LACUNA COIL: Interview mit Andrea Ferro

01.01.1970 | 01:00

LACUNA COIL haben ja mit ihrem letzten Album "Unleashed Memories" einen Volltreffer gelandet und sind hierzulande richtig gut damit angekommen. Der Auftritt bei der Metal Odyssey mit diesen anderen großen Bands (DIMMU BORGIR, IN FLAMES, NEVERMORE) untermauert diesen Erfolg. Ich traf mich vor dem Konzert in Zwickau mit Sänger Andrea Ferro, um mit ihm ein wenig über die Band zu plaudern.
Den kompletten Konzertbericht gibts übrigens unter:
http://www.powermetal.de/konzert/index.php?berichtid=131


Stephan:
Ist es für euch nicht etwas komisch, mit Black bzw. Death Metal Bands (DIMMU BORGIR, IN FLAMES) aufzutreten?

Andrea:
Ja, das ist schon eine ungewohnte Situation auf dieser Tour für uns, weil wir weniger hart und dafür melodischer sind als die anderen Bands. Aber es ist natürlich auch eine tolle Sache, weil wir neue Leute erreichen können und mal vor einem anderen Publikum spielen können. Den Leuten scheint unsere Musik jedenfalls zu gefallen, die Reaktionen sind sehr positiv und wir verkaufen jede Menge Merchandise. Es ist eine gute Möglichkeit, unsere Musik weiter bekannt zu machen.

Stephan:
Zehren die zahlreichen Touren in den letzten zwei Jahren nicht etwas an euren Kräften?

Andrea:
Ja, schon. Aber touren ist immer gut, weil es der einzige Weg ist, bekannter zu werden, neben der Platte selbst natürlich. Also, wir mögen das wirklich. Wir haben ja vor zwanzig Tagen erst eine Tour mit THEATRE OF TRAGEDY über sechs Wochen in ganz Europa beendet. Jetzt haben wir diese Tour und danach spielen wir ein paar Headliner-Gigs in Italien und anschließend die Sommer-Festivals. Aber das ist in Ordnung, weil wir es mögen, live zu spielen.

Stephan:
Das letzte Mal habe ich euch auf der GRIP INC./SAMAEL Tour 1999 gesehen und da wart ihr doch ziemlich zurückhaltend. Geht ihr jetzt selbstbewußter auf der Bühne zu Werke?

Andrea:
Ich denke schon. Wir haben eine Menge gelernt und ich denke, wir präsentieren uns live jetzt um einiges besser als noch vor zwei Jahren. Auf jeder Tour lernt man etwas von den anderen Bands und ich denke, wir sind mittlerweile als Band ziemlich gewachsen.

Stephan:
Was ist dir lieber, touren oder eine Platte aufnehmen?

Andrea:
Ich bevorzuge touren. Aufnehmen ist okay, aber es ist sehr langweilig. Du mußt für eine lange Zeit im Studio hocken und du mußt alles tausendmal machen, damit es perfekt wird.

Stephan:
Ihr habt mit "Senzafine" einen Song mit italienischen Lyrics auf "Unleashed Memories" vertreten, der zweite nach "Un Fantasma Tra Noi".

Andrea:
Ja, "Un Fantasma Tra Noi" war ein Instrumental und nur Titel war halt in italienisch. "Senzafine" ist der erste mit italienischen Lyrics, den wir geschrieben haben.

Stephan:
Und worum gehts bei dem Stück und warum ist es auf italienisch?

Andrea:
Wir haben das gemacht, weil uns jeder gefragt hat: "Warum schreibt ihr nicht mal einen italienischen Song?". Wir hatten das vorher noch nie ausprobiert, sondern immer in englisch gesungen. Da haben wir uns gedacht: "Warum nicht?", weil es eigentlich auch zu den Songs passt. Man muß natürlich einen bestimmten Song finden, der sich dazu eignet, weil die italienische Sprache sehr melodisch ist. Also haben wir es versucht und alle Leute haben es wirklich gemocht. Da sind wir sehr glücklich darüber. Und die Lyrics handeln von der Position, die man in der Gesellschaft hat, wobei es nicht darauf ankommt, ob man etwas Besonderes oder einen ganz normalen Job macht. Was wirklich wichtig ist, ist daß du für die Gesellschaft zählst, auch wenn du nichts Besonderes tust. Das ist das Konzept und es sind sehr komplizierte Lyrics, da sie in italienisch sind, und wir deshalb besonders passende Wörter suchten. Es war ziemlich schwierig, den Song zu verfassen.

Stephan:
Was würdest du als Unterschiede vom aktuellen Album gegenüber dem Vorgänger "In A Reverie" bezeichnen?

Andrea:
Ich denke, das neue Album handelt mehr von Gefühlen und Melancholie. Außerdem haben wir mehr am Sound gefeilt. Ich denke, er ist um einiges besser geworden, wir haben viel bei den Gitarren verändert. Aber ich glaube auch, daß das einfach eine Weiterentwicklung ist, wir haben nicht so viel am Stil verändert, sondern wollten eher abwechslungsreichere Songs machen.

Stephan:
Auf dem Album fällt auf, daß Cristina und du sich besser ergänzen. Habt ihr euch jetzt perfekt aufeinander eingespielt?

Andrea:
Ja, und ich denke, daß wir auch in Zukunft noch besser zusammenarbeiten werden. Wir handhaben das nicht so, daß jeder genau zu 50 Prozent beteiligt sein muß. Wir wollen dem jeweiligen Song das geben, was am Besten dazu passt, egal, ob es nun 50 oder 30 Prozent sind. Ich nehme auch Gesangsunterricht, sodaß meine Stimme auf dem nächsten Album vielleicht auch zu den ruhigen und atmosphärischen Teilen passt. Damit hat man dann viele Alternativen für die Songs und kann besser unterschiedliche Stimmungen erzeugen.

Stephan:
Wie sieht die Rollenaufteilung live aus?

Andrea:
Ich denke, auf der Bühne sind es wohl 50 Prozent. Wir ergänzen uns sehr gut. Wenn sie singt, versuche ich, die Aufmerksamkeit der Leute zu gewinnen, und wenn ich singe, macht sie irgendwelche atmosphärischen Bewegungen, sodaß es eigentlich immer ein Wechselspiel zwischen uns Beiden gibt.

Stephan:
Schreibt jeder von euch seine Lyrics selbst, oder auch für den anderen?

Andrea:
Ja, da gibt es einen Austausch zwischen uns. Manchmal schreibt Cristina die kompletten Texte und ich singe sie oder ich schreibe und sie singt sie. Wer die besseren Ideen oder Texte für die Songs hat, ist wichtig, egal, ob Cristina oder ich.

Stephan:
Was bedeutet eigentlich der Bandname LACUNA COIL?

Andrea:
Wir mußten uns diesen Namen ausdenken, weil wir erst einen anderen hatten, und zwar ETHEREAL. Den hatten aber schon zwei andere Bands, also mußten wir unseren ändern, weil es sonst rechtliche Probleme gegeben hätte. Also haben wir das italienische "Lacuna" mit dem englischen "Coil" verbunden. Die Bedeutung ist so ähnlich wie bei ETHEREAL, etwas Atmosphärisches, übersetzt würde es etwa "leere Spirale" heißen. Es ist sehr abstrakt und hat keine konkrete Bedeutung. Außerdem hat uns der Klang des Namens gefallen. Und es war eine originelle Idee und keine andere Band würde sich diesen Namen ausgesucht haben.

Stephan:
Wie geht man damit um, als die kommenden Metal-Superstars gefeiert zu werden?

Andrea:
(lacht) Ich weiß nicht. Wir schreiben ja nur die Songs und wir sind glücklich mit dem Erfolg, den wir momentan haben. Wir haben innerhalb von zwei Monaten mehr Einheiten von "Unleashed Memories" verkauft, als in zwei Jahren mit dem Vorgänger. Die Band und ihre Bekanntheit wächst, aber man weiß nie, wie das beim nächsten Album aussehen wird. Die Leute können es mögen oder eben nicht, das weiß man vorher nie. Manche Leute denken vielleicht, daß wir den großen Durchbruch schaffen können. Vielleicht, wir wollen es hoffen. (lacht)

Stephan:
Glaubst du, daß ein Teil von LACUNA COIL's Erfolg auf Cristinas Aussehen zurückgeht?

Andrea:
Das ist schon möglich. Heutzutage ist das Image auch ein Teil der Musik, sicherlich mehr als in der Vergangenheit. Aber ich glaube nicht, das jemand eine Platte von uns kauft, nur um Cristina zu sehen. Wenn man nur sie mag, kann man genauso gut auch nur die Bilder aus den Magazinen oder dem Internet nehmen und braucht sein Geld nicht für die Platte auszugeben. Wenn sich jemand unsere Platten kauft, dann mag er auch die Musik, sonst wäre es blödsinnig, sein Geld dafür auszugeben.

Stephan:
Gab es schon unschöne Erlebnisse mit fehlgesteuerten Fans, weil Cristina eine Frau ist?

Andrea:
Nein, auf Festivals in Italien gab es zwar mal einige schmutzige, sexistische Zwischenrufe, aber nicht wirklich schlimm. Das war zwar etwas vulgär, aber trotzdem lustig. Normalerweise bekommt sie Blumen oder Geschenke von Fans, aber nicht wirklich Schlimmes.

Stephan:
Ihr habt ja eigentlich alle bedeutenden Festivals schon durch - Wacken, Dynamo, Gods of Metal - und wart sogar schon in Mexiko. Was war das bisher schönste Erlebnis?

Andrea:
Ich denke, Mexiko war das bisher Beeindruckendste, weil es so anders ist. Ich meine, Festivals sind großartig. Wacken war das Erste, oder auch Dynamo mitten in der Nacht mit den vielen Zuschauern - das waren alles tolle Erlebnisse. Aber Mexiko war ganz anders als die Konzerte in Europa. Die Leute waren viel herzlicher als hier. Das wird schon in unseren Herzen bleiben, aber auch Festivals sind natürlich sehr schön. Wir werden auch dieses Jahr wieder einige Festivals spielen.

Stephan:
Wo würde es euch jetzt noch so richtig reizen zu spielen?

Andrea:
Wir spielen überall. Es ist sowieso jeder Gig unterschiedlich. Du kannst ein tolles Konzert in Deutschland haben, genauso wie in Italien. Es hängt natürlich auch vom Publikum ab. Wenn die Leute eine tolle Einstellung haben, dann ist es großartig da zu spielen. Es ist egal, wo das ist. Mexiko war sicherlich das verrückteste Publikum, aber wir hatten auch schon sehr gute Auftritte in Holland, Deutschland oder wo auch immer.

Stephan:
Habt ihr eigentlich in Italien Bands wie RHAPSODY oder LABYRINTH in puncto Erfolg schon den Rang abgelaufen?

Andrea:
Also die sind sicherlich berühmter als wir. Die spielen ja Power Metal, das zur Zeit das große Ding bei uns in Italien ist. Wir erreichen vielleicht ansatzweise das selbe Level, aber wir verkaufen sicherlich nicht mehr Platten. Besonders RHAPSODY verkaufen ja soviele Platten und sind sicherlich um einiges bekannter als wir.

Stephan:
Gibt es da Konkurrenzkämpfe?

Andrea:
Nein, absolut nicht. Ich kenne sie auch gar nicht persönlich, da ich sie nie getroffen haben. Wir haben Freunde bei LABYRINTH, aber die spielen eine so andere Musik als wir, daß man uns eigentlich nicht vergleichen kann. Ich denke, wir sind nicht in der selben Kategorie.

Stephan:
Was denkst du, wird die Zukunft für LACUNA COIL bringen?

Andrea:
Ich hoffe, viel Glück und etwas Geld, das ist immer gut. (lacht) Ja, wir sind zur Zeit sehr glücklich. Wir werden härter am nächsten Album arbeiten, aber auch nicht zu viel davon erwarten. Wir wollen es aber sehr bald herausbringen und werden vor allem versuchen, daran zu arbeiten, daß es reifer wird. Im Moment erhoffe ich mir einige gute Reaktionen live, weil wir einige Festivals spielen, wo wir hoffentlich auch unseren Spaß haben werden. Man kann sowieso nie vorhersagen, was in der Zukunft passieren wird. Wir werden schon sehen.

Stephan:
Okay, vielen Dank. Hast du noch irgendetwas zu sagen?

Andrea:
Ja, ich will einfach nur Danke sagen. Dir, für das Interview, und den Leuten, die das hier lesen. Ich hoffe, sie genießen unsere Musik. Wir versuchen immer, unser Bestes zu geben.

Redakteur:
Stephan Voigtländer

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