OLD FOREST: Interview mit Kobold
11.01.2025 | 19:12"DIMMU BORGIR mit einem Orchester auf der Hauptbühne von Wacken spielen zu sehen, ist für uns völlig unvereinbar mit den Grundlagen des Black Metal."
Für manche ist das britische Black-Metal-Gespann OLD FOREST eine humorvolle Fußnote des Genres. Doch ein Musiker wie James Fogarty a.k.a. Kobold (ex-IN THE WOODS, ex-THE MEADS OF ASPHODEL) weiß genau, was er tut. "Graveside" wird nicht jedem gefallen und wer dieses Interview liest, versteht vielleicht ein Stück besser, warum. Neben der Musik des neuen Albums zeigt sich der Brite besonders auskunftsfreudig, was seine Attitüde betrifft.
Der "Old Forest", das sind in Mittelerde Überreste der Urwälder aus dem ersten Zeitalter. Stammt euer Bandname daher?
Wir haben einen Song auf unserem Debüt ('Grond - Hammer Of The Underworld'), aber das ist die einzige Inspiration, die wir jemals von Tolkien hatten. Das ist in der Encyclopaedia Metallum falsch angegeben, genauso wie die falsche Angabe, dass wir aus London kommen! Der Name OLD FOREST kommt vom Sussex Weald, einem großen Wald, der sich über das Gebiet von Sussex an der Südostküste Englands erstreckte (wo wir eigentlich herkommen). Dieser Wald ist heute größtenteils verschwunden, galt aber als undurchdringlich und war mit vielen abgelegenen Dörfern nur dünn besiedelt. Obwohl in Sussex 1066 die letzte erfolgreiche Invasion Englands stattfand, war das "Weald" einer der letzten Orte des Landes, der zum Christentum konvertierte. Aus diesem Grund lebten die heidnischen Bräuche noch viel länger fort, und wir haben eine reiche Geschichte an lokalen Mythen und Legenden, die sowohl die lokale Geschichte als auch geografische Besonderheiten beschreiben - meist mit Bezug auf Teufel, Geister, Monster, Mörder und so weiter. Generell war die Inspiration für die letzten OLD FOREST-Alben das Verschlingen von klassischen Horrorfilmen, Black Metal aus den frühen 90er Jahren sowie anderem klassischen Metal. Man sollte sich auf einer tiefen Ebene mit seiner Leidenschaft auseinandersetzen, bevor man etwas Spontanes kreiert, sonst hat man nur eine leere Palette.
"Graveside" ist ein ziemlicher Kontrast zu seinem Vorgänger (z.B. die Produktion). Was sind die Gründe dafür?
Wir hatten das Gefühl, dass wir zu den Wurzeln von OLD FOREST zurückkehren mussten. Wir sind mit all unseren Veröffentlichungen zufrieden, aber wir wollten eine Spontaneität zurückbringen, die oft verloren geht, wenn man erfahrener wird. Diese Spontaneität und Naivität ist das, was wir an den alten Black-Metal-Platten aus den späten 80ern und frühen 90ern mögen, und das ist auch der Grund, warum wir den Großteil des Black Metals der letzten 25 Jahre nicht mögen (man könnte es die Post-Nuclear Blast / Century Media-Periode nennen). Eine der wenigen "großen" Bands, die davon weitgehend unberührt bleiben, ist DARKTHRONE. Es gibt definitiv eine wachsende Ablehnung von überproduziertem Black Metal, genau wie bei dem Eindringen der Technologie in die Kunst im Allgemeinen; die Leute wollen etwas Aufregendes und Echtes, nicht etwas fein Produziertes und Langweiliges. Die großen Bands haben seit etwa 2000 ihren Weg verloren, weil sie sich von Geld und "Ruhm" ablenken ließen. Dieser Scheiß gehört nicht in den Black Metal. Überhaupt nicht. DIMMU BORGIR mit einem Orchester auf der Hauptbühne von Wacken spielen zu sehen, ist für uns völlig unvereinbar mit den Grundlagen des Black Metal.
Auch der Promo-Text verweist auf einige der klassischen Bands der Zweiten Norwegischen Welle. Warum ist das für euch immer noch so relevant?
Diese Platten fangen die Vitalität der Jugend ein, die auf dem Weg durch Alter, Erfahrung und egoistischen Ehrgeiz verloren geht. Das beste Material ist IMMER die erste Version! Kunst im Allgemeinen ist ein feines Gleichgewicht zwischen der Weiterentwicklung von Ideen und der Beibehaltung der ursprünglichen Essenz - übermäßiges Nachdenken oder Planen kann das völlig zerstören. Der Black Metal der frühen 90er Jahre hat etwas Aufregendes an sich, das über die Verbrechen und das Drama hinausgeht, die wir alle kennen; die Einführung von Keyboards und Elementen der Volksmusik waren massive Komponenten, die eine größere Musikalität und eine weitaus breitere Klangpalette ermöglichten, die bis dahin im extremen Metal weitgehend fehlte. Schau dir die Explosion von Folk-Metal und Ethno-Metal in den letzten 10-15 Jahren an. Das ist größtenteils darauf zurückzuführen, dass diese Dinge im Black Metal der 90er Jahre vorhanden waren.
Wie schwer ist es heutzutage, eine Produktion so retro klingen zu lassen?
Früher war es sehr einfach, wenn man nicht wusste, was man tat. Heutzutage, mit der digitalen Technologie, ist es paradoxerweise sehr schwer. Nachdem wir so lange an der Musik gearbeitet hatten, mussten wir uns komplett in einen anderen mentalen Zustand zurückversetzen. Das ist eine sehr herausfordernde und doch lohnende Erfahrung. Es ist durchaus möglich, dass wir in Zukunft noch weiter gehen werden. Beleth [Gitarre und Bass - NM] hat kürzlich damit experimentiert, mit der linken Hand zu spielen (für zusätzliche Authentizität)...
Die Songs wurden bereits vor der Veröffentlichung von "Sutwyke" geschrieben. Wie viele Alben hast du im Köcher?
Ich persönlich arbeite immer an verschiedenen Projekten. Ein Projekt kann zum Beispiel eine hochglanzpolierte und kommerzielle klassische Metalband sein, aber gleichzeitig arbeite ich an einer sehr bewusst rohen Platte wie "Graveside" und vielleicht an etwas Elektronischem, das nichts mit Metal zu tun hat. Was OLD FOREST betrifft, so gibt es bei uns Phasen intensiver Schreibarbeit, gefolgt von Ruhephasen, die für die Reflexion wichtig sind. Wir sind bereits im Gedankenprozess für die nächste Veröffentlichung.
Die Bildsprache (z. B. das Bandfoto) wird von einigen als fast satirisch empfunden. Würdest du zustimmen, dass der Grat im Black Metal schmal ist?
Das ist uns egal; das Drama und die Theatralik des Black Metal sind wichtig, um die Musik zu verstärken. Würde ich so gekleidet in die Kneipe gehen? Nein. Aber wir gehen ja auch nicht in die Kneipe; wir schaffen Kunst, die einen tiefen Sinn für uns selbst hat. Black Metal sollte eskapistisch, ätherisch, jenseitig sein ... wenn du das nicht verstehst oder den künstlerischen Wert auf der Grundlage deiner eigenen Vorstellungen davon beurteilst, was "cool" oder "akzeptabel" ist, dann ist echter Black Metal vielleicht nichts für dich - oder du gründest deine eigene Band und machst, was du willst. Black Metal war nie für den Massenkonsum gedacht und seine Kommerzialisierung hat ihn selbst verunglimpft.
Was meinst du mit dem Satz, "Graveside" könne als eine "Intellektualisierung des Schwachsinnigen" im Black Metal aufgefasst werden?
Es ist die Bereitschaft, als Künstler einen Rückschritt zu machen, eine minimalistische und regressive Ethik für die eigene Arbeit und die eigenen Methoden anzunehmen. Wo der Uneingeweihte eine Aufnahme voller Fehler und Irrtümer hören mag, hört der Kenner die bewussten Unvollkommenheiten von Künstlern, die ihr Handwerk wirklich verstehen.
Bitte erzähle mir etwas über das Cover-Artwork. Es könnte auch ein GEHENNA-Artwork sein.
Ich habe noch kein GEHENNA-Album gesehen, das so aussieht, aber wir versuchen immer, etwas zu finden, das die Atmosphäre und das Gefühl, das wir projizieren und in der Musik wiedergeben wollen, wirklich einfängt. Manchmal beginnen wir sogar mit dem Artwork im Kopf und nutzen es als Inspiration für die Musik, die wir kreieren. Dieses Cover, mit einigen kleinen Änderungen, war perfekt für "Graveside" - es ist wie ein Standbild aus einem klassischen Horrorfilm.
Photo-Credit: Band
- Redakteur:
- Nils Macher