MADDER MORTEM: Interview mit BP Kirkevaag

09.04.2006 | 21:00

Blut ist ja angeblich dicker als Wasser, und vielleicht liegt es daran, dass die Geschwister Agnete und Birgen Petter "BP" Kirkevaag die einzigen konstanten Mitglieder bei MADDER MORTEM sind. Die beiden kreativen Köpfe (Gitarrist BP ist Hauptkomponist, Sängerin Agnete schreibt die Texte) haben seit ihrem 1999 erschienenen Debüt "Mercury" konsequent schwere Kost abgeliefert und dadurch (vermutlich) zahlreiche Ex-Mitglieder und (ganz sicher) ein großes Label verschreckt. "Desiderata" ist so unharmonisch wie kein Album zuvor und doch noch gerade so gut nachvollziehbar, dass der Ehrgeiz, dieses Werk vielleicht irgendwann entschlüsseln zu können, geweckt und genährt wird. Nur verkaufen lässt sich so etwas eben schwer - was meinem Gesprächspartner BP allerdings herzlich egal zu sein scheint.

Elke:
Habt ihr jemals daran gedacht, eine typische Gothic-Band mit Sängerin zu werden, um damit vielleicht mehr Erfolg zu haben?

BP:
(lacht) Nein, nie im Leben! Wir sind ziemlich zufrieden damit, eine verrückte Outsider-Band zu sein, und haben auch keine Lust auf dieses Gothic-Genre.

Elke:
Aber ich könnte mir vorstellen, dass die Tatsache, dass ihr keine typische Gothic-Band seid, einer der Gründe dafür war, warum es mit eurem alten Label Century Media nicht geklappt hat.

BP:
Unser Zeug ist einfach schwer zu promoten. Ich denke, als sie uns unter Vertrag nahmen, haben sie eine dieser typischen Gothic-Bands erwartet, und bekamen stattdessen uns - seltsame, verrückte Kreaturen aus Norwegen, die alles machen, nur nicht Gothic Metal. Das musste einfach zu Problemen führen.

Elke:
Das neue Album "Desiderata" erscheint ja nun bei Peaceville. Ich nehme an, dass ihr dort viel besser aufgehoben seid.

BP:
Das hoffe ich sehr! Ich denke, wir passen gut zu den anderen Bands wie MY DYING BRIDE und KATATONIA - das Gesamt-Profil des Labels ist einfach besser auf unsere Musik zugeschnitten.

Elke:
"Desiderata" erscheint fast zwei Jahre nach seiner Fertigstellung. Was habt ihr in der Zwischenzeit gemacht?

BP:
Wir waren überwiegend damit beschäftigt, den ganzen Papierkram zwischen den Labels zu regeln. Und wir haben bereits mit den Arbeiten für das nächste Album begonnen, das im Prinzip schon fast fertig ist. Dazwischen haben wir hin und wieder noch ein paar Gigs in Norwegen gespielt. Das war's so im Wesentlichen.

Elke:
Ihr habt aber auch zwei Band-Mitglieder ausgewechselt.

BP:
Ja, natürlich - wie konnte ich das vergessen?! Wir haben viel Zeit damit verbracht, sie einzuarbeiten und wieder zu einer Band zusammen zu wachsen. Wenn zwei Musiker aussteigen, dauert es eine Weile, bis man Ersatz findet, mit diesen dann zu proben, ihnen die alten Stücke beizubringen und wieder ein Team zu werden.

Elke:
Warum sind Gitarrist Eirik Ulvo Langnes und Bassist Paul Mozart Bjørke eigentlich ausgestiegen?

BP:
Paul hat einen siebenjährigen Sohn, und er kam an den Punkt, wo er merkte, dass er nicht genug Zeit für die Band und seinen Sprössling hat. Also hat er sich für seinen Sohn entschieden. Bei unserem Gitarristen Eirik waren es die berühmten musikalischen Differenzen (lacht).

Elke:
Eines der neuen Mitglieder, Gitarrist Odd Eivind Ebbesen, ist aber eigentlich ein altes Mitglied aus euren Anfangstagen.

BP:
Ja, das stimmt. Odd gehörte 1993 oder so bereits zur Band. [Anmerkung der Verfasserin: Damals agierte man noch unter dem Namen MYSTERY TRIBE. Odd und BP spielen außerdem zusammen bei CHOPWORM.] Wir wollten ihn eigentlich schon vor vielen Jahren zurückholen, zumal die Chemie zwischen uns einfach stimmt. Es ist toll, ihn wieder an Bord zu haben.

Elke:
Waren Odd und euer neuer Bassist Tormod Langøien Moseng in das Songwriting involviert?

BP:
Bis zu einem gewissen Grad ja. Einen Teil des Materials hatten wir bereits fertig, als sie bei uns einstiegen, aber vielleicht 50 Prozent erst danach. Und zu diesen 50 Prozent haben sie ziemlich viel beigetragen und unseren Stil dadurch auch ein wenig verändert.

Elke:
Da die Stücke ja alle schon eine gewisse Zeit auf dem Buckel haben - seid ihr noch zufrieden damit, oder würdet ihr heute andere Songs schreiben?

BP:
Ich bin immer noch sehr zufrieden damit, sie haben den Langzeittest auf jeden Fall bestanden. Unser kommendes Album wird aber wieder etwas gradliniger ausfallen, vielleicht weniger schizophren und etwas rockiger, wobei es schwer zu erklären ist, wie es letztendlich klingen wird.

Elke:
"Desiderata" wurde zwischendurch remastert. Warum?

BP:
Wir haben es bereits 2004 einmal remastert. In dieser langen Wartezeit bis zur Veröffentlichung wollten wir jedoch etwas tun, damit das Album etwas aktueller und frischer klingt. Wir waren außerdem nicht sehr glücklich mit dem alten Mix. Wir haben die Aufnahmen daher nach Schweden geschickt, und Peter In De Betou hat in den Tailor Maid Studios einen tollen Job gemacht.

Elke:
Was bedeutet "Desiderata" eigentlich?

BP:
Ich bin nicht der richtige Ansprechpartner für solche Fragen, weil Agnete die Texte schreibt. Ich denke, das Wort bedeutet "das, was man sich wünscht". Aber es fällt mir schwer, etwas Sinnvolles dazu zu sagen.

Elke:
Okay, dann lassen wir das Thema "Texte" am besten auch gleich weg und konzentrieren uns auf die Musik. Wenn ich diese in einem Wort zusammenfassen müsste, würde ich sie "schwierig" nennen. Ich habe manchmal nicht die geringste Ahnung, worum es rein musikalisch gesehen überhaupt geht. Wolltet ihr solch komplizierte Songs schreiben?

BP:
(lacht) Viele Leute scheinen dieser Ansicht zu sein, aber es lag bestimmt nicht in unserer Absicht. Wir haben einfach viele verrückte Ideen und wollen möglichst viele davon in diese kurzen Songs packen. Eigentlich sollten das Album etwas "einfacher" ausfallen, aber das ist uns offenbar nicht geglückt.

Elke:
Die beiden etwas gradlinigeren Stücke befinden sich gleich am Anfang, und auch in der Mitte geht es mit 'M For Malice' und 'The Flood To Come' etwas gemächlicher zur Sache. In der übrigen Zeit mischt ihr alles bunt durcheinander, was man sich vorstellen kann. Ich weiß, ihr wollt nicht gerne in eine Schublade gesteckt werden, aber wie würdest du euren heutigen Stil beschreiben?

BP:
Vielleicht als Alternative Metal, oder auch "Progressive" wäre ein passender Ausdruck, wenn man sich darunter vorstellt, dass eine Menge schräger Elemente enthalten sind. Konkreter kann ich es nicht definieren.

Elke:
Nicht nur musikalisch seid ihr vielschichtiger als je zuvor, auch der Gesang ist noch abwechslungsreicher geworden. Gibt es irgendetwas, was ihr trotzdem niemals ausprobieren würdet?

BP:
(überlegt) Ich denke nicht. Wir würden vermutlich alles auf einem unserer Alben verwenden, wenn wir der Meinung wären, dass es cool klingt (lacht). Ich höre mir so viele verschiede Arten von Musik an, und dadurch rutschen eben auch neue verrückte Elemente wie Jazz und solche Sachen in unsere Songs. Wir haben uns auch schon bei Elementen der klassischen Musik bedient, eigentlich bei allem, was uns gefallen hat.

Elke:
Der untypischste Track des Albums ist 'Cold Stone'. Was kannst du mir dazu erzählen?

BP:
Das Stück ist wirklich etwas Besonderes und hebt sich vom Rest des Albums ab. Er beginnt mit einer Bass-Linie unseres neuen Bassisten, gefolgt von der Gitarre. Wir versuchten, ihn wie eine Art Soundtrack zu gestalten, wie etwas, was man in einem Film hören würde. Die Idee haben wir dann weitergesponnen, und das Resultat befindet sich auf dem Album.

Elke:
Zu Anfang des Albums stellt Agnete die Frage "How long can the silence hold?". In einigen Reviews wurde dies auf die lange "Stille" zwischen den beiden Alben bezogen. Was wolltet ihr aber eigentlich damit fragen, und wie lautet die Antwort?

BP:
Die Sache mit der langen Zeit der Stille ist eine Idee, die wir auch hatten. Aber eigentlich ist "How long can the silence hold?" die letzte Zeile des "Deadlands"-Albums. Wir versuchen immer, eine Verbindung zwischen den jeweiligen Alben herzustellen, genau wie "Deadlands" mit einer Sequenz des Openers von "All Flesh Is Grass" anfängt. Daraus ist inzwischen eine Art verrückte Tradition geworden.

Elke:
Die Sache mit "Deadlands" war etwas offensichtlicher, aber das ist mir bisher nicht aufgefallen.

BP:
Ja, es ist auch nicht ganz so verrückt. Wir fanden, es wäre ein guter Beginn für das neue Album, nachdem wir so lange mit der Veröffentlichung warten mussten.

Elke:
Ich finde auch das Artwork - wie immer - sehr interessant. Wofür steht es und wer hat es gemacht?

BP:
Es ist Christians Ruuds Interpretation von Agnetes Texten und unserer Musik. Er gehörte früher zur Band [Anmerkung der Verfasserin: bis zum "Mercury"-Album] und kennt uns demzufolge ziemlich gut. (Nach einer Pause) Ich wollte jetzt noch etwas Kluges dazu sagen, aber es ist mir leider entfallen. (lacht)

Elke:
Ich finde auch die Promo-Fotos ziemlich cool - sie erinnern an diese altmodischen Hollywood-Gangster-Filme.

BP:
Danke! Wir haben in letzter Zeit viele Foto-Shootings gehabt und hatten keine Lust mehr, wie eine Death-Metal-Band zu posieren, zumal wir wirklich keine Death-Metal-Band sind. Also haben wir etwas völlig anderes ausprobiert, und ich denke, das Resultat ist sehr gelungen. Wir dachten uns, wenn die Leute uns sowieso für merkwürdig halten, warum sollen wir dann nicht auch merkwürdige Fotos verwenden.

Elke:
Ihr hattet am 31. März eure Release-Party in Oslo. Habt ihr dort ein paar neue Stücke gespielt?

BP:
Ja, alle bis auf 'Cold Stone', das wir nur kurz angerissen haben. Die Songs sind also live umsetzbar (lacht). Aber leicht ist es nicht, einige sind sehr schwer zu spielen, noch schlimmer als bei den älteren Sachen. Aber es hat funktioniert.

Elke:
Und wann kann der Rest der Welt die neuen Stücke live hören?

BP:
Ich hoffe sehr, sehr bald. Aber so lange wir nicht viele Alben verkaufen, ist es schwer, eine Tour zu finanzieren, zumal Peaceville nicht sehr viel Geld dafür zur Verfügung stellen. Sie helfen den Bands, Werbung zu machen, und dann müssen sie auf eigenen Füßen stehen. Wir haben leider keine finanziellen Reserven, hoffen aber, für den kommenden Herbst etwas zu organisieren, vielleicht September/Oktober, aber es ist noch nicht offiziell.

Elke:
Wie wäre es mit einer weiteren Tour mit OPETH?

BP:
Ich liebe OPETH, eigentlich liebt die ganze Band sie. Vielleicht können wir bei passender Gelegenheit in Oslo zusammen spielen. Es hängt alles von der Finanzierung ab. Aber toll wäre es schon. Es sind wirklich nette Jungs und es macht Spaß, mit ihnen auf Tour zu sein. Und musikalisch passt es auch.

Elke:
In der Tat. Gibt es irgendwelche anderen Bands mit Sängerin, mit denen ihr gerne mal spielen würdet?

BP:
Nicht wirklich. Hast du irgendwelche Vorschläge? Mir fällt keine ein. Ich kenne auch nicht so viele von den neueren Bands mit Sängerin.

Elke:
Mir fällt auch keine ein, die zu euch passen würde.

BP:
Ich glaube, es ist grundsätzlich schwer, eine passende Band für uns zu finden. Mit OPETH oder KATATONIA auf Tour zu gehen, wäre für uns am besten.

Elke:
Letzte Frage: Wenn MADDER MORTEM eine Pizza wären, was wäre darauf?

BP:
(lacht) Das ist eine schwere Frage. Auf jeden Fall viele Tomaten. Vermutlich wäre einfach alles drauf. (lacht wieder). Schinken auf jeden Fall, weil wir das häufig essen. Keine Ahnung, ich sage einfach, Käse, Tomaten und Schinken.

Elke:
Das klingt aber sehr gewöhnlich. Ich denke mal, die Würzmischung wäre dafür ziemlich abgefahren.

BP:
Ja, die wäre sehr abgefahren.

Redakteur:
Elke Huber

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