NAXEN: Interview mit Sänger und Gitarrist LN

04.05.2024 | 15:50

Freunde solcher Düsterkapellen wie NACHMYSTIUM, WATAIN und UADA aufgepasst! Das NAXEN-Trio ist wieder am Start und hat mit "Descending Into A Deeper Darkness" wieder ein so herrlich dunkles, hochatmosphärisches Werk erschaffen, das selbst die kräftigsten Sonnenstrahlen im Keim erstickt. Hier kommen Genre-Fans komplett auf ihre Kosten, weshalb wir uns mit Sänger und Gitarrist LN einmal zusammengesetzt und über den "Towards The Tomb Of Times" und Black Metal per se gesprochen haben. Seid gespannt.

Hallo LN. Heute wird es extrem düster: Wie geht es dir, wie ist die Stimmung im NAXEN-Team?
Zunächst Marcel, vielen Dank für die Fragen. Wir befinden uns zu diesem Zeitpunkt kurz vor Veröffentlichung unseres Albums, entsprechend ist die Stimmung durchzogen von Spannung und mit viel Vorbereitung verbunden auf das, was kommen mag. Als Band befinden wir uns somit in einem sehr guten und wünschenswerten Status.

Vor vier Jahren verdunkelte sich der deutsche Underground ein erstes Mal, als ihr euer Erstlingswerk "Towards The Tomb Of Times" veröffentlicht habt. Seitdem ist auf der Welt viel passiert. Bei NAXEN auch?
Es sind düstere Zeiten, in denen wir leben, und mit jedem Menschen-Jahr, das umgeschlagen wird, wird es aussichtsloser und dunkler. Diese weltzeitlichen Stimmungen und Konflikte gehen auch an uns als Individuen nicht vorbei und fließen emotional in die Band hinein. In Bezug auf NAXEN als Band gab es in den letzten Jahren seit Veröffentlichung unseres Debüts "Towards The Tomb Of Times" Veränderungen in Bezug auf Anspruch, Ansatz und Ausrichtung, was uns zu der heutigen und bislang besten Version der Band bringt. Dass wir im Black Metal Underground wahrgenommen werden, stellt eine große Ehre und Privileg dar.

Welche Gründe hat es auf sich, dass ihr mit euren Initialen aufgelistet seid, und welche Depressive-Black-Metal-Bands haben euch in eurer Anfangszeit maßgeblich beeinflusst?
Stagenames und Synonyme gehören seit jeher im Metal-/Rock-Bereich dazu den Menschen und das Biest/Tier zu vereinen, um so letztlich die menschliche Seite verschwinden zu lassen. Für uns bedeuten die Initialen den Schmerz zu entindividualisieren und ihn so als Gesamtes und Allgemeingültiges erscheinen zu lassen. Wir haben uns daher konkret gegen eine jedwede Maskierung auf der Bühne entschieden. Andere Bands (auch die, die uns beeinflussen) verfolgen hier ohne Zweifel einen anderen Ansatz was die Entmenschlichung und Maskierung angeht.
Musikalisch sind es nicht nur die (frühen) Werke von z.B. AUSTERE, COLDWORLD, STRID, NORTT, XASTHUR, NACHMYSTIUM und LEVIATHAN, die Einfluss hatten, aber auch Alben von Bands wie GRIEF, INTEGRITY und BURNING WITCH oder auch genrefremde Künstler wie JASON MOLINA und ELLIOTT SMITH bieten Abgründe sondergleichen und haben insbesondere mich geprägt.

Im Vergleich zum NAXEN-Debüt hat "Descending Into A Deeper Darkness" etwas noch Eigenständigeres an sich. Zudem wirkt die neue Platte auch etwas zielgerichteter. Ist das auch deiner Meinung nach der größte Unterschied zwischen beiden Alben?
Das ist schon richtig, dass "Descending Into A Deeper Darkness" zielgerichteter und selbstbewusster geworden ist. Wir sind als Musiker und als Band an Identität, Erfahrungen und Fähigkeiten gewachsen. Daher sind wir mit einer festen Vorstellung in den Songwriting- und Recordingprozeß gegangen, nämlich wie das Album sein und letztendlich nach dem finalen Mix klingen wird. Das hat zeitgleich auch erfordert, dass bei jedem Song auch an jeder Ecke geschliffen worden ist, um einerseits Kerben zu schürfen, andererseits auch den Sound und die Wirkung des Albums homogener werden zu lassen. "Descending Into A Deeper Darkness" wird denen, die uns seit "Towards The Tomb Of Times" kennen, vertraut vorkommen, aber neue Aspekte und Konzepte bieten.

Schon das Artwork ist Düsternis in seiner schwärzesten Form. Mit welcher Zielsetzung seid ihr an die Arbeiten zum neuen Album herangetreten? Verfolgen die vier Stücke einen konzeptionellen roten Faden?
Wir wollten ein Album, das zwischen kühler methodischer Dunkelheit, modernem Black Metal und brutalem Schlag mit der kalten Faust liegt. "Descending Into A Deeper Darkness" ist musikalisch kein Konzeptalbum im eigentlichen narrativen Sinne, das findet dann auf der Ästhetik und Layoutebene statt - Dunkelheit in Reinnatur. Jeder der vier Songs nimmt konzeptionell Elemente der anderen auf, sei es vom Riffansatz oder der Lyrik/Wortwahl. Es geht um einen literarischen Abgrund, der in einem selbst und der ebenso in anderen Menschen zu finden ist.

Hoffnungslosigkeit, das Umschließen des Grauens, das Leben als Trauma der Geburt – ist wirklich alles so hoffnungslos und finster, wie die Musik den Anschein macht?
Ist wirklich alles so hoffnungslos und finster? Das kann man wohl nur für sich selbst beantworten. Lyrisch und künstlerisch bieten sich 1000 Gründe zu empfinden, dass es genauso ist und es keinen Grund der Annahme gibt, dass es sich jemals ändern wird. Jede und jeder geht Zeit des Lebens irgendwann durch die Abgründe. Der Zeitpunkt der Geburt ist keine Einladung, die man annehmen oder ablehnen kann. Sie passiert ohne eigenes Zutun. Dann entwickelt sich im Laufe des Lebens das Bewusstsein der eigenen Existenz und das Realisieren der eigenen menschlichen Natur & Umgebung. "Warum sollte man sich die eigene Existenz erwünschen?", das ist für mich die größte umtreibende Frage. Es gibt keine Antworten darauf, nur Annäherungen.

Wie habt ihr es im Studio geschafft, die Verzweiflung, Ausweglosigkeit und Melancholie so auf den Punkt und letztendlich auf CD zu bringen?
Vielen Dank für dieses Lob. Jeder von uns Dreien ist zusammen mit Fabian Schulz, mit dem wir "Descending Into A Deeper Darkness" aufgenommen haben, während der Studioaufnahmen durch die eigene Grenze der Belastung geschritten und an den Verlust von Zeit und Raum geraten. Ebenso wurden die Vocals später in einem klaustrophobischen und manischen Zustand aufgenommen. Es ist dieser Wahnsinn und auch der Druck, der die Studioaufnahmen zu einer niedergelegten Katharsis und dem Erguss in Dunkelheit bringt. Als großes Ziel stand immer, ein ansprechendes kongruentes Black Metal Album, gute Songs und maximale (künstlerische) Erschöpfung zu bieten.

Ihr habt vom Debüt die 'A Shadow In The Fire'-Linie wieder aufgegriffen. Wird es damit künftig weitergehen? Ist das der Brückenschlag zwischen den beiden Alben?
Wiederkehrendes hat etwas sehr Faszinierendes für mich, insofern ist die Reihe durchaus als Songlinie angesetzt und wird fortgeführt werden. Als Songgerüst qualifiziert sich dann ein Song, der sich in eine gewisse Rhythmik und lyrischen Ansatz anpasst. Zuallererst entsteht bei NAXEN der Songtitel, der ein Gefühl transportiert. Auf diesem emotionalen Grund entsteht dann der Song und der Ansatz wird ausgebaut.

Der finale 'Triumphant Tongue…'-Track hat seine finsteren Spuren hinterlassen. Hat dieser etwas mit dem "Reden ist Silber, Schweigen ist Gold"-Sprichwort zu tun?
Die zweite Hälfte des Songs ist in der Tat ruhiger was Lyrics und Vocals angeht, wir nutzen hier das Stilmittel der Atmosphäre und Repetition. Schweigen wir hier? Mitnichten, es findet sich die emotional heftigste Melodie, die wir bislang geschrieben haben. Ein Winden und Drehen eben selber und letzten Endes kommt es doch zum triumphalen Ende durch Akzeptanz der wiegenden Arme einer umfassenden Dunkelheit.

Wie wird es nach der Veröffentlichung im Mai bei NAXEN weitergehen? Ist der Wonnemonat nicht etwas unpassend für die Veröffentlichung solch eines düsteren Werks?
Dieses war auch ein bandinterner Diskurs. Wir haben uns ohne große Diskussion auf das Frühjahr als Veröffentlichungszeitpunkt geeinigt. Man möchte natürlich auch Aufmerksamkeit für das eigene Werk kreieren. Es erschien daher als absolut unpassend im Sommer zu veröffentlichen, wenn z.B. die großen Festivals stattfinden oder die Menschen mit solchen Dingen wie Urlaub und Frohsinn beschäftigt sind. Wir haben einige Shows und Festivalauftritte anstehen, buchen gerade eine Tour im Herbst mit ÄERA und sprechen über weitere Pläne.

Ihr habt den Black Metal mit der Muttermilch aufgesogen, den Black Metal der 1990er Jahre, voller Dunkelheit und Verzweiflung – wie viel ist davon heute grundsätzlich noch übriggeblieben? Wie denkt ihr über die Entwicklung des Black Metals in den letzten drei, vier Dekaden?
Black Metal hat nichts an seiner Bedeutung und seiner Brillianz eingebüßt. Wie jedes kulturelle Phänomen geht auch der Black Metal durch Veränderung, Bewahrheitung, Relevanz und Resilienz. Wer gerne Demotapes aus den 90ern hören oder den Sound und Stilmittel dieser Dekade als Peak ansehen möchte, kann das gerne tun. Es ist genauso richtig, wie es falsch ist. Unsere Meinung ist für eine solche Betrachtung irrevelant. Bands, Konzerte und Festivals sind aktiv und lebendig, ein reißender Fluß der Finsternis aus alten und neuen Strömungen. Es könnte doch gar nicht besser sein

"Descending Into A Deeper Darkness" wird sein Ziel definitiv nicht verfehlen. Was möchtest du unseren Lesern gerne noch mit auf den Weg geben?
Vielen Dank für diese Möglichkeit der Tiefe durch Eure Fragen. "Descending Into A Deeper Darkness" ist ein tiefschürfendes Album geworden für uns, und das auf allen Ebenen. In aller Hoffnungslosigkeit hoffen wir auf guten Anklang der "Descending Into A Deeper Darkness". Wir sind uns sicher, dass wir die Dunkelheit und Verzweiflung mit der Leserschaft zusammen erleben werden, denn so düster es auch um einen sein mag, nur im Tod ist man gänzlich allein.

Fotocredit: Ben Zodiazepin

To Writhe In The Womb Of Night



https://www.youtube.com/watch?v=KMvl_AtXTDw


Redakteur:
Marcel Rapp

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