PARTY.SAN OPEN AIR: Interview mit Mieze

01.01.1970 | 01:00

DARK FUNERAL, CARPATHIAN FOREST, GRAVE, DISMEMBER, UNLEASHED, ENSIFERUM... Ein kurzer Blick auf das Billing des zehnten Party.San Open-Airs vom 12. bis zum 14. August liest sich auch in diesem Jahr wie eine außerordentlich schmerzhafte Massenorgie der besten, extremsten und brachialsten Metalbands dieses Sonnensystems.

Die Geschichte des Festivals in Bad Berka beginnt dabei ganz unspektakulär wie jede gute Metalgeschichte: Ein paar durchgeknallte Langhaardackel mit genug jugendlichem Idealismus und dem nötigen Quentchen Alkohol in der Krone lassen ein paar Garagenbands aus der Umgebung spielen. 1996 steigt das erste kollektive Mosh-, Bandabfeier- und Sauf-Erlebnis, damals noch vor 150 Leuten, ohne Eintritt und mit einem stilecht hergerichteten LWK-Anhänger als Bühne. Das Party.San hieß damals noch "Tiefgruben Open-Air" die Umbenennung kam erst 1998, als die Macher langsam professioneller werden wollten. Auch das heutige reizvolle Gelände im thüringischen Bad Berka gibt es erst seit 2000, vorher tingelte die Open-Air-Crew von Sportplatz zu Sportplatz und von Anwohner-Beschwerde zu Anwohner-Beschwerde.

Mario "Mieze" Flicke erinnert sich noch gut an diese Zeit des langsamen Wachstums. Er ist zwar nicht ganz vom Anfang an mit dabei gewesen, doch heute für alles Logistische "vom Absperrzaun bis zum Scheißhaus" zuständig. Seit 1999 ist für den bärtigen Mittdreißiger die Party.San-Kernmannschaft komplett. Mieze stellt seine beiden Mitstreiter vor, einmal Jörg "Boy" Leuthardt, "die Seele und der Chef im Hintergrund", dann noch Jörg "Jarne" Brauns, "der sich besonders um die Bands und das Billing kümmert." Allerdings kannte man sich schon lange vorher. Jarne organisierte seit Jahren schon Gigs in Weimar und holte zum Beispiel AMON AMARTH zu ihrem ersten Auftritt auf deutschem Boden. Und auch Mieze und sein Bikerclub veranstalteten vorher schon Konzerte. Als Jarne 1999 mit ein paar Bandvorschlägen zu Boy und Mieze kommt, ist alles paletti - musikalisch und menschlich liegen die drei ausgemachten Extrem-Metal-Fans auf einer Wellenlänge und arbeiten ab sofort zusammen an ihrer Festival-Vision. Mieze: "Wir sind jetzt ein eingespieltes Team und gleichzeitig richtig gute Freunde geworden." Einmal in der Woche treffen sie sich. Doch alleine könnten es die Mieze, Boy und Jarne nicht schaffen - das betont Mieze immer wieder: "Wenn wir nicht die komplette 40- bis 50-köpfige Crew hinter dem Festival hätten, die sich im August eine Woche lang den Arsch aufreißt, dann könnten wir das Open-Air so nicht veranstalten."

Doch auch für die drei Chefs ist das Party.San eher zeitintensives Hobby mit Geld-Reinsteck-Garantie als feste Arbeit, alle müssen nebenbei "in stinknormalen Jobs" malochen. Mieze lacht: "Andere kaufen sich jedes Jahr ein neues Surfboard, wir haben an einem Wochenende höllisch viel Spaß, müssen aber viel dafür arbeiten." Als ob dies noch nicht genug wäre, betreiben die Drei außerdem noch die Stoye Hall in Weimar, seit 1999 ein kleiner, aber feiner Club für Metalbands aus dem Underground. Mieze erzählt: "Vorher war die Stoye Hall nur das Clubhaus unseres Motorradclubs. Ab und zu ließen wir dort Studentenbands spielen, allerdings kam dort nie richtig Stimmung auf und es waren wenig Gäste da. Das änderte sich erst mit dem Gig von ELYSAEON." Die Dark-Metal-Band aus Weimar zog nämlich ohne großen Namen gleich hundert Leute, "ein echter Erfolg", wie Mieze jetzt noch findet. Um 1999 war sowieso noch alles in Ordnung. In den Erzählungen von damals spürt man noch den Idealismus der Macher. Selbst das Platzproblem hatte sich gelöst, die Zusammenarbeit mit der Stadt Bad Berka war ab dem Jahr 2000 kein Problem mehr, "die Stadt unterstützt uns inzwischen wo sie nur kann." Und dann das: Einen Tag vor dem 2000er Party.San kamen gleich zwei Hiobsbotschaften für Jarne, Mieze und Boy. Die Headliner MARDUK und ASPHYX sagten ab. MARDUK durch ein unglückliches Missverständnis, ASPHYX weil sie sich gerade aufgelöst hatten. "Du fragst dich: Warum tust du dir das in deinem Alter überhaupt noch an?", beschreibt Mieze seine damaligen Empfindungen: "Alles könnte doch auch ganz normal sein, du könntest zu Hause vorm Fernseher sitzen, ein Bier trinken und dich von deiner Frau verwöhnen lassen."

Zum Glück haben die Drei dennoch nicht aufgegeben, seit dem Jahr 2000 hat sich die Besucherzahl knapp vervierfacht - im vergangenen Jahr kamen knapp 3500 Maniacs. Mieze: "Damit haben wir bis zum Schluss nicht gerechnet." Für die wachsende Gästeschar müssen sich die "Party.San'en" jedes Jahr ein neues Package überlegen. "Wir setzen uns zur so genannten Zeremonie zusammen, dann schreiben wir Bands auf Zettel, die wir gerne sehen würden. Jarne sagt dann 'geht' oder 'geht nicht'. Und danach wird fleißig angeschrieben", erklärt Mieze die Auswahl der Metalgladiatoren. Immerhin 80 Prozent der Bands kommen auf diese Weise zum Festival, der Rest durch Bewerbungen oder Labelangebote. Diese Unabhängigkeit bei der musikalischen Auswahl ist den Party.San-Machern das Wichtigste. "Wir wollen ein Festival, auf dass wir auch gerne als Besucher gehen würden", stellt Mieze klar. Will heißen: Es kommen nur Gruppen, hinter denen die Organisatoren auch wirklich stehen - deshalb wohl auch die vielen, vielen schwedischen Death-Metal-Acts in den letzten Jahren. "Mir hat mal jemand gesagt, wir seien das schwedischste Festival außerhalb von Skandinavien. Damit kann ich gut leben." Doch auch potenzielle Bewerber sollten keine Angst haben, wie Mieze versichert: "Schließlich können wir ja auch nicht alle Bands kennen." Hier zeigt sich der Realist, der Mieze in den Jahren als Party.San-Organizer geworden ist. Er verneint nicht mehr, dass es natürlich auch schöner wäre, noch mehr Fans zum Festival in Bad Berka zu holen. Doch gleichzeitig ist die Angst da. Die Furcht, dass das Party.San zu einem Mega-Event ohne familiäre Atmosphäre verkommt und sich völlig dem Musik-Business ausliefert. "Dann höre ich auf", legt er sich fest und: "Ich sehe das aus der Fanperspektive. Für die sind 33 Euro an der Abendkasse eine Menge Geld. Sie sollen ohne einen riesigen Plan und ohne viel Gesuche alle Bands sehen können, die wir ihnen anbieten. Und mehr als unsere 25 Bands pro Open-Air schafft mit einem anständigen Alkoholpegel keiner. Deshalb wird es beim Party.San auch keine zwei parallelen Bühnen geben, nur um noch mehr Leute zu ziehen. Viele Fans würden dafür nämlich auch kein Verständnis haben. Denn im Prinzip sind die Party.San-Besucher genau solche Bekloppten wie wir, die auf dieselbe Musik stehen und ihren Spaß auf einem Festival haben wollen." Doch in diesem Jahr können bei so einem Billing durchaus noch mehr Leute kommen. Was tun gegen den drohenden Metalhead-Overkill in Bad Berka? "Wir werden einen zweiten offiziellen Zeltplatz anbieten. Es wird eigentlich auch niemand von uns wegen Überfüllung weggeschickt. Aber es ist schon richtig: Wir diskutieren zur Zeit ständig über die Perspektive des Open-Airs. Ich denke aber, solange wir keine Mainstream-Bands holen, bleibt auch das Flair des Festivals erhalten. Es wird immer nur extreme Metalhörer ansprechen, wir werden nur Death-, Black- und Thrash-Bands hier spielen lassen. Und selbst wenn es einmal 6000 Leute werden sollten - darauf kann die Szene insgesamt stolz sein, dass zu so einem Sparten-Festival so viele Leute kommen. Der Spirit geht dabei sicher nicht verloren."

In solchen Momenten spricht aus Mieze der Metalfan, der er schon seit DDR-Zeiten ist. Genauso hört er sich an, wenn er sein Festival gegen Beschuldigungen verteidigt, es sei ein verkapptes Nazi-Treffen. Solche Vorwürfe wurden besonders nach dem 2000er Party.San und den damaligen Übergriffen von NS-Black-Metallern laut. "Wir sind, waren und werden kein Nazi-Festival sein", stellt er klar. Doch eine Einschränkung macht er, die aus der Not geboren ist: "Natürlich können wir nicht bei jedem Besucher einen Persönlichkeitstest machen. Früher konnte man Nazis ziemlich einfach erkennen: Bomberjacken, Springer mit weißen Schnürsenkeln, dann noch ein Fred-Perry-Hemd. Heute geht das nicht mehr, man kennt schließlich auch nicht jedes Bandshirt von Kapellen, die vielleicht zweimal geprobt haben und dabei dem Führer huldigen. Unsere Securityleute sind gut geschult, gleichzeitig kann man keine Hexenjagd veranstalten. Wir werden aber auch dieses Jahr definitiv keine Leute reinlassen, die mit GRAVELAND- oder BURZUM-'Local Einsatzkommando'-Shirts bei uns aufkreuzen." Fernab von solch geistigem Kleingärtnertum wünscht sich Mieze vor allem eines: "Das Party.San soll eine unpolitische Metalparty sein, wo jeder seinen Spaß hat. Wir können und
wollen die Leute nicht umerziehen, aber wir wollen einfach keine Extremisten auf diesem Festival. Solche Schwachmaten können gerne zu Hause bleiben, dies ist ein Open-Air von Metallern für Metaller. Doch verhindern können wir es im Endeffekt nicht, dass auch immer wieder solche Typen zu uns kommen. Allerdings können wir Denkanstöße geben: Ist es nicht besser, abends besoffen und mit viel Spaß im Blut ins Zelt zu fallen, als dies mit blutiger Schnauze zu tun?"


Und so bleiben für Mieze vor allem die positiven Dinge, die ihn zum Weitermachen antreiben, wenn er schon weiß, dass die negativen Erlebnisse nie ganz ausbleiben: "Schön ist alles. Etwa 2000 der NECROPHOBIC-Gig bei uns: Die Schweden standen das erste Mal auf einer deutschen Bühne und wir hatten sie geholt. Ich stand da und fast fiel mir eine Träne ins Knopfloch. Aber genauso toll ist es, wenn ich hinter der Bar stehe und überall vor mir haben die Leute Spaß. Oder wenn ich die Bands mit den Fans feiern sehe, was uns auch wirklich wichtig ist: Die Combos sollten immer wissen, wer sie großgemacht hat."

Und so hofft Mieze auch für dieses Jahr auf eine Megaparty. Zum Beispiel mit THE DUSKFALL, deren Musiker auch ein paar Songs ihrer Vorgängerbands wie GATES OF ISHTAR zocken wollen. "Im Prinzip freuen wir uns auf alle Bands, die hier spielen. Ich bin schon sehr gespannt auf meine alten Faves DISMEMBER," sagt Mieze. Wie schwer war es denn eigentlich, das große schwedische Dreigestirn mit DISMEMBER, UNLEASHED und GRAVE nach Thüringen zu holen? "Das hat sich so ergeben. Eigentlich sollten ja THE CROWN spielen. Da sie sich bekanntlich aufgelöst haben, klappt das leider nicht, obwohl wir alles versucht haben, die Jungs zu einem letzten Auftritt zu bewegen. Dann hat Jarne gesagt, dass er eben noch GRAVE dazuholt."

Bei solchen Aussichten werden selbst finanzielle Schwierigkeiten bei der Festivalplanung hingenommen: So sind zum Beispiel die Flugpreise, die Kosten für Benzin und damit die Anfahrtskosten für ausländische Bands extrem angestiegen. Das wirkt sich aus. "Leider wird das Bier dieses Jahr 20 Cent teurer sein, die 0,4 Liter Köstritzer hell oder dunkel kosten zwei Euro. Das gefällt uns nicht, aber auch die Bierpreise sind gestiegen, zudem haben wir den Anbieter gewechselt", erklärt Mieze. Das Geld steckt auch in anderen Anschaffungen: Die Unmutsbekundungen am Sound des vergangenen Jahres haben sich die Party.San-Macher zu Herzen genommen: "Ich habe noch kein Open-Air gesehen, wo der Sound immer perfekt war. Aber prinzipiell tut uns solche Kritik schon weh. Deshalb nutzen wir dieses Jahr eine völlig neue Soundanlage und geloben Besserung." Dann steht einer Megaparty wie im vergangenen Jahr nichts mehr im Weg. Außer dem Wetter, oder? Mieze erinnert sich lächelnd: "Letztes Jahr war kein Wölkchen am Himmel. Da macht es viel mehr Spaß für uns zu arbeiten, weil man nicht die Angst im Nacken hat, was bei Regen alles absaufen könnte." Wie beim vergangenen Party.San darf ab Sonntag vor Festivalbeginn gezeltet werden, direktes Durchfahren vom Wacken aus klappt ohne Probleme. Einen Shuttlebus nach Bad Berka wird es indes nicht geben. Mieze lacht: "Eher wird ein echter Bürgersteig in den Ort verlegt. Wir unterstützen nicht den allgemeinen Faulheitswahn, außerdem sind es nur anderthalb Kilometer."

Letzte und wichtigste Frage: Was soll nach so einem Hammerbilling eigentlich noch kommen? Mieze meint:
"Wir haben schon noch Träume und es gibt natürlich noch große Namen. Aber in erster Linie möchten wir das Festival bei einem attraktiven Billing erschwinglich halten. Und: Es gibt noch sehr viele geile Bands oben in Schweden..."_

Party.San: Homepage

Die Runningorder der Death- und Black Metal-Party des Jahres:

(Umbaupausen jeweils 15 Minuten)

Donnerstag, 12.08.04

(alles Tent-Stage)
SUFFERING SOULS - 21 Uhr
GOLEM - 22 Uhr
DISFEAR - 23 Uhr
PURGATORY - 24 Uhr

Freitag, 13.08.04

SINNERS BLEED - 14.45 Uhr
NEGATOR - 15.45 Uhr
CRYPTIC WINTERMONN - 16.45 Uhr
FLESHCRAWL - 17.45 Uhr
HAEMORRHAGE - 18.45 Uhr
PUNGENT STENCH - 19.45 Uhr
ZYKLON - 20.45 Uhr
DISMEMBER - 21.45 Uhr
CARPATHIAN FOREST - 22.45 Uhr
UNLEASHED - 00.00 bis 01.00 Uhr

Samstag, 14.08.04

GOREROTTED - 14 Uhr
INCAPACITY - 14.45 Uhr
ENDSTILLE - 15.45 Uhr
THE DUSKFALL - 16.45 Uhr
HATESPHERE - 17.45 Uhr
GRAVEWORM - 18.45 Uhr
VOMITORY - 19.45 Uhr
MISERY INDEX - 20.45 Uhr
ENSIFERUM - 21.45 Uhr
GRAVE - 22.45 Uhr
DARK FUNERAL - 00.00 Uhr

MANOS (Tent-Stage) - 01.30 bis 02.30

Redakteur:
Henri Kramer

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