OPETH: Interview mit Frederik und Waltteri
03.12.2024 | 08:52Gitarrist Fredrik Åkesson und Schlagzeuger Waltteri Väyrynen liefern bei einem lockeren Plausch interessante Geschichten zum neuen OPETH-Album "The Last Will And Testament". POWERMETAL.de war zu Gast bei einem Pressetermin in der Homebase der Plattenfirma RPM.
Hallo Fredrik, hallo Waltteri. Wir sitzen hier in einem schönen Biergarten beim Label RPM. Lasst uns mal über euer neues Werk "The Last Will And Testament" sprechen. Nachdem ich das Album nun gehört habe, stelle ich fest, dass es ein Album voller Emotionen ist. Auf der Platte werden nicht einzelne Songs aneinandergereiht, vielmehr ist es ein Konzept, eine Geschichte. Was könnt ihr mir dazu sagen?
Frederik: Die Idee, ein Konzeptalbum zu machen, entstand schon vor langer Zeit, Mikael kam irgendwann mit der Story an. Es geht um einen alten, konservativen und reichen Patrioten. Die Geschichte spielt in Großbritannien nach dem Ende des ersten Weltkrieges, etwa Anfang der 1920er Jahre. Er starb und hinterließ drei Kinder, die nun seinen letzten Willen erfahren. Das ist die Kurzversion, es gibt ein paar Nebenhandlungen. Mikaels Screaming Vocals repräsentieren die Stimme des alten Mannes und auch Ian Anderson wirkt in seiner Rolle mit gesprochenen Worten als einer der anderen Patrioten. Die Songs sind mit '§' betitelt, nur der letzte Song nennt sich 'The Story Never Told'.
Waltteri: Der Inhalt des letzten Songs beschreibt übrigens die Situation ein paar Jahre nach Eröffnung des Testaments.
Frederik: Exakt. Im ersten Kapitel geht es um die Eröffnung des Testaments. Die Frau des alten Mannes war schon vor einigen Jahren verstorben und die Kinder sind bereit, das Erbe anzutreten.
Waltteri: Im weiteren Verlauf der Geschichte kommt heraus, dass der Mann eine Affäre mit dem Dienstmädchen hatte und ein Kind aus dieser Affäre hervorging. Die ganze Story ist also mit einigen Wendungen gespickt.
Wie wir erfahren konnten, spielt die Geschichte kurz nach dem Ende des ersten Weltkrieges. Wenn man die aktuellen Bandfotos von OPETH betrachtet, habt ihr euch auch optisch an dieser Epoche ausgerichtet.
Frederik: Es hat Riesenspaß gemacht, sich in diese Klamotten zu schmeißen, in diese feinen Fracks. Wir sahen darin aus wie Pinguine oder so etwas. Waltteris Freundin ist übrigens die Fotografin.
Waltteri: Wir haben die Bilder übrigens in einem alten Schloss in der Nähe von Stockholm geschossen.
Frederik: Genau dort haben wir vor etwa 16 Jahren schon einmal ein Video gedreht.
Das Artwork ist ebenso bemerkenswert. Es enthält viele Details, viele Gesichter…
Frederik: Es stellt ein Bankett oder eine Party dar, an dem die Protagonisten des Albums teilnehmen. Wenn du genau hinschaust, entdeckst du auch unsere Gesichter darin. Sogar unser Manager ist abgebildet. Das Artwork wurde wieder von Travis Smith gefertigt, mit dem wir schon eine ganze Weile zusammenarbeiten, etwa 25 Jahre.
Waltteri: Es erinnert ein wenig an eine Szene am Ende des Films "The Shining". Das können wir definitiv als Inspiration bezeichnen.
Ein paar Worte zum Entstehungsprozess der Musik. Wurde die Musik speziell zum thematischen Konzept komponiert oder sind Musik und Story getrennt voneinander zu betrachten?
Frederik: Mikael hat uns die erste Komposition im Sommer 2023 präsentiert, es war '§7'. Er plante schon zu Beginn, die Scream-Vocals wieder vermehrt einzusetzen. Wir fanden das gut. Denn wir wissen, dass er es liebt, die alten Songs mit den harschen Vocals live zu performen. Ich passte die Gitarrensolos dazu ein, dann probten wir die ziemlich komplexen Drumparts ein.
Waltteri: Das Gute an der Sache war, dass Mikael nicht alle Songs auf einmal präsentiert hat. Er befand sich im Songwriting-Prozess und hat jeden fertig komponierten Track einzeln geschickt. Das gab mir die Zeit und die Ruhe, mir für jeden Song ein paar Wochen Zeit zu nehmen.
Frederik: Wir nahmen uns die Freiheit, die Rhythmen und die Solos zum Beispiel allein in vielen Übungsstunden einzuarbeiten, bevor wir als Band in die tatsächlichen Songproben gingen. Insofern waren wir dann sehr gut vorbereitet. Für mich war das oft eine große Herausforderung, denn die Drums sind manchmal ziemlich polyrhythmisch. Wir hatten keinen Coach dafür. Aber wir haben das Ganze irgendwann quasi in unsere DNA aufgenommen. Als wir dann in das Studio gingen, hatten wir jeden Song verinnerlicht und konnten uns dann ganz auf die Sounds fokussieren.
Walltteri: Ja, die Aufnahmesessions verliefen dann sehr smooth.
Dennoch wirkt es nicht wie eine Aneinanderreihung einzelner Songs, ich würde es als ein komplexes Gesamtkunstwerk betrachten.
Frederik: Das Album enthält mehr Zutaten als je zuvor, ist aber gleichzeitig auch sehr komplex. Zu Beginn war das echt eine Herausforderung. Mikael hat eine spezielle und einzigartige Methode, Songs zu komponieren. Und er liebt es, uns zu testen.
Waltteri: In der ganzen praktischen Phase der Produktion wurde ich als Musiker mehr gefordert als jemals zuvor.
Waltteri, dies ist deine erste Albumproduktion mit OPETH. Wie verlief deine Integration in die Band allgemein? Wie wurdest du von den anderen Jungs aufgenommen?
Waltteri: Super. Die Band hat mich vom ersten Tag an herzlich eingebunden. Ich hatte ja nur wenig Zeit, mir alles drauf zu schaffen. Knapp einen Monat vor Beginn einer Tour rief Mikael mich an und fragte, ob ich bei OPETH einsteigen möchte. Zum Glück höre ich die Band schon einige Jahre und hatte keine Probleme, mich in das Programm einzuarbeiten. Ich bekam schnell eine Idee davon, wie das Schlagzeug bei OPETH klingen sollte und die Jungs haben mich sofort unterstützt und immer gepusht.
Frederik: Wir hatten die Gelegenheit, in Alicante mal einen Gig zu spielen, als wir dort mit unseren Familien im Urlaub waren. Wir griffen dabei auf einen Gastschlagzeuger zurück, der uns dann ein Video zeigte, in dem Waltteri als Drummer zu sehen war. Wir folgten der Empfehlung, nahmen den Jungen auf und hatten von Anfang eine Menge Spaß mit Waltteri. Ich denke, OPETH spielt seit seinem Einstieg so tight wie nie zuvor.
Reden wir mal über die Gäste auf dem Album. Ian Anderson von JETHRO TULL und Joey Tempest von EUROPE. Beide Namen würde ich zunächst nicht mit OPETH in Verbindung bringen.
Frederik: Ja, vom Papier her gebe ich dir recht. Aber wenn man sich '§2' anhört, kann man die Einzigartigkeit dahinter verstehen. Das gilt für die gesprochenen Worte von Ian ebenso wie für den Klargesang von Joey. Mikael und Joey sind schon sehr lange befreundet. Daher fiel es ihnen leicht, etwas in dieser Hinsicht umzusetzen. Ian Anderson hatten wir bereits für das "Heritage"-Album angefragt, aber keine Rückmeldung bekommen. Dieses Mal lief der Kontakt über James, seinen Sohn und Manager von JETHRO TULL. Zunächst war er nur für die Rolle des Erzählers vorgesehen. Doch er fragte, ob er denn nicht auch Flöte spielen sollte, denn das würde seiner Meinung nach gut passen. Nun, sowas kannst du definitiv nicht ablehnen und somit übernahm er den Part des Flötisten eben mit.
Was meint ihr, wie gut kommen die neuen Songs live an? Werden die Fans damit Probleme haben oder sind sie von OPETH gewöhnt, dass ihr quasi "out of the box" denkt und arbeitet?
Waltteri: Ich denke, die neuen Tracks werden genauso gut funktionieren wie der bisherige Stoff auch. Natürlich sind wir gespannt, wie das Ganze funktioniert. Wir müssen einfach herausfinden, wie die String-Sektionen passen und so weiter.
Frederik: Wir haben bereits so viele Alben gemacht und meist sind die Songs länger als auf der neuen Platte. Das könnte ein Vorteil sein. Denn wenn wir nur zwei ältere Songs rausnehmen, können wir drei oder vier Songs vom neuen Album einbauen.
Ihr beginnt die Tour in den USA. Dort ist OPETH beliebt, wie übrigens einige skandinavische Bands. Woher kommt diese Begeisterung der US-Amerikaner für Heavy Metal der skandinavischen Machart? Was denkt ihr?
Waltteri: Das stimmt. Ich kenne einige Amerikaner, die europäischen und skandinavischen Metal feiern. Möglicherweise greift der Exotenbonus oder die Bands sind einfach einzigartiger als viele US-Bands.
Frederik: Das liegt zum Teil auch am Radio. Die Heavy-Metal-Radiosender in Schweden sind klein und werden von nicht allzu vielen Leuten gehört. Zudem spielen sie oft dieselben Songs. In den USA haben die Sender eine größere Reichweite und sind mehr "open-minded", spielen eine größere Vielfalt. In Finnland ist das übrigens ähnlich wie in Amerika. Dazu kommt, dass wir mit OPETH schon viele ausgiebige Tourneen durch die USA gemacht haben. Daher kommt der Erfolg nicht über Nacht, sondern ist durch langes Touren hart erarbeitet.
Dem stimme ich zu und bedanke mich für das tolle Gespräch.
Frederik und Waltteri: Wir haben zu danken.
Photocredit: Terhi Ylimäinen
- Redakteur:
- Frank Wilkens