KATATONIA: Interview mit Jonas Renkse

05.02.2006 | 18:45

Die begnadeten Düsterpoeten aus Schweden haben soeben mit "The Great Cold Distance" ihr neues Meisterwerk abgeliefert. Mit Mastermind Jonas Renkse sprach ich über das neue Album und die aktuelle Entwicklung der Band hin zu deutlich progressiveren Tönen. Leider war der gute Mann nicht sonderlich gesprächig, aber das ein oder andere interessante Detail konnte ich ihm doch entlocken.

Kilian:
Hi Jonas, wie geht's? Nach drei Jahren habt ihr nun endlich das neue Album draußen. Bist du zufrieden mit dem Resultat oder gibt es etwas, das du verändern würdest?

Jonas Renkse:
Ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Zur Zeit wüsste ich nicht, was man noch verbessern könnte.

Kilian:
Viele Fans wunderten sich, warum ihr das Bandlogo auf dem neuen Cover weggelassen habt. Gibt es einen besonderen Grund dafür, wie etwa der Beginn einer neuen Ära, was den Stil oder das Image angeht?

Jonas Renkse:
Wir haben versucht, das Logo in das Cover einzufügen, aber es hat einfach zu viel Platz eingenommen und somit die Aufmerksamkeit des Betrachters vom wahren Artwork abgelenkt. Ich denke, wir werden das Logo in Zukunft wieder benutzen, aber zur Zeit kann ich nicht verstehen, wieso es darum so viel Trubel gibt.

Kilian:
Eine andere Sache, die viele Leute erkannt haben, ist, dass ihr vor dem berühmten "ENTOMBED-Kreuz" posiert habt. Wer hatte die Idee für dieses Fotoshooting und was wolltet ihr damit ausdrücken? War es als eine Art Tribut gedacht oder reiner Zufall?

Jonas Renkse:
Es gibt einen großen Friedhof in Stockholm und da wir wussten, dass es dort eine Reihe guter Umgebungen für Bilder dieser Art gibt, wollten wir dorthin gehen und ein paar nette Standorte finden. Das Kreuz ist so eindrucksvoll, dass wir nicht verhindern konnten, ein paar Bilder davon zu machen. Ich sehe es als Tribut, es würde ja auch keinen Sinn machen, zu sagen, dass wir nichts von ENTOMBED wussten, oder?

Kilian:
Dann lass uns mal zu "The Great Cold Distance" kommen. Was wolltet ihr mit dem Albumtitel aussagen? Für mich und die meisten Fans ist diese "great cold distance" wohl die Zeit zwischen zwei KATATONIA-Alben, aber das habt ihr sicherlich nicht gemeint.

Jonas Renkse:
Naja, es gab schon eine gewisse Distanz zwischen "Viva Emptiness" und dem neuen Album, aber für mich repräsentiert der Titel die Distanz, die die meisten von uns zu einander wahren; eine Art Entfremdung oder Isolation. Es fühlt sich manchmal wie eine gute Idee an, einfach wegzubleiben, um nicht verletzt zu werden.

Kilian:
"Viva Emptiness" war der Beginn einer neuen Ausrichtung für euch als Band. Es führte zu komplexeren und moderneren Songs. Aber wenn man dies mit eurem neuen Material vergleicht, bekommt man den Eindruck, als wolltet ihr weg von den harmonischen Melancholie-Songs. Ihr klingt jetzt noch mal deutlich progressiver und vor allem sehr viel härter. Zusätzlich gibt es einige Experimente wie etwa elektronische Spielereien oder mit dem Gesang. Was war denn das Ziel, was ihr mit dem Album erreichen wolltet?

Jonas Renkse:
Eigentlich wollten wir uns hauptsächlich verbessern. Wir wussten, dass "Viva Emptiness" nur schwer zu toppen sein würde. Also konnten wir nur versuchen, noch bessere Songs zu schreiben, noch härter im Studio zu arbeiten und uns 150% auf unsere Leistung zu konzentrieren. Wir lieben die Herausforderung. Das nächste Album wird wahrscheinlich noch schwerer zu schreiben sein, und das ist genau richtig so. Es gibt keinen Grund, eine Band zu haben, wenn man auf Nummer sicher spielen will.

Kilian:
Ein Aspekt, der zu dieser heftigen und teilweise aggressiven Atmosphäre des Albums führt, ist die Verwendung von Grunt Vocals, beispielsweise in 'Leaders' oder 'July'. Ihr habt das schon auf dem letzten Album begonnen, aber diesmal ist es noch wesentlich effektiver, finde ich. Außerdem habt ihr mit dem normalen Gesang experimentiert, z.B. in 'The Itch'. Hattet ihr vorher schon konkrete Pläne dafür oder ist das quasi als eine Art Jamsession entstanden?

Jonas Renkse:
Ja, die meisten Gesangsexperimente sind spontan im Studio entstanden. Ich hatte zwar die meisten Gesangslinien schon fertig, aber die Studioumgebung ist passender, um verschiedene Sachen auszuprobieren. Die Hauptkonzentration lag aber trotzdem natürlich darauf, sich beim Gesang zu verbessern.

Kilian:
Lass uns über die Texte sprechen. Sie scheinen persönlicher als in der Vergangenheit zu sein, besonders bei 'My Twin' und 'July'. Verarbeitest du darin persönliche Erfahrungen oder ist das reine Fiktion? Was ist denn der generelle Hintergedanke hinter den neuen Texten?

Jonas Renkse:
Einige Songs gehen tatsächlich zurück in die persönlichere Phase vor "Viva Emptiness", aber die meisten sind wieder recht abstrakt. Ich muss mich auch als Texter entwickeln. Alles, über das ich schreibe, ist auf eine Art persönlich. Dieses Mal habe ich viel über Unterdrückung nachgedacht, ein faszinierendes Themenfeld. Etwa zu sehen, wie einige Wenige das Leben von so vielen diktieren können usw.

Kilian:
Das Cover zeigt ein sehr minimalistisches, aber doch depressives und verzweifeltes Bild. Ihr habt wieder mit Travis Smith zusammen gearbeitet. Habt ihr ihm irgendwelche Vorgaben gemacht, oder hat er einfach die Songs gehört und seine eigene Interpretation skizziert? Außerdem habt ihr zum ersten mal ein rotes Cover, was war die Intention dafür?

Jonas Renkse:
Wir haben Trav gesagt, dass wir diesmal eine andere Herangehensweise als sonst wollten, weg von den extrem gelayerten Sachen. Rot steht für Propaganda und Kälte.

Kilian:
Ein neues Album braucht meistens eine Tour zur Promotion. Wie sehen eure Pläne aus, wird es eine große Europa-Tour dieses Jahr geben?

Jonas Renkse:
Es sieht so aus, als würden wir zwei Europatourneen machen, aber noch ist nichts fest, wir sind gerade noch dabei, alles klar zu machen.

Kilian:
Du scheinst ja sehr viele musikalische Einflüsse zu haben. Welche Scheiben hast du in letzter Zeit gehört und was waren deine Lieblingsalben 2005?

Jonas Renkse:
Ich habe in letzter Zeit nicht viel Musik gehört, ehrlich gesagt. Aber das Album "Snow Borne Sorrow" von den NINE HORSES hat sich seit Monaten in meinem CD-Player festgesetzt. Wahrscheinlich das beste Album aus 2005. Außerdem gefielen mir ANTONY & THE JOHNSONS – "I Am A Bird Now", OPETH – "Ghost Reveries" und NILE – "Annihilation Of The Wicked".

Kilian:
Die Single "My Twin" macht schon vorab heiß auf das Album, wird es denn auch genug Bonus-Material geben, um die Fans zufrieden zu stellen, die sich trotzdem das Album kaufen?

Jonas Renkse:
Die Single wird einen Remix von 'My Twin' haben und zwei Songs, die nicht auf dem Album sind. Ich schätze, das dürfte reichen.

Kilian:
"The Great Cold Distance" wird als limitierte Edition und als Standard-Album herausgebracht. Kannst du mir etwas über die Unterschiede zwischen den beiden Versionen sagen?

Jonas Renkse:
Die Special Edition wird als Box mit Videoclip erscheinen und einigen coolen Extras wie Postkarten und einem Poster. Kauft sie!

Kilian:
Ihr seid immer noch bei Peaceville Records, seit nunmehr fast acht Jahren. Gab es Angebote von größeren Firmen? Eure Kumpels von OPETH beispielsweise haben ja kürzlich bei Roadrunner unterschrieben, was ihnen sicher helfen wird, in den USA an Popularität zu gewinnen. Habt ihr Ambitionen, die USA zu "erobern", denn ihr scheint dort eine große Anzahl an Fans zu haben, wenn man mal in euer offizielles Forum schaut?

Jonas Renkse:
Wir haben von Zeit zu Zeit Angebote, aber wir haben einen Vertrag über fünf Alben mit Peaceville. Wenn der Vertrag ausläuft, werden wir sehen, was kommt. Wir würden liebend gerne in den USA touren, aber das ist eine teure Angelegenheit, vor allem, da wir dort kein Label haben.

Kilian:
Okay, das wars auch schon. Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg mit dem neuen Album.

Jonas Renkse:
Es war mir ein Vergnügen, danke für deine Zeit und dein Interesse.

Redakteur:
Kilian Fried

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