MICHAEL SCHENKER GROUP: Is It Loud Enough?
16.04.2024 | 23:11Wenn dich der Gitarrenmann fragt, ob die Lautstärke so okay ist und du antwortest: Ach, es darf ruhig noch etwas lauter sein!
Dann hast du möglicherweise Michael Schenker erwischt. Eigentlich muss man über diesen Ausnahmegitarristen nicht mehr viel sagen, aber für alle diejenigen, die ihn und sein Werk vielleicht noch nicht kennen oder für diejenigen, die ihr Wissen wieder etwas auffrischen wollen: hier eine kurze, eher stichpunktartige Biografie, bevor es ans Vorstellen der "neuen" Compilation geht.
Michael Schenker, der nächstes Jahr auch schon seinen siebzigsten Geburtstag feiert, ist ein deutscher Gitarrist und Komponist, der seine Laufbahn bei den SCORPIONS begann, die sein Bruder Rudolf Schenker, ebenfalls Gitarrist und Komponist, bereits 1965 gegründet hat. Nach einigen Hin und Hers hat sich die Band 1968 fest etabliert und Michael war von 1969 bis 1973 festes Mitglied. Nach einem Intermezzo bei UFO in den Jahren 1973 bis 1978 (und später noch einmal von 1993 bis 2002), sowie einer zwischenzeitlichen Rückkehr zu den SCORPIONS, ist Michael Schenker ab 1979 endgültig seinen eigenen Weg gegangen: mit der Gründung der Michael Schenker Group, oder kurz MSG. Das unverwechselbare Logo der Band besteht aus den ineinander verschlungenen Buchstaben M, S und G und der "Flying V-Gitarre", Michaels Gitarren-Markenzeichen. Da es auch bei MSG einige Besetzungswechsel gab, war es für mich manchmal etwas schwierig herauszufinden, welche Konstellation sich auf welchem Album zusammengefunden hat.
Womit wir beim Thema Musik angelangt sind. In der 6er CD-Box "Is It Loud Enough?" gibt es ein remastertes Wiederhören mit den ersten vier Alben, von 1980 bis 1983, einem fünften Album, "Demos And Alternative Versions", sowie Album Nummer sechs, das den Titel "Unreleased" trägt. Ich liebe ja Demo-, Alternative- und Unreleased-Versions und war deshalb gespannt, was mich mit diesem tollen Package erwartet. Das wirklich wertige CD-Set – anders kann man es nicht sagen – enthält ein tolles Booklet mit jeder Menge Infos und fantastischen Bildern. Mal ganz abgesehen davon, dass jede einzelne CD nicht einfach lieblos in einem Schuber steckt, sondern selbst noch einmal richtig chic verpackt ist. Man hat ein gewisses Nostalgie-Feeling, wenn man die einzelnen CDs entnimmt – so waren früher auch Schallplatten verpackt. Einfach nur schön. Alle Aufnahmen der sechs CDs haben etwas gemeinsam: die erstklassige Soundqualität!
Bei Anmerkungen zu den einzelnen CDs werde ich jetzt nicht jedesmal die Saitenhexerqualitäten von Michael Schenker erwähnen – darüber muss einfach nichts mehr gesagt werden. Es wird auch keine "Rezensionen" im üblichen Sinne geben. Ich habe einfach ein paar spontane Gedanken zu Papier gebracht, die mir beim Hören dieser kleinen Werkschau durch den Kopf gegangen sind.
Den Anfang macht das Debütalbum "Michael Schenker Group" von 1980, mit den neun Titeln:
01 Armed And Ready
02 Cry For The Nations
03 Victim Of Illusion
04 Bijou Pleasurette
05 Feels Like A Good Thing
06 Into The Arena (instrumental)
07 Looking Out From Nowhere
08 Tales Of Mystery (Ballade)
09 Lost Horizons
Neben Michael Schenker an der Gitarre ist der Mann "an der Stimme" Gary Barden. Die drei Session-Musiker sind Simon Phillips an den Drums, der 2023 verstorbene Mo Foster am Bass und Don Airey (DEEP PURPLE) am Keyboard. Produziert wurde dieses Album übrigens von Roger Glover (DEEP PURPLE).
Was ist mir hier besonders aufgefallen? Seltsamerweise erinnert mich das wunderschöne instrumentale 'Bijou Pleasurette' direkt an QUEEN. Außerdem kommt bei mir auch das flotte, ebenfalls instrumentale Stück 'Into The Arena' sehr gut an. Bei Instrumentals kann ich mich immer viel besser auf die einzelnen Instrumente konzentrieren, die sonst oftmals vom Gesang in den Hintergrund gerückt werden. Ja, ich mag Instrumentalmusik. Die Ballade 'Tales Of Mystery' spielt mir natürlich auch in die Karten. Ja, ich mag auch Balladen.
Schon ein Jahr später, 1981, geht "MSG" an den Start. Das Coverfoto zeigt die damaligen Bandmitglieder, zu denen außer Mastermind Michael, weiterhin Gary Barden (Gesang), Chris Glen (Bass), Cozy Powell (Drums) und Paul Raymond (Keyboard, Gitarre) gehören. Auf der Platte finden sich folgende acht Stücke:
01 Ready To Rock
02 Attack Of The Mad Axeman
03 On And On
04 Let Sleeping Dogs Lie
05 But I Want More
06 Never Trust A Stranger
07 Looking For Love
08 Secondary Motion
Bei CD 2 bin ich natürlich generell sehr über die Präsenz von Cozy Powell erfreut. Für mich einer der besten Drummer, den es gegeben hat. Hier ist mein Favorit 'Let Sleeping Dogs Lie', nicht nur vom Drumming her. Wobei Herr Powell auch beim treibenden 'Attack Of The Mad Axeman' ordentlich auf die Felle haut. Das hymnische 'But I Want More' weckt in mir SCORPIONS-Assoziationen und das balladeske 'Never Trust A Stranger' erinnert mich stellenweise an FREDDIE MERCURYs 'There Must Be More To Life Than This'.
Album Nummer drei, "Assault Attack" von 1982, zeigt auf der Rückseite des Covers ebenfalls die Band – und wieder in einer anderen Besetzung. Chris Glen (Bass) bleibt erhalten, Ted McKenna übernimmt die Drums, Tommy Eyre widmet sich dem Keyboard und als neuer Sänger tritt Graham Bonnet seinen Job an. Kredenzt werden uns folgende acht Stücke:
01 Assault Attack
02 Rock You To The Ground
03 Dancer
04 Samurai
05 Desert Song
06 Broken Promises
07 Searching For A Reason
08 Ulcer
Bei "Assault Attack" habe ich tatsächlich das Gefühl, dass es besonders gitarrenlastig ist. Das ist definitiv nicht als Kritikpunkt zu sehen! Der Titelsong haut direkt rein und hat viele tolle instrumentale Zwischenspiele, 'Dancer' kommt fast schon poppig daher, während der groovende Bass bei 'Samurai' Laune macht, ebenso wie beim 'Desert Song'. Ja, ich würde mal sagen, diese beiden Titel sind hier meine Favoriten.
Bei der 1983er CD "Built To Destroy" kehrt Sänger Gary Barden zur Band zurück und das Keyboard wird von Andy Nye übernommen. Chris Glen, ebenso wie Ted McKenna sind auf "Built To Destroy" auch wieder vertreten. Auf dieser vierten CD gibt es neun "Original Mix"-Versionen und neun Bonustracks mit speziellen "U.S. Mix"-Versionen. Dabei wurde 'Walk The Stage' vom "Original Mix" beim "U.S. Mix" durch 'Rock Will Never Die' ersetzt.
Original Mix:
01 Rock My Nights Away
02 I'm Gonna Make You Mine
03 The Dogs Of War
04 Systems Failing
05 Captain Nemo
06 Still Love That Little Devil
07 Red Sky
08 Time Waits (For No One)
09 Walk The Stage
Bonus Tracks - U.S. Mix:
10 I'm Gonna Make You Mine
11 Time Waits (For No One)
12 Systems Failing
13 Rock Will Never Die
14 Red Sky
15 Rock My Nights Away
16 Captain Nemo
17 The Dogs Of War
18 Still Love That Little Devil (Vocals: Derek St. Holmes)
"Built To Destroy" lässt einen mit 'Rock My Nights Away' direkt "jumpen", wenn ihr versteht, was ich damit sagen will. Auf fast allen Stücken bestimmt relativ hartes Drumming das Geschehen ('I'm Gonna Make You Mine', 'Systems Failing'), 'Still Love That Little Devil' bietet guten Rock 'n' Roll und 'Walk The Stage' kommt melodisch-balladesk daher. Wer sich das instrumentale 'Captain Nemo' zu Gemüte führt, könnte dezent "wie vom Donner gerührt sein". Was die Bonustracks im US-Mix angeht: Ich gestehe, ich war noch nie gut darin, Unterschiede zu finden, wenn sie nicht gerade sehr gravierend sind. Das überlasse ich denen, die sich mit MSG besser auskennen.
CD 5 "Demos And Alternative Versions" finde ich persönlich sehr interessant, weil ich "sowas" einfach liebe. Fans werden es vermutlich auch mögen, selbst wenn der eine oder andere der dreizehn Titel schon einmal seinen Weg in die Öffentlichkeit gefunden haben sollte, hat man hier doch alles zusammen:
01 Just A Lover (1979 Demo)
02 Looking Out From Nowhere (1979 Demo)
03 Get Up And Get Down (1979 Demo)
04 After Midnight (1979 Demo)
05 Breakout (1979 Demo)
06 Cry For The Nations (Radio Edit)
07 Armed And Ready (As Featured In Guitar Hero: Metallica)
08 Dogs Of War (Edit)
09 Never Trust A Stranger (Monitor Mix)
10 Let Sleeping Dogs Lie (Sounds Flexi Edit)
11 Girl From Uptown (Single Version)
12 Dancer (DJ 7" Edit)
13 Don't Take It Out On Me (Non-Album Track)
Wie schon erwähnt, ich mag so etwas. Eigentlich finde ich hier alle Tracks interessant. Besonders aufgefallen ist mir der Monitor-Mix von 'Never Trust A Stranger', der einmal mehr FREDDIE MERCURY am Klavier vor meinem inneren Auge erscheinen lässt. Warum es 'Don't Take It Out On Me' auf kein Album geschafft hat, ist nicht ganz klar. Definitiv ein Titel, der überzeugt.
Übrigens, auch wenn das beiliegende Booklet genaue Auskunft darüber gibt, wer bei den einzelnen Titel von CD 5 und CD 6 seine Finger, beziehungsweise seine Stimme im Spiel hat (Michael Schenker einmal ausgenommen), hier für alle Interessierten trotzdem eine Auflistung.
Songs 01 bis 05: Gary Barden (Vocals), Billy Sheenan (Bass), Denny Carmassi (Drums)
Songs 06/07: Gary Barden (Vocals), Simon Phillips (Session-Musiker, Drums), Mo Foster (Session-Musiker, Bass), Don Airey (Session-Musiker, Keyboard)
Songs 08 bis 10: Gary Barden (Vocals), Chris Glen (Bass), Cozy Powell (Drums), Paul Raymond (Keyboard, Gitarre)
Songs 11/12: Graham Bonnet (Vocals), Chris Glen (Bass), Ted McKenna (Drums), Tommy Eyre (Keyboard)
Song 13: Gary Barden (Vocals), Chris Glen (Bass), Ted McKenna (Drums), Andy Nye (Keyboard)
Da wohl jede Band die eine oder andere Leiche im Keller versteckt hat, ist es sehr erfreulich, dass auf CD 6 "Unreleased" wieder einige ans Tageslicht geholt wurden. Auch hier erfreuen mich das liebevoll gestaltete Cover und die Innenhülle und natürlich die zehn Songs. Auch hier bin ich mir sicher, dass es den Fans gefallen wird, in verschieden Mixe und alternative Versionen hineinzuhören:
01 Let Sleeping Dogs Lie (Rough Monitor Mix)
02 Attack Of The Mad Axeman (Alt. Version – Monitor Mix)
03 Never Say Die (Live Rehearsal Take)
04 On And On (Rough Monitor Mix)
05 Looking For Love (Monitor Mix)
06 But I Want More (Rough Monitor Mix)
07 Girl From Uptown (Alternate Version)
08 Rock You To The Ground (Rough Alt. Mix)
09 Ulcer (Early Studio Take)
10 Captain Nemo (Early Studio Take)
Wie bei den Demos und Alternative-Versions gilt auch bei "Unreleased" einige Dinge, die mir besonders "ins Ohr" gegangen sind. Beispielsweise das Drumming bei ' Let Sleeping Dogs Lie', die rasanten Gitarren bei 'Never Say Die', das elektronisch-psychedelisch klingende 'On And On' (das in mir Assoziationen zu einem Theremin erweckt). Der Bass bei 'Girl From Uptown', das rasante, instrumentale 'Ulver', bei dem ausdrücklich Michael Schenker als Komponist erwähnt wird. Ebenso wie bei 'Captain Nemo', bei dem mich zusätzlich noch das raue Drumming erfreut. Gerade bei diesen Instrumentalgeschichten habe ich das Gefühl, dass sich Michael so richtig austoben kann.
Auch hier gibt es von mir die Auflistung:
Songs 01 bis 06: Gary Barden (Vocals), Chris Glen (Bass), Cozy Powell (Drums), Paul Raymond (Keyboard, Gitarre)
Songs 07 bis 09: Graham Bonnet (Vocals), Chris Glen (Bass), Ted McKenna (Drums), Tommy Eyre (Keyboard)
Song 10: Chris Glen (Bass), Ted McKenna (Drums), Andy Nye (Keyboard)
Mein Fazit zu dieser Veröffentlichung: Es ist ein sehr schön und liebevoll gestaltetes Boxset, das zeigt, was Michael Schenker schon am Anfang mit seiner "Group" alles geleistet hat. Zeitlose Musik, die ins Ohr und in die Beine geht, die Spaß macht und das Können eines großartigen, aber auch rastlosen Gitarristen zeigt, der immer wieder mit neuen Bands, Formationen und Projekten überzeugt hat und noch immer überzeugt. Der aber auch immer mit ebenso großartigen Musikern zusammengearbeitet hat und immer noch zusammenarbeitet. Bei einer "normalen" Rezension würde ich nach unserem Punkteschema eine 10 von 10 vergeben. Hut ab! Ach ja... nicht vergessen: Es darf immer noch etwas lauter sein!
Armed And Ready
https://www.youtube.com/watch?v=epSrddf65N0
Cry For The Nations
https://www.youtube.com/watch?v=-Bt1KdYb8PE
- Redakteur:
- Hannelore Hämmer