NOCTE OBDUCTA: Interview zu "Hammergeddon 666"
05.12.2024 | 10:04"Es ist so plump, wie es sich liest." Die schöngeistige Seite von NOCTE OBDUCTA spielt auf "Hammergeddon 666" eine eher untergeordnete Rolle.
Die Geister scheiden sich seit jeher am Œuvre von NOCTE OBDUCTA, was sich mit der vorliegenden EP "Hammergeddon 666 - Die Katakomben betritt man nicht allein" auch nicht ändern wird. Marcel, der Kopf hinter NOCTE OBDUCTA, erzählt uns, was es mit dem 19-minütigen Werk außer der Reihe so auf sich hat.
"Hammergeddon 666" ist ja beinahe eine Back-to-the-roots Veranstaltung, vor allem im Vergleich zu "Irrlicht" oder "Totholz". Was hat euch daran gereizt?
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Auf eine andere Art und Weise waren auch die von dir genannten für mich eine Reise zurück zu den Wurzeln, aber insbesondere im Falle von "Totholz" natürlich zahmer und mehr zu "unseren" Wurzeln, die EP geht zurück auf die wirklich rohen Wurzeln. Material wie das jetzt veröffentlichte haben wir ja fast immer auf den Platten, aber ein kurzer Wutausbruch ohne Click oder den Rahmen und damit auch ohne den Aufwand und die Verantwortung eines ganzen Albums war sehr befreiend. Das hatte ein klein wenig etwas vom Demo-Recording.
Auffallend kurz sind die Songlängen (mit Ausnahme der Fortsetzung der 'Gemälde derer, die schieden'). Eine bewusste Entscheidung für prägnante Songs ohne viel Umschweife?
Gewissermaßen. Es war die bewusste Entscheidung im Sinne einer schlüssigen Zusammenstellung von Songs, wobei die Songs nicht alle extra so komponiert wurden, da sie nicht alle brandneu sind. Der Ausreißer 'Gemälde' auf der B-Seite kam erst nach der Konzeption sozusagen als Bonus hinzu.
Die bisher einzige NOCTE-EP war "Stille" aus dem Jahr 2003. Was hat euch dazu veranlasst, dem kommenden Album wieder eine EP vorauszuschicken?
Die Idee kam im Zusammenhang mit dem 30-jährigen Jubiläum vergangenes Jahr, ist also losgelöst von kommenden Platten. Ich persönlich bin kein Freund von Jubiläumsalben (auch wenn ich meine Meinung da vielleicht mal ändern mag), aber irgendeine musikalische Geste schien mir angebracht. Eine EP, deren Material in sich schlüssig ist und trotzdem auf verschiedene Stellen der Bandgeschichte schielt, wird dem Anlass auf eine angenehm unaufgeregte Weise gerecht.
Die EP ist laut Promotext für Vinyl konzipiert, was genau kann ich darunter verstehen?
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Das kann man so eigentlich nicht sagen. Ich konzipiere zwar gerne für Vinyl und orientiere mich dann nach der Spielzeit der beiden Seiten einer vernünftigen Langspielplatte deutlich unter 45 Minuten, aber das ist erstens kein Dogma und zweitens bei einer EP auch überhaupt keine Herausforderung. Bei einem Album kann diese scheinbare Limitierung nämlich durchaus Spaß machen. Es war eher so, dass ich das Ding gerne ausschließlich auf Vinyl gepresst hätte. Die Entscheidung darüber, was sinnvoll oder wirtschaftlich ist, obliegt aber nicht mir, und das ist vielleicht auch ganz gut so.
Zur Vorbereitung habe ich ein Interview mit dir, Marcel, von 2013 bei uns auf POWERMETAL.de gelesen. Dort distanziert ihr euch recht deutlich vom Black-Metal-Etikett. Wer eure Musik kennt, wird ohne Zweifel zustimmen, dass ihr schon immer aus solchen Korsetts ausgebrochen seid. Ist es für euch eher hilfreich oder anstrengend, dieses Thema immer wieder aufzugreifen? Schließlich gibt sich auch der Promotext große Mühe, den Begriff "Black Metal" zu benutzen.
Auch wenn das Material der vier ursprünglichen Songs im Thrash, Crust und Punk wildert, während der fünfte Track irgendwie in eine eisige Spielart von Sludge kippt, ist das für uns alles ganz klar Black Metal. Das ist auch gewollt und gut so. Und das trifft weiterhin auf musikalischer Ebene auf einen großen Teil unseres Materials zu. Aber auch ein Großteil ist eben nur ein Teil, und dann sind starre Kategorisierungen halt bisweilen arg irreführend.
"Hammergeddon" ist ein Kompositum aus "Hammer" und "Armageddon" oder "Harmageddon", würde ich sagen. Was bedeutet dieser Titel für euch?
Es ist so plump, wie es sich liest. Ich war sehr, sehr, sehr schlecht gelaunt, das Lied sollte sich um den Untergang drehen, und "Hammer" ist ein rohes Wort.
Ein weiteres Kompositum ist "Faustphisto", ein klassischer Goethe-Bezug?
In der Tat. Dass der Titel allerdings ausgerechnet für dieses Lied und vor allem diesen Text gewählt wurde, hat aber eher mit der Tatsache zu tun, dass wir das Wort zu einer bestimmten Zeit gerne verwendet haben. Zwar spielt der im Titel transportierte Wunsch, gleichermaßen Verführer wie Verführter zu sein, eine Rolle, aber hauptsächlich geht es in dem Lied darum, dass man Abenteuer einerseits und schwere Zeiten andererseits am besten mit Freunden durchlebt.
Du erwähnst in Interviews auch, dass du wesentlich mehr Stücke schreibst als ihr zeitlich und monetär aufnehmen könnt. Ist das Material auf "Hammergeddon 666" erst nach "Karwoche" geschrieben worden oder sind das auch Ideen, die du schon länger in der Schublade hast?
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Das ist ganz unterschiedlich. Die beiden ersten Stücke 'Hammergeddon' und 'Schorm' stammen tatsächlich komplett aus dem Jahr 2023. 'Blut, Bier, Dunkelheit' habe ich bereits im Vorfeld von "Stille" als Vinyl-Bonus geschrieben, genau wie 'Aschefrühling', das dann aber damals deutlich besser in den Kontext gepasst hat, weshalb 'Blut, Bier, Dunkelheit' nie aufgenommen wurde. 'Faustphisto' geht zurück auf eine meiner ganz frühen Ideen aus den späten 80ern, damals noch unter dem jugendlichen Titel 'Der schwarze Kreuzzug'. Als 'Kreuzritter' haben wir den Song mit DESÎHRA bzw. später NOCTE OBDUCTA zwar immer mal wieder angespielt, aber nie ernsthaft verfolgt. Für eine EP zum Jubiläum schien mir dann eine ausgearbeitete Fassung dieses internen Hits nur allzu passend. 'Auf wortlosen Fluren' ist ein ordentlich mikrophonierter Proberaummitschnitt aus dem September 2013. Wir haben 'Gemälde' von der "Schwarzmetall" 2012/13 in einer recht fuzzigen und leicht psychedelischen Version regelmäßig live gespielt und wollten diese Variante einfach mal festhalten. Die nachträglich aufgenommenen Gesangsspuren haben gegenüber dem Album aber einen anderen Text, daher auch die Variation des Titels. Wir mussten vergangenen Winter diverse Festplatten, Rechner und auch Keller durchwühlen, bis wir die Aufnahmen wiedergefunden hatten, und natürlich waren die Spuren und Sessions recht abenteuerlich sortiert und benannt. Aber die Arbeit hat sich gelohnt, wir hatten schon befürchtet, der Kram sei verloren.
In unserer Redaktion spaltet ihr oft die Gemüter, ich glaube das geschieht auch anderswo. Ist Kunst nur dann auch Kunst, wenn sie noch anecken kann?
Kann: ja. Sollte: sehr gerne. Muss: nein. Ich sehe unser Anecken sehr gerne, aber das ist ja kein Selbstzweck, auch wenn das hier und da behauptet wird. Was dann übrigens auch zeigt, dass es oft ohnehin um vorgefertigte Meinungen geht. Ich betrachte es immer wieder mit einer gewissen Genugtuung, wenn ich ganz genau sehe, dass uns Leute einfach deshalb ablehnen, weil es eben wir sind. Und ich sage explizit NICHT, dass dies der hauptsächliche Grund für Ablehnung ist, wir reden hier immer noch von Geschmacksache. Nichtsdestotrotz bekommt man mit all den Jahren ein Gespür dafür, dass Ablehnung auch eine Mode und prinzipielle Einstellung ohne Einblick sein kann. Denn sind wir mal ehrlich: Nenne 'Faustphisto' einfach 'Hellforged Chains Of Firepower' und behaupte, es drehe sich um irgendeine kultige Black-Thrash-Band, die Reaktionen auf exakt das gleiche Lied wären andere.
Nicht wenige Fans (mich eingeschlossen) warten sehnsüchtig auf einen Re-Release der "Nektar Teil 1". Habt ihr diesbezüglich Pläne?
Eher Visionen als Pläne. Bzw. durchaus Pläne, aber so oft/lange wie wir die schon hatten, gelten die wohl nicht mehr als solche. Ich will es mal so sagen: Ich könnte mittlerweile umfassende Liner-Notes über die Geschichte der in den letzten zwölf Jahren entstandenen Liner-Notes zu diesem angedachten Re-Release schreiben, denn an den Vorbereitungen haben wir schon oft genug gesessen.
Photo-Credit: Afra Gethöffer-Grütz
Hammergeddon
https://www.youtube.com/watch?v=HhaMBFZPSMA
- Redakteur:
- Nils Macher