PARTY.SAN OPEN AIR: Interview mit Mieze
13.07.2006 | 15:49ENSLAVED trinken Vodka: Den Psychedelic-Viking-Metal-Fisch-Jüngern aus Norwegen geht es sichtlich gut. Ihr Bandkopf Grutle hat mit WATAIN und den Hamster-Grillern von NIFELHEIM gerade ein paar positiv durchgedrehte "Satanisten" aus Schweden kennen gelernt und lästert mit ihnen über den langen Rauschebart von Paule "MASTER" Speckmann. HYPOCRISY-Peter, der "meiste" Produzent der Welt, kommt dazu und möchte ein paar Volkslieder singen. Alle lachen. ROMPEPROP, die holländischen Freunde der blutigen Unterhaltung, wollen Peter am liebsten in einen ihrer Eimer voller rotem Saft setzen. Belustigt schauen CRYPTOPSY, KATAKLYSM, ROTTEN SOUND und SEVERE TORTURE zu, die aber noch relativ nüchtern sind und gerade darüber diskutieren, wer von ihnen die meisten Breaks und Riffs pro Minute zocken kann. Nebenan ist Abstinenz dagegen ein Fremdwort: Dort rösten MARDUK und SETHERIAL zusammen mit ihren australischen Barbecue-Freunden von DESTROYER 666 ein paar Schafe, die sie vorher einem an der Tankstelle gekauften Plaste-Teufel geopfert haben. Der TURISAS-Akkordeonspieler Janne spielt zu dem seltsamen Schauspiel finnische Volksweisen auf seinem Instrument. Und für den Nachschub an Kiffe sorgt Chris von SIX FEET UNDER. THYRFING haben dagegen aus Schweden diese unsäglich-krassen Tabakpäckchen mitgebracht, die man sich für einen satten Nikotin-Schock unter die Lippen schieben kann. Dauerabnehmer des fiesen Krauts: TANKARD und die Dauerschluckis von ILLDISPOSED. Die sorgen auch für das Bier und holen immer wieder neue Kästen. So sieht sie aus, die im Klischee wohl fetteste Backstage-Extrem-Metal-Party des Jahres in Deutschland: Zwischen dem 10. und 12. August könnte sie im thüringischen Bad Berka stattfinden. Dann steigt dort das zwölfte Party.San Open Air, das in diesem Jahr erstmalig auch von Powermetal.de präsentiert wird. Und dabei sind eben solche Bands wie HYPOCRISY, THYRFING, ENSLAVED oder KATAKLYSM, die die Stimmung stetig am Siedepunkt halten sollen. Und obwohl sich das Festival seit Jahren wohl als die wichtigste und schönste Extrem-Party für Fans von Black und Death Metal in Deutschland etabliert hat, gibt sich Mario 'Mieze' Flicke, einer der drei Veranstalter, immer noch sehr bescheiden: "Wir haben uns nie als etwas Besonderes dargestellt. Wir sind nur der Meinung, dass sich das Party.San von den anderen Festivals abhebt, weil hier ausschließlich die extremsten Arten des Metals geboten werden. Vielleicht sehen einige Fans noch ein paar Unterschiede in der Preispolitik – doch sonst kann man nur sagen, dass die meisten Festivals einen sehr hohen Standard haben. Wir versuchen eben immer ein faires Festival für alle Freunde der etwas härteren Klänge zu gestalten, ohne dabei diese Standards zu verlieren. Und natürlich ist auch unsere einzigartige Crew nicht zu vergessen. Diese Mädels und Buben machen das Party.San am ehesten noch zu etwas Besonderem."
So gibt es bis auf die wieder einmal geniale Bandmischung in diesem Jahr auch nicht viele außergewöhnliche Neuheiten auf der Open Air-Wiese vor Bad Berka. Warum sollten die Veranstalter auch ihr Fest neu erfinden? Nur die Karten sind etwas teurer geworden. "Uns haben die Entsorgungskosten für den Müll vergangenes Jahr beinahe aufgefressen. Bei uns war da gerade eine Müllgebührerhöhung in Kraft getreten. Der Preis für eine Tonne Abfall ist dadurch von 79 auf 284 Euro gestiegen. Dazu kommt, dass wir das Gelände nicht mehr durch unsere ehrenamtliche Crew reinigen lassen können. Natürlich kann man, wie die meisten anderen Festivals, ein Parkticket oder Ähnliches einführen. Doch davon halten wir nichts, da wir die Preise immer transparent halten wollen", erklärt Mario Flicke die höheren Preise für die Tickets, die nun 36,30 Euro kosten. Dafür sollen die Kosten für Bier und Essen gleich bleiben. Und der legendäre Brutz&Brakel-Cocktail-Stand, der Beginn zahlloser durchsoffener Nächte, ist mit seinem besonderen Mixgetränken à la White Russian ebenso an altbekannter Stelle zu finden. "Darüber hinaus wird es erstmals einen Versorgungspunkt in der Mitte beider Zeltplätze geben. Dort werden sich auch zentral die Duschen befinden. Zudem findet man dort einen weiteren Info- und Security-Punkt", sagt Party.San-Mieze über eine der wenigen Neuerungen. Gleich bleibt, dass Glasflaschen auf dem Gelände und dem Campingplatz nicht erlaubt sind. Allerdings gibt es für Bier in Dosen oder Plastikflaschen sowie für Lebensmittel keine Einschränkungen, die Autos können voll gepackt werden. Nur Stromaggregate sind in diesem Jahr verboten. Mieze erklärt, warum das so ist. "2005 haben ein paar Spezialisten im Vollrausch versucht, ihr Aggregat zu betanken. Und es kam natürlich so wie in jedem schlechten Film. Das Resultat waren ein angebrannter Bus sowie mehrere verbrannte Zelte und Schlafsäcke - alles ihr eigenes Zeug. Durch das schnelle Eingreifen der Security konnte Schlimmeres verhindert werden. Da wir nicht jeden kontrollieren können, der ein Aggregat dabei hat, ob er das Teil auch bedienen kann, sehen wir uns genötigt, alle zu untersagen." Das letzte unerfreuliche Thema sind wie in jedem Jahr die Diskussionen, welche T-Shirts schon als politische Aussage gelten und welche nicht, weil das Party.San keine NS-Black-Metal-Shirts auf seinem Gelände akzeptieren möchte. Dazu finden die Veranstalter, sei alles gesagt. Und verweisen auf das eindeutige Statement ihrer Homepage: "Wir werden wieder ein Shirtverbot für alle NS-Motive aussprechen. Dieses gilt auf dem gesamten Festivalgelände einschließlich Zeltplatz. Wer da mehrfach auffällt, wird vom Platz entfernt. Kapiert, dass wir zwar eure politische Meinung nicht ändern können, aber wir werden es auch nicht zulassen, dass das Party.San zu Propagandazwecken missbraucht wird." Allerdings werde es keine Steckbrief-Liste mit unerwünschten T-Shirt-Motiven geben. Als Faustregel gelte: "Sobald du dir nicht sicher bist, ob du mit dem Shirt aneckst - lass es weg!" Klar sei aber auch: Keiner müsse sofort gehen, nur weil er ein Nazi-Band-Shirt trägt. Die Security werde vielmehr dazu auffordern, dass betreffende Shirt auszuziehen und gegen ein neutrales Kleidungsstück zu tauschen. Erst bei mehrfachen Auffälligkeiten werde gehandelt. "Wir sind uns schon bewusst, dass die Mehrzahl der Träger derartiger Klamotten diese nur aus Anerkennungs-Sucht oder anderer Profilneurosen trägt", so Mieze auf der Homepage des Party.San-Festivals.
Doch natürlich soll es an dem zweiten August-Wochenende nur am Rande um Gedanken über Rechtsextremismus oder die organisationstechnische Fragen gehen. Die trunken-fröhliche Party steht im Mittelpunkt. Und am Anfang natürlich wieder der Ansturm auf die Special-Party.San-Shirts, die jedes Jahr nach Motiven von kultigen Bandlogos - etwa POSSESSED oder MORBID ANGEL - gestaltet werden. "Wir haben vor vier Jahren damit angefangen und können nicht mehr davon lassen. Wir werden in diesem Jahr aber mehr davon herstellen lassen, damit noch ein paar mehr Besucher etwas abbekommen. Die in den letzten Jahren auf 99 Stück limitierten Shirts waren immer nach einer Viertelstunde ausverkauft." Über das Motiv für dieses Jahr will Mieze aber noch nichts verraten: Bis zum Festivalbeginn bleibt das ein Geheimnis. Und dann kommen die Bands. "Ich freue mich besonders auf Sachen wie NIFELHEIM, DESASTER oder auch KATAKLYSM", gesteht Party.San-Mieze. Wobei der Auftritt von KATAKLYSM eine weitere Besonderheit hat: Die kanadischen Deather werden ihr Konzert aufzeichnen und als DVD veröffentlichen. Dazu soll es massig Backstageaufnahmen und Interviews mit der und von der Band geben. Das Teil wird sich "KATAKLYSM - Live in Germany" nennen und bei Nuclear Blast erscheinen. Auch die Party.San-Macher werden ihre Kameras wie in den vergangenen Jahren anschalten: Für die 12. Ausgabe des Festivals ist wieder eine Extra-DVD geplant. Dort wird dann zum Beispiel einen Live-Mitschnitt von KAAMOS zu sehen sein: Die Schweden werden sich direkt nach dem Konzert auflösen, in Bad Berka gibt es also die letzte Chance, die Death-Metal-Heroen einmal zu sehen. Ebenfalls in der Kategorie "Exklusivauftritt" bewegt sich das Konzert der schwedischen Black-Metal-Legende SETHERIAL, die wohl zum ersten Mal überhaupt in Deutschland spielen. Gibt es bei so vielen hochkarätigen Bands nicht die Angst, dass die Party irgendwann einfach zu groß ist und dadurch die familiäre Atmosphäre zerstört wird, die dieses Festival erst so beliebt gemacht hat?! Große Sorgen scheint sich Mieze zumindest nicht zu machen. _"Wir erwarten auch dieses Jahr eine leichte Steigerung in den Besucherzahlen, allerdings kann man da nur schätzen. Aber wann wird was zu groß? Wir gehören nicht zu der Fraktion, die immer gleich 'Kommerz' schreit, wenn eine Sache äußerlich erfolgreich erscheint. Die Frage ist doch: Wie viele Leute kann man mit dieser Musik erreichen und bewegen zu uns zu kommen?" Und so blicken die Veranstalter sehr optimistisch auf das Festival. Was sie danach machen, ist schon klar. Mieze stellt fest: "Wir werden erstmal einen Tag verschnaufen und dann ganz normal wieder an unsere Arbeit gehen. Wir arbeiten alle noch in unseren Berufen. Und natürlich wirft das Party.San 2007 dann schon seinen Schatten voraus."
http://www.party-san.net
- Redakteur:
- Henri Kramer