KINGS OF MERCIA: Interview mit Jim Matheos
22.09.2022 | 11:58Jim Matheos ist zurück. Knappe zwei Jahre nach dem letzten FATES WARNING-Album "Long Day Good Night" spricht der von vielen Fans als Prog-Gott verehrte Mann über sein neues Album mit KINGS OF MERCIA, aber auch über FATES WARNING.
Mit Jim Matheos läuft ein Interview auch heute noch klassisch via Telefon und nicht wie mittlerweile üblich via Skype, Zoom oder anderen Diensten. Nach kleineren Anlaufschwierigkeiten kann das Gespräch dann auch losgehen. Wir konzentrieren uns zuerst auf die KINGS OF MERCIA. Es stellt sich natürlich die Frage, wie er die Zusammenarbeit mit Steve Overland sieht. Ist es eher ein einmaliges Projekt oder eine echte Band? "Nun, wenn man ein Projekt als etwas Einmaliges betrachtet und eine Band etwas, wo man mehrere Alben macht und auch auf Tour geht, dann ist KINGS OF MERCIA wohl eher eine Band", antwortet Jim und erläutert: "Ich arbeite bereits an Songs zu einem zweiten Album. Ich denke also schon, dass es das geben wird. Wenn sich die Möglichkeit ergibt, werden wir auch live spielen, aber das ist im Augenblick ja doch sehr schwierig für eine völlig unbekannte Band. Oft lohnt sich bei solchen Clubtourneen die gesamte Tour schon nicht mehr, wenn nur ein einzelner Gig ausfällt. Leider gibt es derzeit viele Gründe, warum das passieren kann. Da ist CoVid auf der einen Seite, wo man als Musiker, der Kontakt zu vielen Menschen in geschlossen Räumen hat, natürlich ein erhöhtes Risiko hat. Selbst wenn man selbst gesund bleibt, kann es immer noch Restriktionen durch Regierungen geben, die es schwierig machen. Da muss man abwarten, was der Herbst und Winter bringt. Dazu kommt noch die weltweite Wirtschaftskrise und dass die Leute einfach schauen müssen, wofür sie ihr Geld ausgeben. Da sind geringere Auslastungen der Venues natürlich wahrscheinlich und entsprechend kann das Risiko für Veranstalter zu groß sein, um den Gig überhaupt durchzuführen. Aus diesem Grund haben wir auch noch keine Auftritte geplant. Weder hier in den Staaten noch in Europa, es ist einfach zu unvorhersehbar und wir wollen auch nicht zu den Bands gehören, die viermal ihre Tour verschieben müssen." Eine sehr sachliche Analyse der derzeitigen Situation.
Mit Steve Overland hat Jim vorher noch nicht zusammengearbeitet. Jim erklärt, wie es nun dazu kam. "Nun, als ich anfing die Songs zu schreiben, hatte ich eine lange Liste von potentiellen Sängern im Kopf. Bei einigen wusste ich vorher bereits, dass das illusorisch ist, bei anderen, dass es aufgrund der eigenen Projekte zumindest schwierig werden würde. Ich hatte aber schon gedacht, dass zumindest einer von der Liste verfügbar ist. Doch es kam, wie es kommen musste und niemand hatte Zeit oder Interesse. Ein Freund von mir schlug mir dann Steve vor. Ich kenne zwar die FM-Alben aus den Achtzigern, aber ich muss zugeben, dass ich die Band und seine Karriere gar nicht weiter verfolgt habe. Ich hörte mir dann neuere FM- und OVERLAND-Sachen an und war absolut begeistert. Seine Stimme hatte nichts von ihrer Kraft und ihrem Charisma verloren. Er passte einfach ideal zu dem Material, das ja schon mehr in Richtung Hard Rock und AOR schielt. Zu meiner großen Freude mochte er die Songs sehr gern und hatte auch gleich eigene Ideen zu Lyrics. Es fühlte sich an wie gesucht und gefunden. Es macht wirklich viel Spaß mit Steve zu arbeiten."
Jim hat bereits angedeutet, dass Steve Overland für die Texte verantwortlich war. Wären sie von Jim, hätten Songtitel wie 'Sweet Revenge' oder 'Liberate Me' oder auch die Texte von 'Is It Right?' und 'Your Life' auch merkwürdig in Richtung FATES WARNING interpretiert werden können. "Oh Gott, nein. Steve hat alle Texte geschrieben, darüber war ich sehr froh. Ich kann dir da auch gar nicht viel drüber sagen, denn das war einfach sein Metier. Ob das jetzt eher allgemein gehalten oder doch sehr persönlich für ihn ist, könnte ich jetzt nicht beantworten. Klar ist aber, dass mit den FATES WARNING-Jungs alles in Ordnung ist. Ich habe vorhin erst mit ihnen telefoniert, wir sind alle Freunde, da gibt es überhaupt kein böses Blut oder so etwas. Wir haben vorhin auch noch einmal gesprochen, weil wir ja "Long Day Good Night" nicht betouren konnten, aber selbst für FATES WARNING ist das unter den vorhin schon angesprochenen Umständen derzeit einfach nicht sinnvoll."
Bleibt natürlich die Frage, ob es noch eine Zukunft für FATES WARNING gibt? "Nun, ich habe mich ganz bewusst dazu entschieden, diese Frage eher vage zu beantworten. Es ist einfach so, dass ich im Augenblick kein Prog-Album mehr in mir habe und ich kann mir gerade auch nicht vorstellen, dass sich das ändert. Auf der anderen Seite war ich schon einmal in einer ähnlichen Situation und dann ist es eben doch wieder passiert. Klar ist, dass, wenn ich wieder ein Prog-Album mache, das mit FATES WARNING sein wird, denn es sind einfach sehr gute Freunde und die perfekten Musiker dafür. Nur ob das passieren wird, kann ich einfach nicht sagen", erklärt Jim. Dies gilt ebenso für eine weitere Zusammenarbeit mit John Arch. "Ja, absolut. Ich denke, das ist vielleicht sogar noch unwahrscheinlicher. Ausschließen möchte ich aber nichts." Fans dürfen also Hoffnung und Optimismus wahren.
Wer bei KINGS OF MERCIA ein Prog-Album erwartet, wird also ziemlich sicher enttäuscht werden. "Ja, das ist so. Ich wollte straightere Rocksongs schreiben, die ihre Inspiration auch von den klassischen Rockbands der Siebziger und Achtziger beziehen. Ein Song wie 'Everyday Angels' ist eine echte AOR-Ballade, die ich schon vor vielen Jahren geschrieben habe, die aber nie zu FATES WARNING oder gar OSI gepasst hat und so blieb sie immer in der Schublade. Als ich dann anfing mit Steve zu arbeiten, wusste ich, dass jetzt die Zeit für den Song gekommen ist."
Das unter dem Banner A-Z firmierende Album von Ray Alder und Mark Zonder ist nur wenige Wochen vor KINGS OF MERCIA erschienen und natürlich wird es da vor Vergleichen nur so wimmeln. "Ja, ich denke, das hat das Label am Ende auch durchaus bewusst so getimt, weil so natürlich die eine Platte die andere auch immer ein wenig bewirbt. Sie hatten eben das Glück, dass beide Alben fast zur gleichen Zeit fertig wurden. Es ist natürlich schon auch spannend, dass Ray und Mark in eine ganz ähnliche Richtung gegangen sind wie ich. Ich denke, "A-Z" ist insgesamt etwas härter, aber auch hier ist es eher kompakter Hard Rock und recht weit weg von FATES WARNING oder REDEMPTION, so dass Ray hier auch andere Facetten seiner Stimme zeigen kann. Ich finde, es ist ein exzellentes Album geworden", schließt Jim. Selbiges darf man auch über KINGS OF MERCIA sagen.
- Redakteur:
- Peter Kubaschk