MOONSORROW - Interview mit Ville Sorvali

23.03.2016 | 11:07

Mythen, Punk und die Suche nach den Wurzeln.

Gut 5 Jahre mussten Fans auf ein neues Album von MOONSORROW warten. Nun steht "Jumalten Aika" in den Startlöchern und Sänger und Bassist Ville Sorvali ruft an einem winterlichen Donnerstag an, um die lange Wartezeit, das neue Album und den Charakter von MOONSORROW etwas zu erläutern. Wir reden nicht lang um den heißen Brei herum und widmen uns direkt der wichtigsten Frage: Warum hat es so lange gedauert, bis die Band neues Material aufnahm? "Wir haben uns eigentlich nicht viel Zeit gelassen, sondern einen Fehler gemacht", erklärt Ville. "Wir haben schon 2012 mit dem Schreiben neuer Lieder angefangen, aber irgendetwas hat sich nicht richtig angefühlt. Also haben wir alle Ideen verworfen und erst 2014 oder 2015 die neuen Lieder geschrieben und aufgenommen, die dann auch so klangen, wie wir uns das für MOONSORROW vorgestellt haben." Was macht man also, wenn man feststellt, dass die Ideen nichts sind? "Wir haben etwas Zeit gebraucht, ein bisschen Abstand und Zeit, um nachzudenken, was wir mit MOONSORROW erreichen wollen. Als wir dann angefangen haben, die Songs zu schreiben, kamen die Songideen sehr schnell und leicht. Die ganzen Details, die wir in Songs einbauen, haben dann die meiste Zeit gedauert. Wir nehmen uns dafür immer sehr viel Zeit, um die beste Qualität abzuliefern, die uns möglich ist."

Das hört man auf dem neuen Album wieder, das einen sehr komplexen, vielschichtigen Sound hat. Aber wie schreibt man solche Alben? "Wir haben meist ein loses Konzept, wenn wir anfangen und dann einige Songideen. Dann wechseln wir immer wieder zwischen der Album- und Songebene. Zumeist haben wir Riffs oder Melodien im Kopf und um diese herum bauen wir dann die Songs auf." Doch auch die Texte sind für MOONSORROW wichtig und auch wenn diese auf Finnisch gesungen werden, gibt es im Booklet des neuen Albums englische Übersetzungen, so dass die Hörer es sich mit Textblatt unterm Kopfhörer bequem machen können, um "Jumalten Aika" in allen Facetten zu erforschen. "Das würde ich jedem empfehlen", macht Ville keinen Hehl aus der Tatsache, dass ihm die Texte wichtig sind. "Bei uns schreibt Henri den Großteil der Musik, während die Texte mehr meine Sache sind. Sie entstehen parallel zur Musik. Komposition und Texten gehen bei uns Hand in Hand." Die englischen Übersetzungen sind dabei ein Kompromiss, da nicht viele Leute Finnisch verstehen, aber englische Texte sind für MOONSORROW keine Option. "Ja, man hat uns schon häufiger gesagt, dass wir wohl mehr Fans erreichen könnten, wenn wir auf Englisch singen würden, aber das würde nicht zu MOONSORROW passen. Wir beschäftigen uns viel mit unseren Wurzeln und da ist es uns wichtig, in unserer Sprache zu singen. Zumal man englische Texte beim harschen Black-Metal-Gesang ja auch nicht verstehen könnte."

Zurück zu den Wurzeln ist dabei insgesamt das Leitmotiv, unter dem "Jumalten Aika" steht, wie Ville erläutert: "Wir wollten textlich und musikalisch zu unseren Wurzeln zurück. Diese liegen einerseits im Black Metal, andererseits in der finnischen Folklore. Deshalb sind die Folk-Elemente auf "Jumalten Aika" präsenter, genau wie der Black Metal, der uns in unserer Jugend beeinflusst hat." Auch in den Texten beschäftigt sich Ville mit der Vergangenheit und den Wurzeln von Mythen, denen er seine ganz eigenen Interpretationen gibt. "Ich lasse mich von verschiedenen Quellen inspirieren, aus der finnischen Mythologie ebenso wie aus den größeren skandinavischen Sagenkreisen. Aber ich gebe den Geschichten eine persönliche Interpretation, anstatt sie einfach nur nachzuerzählen." Wie das aussehen kann, erläutert er mir an einem Beispiel: "Wir haben auf dem neuen Album ein Lied über Fenris, den Wolf aus der skandinavischen Mythologie, der während der Götterdämmerung Odin angreift. Die Geschichte wurde schon hunderte Male erzählt, aber in meinem Text spielt sich alles in den Gedanken eines Wahnsinnigen ab, der es sich einbildet." Fenris ist ja ein Teil der skandinavischen Sagen aus dem Umfeld der Edda, während es in Finnland mit der Kalevala eine eigene Sagensammlung gibt. "Wir waren schon immer mehr durch die Edda inspiriert als durch die Kalevala. Das liegt daran, dass die Edda älter ist als die Kalevala, die erst im 19. Jahrhundert aufgeschrieben wurde. Außerdem hat AMORPHIS die Geschichten aus der Kalevala schon alle mindestens dreimal vertont, da müssen wir das nicht auch noch tun." Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen, doch wir vertiefen uns noch etwas in eine Diskussion über die Kalevala und Mythologie im Allgemeinen. "Die Kalevala ist mehr eine Konstruktion als eine repräsentative Darstellung der finnischen Sagen. Ihr Sammler war ein finnischer Schwede (Matias Lönnroth). Wie alle Intellektuellen in dieser Zeit gehörte er zu den finnischen Schweden. Vor der Vereinigung Finnlands als Nationalstaat gab es viele Stämme, die nur wenig miteinander zu tun hatten und deren Mythen sich in vielen Details unterschieden. Auch innerhalb einer Gruppe änderten sich die Details der Mythen von Generation zu Generation und da die wenigsten Finnen damals schreiben konnten, sind diese Sagen nicht wirklich erhalten." Da passt es ja gut, dass Ville in seinen Interpretationen diesen Mythen neue Formen gibt, etwas, das die Sagenerzähler in der Vergangenheit ebenfalls taten. "Genau, so werden die Geschichten an unsere jeweilige Situation angepasst und bleiben aktuell und relevant. Wir wissen zwar einige allgemeine Details zur finnischen Götterwelt, aber all die Details sind unterschiedlich. Darum geht es auch in den Texten auf dem neuen Album, um die Wurzeln unserer Sagen und wie wir sie heute interpretieren."

Zum Schluss kommen wir noch auf die Rolle zu sprechen, die MOONSORROW innerhalb der Pagan-Metal-Szene spielt. "Eigentlich gar keine, wir sehen uns nicht so sehr als Teil dieser Szene mit ihren fröhlichen Trinkliedern. Am ehesten verbindet uns musikalisch etwas mit Bands wie PRIMORDIAL oder THYRFING, die ebenfalls einen ernsten Pagan Metal spielen." Was auch Sinn ergibt, denn beim Pagan Metal besingen die Bands schließlich eine Vergangenheit, die größtenteils verloren ist und auch nicht wiederkehren wird. Verlust und Trauer sind da sehr präsente Themen. "Richtig, womit wir wieder beim Thema des Albums wären, das eben diesen verlorenen Wurzeln nachspürt." Doch nicht nur da sieht Ville die Band etwas abseits. "Wir sind eine Band, die es sich gerne schwer macht. Nach unseren ersten drei Alben haben wir unseren Stil geändert, als wir sahen, dass es uns leicht fallen würde, mit diesem Sound erfolgreicher zu werden. Wir haben uns bewusst dazu entschieden, etwas anderes zu machen und gegen den Strom zu schwimmen." Ist dieser Widerstandsgeist also ein Teil von MOONSORROW? "Genau, ein sehr großer Teil sogar." Womit die Finnen also nicht nur Pagan Metal wären, sondern auch Punk. "Ja, Punk und die Rebellion sind Teil von MOONSORROW, wie auch des Black Metals, der uns in unserer Jugend inspiriert hat. Alte MAYHEM oder IMPALED NAZARENE sind zu einem großen Teil Punk und dieser Geist findet sich auch bei uns wieder."

"Jumalten Aika" vereinigt nun alle diese Aspekte und dürfte ab dem 01.04.2016 alle Fans eigenwilligen Pagan Metals erfreuen, die die Band dann auch auf Tour mit KORPIKLAANI und im Sommer auf zahlreichen Festivals abfeiern können. Darauf freut sich Ville bereits und möchte zum Abschluss nochmal eines loswerden: "Es tut uns wirklich leid, dass wir so lange gebraucht haben und ich möchte mich bei allen Fans für die lange Wartezeit auf "Jumalten Aika" entschuldigen. Ich hoffe, das Warten hat sich gelohnt." Doch, das kann man sagen, die Wartezeit hat sich gelohnt.

Redakteur:
Raphael Päbst

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