Interview mit den Viking-Metallern SLECHTVALK

14.07.2010 | 09:31

Lange war es still um die Wikinger aus den Niederlanden. Mit einem neuen Album melden sich SLECHTVALK nun aber wieder zurück. Jenseits des Pagan-Metal-Klischees und mit einem durch und durch erwachsenen Sound präsentiert sich die neue Scheibe. Sänger, Gitarrist und Texter SHAMGAR war bei uns im Interview.

Shamgar

Markus Herhoffer:
Hi Shamgar! Das neue SLECHTVALK-Album wurde nun endlich veröffentlicht. Wie und was denkst du darüber? Bist du mit den Songs und dem Release soweit zufrieden?

SHAMGAR:
Hi! Es ist eine lange Zeit vergangen seit unser vorheriges Album veröffentlicht wurde. Aber ich denke, dass sich das Warten auf unser neues Album gelohnt hat. Wir sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis unserer harten Arbeit und unsere Vorfreude ist einfach riesig. Es war großartig, mit JOHAN ÖRNBORG im Studio zu arbeiten und seine große Erfahrung machte einen deutlichen Unterschied aus gegenüber unseren früheren Veröffentlichungen. Ich sage oft scherzhaft, dass wir zuzusagen ein Album zwischen unserem vorherigen Release "At The Dawn Of War" und dem neuen "A Forlorn Throne" ausgelassen haben. Denn wenn man diese beiden Alben vergleicht, dann wird man höchstwahrscheinlich einsehen, dass es klingt als hätten wir ein oder zwei Alben übersprungen. Wir hatten nämlich tatsächlich einige Songs geschrieben, die nun in der Schublade gelandet sind, weil wir wollten, dass einen das neue Album umhaut!

Markus:
Vor einigen Monaten habt ihr ein Best-Of-Album veröffentlicht und das Bandlogo geändert. Wolltest du einen bewussten Schnitt machen? Was wolltest du ändern?

SHAMGAR:
Vergangenes Jahr feierte SLECHTVALK sein zehnjähriges Jubiläum. Mit der Aussicht auf ein neues Album wollten wir das als Gelegenheit nutzen, etwas Aufmerksamkeit in den Medien zu bekommen, bevor wir unser neues Album veröffentlichen. Es war zudem eine großartige Gelegenheit, den Leuten einen Blick darauf zu geben, wie SLECHTVALK angefangen hat und wie sich die Band weiterentwickelt hat über die Jahre hinweg. Ganz besonders auch deshalb, weil unsere vorherigen Alben alle vergriffen sind. Wir dachten uns zudem, dass unser neues Album ein neues Kapitel in der Geschichte SLECHTVALKS darstellt. Und es sollte den Wandel markieren von der jungen Band zu den erwachsenen Veteranen, die wir nun sind.

Vor der Veröffentlichung von "At The Dawn Of War" hatten wir schon erwogen, das Logo zu ändern, weil wir damals schon dachten, das Logo sei etwas altmodisch. Aber unser damaliges Label hielt das für keine gute Idee, weil wir dann die Wiedererkennung verlieren würden - und das obwohl unser altes Logo extrem schwer zu lesen war. Als wir dann bei Whirlwind-Records unterzeichnet haben und uns auf die Aufnahmen von "A Forlorn Throne" vorbereitet hatten, diskutierten wir die Frage aufs Neue. Weil sich unsere Musik weiterentwickelt hatte, war der Kontrast zu dem Old-School-Logo im Black-Metal-Stil und unserem moderneren Ansatz einfach unpassend.

Logo Slechtvalk

Markus:
Wie würdest du das neue Album, den Stil und die musikalischen Einflüsse beschreiben?

SHAMGAR:
Ich würde es beschreiben als eine aggressive Mischung aus dem Death-Metal-Stil von OPETH und AMON AMARTH mit allem, was der Black Metal zu bieten hat - von IMMORTAL zu DARK FUNERAL und DAWN bishin zu SATYRICON. Zudem eine Prise Viking Metal. Das Ergebnis ist ein vielseitiges Album, auf dem die Spannung des Death Metal auf die Aggression und Geschwindigkeit des Black Metals trifft.

Markus:
Ihr habt das Album in Skandinavien aufgenommen und produzieren lassen. Wie habt ihr euren Produzenten gefunden? Und warum habt ihr ihn ausgesucht?

SHAMGAR:
Unser vorheriges Album wurde schon vor fünf Jahren veröffentlicht und wir dachten, dass unsere neuen Songs zu gut sind, um sie einfach in einem typisch niederländischen Studio aufzunehmen, wo die Leute wenig Ahnung von Metal haben. Wir wollten das Beste, was die Szene zu bieten hat, also haben wir verschiedene Studios in anderen Länder ausgelotet. Einige unserer Lieblingsalben wurden von Jens Borgen von Fascitation Street produziert, aber wir haben gefürchtet, er sei zu teuer. Und so haben wir uns nach etwas anderem umgesehen, haben aber nicht gefunden, was wir gesucht haben. Also habe ich beschlossen, Jens zu kontaktieren. Und obwohl er tatsächlich recht teuer ist, war es in unserem Fall dann doch machbar. Wir haben einfach woanders aufgenommen und Jens dann das Mixing und Mastering machen lassen.

Dennoch braucht ein gutes Mixing/Mastering gute und tighte Aufnahmen als Ausgangspunkt, also fragten wir Jens nach Empfehlungen. Er schlug dann Johan Örnburg vor, der im Studio Mega bei Varberg (Schweden) arbeitet, da er schon einige Male mit ihm gearbeitet hatte. Wir haben Johan also kontaktiert und er freute sich sehr darauf, mit uns aufzunehmen. Als wir bei ihm aufnahmen, haben wir erkannt, dass er sehr talentiert im Bereich Producing und Engineering ist und wir fühlten uns sehr geehrt, dass wir mit ihm aufnehmen durften. Wir hoffen, mit ihm weiterhin zusammenarbeiten zu können.

Markus:
Wie ist das Songwriting in der Band organisier? Präsentiert einer von euch einen fertigen Song oder entwickeln sich die Songs bei den Proben?

SHAMGAR:
Im Allgemeinen kommt einer mit einem fast fertigen Song in die Probe. Wir haben einmal versucht, Songs während der Probe von Beginn an zu entwickeln. Jene Songs hatten aber oft keine Struktur und wurden eine Ansammlung zufälliger Riffs. Also sind wir wieder zurück zu unserem alten Ansatz, dass einer von uns (oft bin das ich) einen Großteil des Songs schreibt und ihn den anderen präsentiert, wenn er fertig ist oder wenn er nicht weiß, wie er fertig werden kann. Es ist sehr oft der Fall, dass wir beim Spielen dieser halbfertigen Songs neue Ideen bekommen.

Markus:
Du hast die meisten Texte auf dem neuen Album geschrieben. Einige davon sind sehr persönlich. Meine Favoriten sind 'Forsaken' und 'Desolate'. Was ist der Hintergrund dieser beiden Songs?

SHAMGAR:
Vor einigen Jahren versank ich mehr und mehr in tiefe Depressionen - aus verschiedenen Gründen. Ich war sehr fokusiert auf jene Dinge, die nicht gut liefen oder nicht so, wie ich das wollte, sodass ich immer tiefer und tiefer in Depressionen versank. Ich hab begonnen, mich selbst zu hassen und habe mir Dinge angewöhnt die meiner physischen und mentalen Gesundheit sehr geschadet haben. Das führte dazu, dass ich mich selbst noch mehr gehasst habe und noch mehr Dinge tat, die destruktiv für mich waren. Es war eine sich herabwindende Spirale. Ich war gefangen, und ab einem gewissen Punkt wusste ich selbst nicht, warum. Ich fühlte mich verloren in dem Wald meiner eigenen Emotionen und Sorgen. Ich hatte dann ein kurzes Aufleben als die Dinge besser liefen. Dann wurde ich aber wieder zurückgeschlagen als neue Schwierigkeiten aufkamen und ich wieder in alte Verhaltensmuster verfiel. Ich glaubte daran, dass ich im Leben versagt habe und ich wollte mein Leben nur noch schnell beenden.

Aber eine gewisse Erkenntnis, die sich tief in mein Gewissen eingegraben hatte, hielt mich davon ab, mir das Leben zu nehmen - bis ich an einem Punkt angelangt war, wo selbst das mich nicht mehr davon abhielt.

Dann setzten sich aber einige Ereignisse in Bewegung, die mir erlaubten, mich mit anderen Augen zu sehen und Stück für Stück verschwand der Hass gegen meiner selbst. Und obwohl einige Dinge, die zu den Depressionen geführt hatten, immer noch nicht gelöst sind, sind diese nun nicht mehr wichtig genug, als dass ich mich dafür hassen würde.

Die Texte von 'Forsaken' und 'Desolate' und von einigen anderen Songs basieren auf auf diesem Prozess, den ich durchwandern musste.

Markus:
Der Viking Metal ist gerade sehr erfolgreich, die Metal-Kids fahren ziemlich darauf ab. Du hast SLECHTVALK 1999 gegründet, als sich noch keiner um melodischen Black Metal mit Folk-Einflüssen gekümmert hat. Wie betrachtest du den gegenwärtigen Folk Black Metal? Siehst du SLECHTVALK als Teil der modernen Pagan-Szene?

SHAMGAR:
Der Viking und Pagan Metal ist in der Tat sehr populär geworden. Es gibt inzwischen so viele Bands, dass es schwer ist, die eine von der anderen zu unterscheiden. Nach der Veröffentlichung von "At The Dawn Of War" hatten wir einige Songs geschrieben, die mehr in die Folk/Viking Richtung gingen. Aber wir wollten nicht eine der vielen Folk/Viking-Bands werden. Und meine Depressionen sorgten dafür, dass mir die fröhlichen Folk-Melodien fremd wurden. Also beschlossen wir, zu unseren Wurzeln im Black Metal zurückzukommen und änderten den Kurs, den SLECHTVALK einschlug hin zu einem grimmigen Black Metal mit einem Viking-Einschlag. Ich denke, dass SLECHTVALK irgendwo in der Grauzone zwischen Black Metal und Viking/Pagan Metal liegt. Wir sind zu sehr Viking für Black Metal, aber verglichen mit den normalen Viking-Bands tendieren wir dazu, das Publikum mit unserer schnellen, aggressiven Brutalität zu begeistern.

Markus:
Wie bist du zur harten Musik gekommen? Wie bist du in die Black/Death-Szene gelangt?

SHAMGAR:
Als ich Jugendlicher habe ich verschiedene Musikstile gehört, um einen Stil zu finden, der mich wirklich ansprach. Ich kam zum Metal, als ich METALLICAs "And Justice For All" gehört hatte. Dann fing ich an, Death Metal zu hören - DEATH, OBITUARY, SIX FEED UNDER und weitere. Auch Doom Metal wie PARADISE LOST und MY DYING BRIDE und Metalcore wie MACHINEHEAD und MERAUDER. Nach einigen Jahren habe ich Black Metal entdeckt und seitdem ist es mein bevorzugter Metalstil, auch wenn melodischer Death Metal wie HYPOCRISY und natürlich DEATH auch meine musikalischen Vorlieben bedient. Und ich muss gestehen, dass ich in neuerer Zeit eher Death Metal als Black Metal höre. Das liegt aber auch zum großen Teil daran, dass sich der traditionelle Black Metal über die Jahre nicht großartig verändert hat. Ich mochte schon immer eher die Vielschichtigkeit.

Markus:
Hörst du persönlich auch Black Metal? Welche Black-Metal-Bands hörst du am liebsten?

SHAMGAR
Heutzutage höre ich nicht mehr so viel wie noch vor etwa fünf Jahren, weil ich auch sehr oft die Stille genieße. Über lange Zeit hinweg habe ich viel DARK FUNERAL gehört, obgleich ich ihre eindimensionalen Texte satt habe. Und jedes ihrer neuen Alben fing an, genauso wie die alten zu klingen. Ich mag heute IMMORTAL sehr, im Wesentlichen wegen ihres übertriebenen Images, ARCTURURS, die Pre-VINTERSORG-Ära von BORKNAGAR und VREID. Meine All-Time-Favorites sind aber immer noch DAWN wegen ihres epischen Riffings. Andere Bands jenseits der Blacks, die ich häufiger höre, sind MANEGRAM, AMON AMARTH, EMPYRIUM und DREAM THEATER.

Markus:
Lass und etwas zurückblicken auf deine erste Ein-Mann-Demo "Falconry". Ich habe irgendwas über 80 Euro für die Scheibe bezahlt, da sie sehr selten ist und zu hohen Preisen gehandelt wird. Was denkst du darüber?

SHAMGAR:
Wow, 80 Euro ist echt viel. Ich nehme das als ein großes Kompliment, dass jemand so viel Geld dafür ausgibt, und ich hoffe, dass du das Gefühl hast, dass es den Preis wert ist. Ich bin aber selbst nicht wirklich ein Sammler. Wenn eine CD nicht mehr erhältlich ist, kaufe ich einfach etwas anderes.

Markus:
Was hat dich dazu gebracht, nach deinem Demo eine echte Band mit einem festen Lineup zu gründen?

SHAMGAR:
Nach einigen gescheiterten Versuchen mit einer Band hatte ich beschlossen, "Falconry" alleine aufzunehmen. Wegen der guten Rezeption von "Falconry" wurde es dann auch wesentlich einfacher, eine volle Besetzung zu bekommen. Ich genieße es, Musik zu machen und Leute zu unterhalten. Ich wollte immer, dass SLECHTVALK eine volle Band und weniger ein Ein-Mann-Projekt ist.

Slechtvalk

Markus:
Eure Bühnenauftritte sind immer sehr eindrucksvoll. Wo habt ihr diese Kostüme her und was wollt ihr mit diesem Auftreten erreichen?

SHAMGAR:
Unsere erste Show war ein Experiment vor erlesenem Publikum. Wir taten dort nichts Besonderes, nur schwarze Kleidung und keine Bemalung. Als ich dann die Fotos sah, schaute alles ein wenig ausdruckslos aus. Also fing ich an, über die Showelemente nachzudenken - etwas, das mir schon immer sehr gefallen hatte, wenn ich andere Bands sah. Ich kam auf die Idee mit dem mittelalterlichen Aussehen zusammen mit grüner Kriegsbemalung, inspiriert von Braveheart. Und so ist es bis heute. Natürlich haben wir über die Jahre hinweg unsere Performance und unser Aussehen immer wieder verändert, etwa mehr Schlamm und Blut für einen roheren Look. Die derzeitigen Kostüme haben wir selbst gemacht, auch wenn wir bei den früheren Kostümen etwas Hilfe von Aukjes Atelier hatten. Das ist die Firma eines Freundes, die mittelalterliche Kleidung herstellt.

Markus:
Sind irgendwelche Touren oder Festivals in der Planung?

SHAMGAR:
Mit dem Verzug des neuen Albums von April auf Juli gibt es dieses Jahr keine Sommer-Festivals mit uns. Wir hatten einige Schwierigkeiten, an Auftritte zu kommen. Wir denken, der Hauptgrund dafür ist, dass unser vorheriges Album vor fünf Jahren erschienen ist. Die Leute wollen einfach zuerst unser Album hören. Wir sind uns aber sicher, dass sich das in den nächsten paar Monaten ändern wird!

Markus:
Vielen Dank für das Interview!

Redakteur:
Markus Herhoffer

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