange nicht gesehen haben. Wir wollen bald ins Studio, deshalb müssen wir unsere Hausaufgaben machen.
Nico: Schreibt ihr eure Songs gemeinsam?
Wir haben die neueren Lieder zusammen geschrieben. Das machen wir etwa seit zehn Jahren so. Es nimmt ein bisschen den Druck. Ansonsten klingt es auch nicht so sehr nach THERAPY?.
Nico: THERAPY? sind seit einiger Zeit wieder zu dritt. Wie fühlt sich das an?
Es ist brilliant, vor allem mit diesen Leuten. Seit wir wieder zu dritt sind, ist alles viel fokussierter. Jedes Bandmitglied bringt seine Ideen ein und hat etwas zu sagen.
Nico: Habt ihr noch Kontakt zu alten Mitgliedern?
Wir haben uns schon lange nicht mehr gesehen. Wenn man so lange zusammenarbeitet und die Geschäftsbeziehung dann aufhört, schläft ein Kontakt schnell ein. Martin war ein wirklich guter Musiker und er war lange dabei, aber irgendwann hatte er genug. Er war auch mehr ein Session-Musiker. Er hat in verschiedenen Bands gespielt in Dublin.
Nico: Graham Hopkins, euer zweiter Drummer hat die Band während der "Shameless"-Tour relativ spontan verlassen und wurde durch Keith Baxter kurzerhand ersetzt, der dann nach einigen Monaten viel zu früh verstorben ist.
Keith war kein richtiges Bandmitglied, er hat uns in einer schwierigen Situation ausgeholfen. Er ist dann zu unseren Shows gekommen und ist eingesprungen; er war ein guter Musiker und angenehmer Zeitgenosse.
Nico: Andy und Michael verfügen über sogenannte Endorsement Deals. Wie kam es dazu und hat das Auswirkungen auf euren Sound beziehungsweise eure Kreativität?
Nein. Aber sind es in unseren Augen sehr gute Instrumente. Vor fünf Jahren eröffneten Die Leute von Warwick beziehungsweise Framus eine Fabrik in Manchester, bei der ein Freund von uns einer der Manager ist. Wir haben aber keinerlei Verpflichtungen ihnen gegenüber. Wir machen manchmal Bilder für Kataloge, aber ansonsten hat die Firma keine Kontrolle darüber, was wir tun.
Nico: Lasst uns über MP3 und die allgemeine Digitalisierung von Musik reden. Ich denke, dass Musik bald kostenlos verfügbar ist. THERAPY? veröffentlichen ihre Alben auf Vinyl und CD. Was denkt ihr über die Digitalisierung?
Wir verdienen unser Geld eher dadurch, dass wir auf Tour gehen und T-Shirts verkaufen. Ich denke, du liegst richtig. Musik wird bald kostenlos sein. Ich lese manchmal in der Zeitung, dass sehr viel Musik illegal heruntergeladen wird. Aber wenn mehr Leute die Lieder herunterladen, kommen auch mehr zu den Konzerten und kaufen die Shirts. Wenn du die Wahl hättest, wäre es dir lieber, wenn 2.000 Leute dein Album herunterladen, anstatt dass sie es ignorieren?
Pia: Nach zwanzig Jahren im Musikgeschäft: Was denkt ihr über die Musikindustrie?
Das Modell funktioniert nicht mehr. Ich denke, es ist nichts Schlechtes daran, wenn Leute sich Musik runterladen, solange sie zu den Konzerten kommen. So erreichen wir auch junge Leute. Die Herstellung von Alben ist auch viel einfacher geworden. Ich kann nur sagen, es ist mir relativ egal, was mit den Labels passiert, solange die Bands weiterhin unterstützt werden! Die Leute sollen zu den Konzerten gehen!
Pia: Gibt es noch etwas, das ihr euren deutschen Fans sagen wollt?
Einer der ersten Orte nach Irland und England, an denen wir gespielt haben, war Deutschland. Wir mögen es, hier zu spielen. Ich erinnere mich auch an unser erstes Konzert in Hamburg. Wir hatten einen Tag frei und es war wirklich toll. Vielen Dank für eure Unterstützung.
von [Nico Quendler] und [Pia-Kim Schaper]
- Redakteur:
- Nico Quendler