MICHAEL SCHENKER FEST: Interview mit dem Ausnahmegitarristen.

19.09.2019 | 15:06

Im Jahr 2016 rief Michael Schenker das MICHAEL SCHENKER FEST ins Leben und begab sich auf Tour mit den ehemaligen MICHAEL SCHENKER GROUP-Sängern Gary Barden und Graham Bonnet sowie Robin McAuley von der McAULEY SCHENKER GROUP. Instrumentelle Unterstützung kam vom ehemaligen M.S.G.-Bassisten Chris Glen und Schlagzeuger Ted McKenna sowie Gitarrist und Keyboarder Steve Mann (ebenfalls von der McAULEY SCHENKER GROUP).  Nach erfolgreichen Touren in Europa und Japan folgte 2017 das erste Album "Resurrection" bei dem auch Doggie White von TEMPLE Of ROCK dazustieß. Dieses Werk wurde sowohl von Presse als auch Fans gleichermaßen abgefeiert. Zum jetzt erscheinenden zweiten Streich "Revelation" hatte ich die Gelegenheit mich mit Michael Schenker im Rahmen eines Medientags im Hard Rock Cafe München zu unterhalten.

"Meine musikalische Geschichte hat gewisse Parallelen zur Jesusgeschichte, aber eben nur im im musikalischen und nicht im menschlichen Sinne." Somit erklärt Michael Schenker gleich zu Beginn die Symbolik sowohl in Titeln als aus im Artwork der beiden MICHAL SCHENKER FEST-Alben. "Resurrection" (deutsch: Auferstehung) ziert ein Cover, das an das letzten Abendmahl angelehnt ist, und das neuste Werk "Revelation" (deutsch: Offenbarung) zeigt Michael Schenker  gekreuzigt an einer Flying V.  Der Gitarrist teilt dabei sein Leben in drei Phasen auf: "In meinen jungen Jahren hatte ich einfach nur Spaß am Spielen, der Rest und das Drumherum hat mich nicht interessiert. Und plötzlich hieß es dann "Michael Schenker ist Gott". Das war, als ich mit "Lights Out" 1977 meinen ersten Hit im Amerika hatte, den ich mit 21 Jahren geschrieben habe. Zu der Zeit waren meine Koffer bei UFO schon gepackt, bin dann aber nochmal zurück zu "Strangers In The Night"  und habe den SCORPIONS nochmal geholfen mit "Lovedrive". Bis zu diesem Punkt durfte ich erleben, wie es sich anfühlt, berühmt zu sein. Ich konnte mich dann entscheiden, ob ich diesen Weg weitergehen möchte oder mich auf meine Musik konzentriere und experimentiere."

Und Michael Schenker ist standhaft geblieben, auch wenn ihn wohl alle haben wollten und hat mit der Gründung von MSG Anfang 1980 seine eigene Geschichte geschrieben: "Im mittleren Teil meines Lebens habe ich alles gelernt und mich auch der Schule des Lebens gewidmet, um überhaupt zu wissen, was Leben ist. Und habe dabei auch meine musikalischen Wünsche erfüllt. Dadurch, dass ich nicht bei Ozzy und nicht bei AEROSMITH eingestiegen bin, oder wem auch immer, die mich da alle gefragt haben, habe ich im Grunde genommen dem Geld und den Ruhm abgesagt, um meinem Herzen zu folgen und mich aufzubauen. Hätte ich das nicht gemacht, wäre ich vielleicht gar nicht mehr am Leben oder wäre nur zweidimensional. So habe ich mich zu einer dreidimensionalen Person entwickelt. Heute in meinem dritten Lebensabschnitt kann ich sehen, wer ich bin und wie alles zustande kam. Es gibt ja den Spruch "Be true to yourself and everything else will be added on to you and more!" Und genau das ist mir passiert. Ich habe der Versuchung widerstanden, bin mir und meinem Herzen treu geblieben und habe es 50 Jahre durchgezogen. Keine andere Musik gehört und kopiert, sondern immer nur vom Inneren des Herzens aus Musik gemacht und habe dabei als Nebenprodukt meinen eigenen Stil entwickelt. Anstatt Geld und Erfolg, den die anderen großen Bands aus den 80ern genossen haben, habe ich mich einer anderen Welt gewidmet, die mir innere Zufriedenheit gegeben hat. Ich war glücklich mit viel Geld und ich war es auch ohne Geld. Ich war traurig mit viel Geld und ich war es auch ohne Geld. Aber solange man was zum Anziehen hat, ein Dach über dem Kopf und was zu Essen, ist alles gut. Zudem wird es immer jemanden geben, der reicher ist als du, das ist endlos. Und dann wirst du dadurch noch vergiftet und verlierst deine innere Zufriedenheit.“

Jetzt haben wir 2019 und Michael Schenker befindet sich im dritten Lebensabschnitt: "2008 sagte mir eine innere Stimme, Michael, du musst auf die Bühne, denn vorher hatte ich auch immer mit Bühnenangst zu kämpfen. Seither habe ich mich um 180 Grad gedreht." Dies zeigte er seither bei den Konzerten, sowohl mit TEMPLE OF ROCK als auch jetzt mit dem MICHAEL SCHENKER FEST. Denn gerade in den 90ern und frühen 2000ern war manchmal durchaus zu spüren, dass sich da jemand nicht ganz so wohl auf der Bühne fühlt. Und auch das neue Songmaterial braucht sich hinter den alten Klassikern keinesfalls zu verstecken. "Mein Kopf ist back to the roots, wo ich früher mal als 18-jähriger angefangen habe. Wahrscheinlich hat die Uhr getickt. In der Art und Weise schreibe ich schon seit TEMPLE OF ROCK."

Womit wir beim neuen Album "Revelation" angekommen sind. Die Arbeiten hierzu wurden am 19. Januar dieses Jahres vom unerwarteten Tod von Schlagzeuger Ted McKenna überschattet. "Es war ganz schwer für mich, damit umzugehen. Es war auch brutal, wie es geschildert wurde, wie er gestorben ist: mit großem Kampf zehn Stunden lang. Das war eine Routineoperation, wo Leute einfach Scheiße gebaut haben. Das ist so traurig. Aber ich konnte mir selbst dann nur sagen, dass Ted bestimmt sagen würde: "Keep on rockin'!“. Und so hab ich's gemacht. Die Verteilung der Songs auf immerhin vier Sänger gestaltete sich dabei äußerst simpel: "Sobald die Stücke fertig waren, schickte ich sie gleichzeitig an alle raus. Doogie hat sich dann gleich die ersten beiden geschnappt. Was ein gutes Zeichen ist, dass er sich mit denen identifiziert. Dann kommt Robin und dann Graham und Gary, die sich alle Stücke aussuchen, die zu ihnen passen.“

Mit dem von Ronnie Romeo (CORELEONI, RITCHIE BLACKMORE'S RAINBOW) gesungenen 'We Are The Voice' befindet sich auch wieder ein Gastbeitrag auf dem Album: "Wir wollten urprünglich wieder mehrere Gäste haben. Aber der Tod von Ted, er sollte am 24. Februar ins Studio, hat leider alle diesbezüglichen Planungen über den Haufen geworfen. Wir hatten auch schon die Zusage für die zweite Hälfte der Tour in den USA gemacht, die im April losgehen sollte und dies dann auch tat. Es waren dann nur noch zwei Monate Zeit, um 45 Stücke einzuproben. 32 für die Liveshows und 13 Stücke für das Album. Fast zeitgleich kamen mir unser alter Schlagzeuger Simon Phillips als auch Bodo Schopf in den Sinn. Simon war für Livekonzerte leider nicht verfügbar. So kam es, dass Simon zehn Nummern für die neue Scheibe einspielte und Bodo drei. Mit Bodo haben wir in England dann auch für die US-Tour geübt. Wir wollten auch vier Stücke aufnehmen, bei denen alle Sänger dabei sind, woraus aufgrund des Zeitfaktors nur drei wurden. Für das vierte Stück schlug uns dann unser Produzent Michael Voss Ronnie Romeo vor. Der hat sich total gefreut und auch gleich zugsagt und einen super Job abgeliefert. Er hat dieser Nummer, die sowieso ein bisschen anders ist als der Rest, noch das gewisse Extra gegeben.“

In wieweit er sich bereits damit beschäftigt hat, seine Lebensgeschichte in einer Autobiografie niederzuschreiben, erklärt uns Michael Schenker wie folgt: "Ich hatte ja schon mal ein Buch geschrieben, so um 1990/91 rum. Es sollte auch veröffentlicht werden. Als es dann aber fertig war, dachte ich mir, dass es einfach zu persönlich ist. Aber das Schreiben hatte seinen therapeutischen Zweck in Form einer Beichte erfüllt. Wenn ich jetzt nochmal ein Buch schreiben sollte, dann mache ich es kurz vor meinem Tod und zudem noch umsonst, weil ich damit kein Geld verdienen will. Ich möchte ein Buch schreiben, das ehrlich ist und auch Offenbarungen enthält, das Menschen weiter bringt. Ich könnte im Grunde genommen viele Bücher schreiben, wenn ich wollte, über die vielen Episoden in meinem Leben. Das dadurch eingenommene Geld würde ich spenden beispielsweise für Musiktherapien mit Behinderten, so etwas wie auch der Ted mal hatte. Aber letztendlich bin ich Musiker: So let the music do the talking."

Die alten Kollegen von UFO befinden sich ja gerade auf Abschiedstournee. Und als ob Michael Schenker ahnt, worauf ich heraus möchte, unterbricht er mich schon im Ansatz mit einem heftigen "Nein". Denn ich wollte eigentlich wissen, ob er sich vorstellen könnte, bei passender Gelegenheit, nochmals mit ihnen gemeinsam auf der Bühne zu stehen: "Und die sind auch nicht auf Abschiedstournee. Ich weiß auch nicht, warum das keiner mitkriegt. Das machen die alle, um ihre Reuse noch mal voll zu kriegen. Das macht doch jeder, ELTON JOHN hat es gemacht, die ROLLING STONES ebenso und auch die SCORPIONS für sechs oder sieben Jahre. "Forever A Day", das ist doch alles Verarsche. Aber es scheint einfach ein Trend zu sein und da machen die Leute mit. Es werden noch die Letzten wieder aus den Wäldern gelockt, um sie nochmal zu sehen. Es ist und bleibt eine Verarsche."

Nach dieser klaren Aussage erübrigt sich die Frage ja fast, in wieweit er schon mal über seinen eigenen Abschied nachgedacht habe: "Warum soll ich mich verabschieden? Wenn ich sterbe, dann sag ich bye bye. Ich lebe im Jetzt. Was morgen ist, das weiß der Geier. Gestern ist vorbei und nur das Jetzt existiert. Du weißt doch gar nicht ob du morgen noch lebst, warum soll ich mir da Gedanken machen?“


(Photo Credits: Stephanie Cabral)

Redakteur:
Tommy Schmelz

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