LOST SANCTUARY: Das volle Brett mit Mastermind Dan Baune
13.05.2025 | 22:56Unverhofft kommt oft – und so kamen über verschiedene Ecken LOST SANCTUARY und ich schließlich zusammen und haben dank des Zweitlings "Harbinger Of Chaos" eine Menge Freude miteinander. Doch wie sehr es mir dieses Power-Thrash-Package angetan hat, könnt ihr in meiner entsprechenden Rezension nachlesen. Und da ließ ich es mir natürlich nicht nehmen, mit Mastermind Dan ein kleines Schwätzchen über Album Nummer zwei, die hiesigen Einflüsse auf LOST SANCTUARY und die kommenden Live-Großtaten mit MOTORJESUS zu halten. Und auch das hat sich vollends gelohnt, wie ihr lesen könnt.
Hi Dan – auch an dieser Stelle noch einmal vielen Dank für die Kontaktaufnahme. Doch so oder so wäre ich spätestens dank der Tour mit MOTORJESUS mit euch in Kontakt gekommen, hehe. Wie geht es dir und den Jungs von LOST SANCTUARY?
Uns geht es bestens, danke! Wir sind gerade von unserer kleinen Album-Release-Tour zurück und erholen uns ein wenig vor der nächsten Rutsche mit ONE MACHINE im Juni.
2021 gegründet, habt ihr jetzt euer zweites Album veröffentlicht. Einerseits melodisch und teils auch hymnisch, andererseits voller Kraft und dezent thrashig – liege ich mit meiner Einschätzung richtig? Welche Bands standen für euren Sound Pate, von welchen Größen hat sich LOST SANCTUARY beeinflussen lassen?
Ja genau, sehr gut erkannt. Wir sind eine relativ bunte Mannschaft, hehe, also vor allem, was Einflüsse angeht. Basti (Drums) und ich sind zusammen aufgewachsen. Uns verbindet eine Liebe für sowohl klassischen Heavy Metal und Hardrock, als auch viel härtere Sachen. Wir sind mit DIO, DEEP PURPLE und OZZY aufgewachsen, über MAIDEN und METALLICA aber auch mit ARCH ENEMY und DIMMU BORGIR. Für LOST SANCTUARY stehen wohl aber eher die progressiveren Bands Pate, sowohl wie die eine oder andere US-Power-Metal-Band, allen voran vielleicht NEVERMORE, AVENGED SEVENFOLD und TRIVIUM. Oli (Gitarre) ist eher ein Kind der 80er und sehr im Hardrock und AOR zuhause, aber auch im Power Metal. Jonathan (Bass) kommt tatsächlich aus der Klassik und hat einen eklektischen Geschmack, der auch unter anderem in Richtung Punk und Hardcore geht. Im Großen und Ganzen kann man glaube ich sagen, dass LOST SANCTUARY musikalisch sowohl melodisch als auch sehr hart sein kann, allerdings mit vor allem cleanem und klassischem Heavy-Metal-Gesang, der nur selten mal ins Gutturale abdriftet.
Dan, du warst auch bei MONUMENT aktiv und bist es noch bei u.a. DEVIL'S TRAIN. Wie weit kann man euch denn musikalisch mit den beiden Bands vergleichen?
Mit MONUMENT wohl eher als mit DEVIL'S TRAIN, aber ehrlich gesagt kaum. MONUMENT war eine sehr britisch klingende Band, klassisches NWoBHM-Songwriting im modernen Sound-Gewand. Der Gesang von MONUMENT und der bei LOST SANCTUARY sind vielleicht am ehesten verwandt, obwohl wir bei LOST SANCTUARY da auch eine größere Bandbreite versuchen anzubieten. DEVIL'S TRAIN ist sehr amerikanisch klingender Hardrock, mit viel Southern- und Blues-Rock-Elementen. Hier kann ich als Gitarrist meiner Liebe zu Helden wie Zakk Wylde, Slash, Doug Aldrich oder George Lynch fröhnen, was bei LOST SANCTUARY viel weniger der Fall ist. Ich mag es allgemein, wenn ich bei verschiedenen Bands aktiv bin, dass sich die Stile etwas polar gegenüberstehen. Ich brauche keine zwei Bands, die wie LOST SANCTUARY klingen, aber ich habe eben auch eine reiche Palette an Einflüssen und somit eben auch einen relativ breiten Spiel- und Schreibstil. Da ist es schön, wenn ich für alle meine musikalischen Babys irgendwo ein Zuhause finde!
2021 erschien euer selbstbetiteltes Debüt – und ich fand es total schade, dass ihr inmitten der Coronasituation dies überhaupt nicht vollends genießen konntet. Aber jetzt wird nachgeholt. Wie weit hat sich LOST SANCTUARY denn in dieser Zeit musikalisch entwickelt, was unterscheidet beide Alben denn voneinander?
Danke für dein Mitleid, allerdings war es irgendwo auch Fluch und Segen zugleich. Wir konnten zu der Zeit keine richtige Band zusammenstellen oder live spielen, und mussten vieles "remote" machen, was die Platte betraf. Allerdings half das auch ein interessantes Album mit vielen Gastsängern zu schaffen, was so sonst vielleicht nicht entstanden wäre. Alben sind meiner Meinung nach Schnappschüsse, ein Lebensabschnitt eingefangen und verewigt. Also mit anderen Worten: Es hat so sollen sein. Seitdem ist LOST SANCTUARY allerdings viel mehr zu dem gewachsen, was wir ursprünglich im Sinn hatten: eine richtige Band, wo jeder sich musikalisch ausdrücken und seine Ideen unterbringen kann. Wo musikalisch ein gewisser Konsens herrscht, aber auch Freude an neuen Ideen und am Diskurs. Wo man sich was traut und auch mal Schritte ins Ungewisse wagt. Und vor allem mit einer solideren musikalischen Identität, unabhängig von irgendwelchen Trends im derzeitigen Musik-Business-Dschungel. Auf mich macht "Harbinger Of Chaos" einen extrem homogenen und runden Eindruck, auch als ob ein Konzept dahintersteckt. Verfolgt die Platte denn eine bestimmte Geschichte?
Wir überlegen zwar ab und zu, ob wir eines Tages mal ein Konzeptalbum machen, aber wir sind noch weit davon entfernt! Nein, einen thematischen roten Faden gibt es in dem Sinne nicht, dafür allerdings wohl einen musikalischen. Das Album ist ja auch in einer viel kürzeren Zeit entstanden als das Debüt, da ist der Sound natürlich auch dementsprechend homogener und hat mehr Zusammenhang.
Das Album hat eine unheimlich fesselnde Dynamik – mal melancholisch, mal auflockernd, mal rasant und flott, mal schwer und balladesk, der Abwechslungsreichtum ist enorm. Vor allem der Titeltrack ist eine Hymne, die sich erst einmal setzen muss. Apropos sitzen: Der Herr auf dem Artwork ziert schon zum zweiten Mal euer Album – haben er und sein Pferd auch einen Namen und wie steht er in Verbindung zu den einzelnen Songs der Platte?
Das ist unser Azrael, der "Fallen Angel", der eben auch dieses Mal der "Harbinger Of Chaos", also der Vorbote des Chaos ist. Er ist ein seelisch gepeinigter Unsterblicher, der durch seine vielen Fragen und seine ständige Skepsis im Himmel in Ungnade fällt und zu einem Dasein auf der Erde verdammt wird. Hier versucht er dann sein Bestes zu tun, die Geschicke (und Geschichte) der Menschheit positiv zu beeinflussen, was aber ultimativ nach hinten losgeht, da die Menschen sich trotz seiner guten Absichten irgendwann so oder so gegenseitig ins Jenseits pusten... call it "Human Nature"!
Um kurz auf deine vorherige Frage zurückzuführen: Dieser düstere Engel auf unseren Platten-Covern ist tatsächlich die Ausnahme und kommt hier und da mal in mehreren Songs vor, ansonsten sind unsere Texte mal historisch, mal introspektiv und mal fiktiv, aber immer unabhängig voneinander. ;)
Ich habe bei den Gästen nicht schlecht gestaunt, denn mit Aliki Katriou habt ihr eine tolle Gesangslehrerin sowie mit Martin Kesici eine aus dem TV bekannte Persönlichkeit am Start. Wie kamen denn diese beiden Kollaborationen zustande?
Ja, wild, oder? Also, Aliki ist schon seit vielen Jahren eine sehr gute Freundin der Band. Ich habe die letzten zwei Album ihrer Band EIGHT LIVES DOWN aufgenommen und produziert, und wir haben ihren Beitrag zu 'Lamia's Call' relativ spontan zusammen geschrieben und aufgenommen, als sie zur ihrer letzten Albumaufnahme bei mir im Studio war. Deren neues Album "Fates" ist übrigens auch gerade erschienen, wer Prog- und Death Metal mag, ist hier genau richtig!
Die Verbindung mit Martin enstand tatsächlich so ähnlich. Seine bessere Hälfte, die Liz ScarRed, ist Sängerin bei einer Band namens NUKING MOOSE, die ich auch produziert habe (Melo Death aus Bremen). Über die lernte ich Martin kennen, den ich natürlich auch eher noch aus seinen kommerziellen Hochzeiten kannte. Mir war damals gar nicht bewusst, was für ein großartiger Thrash-Sänger er ist und als ich dann hörte, wie aggressiv er singen kann, kam sofort der Gedanke auf etwas zusammen zu machen. Als wir dann 'Eye Of The Storm' schrieben und im Proberaum ausarbeiteten, mussten wir sofort an Martin denken, da diese groovig-aggressive Thrash-Nummer super zu seiner Stimme passen würde, oder so dachten wir zumindest. Gesagt, getan: Martin kam einen Abend auf ein paar Bier ins Studio und ruck-zuck war das Ding im Kasten. Wir machen so etwas gerne immer spontan und fangen so ein bisschen diese Frische und Kreativität der ersten Takes ein, ohne sich zu viel in Gedanken und Analyse zu verlieren.
Mir gefällt der warme, druckvolle Klang der Scheibe auch unheimlich gut. Mit wem habt ihr hier zusammengearbeitet, wer war für den Sound zuständig?
Das ist alles auf meinen Mist gewachsen. Ich produziere schon seit Jahren und betreibe inzwischen mein eigenes Studio in Norddeutschland. Man kann uns unter "Noise Foundry Productions" auf Facebook finden. Hier haben wir alles aufgenommen, Mix und Master sind auch von mir. Wie du hörst, wir mögen eine organische Produktion, die dennoch modern und fett klingt. Wir sind keine großen Fans dieses sehr modernen digitalen Sounds, mit vielen Gitarren-Sounds aus dem Computer und zig Drum-Samples und so. Wir geben uns gerne an der Quelle mehr Mühe, auch wenn das etwas länger dauert! Ich mag es auch, wenn möglich, die komplette Produktion von vorne bis hinten zu machen oder wenigstens zu begleiten, egal ob bei eigener Musik oder bei meiner Arbeit mit Kunden. Nur so kann man gewährleisten, dass am Ende auch das herauskommt, was man sich ursprünglich dabei gedacht hat und was der Vision entspricht. 'Chasing The Dragon' war der erste Song, den ich von der Scheibe gehört habe, und es war um mich geschehen, haha. Sind Drachen und Metal etwas, was spätestens seit DIO unwiderruflich zusammenpasst?
Haha, absolut! Nein, Spaß bei Seite, DIO ist, finde ich, einer der wenigen, die über Drachen singen können, ohne, dass es gleich kitschig klingt, obwohl ich zugegebenermaßen auch großer HAMMERFALL oder RHAPSODY-Freund bin, haha. In unserem Falle geht es tatsächlich weniger um das mythische Fabelwesen und mehr um den sprichwörtlichen Ausdruck. 'Chasing The Dragon' war ursprünglich ein asiatischer Ausdruck für die Art gewisse Drogen zu nehmen, bei denen man den Dampf (den Drachen) mit einem Röhrchen aus der Luft saugte, weil er sonst zu heiß zum Einatmen wäre. Im übertragenen Sinne geht es also um Sucht, aber nicht nur um Drogen oder Alkohol, sondern Sucht in all seinen Facetten, sei es Ruhm, seien es gewisse toxische zwischenmenschliche Dynamiken, oder auch Selbstmitleid usw.
Wie anfangs schon erwähnt seid ihr bald mit MOTORJESUS auf großer Tour. Wie kam denn der Supportslot zustande und worauf freut ihr euch bei der Tour am meisten?
Die Jungs sind tatsächlich auf uns zugekommen und nicht umgekehrt! Der Chris kennt mich schon seit meiner Schaffenszeit bei MONUMENT und wir finden musikalisch viele Gemeinsamkeiten, teilen unseren Geschmack und tauschen uns aus. Zwischenmenschlich kommen wir und unsere ganzen Bandmitglieder auch super miteinander aus, insofern war es nur eine Frage der Zeit, bis wir mal was zusammen machen. Ich freue mich ungemein, dass es dieses Jahr endlich was wird und bin unendlich dankbar für den Support, den wir durch Chris und seine Mannen erhalten und genießen dürfen!
Und auf was kann ich mich als Zuschauer denn bei einer Show von LOST SANCTUARY freuen? Was erwartet mich?
Das volle Brett. Aber eben das volle Live-Brett. Bei uns gibt es keine Backing-Tracks mit tausend Chören und Orchestern, wir sind einfach vier Jungs, die auf der Bühne Spaß haben und alles geben. Und dann noch eine Schippe oben drauf. Bei uns könnt ihr headbangen, moshen und mitsingen... oder einfach nur entspannt zusehen und in unsere Welt eintauchen. Und bei uns ist jeder, und ich meine wirklich jeder, willkommen!
Ach, ich liebe diese abschließende Frage. Insbesondere, weil "Harbinger Of Chaos" viele verschiedene Genres abdeckt: Heavy, Thrash, Power etc. Doch welche drei Alben gehören deiner Meinung mit auf die einsame Insel, was sind deine perfekten Metalalben?
Für mich persönlich wären das "Brave New World" von IRON MAIDEN, NEVERMOREs "This Godless Endeavor" und von ARCH ENEMY "Doomsday Machine". Diese drei Alben sind und bleiben für mich Unikate in dem Sinne, dass ich sie immer noch von vorne bis hinten durchhören kann, ohne eine Sekunde von Langeweile zu verspüren. Ich will nicht sagen, dass es danach dünn wird, aber da stellen diese drei Alben für mich auf jeden Fall eine Ausnahme dar. Es gibt natürlich Hunderte von Alben, die ich sonst auch enorm feiere, aber bei denen finde ich natürlich irgendwo Kleinigkeiten, die mich stören, oder Songs, die mich nicht komplett emotional abholen.
Lieber Dan, danke nochmals, dass du meinen Fragen Rede und Antwort standest. Dir alles Gute für die Tour mit MOTORJESUS und bis ganz bald! Was möchtest du unseren Lesern und euren Fans noch mit auf den Weg geben?
Einfach nur ein großes Dankeschön, falls ihr euch zum ersten Mal mit unserer Musik auseinandersetzt. Danke für eure kostbare Zeit, wir hoffen ihr findet Gefallen an unserem Schaffen. Und hoffentlich sehen wir uns bei einem Konzert, spätestens mit MOTORJESUS im Herbst! Liebe Grüße und danke für das tolle Gespräch!
Fotocredit: Beatlight Photography
- Redakteur:
- Marcel Rapp