JULIANA THEORY, THE: Interview mit Brett Detar
08.01.2006 | 22:00Das aktuelle Album von THE JULIANA THEORY "Deadbeat Sweetheartbeat" ist ein feines Album im Spannungsfeld aus Indie Rock und Emo, das eine stattliche Anzahl an Hits zu bieten hat. Und auch wenn die Jungs in Europa ein Newcomer-Act sind, können sie in den USA auf einige Split-Singles, eine EP sowie drei Alben und einen Majordeal zurückblicken. Gründe genug, bei Sänger, Gitarrist und Texter Brett Detar (auf dem Bandfoto ganz rechts - Anm. d. Verf.) nachzuhorchen, wie es so weit kommen konnte, warum seine Band uns so lange vorenthalten blieb, und wieso Plattenfirmen der Feind sind.
Oliver:
Blenden wir zunächst etwas zurück in die Vergangenheit, genauer gesagt bis an den Anfang des Jahres 2003 und zum direkten Vorgänger "Love". Wo siehst du die musikalischen Hauptunterschiede zwischen dieser Platte und "Deadbeat Sweetheartbeat"?
Brett:
"Deadbeat Sweetheartbeat" ist ein wesentlich schnelleres Album. Die Songs haben insgesamt eine viel größere Dringlichkeit und das Tempo ist einfach viel höher. "Love" war überwiegend im Midtempo. Die neue Platte ist ebenfalls viel stromlinienförmiger, es gibt weniger Songs und die Gesamtlauflänge ist kürzer. Ich denke, dass "Deadbeat Sweetheartbeat" in sich wesentlich geschlossener und zusammenhängender ist. "Love" hatte einige Songs, die besser weggelassen worden wären. Dieses Mal haben wir den Fehler nicht wieder gemacht.
Oliver:
Wenn man sich die Artworks beider Platten betrachtet, fällt auf, dass diese im genauen Gegensatz zum Titel stehen. "Liebe" ist ein äußerst positiver Begriff, das Cover der Platte ist jedoch fast komplett in schwarz gehalten. Bei der aktuellen Scheibe ist es genau umgekehrt. Steckt ein tieferer Sinn dahinter oder ist das Zufall?
Brett:
Es gab bei beiden Layouts ein komplettes Thema. "Love" hatte eine sehr eindeutige Botschaft, die wir durch das Artwork auszudrücken versuchten. Es gab den Ansatz, zum Kern der Dinge des Lebens vorzudringen - all jene Dinge, die, so sie einmal verschwänden, nur noch "Liebe" und einen "Mangel an Liebe" übrig lassen würden. Hinter dem "Deadbeat Sweetheartbeat"-Paket steckt ebenfalls ein übergreifendes Thema, was jedoch ein bisschen hintergründiger ist.
Oliver:
Das klingt ja sehr nach dem Gedanken der Nächstenliebe. Würdest du so weit gehen, zu sagen, dass ihr eine christliche Band seid bzw. hat der christliche Glaube irgendeine Bedeutung für euch? Eure ersten beiden Alben "Understand This Is A Dream" (1999) und "Emotion Is Dead" (2000) wurden ja beispielsweise sogar über das christliche Rocklabel Tooth & Nail veröffentlicht.
Brett:
Die Band hatte noch nie eine spirituelle Agenda. Wenn es um Themengebiete wie Glaube geht, haben wir alle unterschiedliche Auffassungen. Es gibt sowohl Christen und Juden als auch Agnostiker in der Band. (Agnostiker = eine Person, die unter rationalen Gesichtspunkten die Existenz Gottes zwar verneint, aber nicht grundsätzlich die Existenz von Wesen, die über die reine Wahrnehmung hinausgehen, ausschließt. - Anm. d. Verf.)
Oliver:
Ihr wart mit der Arbeit eurer damaligen Plattenfirma, die sich um die Belange des "Love"-Albums kümmern sollte, alles andere als zufrieden. Hatten diese Businessprobleme irgendeinen Einfluss auf euch oder eure Band?
Brett:
Ja, alles, was mit unserer Band passiert oder sich um sie herum abspielt, wirkt sich auch auf die eine oder andere Art und Weise auf uns aus. Ich würde aber ehrlicherweise nicht sagen, dass wir Businessprobleme hatten - wir hatten damals einfach keine gute Zeit mit unserer Plattenfirma. Wir unterschrieben bei Epic, und ein paar Tage später hatten sie uns auch schon wieder vergessen. Als sie den Kampf um uns einmal gewonnen hatten, waren wir für sie im wahrsten Sinne des Wortes unwichtig. Wir mussten beim Label um jede Kleinigkeit kämpfen. Nachdem das Album dann einige Zeit draußen war, haben wir sie aus freien Stücken verlassen. Es war für uns die einzige Möglichkeit. Wir wollten es einfach alleine versuchen und die Kontrolle über unsere Karriere bekommen.
Oliver:
Seid ihr heute vielleicht entspannter oder eher noch vorsichtiger, was Plattenfirmen betrifft?
Brett:
Ich bin niemals entspannt, wenn es um Plattenfirmen geht. Labels und die Politik, die sie umgibt, sind der Fluch unserer Existenz. Wenn wir zu einem früheren Zeitpunkt eine gute neue "Heimat" gefunden hätten, eine, welche die Dinge, die für unsere Band zu tun sind, in einer angemessenen Geschwindigkeit erledigt, kann ich dir fast garantieren, dass wir um einiges erfolgreicher wären, als wir es jetzt sind.
Oliver:
Nach all diesen Querelen, die euch behindert oder gar aufgehalten haben: Könnte man sagen, dass nun, da alles seinen geregelten Gang geht, eine Art Aufbruchstimmung in eurer Band herrscht?
Brett:
Die Stimmung in unserer Band ist "Verzweiflung". Ich sagte eingangs, dass dieses Album von Dringlichkeit geprägt ist, und das meine ich absolut ernst. Wir kämpfen mit allem, was in uns steckt, ums Überleben und um den Weg an die Spitze. So gehen wir bereits seit Jahren vor.
Oliver:
Lass uns kurz über die Texte des aktuellen Albums sprechen. Viele der Lyrics handeln vom Thema Abschied. Gibt es für dich eine "gute" und eine "schlechte" Art Lebewohl zu sagen?
Brett:
Ich bin nicht sicher, ob ich das so allgemein beantworten kann. Ich weiß, dass speziell die Texte für dieses Album "Goodbye" sagen sollten, und zwar ohne jeden Anflug von Traurigkeit. Ich wollte mit einem starken Gefühl der Befreiung Lebewohl sagen. Es gibt bei diesen Abschieden kein Bedauern. Das ist es, wovon die Platte handelt.
Oliver:
Könntest du drei deiner Lieblings-"Goodbye"-Alben nennen?
Brett:
ELLIOTT SMITH - "From A Basement On The Hill", JOHNNY CASH - "The Man Comes Around" und QUEENS OF THE STONE AGE - "Lullabies To Paralyze"
Oliver:
Gibt es für dich einen Song auf dem aktuellen Album, der sowohl musikalisch als auch textlich die Essenz eurer Band darstellt?
Brett:
Falls ich einen einzigen Song nennen müsste, der unsere Band mit all ihren verschiedenen Facetten repräsentiert, würde ich den Opener 'This Is A Lovesong For The Loveless' wählen.
Oliver:
Zum Schluss möchte ich noch kurz auf eure anstehende Europatour zu sprechen kommen, die euch auch erstmals nach Deutschland führen wird (bei Erscheinen dieses Interviews hat die Rundreise bereits begonnen - Anm. d. Verf.). Sag uns doch mal, warum niemand eure Shows verpassen sollte?
Brett:
Wir werden einen guten Querschnitt unserer Alben und der EP spielen. Wir nehmen unsere Liveshows sehr ernst, haben aber gleichzeitig eine gute Zeit auf der Bühne. Jeder sollte also vorbeischauen und diese gute Zeit mit uns zusammen haben.
Oliver:
Ist Europa eigentlich tendenziell ein guter Markt für euch? Ihr wart hier bisher ja nicht gerade überpräsent.
Brett:
Weiß du was? Ich kann die Frage im Moment noch gar nicht beantworten, aber ich freue mich darauf, es herauszufinden. Unserer Platte ist GERADE erst in Europa erschienen (Deutschland-Release war am 18.11.2005 - Anm. d. Verf.), und es ist tatsächlich die erste vernünftige Veröffentlichung, die wir hier drüben hatten. Aber wir haben immer darauf gewartet und auch hingearbeitet, unsere Platten in Europa herauszubringen. Das war immer schon eine unserer Prioritäten, aber wir wurden in dieser Beziehung von unseren Plattenfirmen jedes Mal hängen gelassen. Wir sind vor ein paar Jahren mal in Großbritannien getourt, und es war unglaublich. Die Leute haben bei jedem Song mitgesungen, obwohl nicht eine unserer Platten dort veröffentlicht wurde. Wir hoffen, dass Europa ein guter Markt für uns ist. Und ich denke, wir werden das herausfinden.
Oliver:
Ich danke dir, dass du dir Zeit für meine Fragen genommen hast, und wünsche euch für eure Platte und die Zukunft alles Gute.
Brett:
Ich habe DIR zu danken. Hoffentlich sehen wir uns in Deutschland! (auf Deutsch) Auf Wiedersehen!
- Redakteur:
- Oliver Schneider