OPETH: Interview mit Mikael Åkerfeldt
12.12.2006 | 13:21Es gibt nicht viele Bands, die im Laufe ihrer Karriere so erfolgreich geworden und dennoch auf dem Teppich geblieben sind - OPETH gehören definitiv dazu. Vor gar nicht allzu vielen Jahren tingelten sie noch als Insidertipp durch kleine und schlecht besuchte Locations (und erinnern sich auch heute noch an jede einzelne davon, inklusive des dazugehörigen Caterings). Inzwischen muss sich die stetig wachsende Fanschar frühzeitig um Tickets bemühen, weil die raren Deutschland-Konzerte mit schönster Regelmäßigkeit ausverkauft sind. So auch an diesem 2. Dezember in Berlin. Caroline Traitler und ich treffen einen kettenrauchenden Mikael Åkerfeldt in der gemütlichen Sitzecke des Tourbusses und plaudern mit ihm über Tour- und Familienleben, ehemalige und neue Mitglieder, vergangene und zukünftige Aktivitäten sowie schlechte Witze und das Album des Jahres.
Elke:
Gibt es einen besonderen Grund für die gerade laufende Europa-Tour?
Mikael:
Jede Tour dient dazu, das aktuelle Album zu bewerben, und das ist die letzte "Ghost Reveries"-Tour. Danach gönnen wir uns nach 19 Monaten auf Achse endlich eine Pause und machen Urlaub. Meine Familie und ich werden vermutlich irgendwo in den schwedischen Wäldern ein Häuschen am See mieten und relaxen.
Elke:
Eure Tour-Aktivitäten haben sich im Laufe eurer Karriere immens gesteigert. Wie viel Zeit pro Jahr bist du im Schnitt unterwegs?
Mikael:
Dieses Jahr waren wir mehr oder weniger ständig auf Tour, und letztes Jahr begannen wir damit im Juni. Also eine sehr lange Zeit ...
Elke:
Du bist inzwischen verheiratet und Vater einer Tochter. Siehst du die beiden gelegentlich?
Mikael:
Ja, gelegentlich (lacht). Im Idealfall liegen zwischen zwei Tournee-Abschnitten einige Wochen, die ich zu Hause verbringe und ausschließlich meiner Familie widme. Auf dieser Tour kommen sie mich sogar in Rom besuchen. Meine Tochter ist jetzt knapp über zwei Jahre alt, und sie und meine Frau kommen nur zu dieser einzigen Show. Ein Tour-Bus ist nicht die richtige Umgebung für ein Kleinkind - ehrlich gesagt auch nicht für einen Erwachsenen. Es überrascht mich selbst, wie gut wir damit klarkommen. Ich will mich nicht beschweren, denn wir haben uns das so ausgesucht. Doch auf Leute, die einfach nur Musik-Fans sind, mag das Leben in einem Tourbus für eine gewisse Zeit exotisch wirken, aber sehr bald würde es sie ankotzen und sie würden zurück nach Hause wollen.
Elke:
Dieser Bus hier sieht eigentlich recht gemütlich aus.
Mikael:
Er entspricht unserem üblichen Standard - die Busse sehen eigentlich alle gleich aus. Kennt ihr DANKO JONES? Sie spielten kürzlich in Schweden, und sie hatten einen nagelneuen Tourbus zur Verfügung, der war großartig!
Elke:
Nachdem eurer Line-up für lange Zeit sehr stabil war, gab es in den zwei letzten Jahren einige Veränderungen. Zunächst einmal verließ euer Schlagzeuger Martin Lopez die Band. Warum eigentlich?
Mikael:
Die Kombination aus unserem exzessiven Tourleben und seiner angeschlagenen Gesundheit funktionierte nicht, er wurde im Gegenteil immer kranker. Während einer US-Tour in einem sehr heißen Sommer gingen wir zum Baden an einen See. Er stieß einige Stunden später dazu, zog sein Shirt aus, und zu unserem Schock sah er aus wie ein Skelett. Nachdem wir die neue Platte rausgebracht hatten, standen plötzlich eine Millionen Gigs in unserem Terminkalender. Martin war nicht fit genug zum Spielen und wollte nicht auf Tour, und wir wollten ihn in seinem Zustand auch nicht mitnehmen, weil wir fürchteten, dass er sonst sterben könnte. Es ging ihm wirklich dreckig.
Elke:
Es hat eine ganze Weile gedauert, bis Aushilfs-Schlagzeuger Martin Axenroth offiziell als festes Mitglied bestätigt wurde. Hattet ihr gehofft, dass Martin Lopez eines Tages zu OPETH zurückkehren würde?
Mikael:
Wir wollten ihm kein Ultimatum stellen, dass er zu einem bestimmten Zeitpunkt zurück sein müsse, denn das hätte nicht funktioniert. Ich denke, während seiner Auszeit hat er sich Gedanken über seine mögliche Zukunft mit OPETH gemacht, und seine Entscheidung ganz aufzuhören, war ein logischer Schritt. Wir mussten weitermachen und waren mit Ax recht zufrieden. Ax wollte spielen und auf Tour gehen, er war hungrig - im Gegensatz zu Lopez. Letztendlich war es die beste Entscheidung für beide Seiten. Wir haben schon länger nicht mehr mit ihm gesprochen, aber ich hoffe für ihn, dass er wieder gesund wird. Ich gehe nicht davon aus, dass er zu OPETH zurückkommt, aber ich hoffe, dass er wieder zurück zur Musik findet und vielleicht in einer anderen Band spielen wird.
Elke:
Letztes Jahr stieß außerdem Per Wiberg als Keyboarder zur Band. Ich vermute, eure Zusammenarbeit fing damit an, dass er die "Damnation"-Tour mitfuhr. Hattet ihr damals schon darüber nachgedacht, ihn als festes Mitglied zu engagieren?
Mikael:
Wir hatten zumindest mit dem Gedanken gespielt, denn wir mochten ihn alle und er ist ein guter Keyboarder und Sänger. Wir hatten zuvor außerdem niemanden in der Band, der ebenfalls singen konnte, und jetzt können wir endlich die Gesangsharmonien, die uns schon immer vorschwebten, live und auf Platte umsetzen. Ich denke nicht, dass unserem Sound zuvor etwas gefehlt hat, ich habe zumindest nicht gezielt nach einem zusätzlichen Element gesucht. Aber als wir dann auf Tour gingen, merkten wir, welche Möglichkeiten sich uns durch Per eröffneten. Ich war immer gegen Keyboard-basierte Heavy-Metal-Bands, sondern lege den Schwerpunkt auf die Gitarre. Aber wir sind immer noch eine Gitarren-basierte Band, wir haben lediglich etwas dazu gewonnen. Seine Passagen ließen sich einerseits nicht auf der Gitarre umsetzen, andererseits ist der beste Keyboarder, den wir uns vorstellen könnten. Er stellt sich nicht in den Vordergrund oder will sich durch Soli profilieren. Er möchte einfach nur Teil der Band sein und dafür sorgen, dass sie dank ihm besser klingt.
Elke:
Ich kann mich immer noch an mein erstes OPETH-Konzert in Berlin erinnern. Das war die Tour mit KATATONIA und ihr spieltet in einer sehr kleinen und nur mäßig besuchten Halle. Fünf Jahre später habt ihr bereits zum zweiten Mal den deutlich größeren Columbia Club ausverkauft und seid dieses Mal sogar in eine größere - und ebenfalls ausverkaufte - Location umgezogen. Überrascht euch dieser Erfolg?
Mikael:
Ja und nein. Wir spielen auf jeder Tour in Deutschland, und über viele Jahre lief es hier sehr schleppend für uns. Auf der Tour mit KATATONIA spielten wir im Knaack-Club vor einem sehr kleinen Publikum, und dann gab es diesen furchtbaren "Damnation"-Gig im Halford, wo auch niemand kam. Das war in der Tat eine große Überraschung, denn dazwischen hatten wir nochmals im Columbia Club vor ziemlich vielen Zuschauern gespielt. Wir haben uns heute erst wieder über den Halford-Auftritt unterhalten. Dort kamen vielleicht hundert Leute. Wir fragen uns immer noch, woran das damals gelegen haben könnte. Die einzige mögliche Erklärung für mich ist, dass diese Show schlecht beworben wurde, oder vielleicht mochten die Leute unsere Platte nicht. Ich bin daher froh über die positive Entwicklung, besonders da Deutschland eines der Länder ist, in denen man gut abschneiden möchte, weil hier so gut wie jeder gut ankommt. Inzwischen spielen wir fast überall auf der Welt erfolgreiche Konzerte, von daher würde es mich also eher überraschen, wenn es in Deutschland immer noch anders wäre.
Elke:
Ich denke, ein Grund für euren jetzigen Erfolg ist das "Damnation"-Album, dass euch viele Fans beschert hat, die grundsätzlich eher weniger mit dem Death-Metal-Genre anfangen können.
Mikael:
Ja, das mag sein. Das war aber nicht der Plan. Wir wollten einfach ein gutes Album machen. Aber möglicherweise haben wir diese Tatsache dabei einkalkuliert. Viele Leute sagen uns, dass sie mit Death Metal oder sogar Metal im allgemeinen nie etwas anfangen konnten, aber aufgrund des "Damnation"-Albums beschlossen, unserer Musik eine Chance zu geben. Möglicherweise haben wir durch diese Platte also einige Leute zum "Metal" bekehrt. Sogar meine Mutter mag das Album.
Elke:
Habt ihr schon mal daran gedacht, ein zweites "Damnation"-Album aufzunehmen, oder sogar ein weiteres "Doppel-Album" wie "Damnation" und "Deliverance"?
Mikael:
(nachdrücklich) Nein! Diese Zeit war furchtbar für uns. Ich möchte mich außerdem als Künstler nicht wiederholen. Es wird in Zukunft vielleicht Songs geben, die stilistisch zum "Damnation"-Album passen würden. Doch man soll nie nie sagen, vielleicht machen wir eines Tages nochmals ein solches Album. Ich liebe "Damnation", und ich liebe es, diese Songs live zu spielen. Aber es war damals ein Experiment, das uns einen Schritt weitergebracht und neue Fans beschert hat, genauso wie unsere Metal-Fans dadurch vielleicht offener für andere Stile geworden sind.
Elke:
Du hast dich im Laufe der Jahre zu einem großen Entertainer entwickelt, und ich bin immer noch überrascht, was aus dem ehemals schüchternen Mikael Åkerfeldt geworden ist. Wie ist das passiert?
Mikael:
Ich kann nicht wirklich erklären, wie das geschehen konnte. Vielleicht habe ich mir das bei irgendeinem anderen Sänger abgeschaut, keine Ahnung. Als Entertainer zu gelten hat Vor- und Nachteile. Jetzt erwarten die Leute von mir, dass ich Witze mache und seltsame Dinge sage. Das ist inzwischen Teil der Show, und es ist auch gut, wenn die Leute eine schöne Zeit mit uns haben können. Es ist immer eine merkwürdige Situation, auf der Bühne zu stehen und zwischen zwei Songs etwas sagen zu müssen. Und ich kann einfach diese klischeetriefenden Anfeuerungsrufe wie "Hey, hey, come on!" nicht glaubhaft rüberbringen. Die Leute würden sofort merken, dass ich mich dabei nicht wohl fühle. Ich mag auch diese negativen Ansagen nicht, dieses "Fuck you!"-Gelaber. Also rede ich einfach drauf los. Es kommt gelegentlich vor, dass ich mehrere Abende in Folge das gleiche sage oder einen Witz weiterentwickle. Wobei ich das auch nicht unbedingt "Witz" nennen würde, ich sage einfach irgendwas. Wenn ich auf der Bühne stehe, bin ich ein anderer Mensch, und das geht vielen Musikern so. Und ich möchte dem Publikum das Gefühl geben, dass wir auch über die Musik hinaus eine gewisse Beziehung zueinander haben und zusammen eine gute Zeit verbringen.
Das Negative daran ist, dass es ein wenig die Mystik aus den Show nimmt. Ich möchte eigentlich, dass die Menschen wegen unserer Musik kommen. Wenn ich zwischen den Songs etwas Witziges erzähle, ist das ein Bonus, aber es soll nicht als Teil der Show betrachtet werden, wie es einige Leute bereits tun. Inzwischen habe ich das aber schon so oft gemacht, dass ich mich für den Moment damit abgefunden habe. Vielleicht werde ich irgendwann in ferner Zukunft zur Abwechslung einfach nur schweigen.
Elke:
Erinnerst du dich an irgendeine Ansage, die dir hinterher total peinlich war?
Mikael:
Das passiert mir die ganze Zeit (lacht). Ich vergesse das meiste sofort wieder, nachdem ich es gesagt habe. Schon nach einer Show im Umkleideraum kann ich mich oft nicht mehr erinnern, es sei denn, jemand spricht mich konkret auf einen Spruch an. Peinlich ist es, wenn man einen Witz macht und ihn keiner versteht. Irgendwo habe ich mal gesagt "Denkt ihr, dass Klaus von den SCORPIONS vor dem Song 'Wind Of Change' Kekse isst? [Caro und ich schweigen verständnislos. - Anmerkung Elke] - Genau so wie ihr gerade haben die Leute reagiert, weil den Witz offenbar außer mir niemand versteht. Ich fand ihn lustig: Denn wenn man Kekse isst, kann man nicht pfeifen.
Elke:
Okay, Groschen gefallen. OPETH war nie eine wirkliche "Hit-Single-Band". Trotzdem gibt es ein paar Songs, die ihr auf fast jeder Tour spielt. Habt ihr schon mal überlegt, vor einer Tour die Fans zu fragen, welche Songs sie gerne hören würden?
Mikael:
Das funktioniert nicht. Wir haben versucht, die Setlist ein wenig abzuändern. Ein paar Sachen, die wir sonst immer spielen - wie 'The Drapery Falls' und 'Demon Of The Fall' - sind dieses Mal rausgeflogen. Andere Sachen würde ich gerne mal spielen, um dann die Reaktion des Publikums zu sehen - irgendwelche obskure Songs, von denen vielleicht nicht jeder etwas gehört hat. Das muss man dann aber mit ein paar bekannteren Stücken mischen. Wobei "müssen" das falsche Wort ist, wir wollen es, um nicht nur für einen exklusiven Insider-Kreis zu spielen. Deswegen ist beispielsweise 'Deliverance' als bekannterer Song im Set. Mit solch langen Stücken, wie wir sie haben, sind Veränderungen in der Setlist nicht ganz so einfach, aber wir versuchen es soweit möglich, vor allem, weil wir so viel auf Tour sind. Dann wird der eine oder andere Song mal für eine Weile pausieren gelassen oder dergleichen. Gleichzeitig funktionieren andere Sachen aber aus unserer Sicht live nicht so gut, so dass wir sie nie spielen. 'Moonlight's Vertigo' vom "Still Life"-Album haben wir früher mal gespielt, aber es klang nie so, dass wir damit zufrieden waren. Wir mögen diesen Song und haben ihn für diese Tour auch mal wieder ausgegraben. Aber nachdem wir ihn fünf Tage lange geprobt haben, spielten wir ihn nur auf einer einzigen Show in Australien und dann nie wieder.
Caro:
Wenn ihr mal die Gelegenheit hättet, ein zwei- bis dreistündiges Set zu spielen, gäbe es dann auch einen dieser sehr langen Songs, den ihr gerne mal spielen würdet?
Mikael:
Auf jeder Show fragen die Leute nach 'Black Rose Immortal'. Aber ich vermute, sie wollen ihn nur hören, weil er so lang ist und nicht, weil es der beste Song von uns ist. Ich bin mir sicher, dass wir ihn eines Tages auch mal spielen werden, aber ich frage mich, wie dann die Reaktionen ausfallen werden. Bei unseren alten Platten, und ganz besonders bei dieser ["Morningrise" - die Verfasserin], besteht das Problem, dass die Leute sich zwar jahrelang beklagen, dass wir keine alten Sachen spielen, aber wenn wir es dann tun, erkennen sie die Songs nicht. Es ist schon oft passiert, dass die Leute einen Song forderten, den wir gerade gespielt hatten. Das passiert auch Bands wie IN FLAMES. Viele beschweren sich, dass sie nur die neuen Sachen spielen, und wünschen sich etwas von "The Jester Race". Und wenn sie es dann spielen, herrscht völlige Stille, weil es keiner erkennt. Wenn sie aber etwas Neues spielen, flippen alle völlig aus. Es ist unmöglich, die Fans zufrieden zu stellen, außer wenn man sie dazu bringen kann, einfach das zu akzeptieren, was man spielt.
Caro:
Magst du IN FLAMES?
Mikael:
Ich war nie ein großer Fan ihrer Musik, aber die Live-Shows sind toll. Sie sind einfach gute Freunde von mir.
Elke:
Einer der Songs, die ihr häufiger spielt, ist 'The Face Of Melinda'. Auch deine Tochter trägt diesen Namen. Hat dieses Stück inzwischen eine besondere Bedeutung für dich?
Mikael:
Nein, und außer dem Namen gibt es auch keinen Zusammenhang zwischen dem Song und meiner Tochter. Ich habe ihn in beiden Fällen aus dem einfachen Grund ausgewählt, weil mir der Name gefällt. Manche Wörter oder Namen mag man einfach. Für mich klingen die Worte "Herbst" und "Winter" in Songtiteln auch besser als "Sommer" oder "Frühling".
Elke:
Ihr müsst inzwischen tonnenweise Live-Aufnahmen angesammelt haben. Wann entsteht daraus eine DVD?
Mikael:
Wir haben im Rahmen unserer letzten Tour einen Auftritt in London mitgeschnitten, als wir in einer schönen Location in Camdon gespielt haben. The Round House ist ein altes Gebäude, das in den 60er Jahre eine gewisse Bedeutung hatte. PINK FLOYD waren dort, und THE DOORS haben ihre einzige Europa-Show überhaupt dort gegeben. Wir haben das Konzert mit 13 Kameras professionell filmen lassen. Die DVD ist geplant für die Zeit, in der wir pausieren, damit die Leute uns zwischen dieser Tour und dem nächsten Album nicht vergessen.
Elke:
Arbeitest du bereits an dem nächsten Album?
Mikael:
Nicht wirklich. Ich bin kürzlich umgezogen und habe mir ein Studio in meinem neuen Haus eingerichtet, aber es ist noch zu ungemütlich, um darin zu arbeiten. Außerdem pinkeln die Katzen dort auf den Boden. Sobald das Studio bewohnbar ist, werde ich intensiver an neuen Sachen arbeiten. Ich kann außerdem keine Songs schreiben, wenn ich auf Tour bin, weil ich dann ständig unterbrochen werde.
Elke:
Werdet ihr wieder mit Steven Wilson zusammenarbeiten?
Mikael:
Keine Ahnung, ob wir für OPETH mit ihm arbeiten werden, obwohl ich natürlich nichts dagegen hätte. Aber er wird mich im Januar für eine Weile besuchen, um zusammen an einer anderen Sache zu werkeln.
Elke:
Handelt es sich dabei um das von Mike Portnoy von DREAM THEATER angekündigte Projekt zwischen ihm, Steven und dir?
Mikael:
Ja, genau das. Es ist unmöglich, alle drei zusammen unter einen Hut zu bringen, weil unsere Bands sehr viel auf Tour sind und ständig Alben veröffentlichen. Mike gehört aber zu den Leuten, die sich immer irgendwie freischaufeln können. Wenn wir ihm also ein paar fertige Songs schicken würden, würde er bestimmt eine freie Woche für die Aufnahmen finden. Was mich betrifft, ich bin einfach faul. Und Wilson hat immer irgendwas zu tun.
Elke:
Gibt es denn schon eine grobe Idee, wie die Musik dieser "Supergroup" klingen wird?
Mikael:
Nicht wirklich. Steve hat mir bereits zwei Songs geschickt. Der eine, 'Cut Ribbon', steht auf seiner Myspace-Seite und sollte eigentlich auf PORCUPINE TREEs "In Absentia"-Album erscheinen. Der andere Song, den er mir schickte, heißt 'Hex'. Beide sind toll, aber sie klingen eben nach PORCUPINE TREE mit einer kleinen Metal-Schlagseite. Ich nehme also an, dass das Ergebnis unseres Projekts wie ein Mix aus allen drei Bands klingen wird. Ehrlich gesagt wäre es mir lieber, wenn es mit nichts vergleichbar wäre, was wir mit unseren anderen Bands bisher gemacht haben, aber ich denke, das ist unmöglich.
Elke:
Ein Problem mit OPETH-Alben sind diese Special Editions, die eure Plattenfirma Roadrunner Monate später auf den Markt wirft. Darauf gibt es immer interessante Bonus-Tracks, die die Fans natürlich haben möchten, aber bevorzugt ohne sich das ganze Album nochmals kaufen zu müssen. Habt ihr darauf irgendeinen Einfluss, oder ist das einfach die Politik der Plattenfirma?
Mikael:
Ich persönlich würde die Fans niemals ausbeuten wollen. Aber für die Labels sind diese Special Editions eine Möglichkeit, die Plattenverkäufe anzukurbeln. Wir als Band stehen nur vor der Wahl, ob wir daran mitwirken wollen oder nicht. Und wenn irgendetwas unter dem Namen OPETH veröffentlicht wird, wollen wir beteiligt werden, damit es wenigstens eine hochwertige Special Edition wird. Ich kann die Leute völlig verstehen, die das als Abzocke bezeichnen, und teile ihre Meinung bis zu einem gewissen Grad. Aber dann sollen sie sich das Bonus-Material halt einfach herunterladen oder es sich sonst irgendwie beschaffen. Jeder muss für sich selbst entscheiden, ob er sich das Album nochmals kaufen möchte oder nicht. Für mich waren solche Sachen nie ein Problem, denn ich war schon immer ein Sammler. Wenn meine Lieblings-Band eine Platte neu auflegt, kaufe ich sie noch mal, denn das ist alles, wofür ich mein Geld ausgebe. Bei BLACK SABBATH habe ich vielleicht 15 Exemplare von jedem Album.
DEEP PURPLE haben gerade eine Neuauflage ihres "Burn"-Albums herausgebracht. Ich besitze schon zwei Exemplare auf Vinyl und diverse CD-Versionen, und trotzdem habe ich es nochmals gekauft, obwohl die Extra-Songs bereits auf anderen Platten, die ich ebenfalls besitze, erschienen sind. Diese Special Editions haben meist eine tolle Verpackung, das gefällt mir. Und das ist einer der Gründe, warum wir an unserer Special Edition mitwirken möchten. Ich dachte anfangs, dass sie zeitgleich mit der normalen Version unseres letzten Albums erscheinen würde. Darum haben wir bereits vor der Veröffentlichung von "Ghost Reveries" über das Artwork und die zusätzlichen Inhalte gesprochen. Doch dann wurde der Termin aus den verschiedensten Gründen verschoben und verschoben. Das Artwork und das Bonus-Material sind aber schon lange fertig, weil wir wussten, dass wir es eines Tages brauchen würden. Mir fällt es daher schwer, das unter dem Gesichtspunkt der Fan-Ausbeutung zu sehen, denn für mich war es immer nur ein Projekt, an dem ich von Anfang an beteiligt werden wollte. Aber dadurch, dass es jetzt aber so lange bis zum Erscheinen gedauert hat, fühlen sich die Fans abgezockt. Wir hatten schon früher Special Editions und es wird auch in der Zukunft welche geben, weil Plattenfirmen so etwas nun mal veröffentlichen. Und wenn wir uns nicht daran beteiligen würden, würden sie es trotzdem tun und einfach ein paar Bilder oder Reviews als "Bonusmaterial" draufpacken, und selbst das würden manche Leute kaufen. Bei uns bekommen sie meiner Meinung nach wenigstens etwas für ihr Geld.
Elke:
Du warst früher auch mal bei BLOODBATH involviert, wurdest dann von Peter Tägtren ersetzt und bist schließlich nach dessen Weggang mit ihnen in Wacken aufgetreten. Wird es in der Zukunft noch einmal etwas von BLOODBATH mit deiner Beteiligung geben?
Mikael:
Nein. Ich war auch nie richtig bei BLOODBATH involviert - man hat mich einfach gefragt, ob ich singen wollte. Die erste Platte sollte auch eigentlich nie veröffentlicht werden, denn wir haben sie nur aus Jux aufgenommen. Vor sechs oder sieben Jahren waren wir auf die Geburtstagsparty von einem Typen eingeladen, den wir noch nicht einmal kannten und der in der gleichen Stadt wie Dan Swanö lebt. Wir haben uns ziemlich betrunken und am nächsten Tag aus Spaß diese Songs aufgenommen. Plötzlich wurden sie veröffentlicht und es gab diese Band, die eigentlich nie geplant war. Ich habe keine Zeit, mich dort einzubringen, und ich möchte nirgendwo mitmachen, woran ich nicht 100%ig interessiert bin. Die Wacken-Show war nur eine Gefälligkeit für meinen besten Freund, der dort Bass spielte - Jonas Renkse von KATATONIA. Für uns war es eine nette Party mit ein paar Bieren und diesem lustigen Auftritt. Ich habe keine Ahnung, was in der Zukunft mit BLOODBATH passiert, aber ich weiß sicher, dass ich nicht dabei sein werde. Es sei denn, sie erwischen mich in einem schwachen Moment, dann sage ich vielleicht ja. Sie haben das nämlich schon mal gemacht und ich habe ja gesagt (Gelächter). Aber besonders jetzt, wo auch Dan nicht mehr in der Band ist, möchte ich eigentlich nicht mehr mitmachen.
Elke:
Noch eine abschließende "Jahresend-Frage". Zu dieser Zeit machen viele Leute Listen mit ihren besten Alben, besten Livebands usw. Was war dein musikalischer Höhepunkt des Jahres 2006?
Mikael:
Ich höre mir nicht viele neue Sachen an und kann mich auch nie daran erinnern, ob eines meiner Lieblingsalben dieses oder doch schon letztes Jahr erschienen ist. Aber SCOTT WALKER gehört definitiv auf meine Liste. Er ist ein einzigartiger amerikanischer Künstler, der in den 60ern Teil von THE WALKER BROTHERS war. (singt) "The sun ain't gonna shine anymore ...". In den 60ern und 70ern hat er außerdem meiner Meinung nach tolle Solo-Alben herausgebracht. Mitte der 80er veröffentlichte er eine Scheibe bei Virgin, welche die schlechtverkaufteste Virgin-Platte aller Zeiten war. Es ist sehr schwierige Musik, aber auch sehr interessant. Jetzt hat er nach über zehn Jahren wieder ein Album namens "The Drift" aufgenommen, und darauf ist die packendste Musik, die ich in meinem ganzen Leben gehört habe. Das ist also diese eine besondere Platte, und zwar nicht nur für dieses Jahr, sondern für mein ganzes Leben.
- Redakteur:
- Elke Huber