NECROS CHRISTOS: Interview mit Mors Dalos Ra

19.09.2014 | 07:33

Vor Kurzem veröffentlichte NECROS CHRISTOS die hervorragende EP "Nine Graves" mit altem und neuem Material. Da das Gespräch per Mail stattfand, stehen am Ende dieses Interviews vielleicht mehr Fragen im Raum, als zuvor - aber auch dann hat es einen Zweck erfüllt, einen guten dazu.

Zuerst mal einen herzlichen Glückwunsch zu "Nine Graves". Die EP schließt sich qualitativ nahtlos euren vorherigen Veröffentlichungen an, wobei die beiden Songs für mich sogar zum Besten gehören, was ihr bislang gemacht habt. Was hat euch dazu bewogen, erstmal wieder kleinschrittig vorzugehen und mit "Nine Graves" eine EP zu veröffentlichen?

Vielen Dank der Worte Christian!
Nun, nach unserer Tour mit GRAVE MIASMA im Herbst 2013 haben wir uns im Proberaum zusammengesetzt und erst wirklich realisiert, wie lange sich der Prozess bis zum finalen Album noch hinziehen wird. Es waren aber alle Bandmitglieder, und gerade auch unsere neuen Mitstreiter Ivan Hernandez und Pete Habura, total versessen darauf, möglichst bald ein neues Lebenszeichen zu geben, immerhin ist "Doom Of The Occult" nun auch schon drei Jahre draußen. Ich erwähnte dann, zwei neue Songs zu haben, die thematisch eigentlich nicht zum letzten Album passen würden und die Idee zu "Nine Graves" war geboren.

Möchtest Du etwas zu den Themen, die in 'Nine Graves' und 'Black Bone Crucifix' behandelt werden, sagen? Die Neun scheint wieder eine gewichtige Rolle einzunehmen, stehen doch z.B. auch wohl genau bemessene neun Stücke auf der EP.

Was die beiden neuen Songs betrifft, da würde ich gerne auf deren Lyrics verweisen. Ich denke, das sollte sich dem interessierten Leser bzw. Hörer schnell erschliessen, wovon die beiden Songs handeln. Gerne würde ich aber was zum eigentlichen Konzept von "Nine Graves" sagen, denn es sind nicht nur ausschließlich die neun Tracks, welche Anlass zum Titel gaben. Zum besseren Verständnis meiner Erklärung müsste ein jeder jetzt die Zeichnung von Manuel Tinnemans vor Augen haben, welche das Innere des Booklets von Nine Graves ziert. Aber wie auch immer: Neun Buchstaben formen den Namen NECROS CHRISTOS, als da sind S O T I R H C E N. Auf dem erwähnten Bild sieht man neun Schlangen, welche einen neunarmigen Leuchter formen. Alles steht in Flammen und über den Köpfen der Schlangen sind neun Gräber platziert, ein jedes mit einem Buchstaben des Namens NECROS CHRISTOS gefüllt. Es ergibt sich hier aber ein Anagramm in Form des Wortes Iconresth. Macht man sich die mystische Bedeutung dieses Wortes klar, in Verbindung mit dem, was NECROS CHRISTOS eigentlich meint, hat man das Konzept von "Nine Graves" verstanden. Zur Verdeutlichung: Neun Buchstaben formen den toten Körper Iesu Christi, und eben jene neun Buchstaben legen die Ikonen zur finalen Ruhe.

Gibt es einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen den alten Stücken und den neuen, oder nach welchen Kriterien erfolgte die Auswahl?

Da war eher der musikalische Aspekt ausschlaggebend. Beide Stücke, 'Va Koram Do Rex Satan' sowie 'Baptized By The Black Urine Of The Deceased' sind absolut epische Monster und gehören zu unseren Alltime Faves. Als wir die Songs in der neuen Besetzung das erste Mal für unsere Tour im letzten Jahr probten, merkten wir einfach, welch unausgeschöpftes Potenzial in ihnen liegt und wie viel Power sie durch das neue Line Up bekamen. Da ich bei den Originalversionen mit Kleinigkeiten nie so recht zufrieden war, war der Entschluss schnell gefasst, beide neu aufzunehmen. Speziell was die Riffs und die ganzen zusätzlichen Harmonien angeht, bin ich total begeistert und denke, dass beide Neuaufnahmen ihre Berechtigung haben.

Es ist ja bekannt, dass Du wenig Wert auf die alte Black-Metal-Schwarz/Weiß Malerei legst und ein gewisses Interesse für gnostische Strömungen des Christentums hegst. Du hast auch einmal von "geistlicher Musik" in Bezug auf NECROS CHRISTOS gesprochen. Gleichzeitig steht ja immer noch "Darkness Damnation Death" im Vordergrund. Was für einen Stellenwert hat Blasphemie für Dich, wie gehst Du mit Satanismus um und auf der anderen Seite: Glaubst Du an etwas wie ein Seelenheil?

Deine Frage impliziert, dass die drei Worte Darkness Damnation & Death für etwas stehen, was Blasphemie gleichzusetzen ist. Allerdings stehen auch diese, zugegeben, recht plakativen Ausdrücke für etwas Mystisches. Ich kann Dir sagen, dass das Konzept von "Domedon Doxomedon" meinen kompletten spirituellen Glauben enthüllen wird, wo auch diese drei Sinnbilder einleuchtend erklärt werden. Nur soviel; Das Wort Adam hat in der hebräischen Mystik den Zahlenwert 45, die Quersumme daraus ergibt 9. Dreimal neun steht einerseits für das Allbewusstsein des Gesandten Iša Christus, andererseits auch für die drei verblendeten, geistigen Bereiche im Reiche Malkuth, als da wären Dunkelheit, Verdammnis und der Tod der Seele. Was passiert, wenn Verwirrung und Verblendung die Herzen erreicht, sehen wir momentan an vielen Ecken dieser Erde, alles getarnt unter dem Deckmantel des Glaubens. Ich bin zutiefst angewidert von dieser Entwicklung, kein wahrhaft gläubiger Mensch, egal welcher Religion, verurteilt einen Menschen aufgrund seines Glaubens, missachtet seine Vorstellungen, oder tötet sogar. Sie alle dienen nur der anderen Seite und glauben doch tatsächlich, irgendeine höhere Entität würde ihnen die Rechtfertigung dazu erteilen.

Im Tantrismus, insbesondere in der Aghora gibt es einen Erleuchtungsansatz, welcher sich mit "durch die Dunkelheit zum Licht" umschreiben ließe. Kann man eure Herangehensweise an vornehmlich eher düstere Themen aus dem Alten Testament (die einen Juden vermutlich nicht besonders entzücken würden) damit in Verbindung bringen?

Fangen wir mit Indien an: Ich höre den Terminus "die Aghora" grad zum ersten Mal, mir war das Wort nur als Beiname von Shiva bekannt, oder eben in der Mehrzahl von "die Aghori", welche die extreme, tantrische Gemeinde der Sadhus bezeichnet. Die Riten der Aghori haben mich seit jeher fasziniert, ich bin beeindruckt und fassungslos zugleich, jedes Mal, wenn ich mich erneut mit diesem Kult beschäftige. Schlägt man die Brücke zum Judentum, so ist Deine Schlussfolgerung nicht ganz richtig. In der jüdischen Mystik, speziell in vielen kabbalistischen Schriften, spielt "die andere Seite" eine große Rolle, das, was Du mit "durch die Dunkelheit ins Licht" bezeichnest. Alles in der Schöpfung hat und kennt seinen Platz und so ist auch jene Entität, die ganz am Ende von Allem steht, eingesetzt und erfüllt ihre Bestimmung.
Es gibt im mystischen Judentum sogar Riten wo beiden Seiten, sprich dem Influx von oben und der "anderen Seite" geopfert wird, es empfohlen wird, beiden Seiten ihren Teil zukommen zu lassen, nur, damit sich das Augenmerk jener Sitra Ahra nicht weiter auf einen richtet. Der Mensch bestimmt sich durch seine Taten und jede Tat hat ihre Auswirkungen nach oben oder eben in Bereiche, denen man besser seine Dienste nicht zur Verfügung stellt. Womit wir uns dann wieder nach Indien kehren, denn was, als die Auswirkungen einer spirituellen Tat bezeichnet sonst das Wort "Karma"?

Eine Frage, dir mir spontan beim Hören des Gates von "Nine Graves" in den Sinn kam: Hast Du eigentlich mal dran gedacht, Klezmer bei NECROS CHRISTOS in die Temples/ Gates zu integrieren? Immerhin ziehst Du bzw. Ihr ja einen durchaus beträchtlichen Teil Inspiration wie es scheint auch aus der hebräischen bzw. jüdischen Kultur.

Ich höre in der Tat gerne Klezmer, allerdings hat diese Musik nicht den gleichen Stellenwert für mich wie Indische oder Persische Musik. Ich denke also nicht, dass es Klezmer-artige Stücke bei NECROS CHRISTOS geben wird.
Du hast 2009 die RA AL DEE EXPERIENCE ins Leben gerufen, ihr habt ein Demo veröffentlicht und dann nichts mehr verlauten lassen. Habt ihr das Projekt komplett ad acta gelegt, oder kann man auf neues Material hoffen?

Ván werden demnächst das Demo als Vinyl re-releasen und eigentlich ist schon lange ein Album geplant. Genügend Material hätte ich eigentlich auch, nur kommen Ben al Dee und ich momentan einfach nicht zum Proben, uns fehlt leider die Zeit. Ich hoffe aber sehr, dass die Zukunft auch Neues von RA AL DEE bringen wird.

Zum Schluss eine obligatorische Frage: Wie schreiten die Arbeiten an eurem dritten Album voran? Habt ihr schon einen mehr oder weniger konkreten Zeitplan, was die Veröffentlichung angeht?

Nein, da lassen wir uns richtig Zeit. Wir arbeiten an neuen Stücken und ich habe einen Großteil des Albums fertig oder zumindest in Fragmenten vorliegen. Da es aber das ultimative, finale Opus sein soll und wird, wäre es komplett kontraproduktiv hier in Hektik zu verfallen. NECROS CHRISTOS-Platten haben schon immer eine Weile benötigt und unsere Fans wissen das. Qualität kommt immer vor Quantität oder einem Zeitplan und wenn das Album das Licht der Welt erblicken wird, werden alle auch hoffentlich wissen, warum es so lange gedauert hat.

Vielen Dank für das hervorragende Interview Christian und Danke an alle, die uns begleiten und supporten!

Redakteur:
Christian Schwarzer

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