PHIDEAUX: Interview mit Phideaux Xavier
29.04.2008 | 21:59Nachdem ich das zwar an und für sich musikalisch recht zugängliche, in seinen Details jedoch zugegebenermaßen etwas kryptische "Doomsday Afternoon" letztes Jahr in den höchsten Tönen gelobt hatte, sammelten sich nach und nach einige Fragen an, die ich dem Hauptsongschreiber hinter dem Projekt PHIDEAUX, Phideaux Xavier, stellen wollte. Bloß eben noch nicht wirklich ausformuliert, durchstrukturiert und zu einem kompakten Bündel geschnürt. Als ich unlängst schließlich dazu kam, das Fragezeichen-Material aufzubereiten, war noch völlig ungewiss, ob und wie Herr Xavier auf meine Anfrage reagieren würde. Doch jegliche Bedenken lösten sich in Luft auf, als ich nicht mal eine Woche später eine E-Mail mit vollständig beantwortetem Fragebogen in meinem Eingangsordner vorfand.
Phideaux Xavier erwies sich als bescheidener, umsichtiger und klarköpfiger Künstler, für den gute Musik nichtsdestotrotz magische Qualitäten aufweist, der nicht mehr für jede Band im Freien zeltet, und der sich bei aller persönlichen Bescheidenheit künstlerisch hohe Ziele steckt. In seinen ausführlichen Antworten auf meine Fragen könnt ihr einiges über die Entstehung von "Doomsday Afternoon" und die daran beteiligten Personen, über Phideauxs Kunstverständnis, seine Bezüge zum Progressive Rock und schließlich auch seine Zukunftspläne erfahren - und wieso PHIDEAUX keine Band ist, die sich auf virtuose Darbietungen stützt.
Eike:
Hallo Phideaux, ich hatte das Vergnügen, letztes Jahr dein Album "Doomsday Afternoon" besprechen zu dürfen. Nachdem ich zwischendurch mit einer Menge anderem Kram beschäftigt war, bin ich endlich dazu gekommen, zu tun, was ich schon lange tun wollte: Mir dein Album noch einmal in Ruhe anzuhören und mir einige Fragen zu überlegen.
"Doomsday Afternoon" hört sich für mich nach einem der ambitioniertesten Alben des Jahres 2007 an. Wenn ich das richtig verstanden habe, wird damit der Faden einer Geschichte fortgesponnen, den ihr mit "The Great Leap" begonnen habt. Könntest du das genauer ausführen?
Phideaux:
"Doomsday Afternoon" und "The Great Leap" wurden beide zur gleichen Zeit geschrieben und eingeübt. Als wir das gesamte Material beisammen hatten, stellten wir fest, dass "Doomsday Afternoon" mehr von einem themenorientierten alleinstehenden Liedzyklus hatte. So kam es, dass wir all die kürzeren, unabhängigen Songs genommen und uns zunächst auf diesen Stapel konzentriert haben. Daher wurde "The Great Leap" abgeschlossen und das Overdubbing usw. fertig gestellt, bevor wir wirklich anfingen, an "Doomsday Afternoon" zu arbeiten. Es gab aber auch Tracks, die teilweise ausgearbeitet wurden, bevor wir wirklich wussten, was wohin gehören würde.
Die Themen und Geschichten auf "The Great Leap" sind eher so etwas wie Vignetten aus derselben 'Welt' mit den gleichen miteinander verwobenen Eindrücken. "Doomsday Afternoon" greift eher einen einzelnen, geradlinigen Song auf und versucht, dessen Thema durch jenen langen Zyklus hindurch auszudrücken.
Eike:
Gab es andere künstlerische Werke, sei es aus Literatur, Musik oder anderem, die bewusst oder unterbewusst die Art und Weise beeinflussten, auf die ihr "Doomsday Afternoon" entworfen habt?
Phideaux:
Nun, was die Musik anbelangt, so wollten wir etwas Zeitloses machen, wie JETHRO TULLs "Thick As A Brick" oder "A Passion Play". Natürlich würde ich "Doomsday Afternoon" nicht im selben Atemzug nennen wie diese beiden, weil es magische Alben von einer Tiefe und Qualität sind, der sich auch nur anzunähern bereits schwer fällt. Wir bilden uns absolut nicht ein, dass es uns gelungen wäre, diese Qualität einzufangen, aber sie war ein Teil unserer Inspiration.
Darüber hinaus:
Die Kunst von Bosch,
die Schriften von Orwell ,
Aldous Huxley
und Philip K. Dick
sowie historische Forschung zu Hitlers Naziregime, Maos kommunistischem China und Stalins Russland. Die Beobachtung der US-Reaktionen auf den Angriff auf das World Trade Center spielt bei dem Thema auch eine Rolle. Und natürlich wurde die gesamte Trilogie durch das Buch der Offenbarung aus der christlichen Bibel filtriert.
Eike:
Was kommt bei euch normalerweise zuerst: Der Gesamtklang eines Lieds oder der textliche Bereich?
Phideaux:
Für gewöhnlich kommen die Musik und der Klang zuerst. Die Worte treten dann ein wenig später hervor. Selbstverständlich habe ich Notizbücher (oder eher Ordner im Computer) mit Texten, die manchmal ausgeschlachtet werden.
Eike:
Gibt es eine bestimmte Methode, die ihr auf das Schreiben der Texte anwendet? Fangt ihr beispielsweise mit einem Satz Schlüsselwörter oder Formulierungen an, die ihr verbauen wollt?
Phideaux:
Oft tritt eine Formulierung zutage, während ich das Lied schreibe. Während ich schreibe, singe ich und nehme auf, was ich da mache. Später transkribiere ich diese 'Improvisationen' und bewerte dann, was da ist. Das weist für gewöhnlich die Richtung, in die dann die Texte gehen. Danach kommen sie entweder langsam oder schnell, je nach dem, wie gut ich gerade den Einklang mit dem Äther finde.
Eike:
Legt ihr es darauf an, dass jedes Lied eine übergeordnete Rolle im Gesamtkontext des Albums erfüllt? Könntest du vielleicht anhand eines Songs beispielhaft erklären, wann und wie entschieden wurde, an welcher Stelle er endgültig zu hören sein würde, und wie ihr ihn zwischen den anderen Songs eingepasst habt?
Phideaux:
Als wir eingangs Aufnahmen zu "Doomsday Afternoon" machten, bestand der gesamte erste Akt völlig aus Pianospiel. Wir hatten den letzten Song bereits vollständig geplant, und der hatte etwas Gesang über einer interessanten Akkordfolge. Ich fing an, mit den Akkorden in einer anderen Tonart herumzuspielen, und dabei stieß ich auf die Knochen des Gerüsts für 'Candybrain'. Ich stellte fest, dass dies eine gute Gelegenheit bieten würde, die Melodie, die wir am Ende des Albums hatten, neu zu entwickeln und sie früher 'einzusäen'. Das hat den ersten Akt mit ein wenig Gitarrenspiel aufgebrochen. Was wichtig war, um einer Piano-Übermüdung vorzubeugen.
Eike:
Meinst du, dass Liedtexte oder Musik die Haltung von Menschen gegenüber bestimmten Themen oder ihre Wahrnehmung der Welt ändern können, auf persönlicher wie gesellschaftlicher Ebene? Ist das überhaupt auch ein Bestandteil deiner Ambitionen als Song-Schreiber?
Phideaux:
Ich weiß nicht, ob Musik oder Lieder die Einstellungen von Menschen ändern können, aber ich meine schon, dass sie Menschen von ähnlichem Geist verbinden können. Jedes Buch, jedes Gemälde, jeder Film wird sein Publikum erreichen, und die Leute werden sich entweder damit identifizieren und verbinden, oder sie werden davon abgestoßen. Wir haben keine Ambition, irgendwen zu beeinflussen, sondern nur, unsere Gefühle auszudrücken.
Eike:
Viele der Texte auf "Doomsday Afternoon" sind aus dem Blickwinkel der ersten Person heraus geschrieben. Ist dies ein und dieselbe Person, die da zu uns spricht/singt?
Phideaux:
Ich denke, das hängt davon ab, wer gerade singt und wo im Fluss des Albums sie sich befinden. Einen Schlüssel zum Verlauf der Geschichte in "Doomsday Afternoon" kann man im Song 'You And Me Against A World Of Pain' von "The Great Leap" finden. Ich denke, es sind diese Charaktere, die Feuerleitern hinab rennen und denken, dass all ihre Sorgen falsch waren. Es gibt auch den Erzähler in der dritten Person, der einige der Charaktere erklärt. Und dann haben wir noch verschiedene Stimmen, die andere Archetypen und Wesen darstellen.
Eike:
Als du an den Songs schriebst, hattest du da schon einen bestimmten Charakter bzw. eine Gruppe von Charakteren im Sinn, oder hast du die Herangehensweise aus der ersten Person nur gewählt, um mehr Einfühlung seitens der Hörer hervorzukitzeln?
Phideaux:
Ich habe mal an spezielle 'Charaktere' gedacht, mal aus der Sicht von 'jedermann/frau' geschrieben.
Eike:
Wenn ich das recht verstanden habe, hast du zusammen mit deinem Schlagzeuger Rich Hutchins bisher schon an sechs Alben gearbeitet. Wie seid ihr beiden aufeinander gestoßen?
Phideaux:
Ich habe ein Lied für einen Folk-Sänger produziert, und Rich war der Percussionist. Wir entschieden uns, uns zusammenzutun und einige Songs auszuprobieren, die ich geschrieben hatte.
Eike:
Wie hat sich euer Arbeitsverhältnis auf lange Sicht entwickelt?
Phideaux:
Wir probten scheinbar zehntausend Jahre lang an der Musik, aus der "Ghost Story" entstand. Die Aufnahmen wurden meinen Ansprüchen niemals gerecht, und wir beide spielten in einer Band namens SATYRICON (nicht die bekannte Metalband!). Ich war in dieser Band der Bassist und Co-Writer, aber nicht der Sänger. Es war ungefähr so etwas wie ein Seitenprojekt.
Eike:
Wie groß ist Richs Beitrag zum Projekt PHIDEAUX?
Phideaux:
Nun, ich probe alle Stücke mit ihm. Er ist Schlagzeuger, und sein Stil beeinflusst das Zutagetreten und die Entwicklung der Stücke. Manchmal jammen wir ein Riff oder eine Idee gemeinsam aus, und in den Fällen, in denen der Song aus unserem Zusammenspiel entstand, erhält er co-writing credits. Er und ich spielen seit 1996 zusammen - mit einer Pause dazwischen, als ich von 1998 bis 2001 gar keine Musik gemacht habe.
Eike:
Seid ihr auch persönlich befreundet?
Phideaux:
Ja, Rich ist ein großartiger Kerl, und seine Frau Julie Hair ebenso. Sie ist eine eigenständige Künstlerin und Musikerin.
Eike:
Was treibt Rich, wenn er nicht gerade mit dir zusammenarbeitet?
Phideaux:
Rich spielt in vielen unterschiedlichen Projekten und ist in einer anarchistischen Blechbläsergruppe namens HUNGRY MARCH BAND involviert.
Eike:
Ihr habt "Doomsday Afternoon" nicht nur mit einer neunköpfigen Band eingespielt, sondern da waren bei einigen Songs zusätzlich noch sieben Gastmusiker zugegen, und dann auch noch ein kleines Orchester von inklusive des Dirigenten acht Leuten. War es schwierig, die Fäden in der Hand zu behalten?
Phideaux:
Alle Musiker, mit denen wir arbeiten, sind auf der einen oder anderen Ebene miteinander befreundet. Gabe Moffat ist Produzent und Gitarrist der Band. Er ist der Drehpunkt, um den sich alles bewegt. Er kannte Paul Rudolph, der uns die klassischen Musiker besorgte und die Komposition für "Doomsday Afternoon" arrangierte. "Doomsday Afternoon" zu entwickeln brauchte eine lange Zeit, und Paul und ich arbeiteten gemeinsam an den Ideen für das Orchester, aber letztendlich war es seine Aufgabe, die endgültigen Parts zu schreiben. Johnny und Mark brachten ihre Keyboard-Beiträge ein, und Martin Orford baten wir, ein Synthesizer-Solo zu spielen. Ich liebe seine Arbeiten mit IQ. .
Matthew Parmenter ist jemand, den ich (musikalisch!) einfach liebe. Er ist ein Kumpel von Mat Kennedy, sie wuchsen als beste Freunde auf, also ließ ich über Mr. Kennedy als Vermittler Parmenter dazu bringen, eine Masse an Dingen zum Album beizutragen. Matthew Parmenter hat das Album vielleicht stärker beeinflusst als irgendwer sonst. Ich hätte ihm etwas mehr credits für das fertige Produkt einräumen sollen!
Eike:
Wie habt ihr den Arbeitsprozess aufgeteilt?
Phideaux:
Wir arbeiten langsam und methodisch, und wir versuchen, Dinge noch im Entstehen auszuarbeiten, und notieren, wenn etwas fehlt oder besser sein könnte.
Eike:
Haben die Texte die Komposition der Musik beeinflusst?
Phideaux:
Die Texte haben die Musik nicht beeinflusst, aber wenn wir mehr Text brauchten, um eine Idee weiter zu entfalten, dann haben wir die Arrangements der Songs abgeändert.
Eike:
Hattest du im Vorhinein eine Vorstellung davon, wie die Musik klingen würde, bevor du mit dem Schreiben der Songs begonnen hast? Und falls das so war, haben sich deine Vorstellungen während der Arbeit mit deinen Ideen nennenswert geändert?
Phideaux:
Für gewöhnlich habe ich eine gewisse Vorstellung, wie ich ein Stück gerne klingen lassen würde, aber die ändert sich oft. Joel Weinstein etwa spielte im letzten Stück ein Gitarrensolo, welches zu diesem Track einen völlig anderen Zugang ermöglichte, als ich ursprünglich beabsichtigt hatte. Seine Interpretation der Musik zog den ursprünglichen Plan in Zweifel, und mit diesem Beitrag veränderte er im wörtlichen Sinn die Struktur der Musik. In Konsequenz dessen haben wir viele Dinge geändert. Dasselbe kann man über Steve Dundons Flötenspiel bei 'Formaldehyde' sagen. Seine Ergänzungen transformierten meinen Blick auf den Song.
Eike:
Brachten sich die übrigen Musiker, mit denen du gearbeitet hast, ebenfalls in Komposition oder Arrangements mit ein?
Phideaux:
Jeder, der dazu kommt, an den Alben zu arbeiten, bringt zu einem großen Teil sich selbst und sein Talent mit ein, und sie alle sind in weiten Teilen der Musik repräsentiert. Wollte ich nur meine eigenen Ideen, würde die Musik darunter leiden. Natürlich behalte ich mir den Filter vor, eine Idee von jemandem durchzuwinken oder abzuklären, aber im Großen und Ganzen bringt jeder etwas Einzigartiges und Aufschlussreiches mit an den Tisch.
Eike:
Habt ihr die gesamte Musik im Vorfeld des Aufnahmeprozesses komponiert, oder habt ihr Raum für Spontaneität während der Proben, oder sogar im Studio, gelassen?
Phideaux:
Die Musik wird komponiert und eingeübt, aber wenn wir dann beim Overdubbing sind, kommt es öfters vor, dass wir Teile mittels Ausschnitten oder alternativen Songversionen neu konstruieren. Nachdem sie abgemischt wurden, sind sie so etwas wie eine Kreatur Frankensteins. Wie auch immer: Wonach wir suchen, ist eine Studioaufnahme, die über Kopfhörer angenehm klingt und den Zuhörenden auf eine Art Reise mitnimmt. Wie wir an diesem Ziel ankommen, ist für mich daher nicht wichtig. PHIDEAUX ist keine Band, die sich auf virtuose Darbietungen stützt.
Eike:
War dir oft danach, das Arrangement eines Songs abzuändern oder Teile davon neu zu schreiben?
Phideaux:
Die Songs ändern sich von der ersten Aufnahme bis zum letzten Mix gewaltig. Wir sind ständig damit beschäftigt, Arrangements zu erweitern oder zu raffen.
Eike:
Wenn du Zeit geschenkt bekämst, um dieses Album neu aufzunehmen, gäbe es dann etwas, das du nun anders machen würdest?
Phideaux:
Natürlich gibt es Dinge am Album, die mich wurmen, aber glücklicherweise kann ich die nun loslassen und das Album als Kind seiner Zeit weiterleben lassen. An einigen Sachen habe ich obsessiv gearbeitet, aber nun stelle ich fest, dass es andere Alben geben wird, auf denen ich Ideen verfeinern kann, und somit kann ich ein paar Makel durchgehen lassen.
Eike:
Was wolltest du mit der Zeile im Booklet ausdrücken, in der es heißt "Songs discovered by Phideaux Xavier"?
Phideaux:
Ich glaube, dass in einigen Fällen die Songs in der Luft liegen und ich bloß einen Anflug von ihnen erhasche und dann versuche, mich darauf einzustellen, den ganzen Song zu erfassen. Es gab einige Zeitpunkte, zu denen Songs vollständig ausgeformt hervorkamen, und die klingen (für mich) nicht wie Musik, die ich schreibe. Diese Songs scheinen aus einer Art kollektivem Bewusstsein zu kommen, oder wer weiß woher...
Eike:
Was ist dein Begriff von Kunst?
Phideaux:
Kunst ist etwas, das Kreaturen nutzen, um sich selbst auszudrücken. Kunst ist ein Weg, zu forschen und auf einer mysteriösen Ebene zu kommunizieren, nicht immer linear. Kunst ist auch eine emotionale Verbindung für mich, um mein Leben zu erfahren. Als aufwachsendes Kind stellten Künstler wie THE BEATLES, ALICE COOPER, ZAPPA und TULL eine Verbindung zu mir her, auf eine tiefe, gefühlsartige, vorverstandesmäßige Weise. Ich wusste nicht immer, was sie aussagten, und es spielte keine Rolle, mein Körper und mein Unbewusstes reagierten und fühlten eine Verwandtschaft.
Eike:
Was für ein Publikum möchtest du erreichen?
Phideaux:
Wenn ich an Publikum denke, ich möchte wirklich nur für mich selbst Musik machen und Musik, die ich als Konsument genießen würde. Wir haben keine Absichten, aber ich stelle mir gerne vor, dass Leute, die sich die Musik, die wir mögen, anhören, sich vielleicht an unseren eigenen Sounds erfreuen.
Eike:
Eure Musik ist sehr besonders. Könnt ihr davon leben, Musik zu schreiben, und was macht ihr neben dem Erschaffen von Alben wie "Doomsday Afternoon"?
Phideaux:
Danke für deine Aussage, unsere Musik sei besonders. Wir stellen uns das gerne vor. Leider ist PHIDEAUX keine Band, die von der Musik ein Auskommen hat. Wir haben alle Tagesjobs, und zu diesem Zeitpunkt unterhalten wir damit die Musik.
Eike:
Musstet ihr irgendwelche Kompromisse eingehen, um "Doomsday Afternoon" verkaufen zu können?
Phideaux:
Wir haben keine Kompromisse gemacht, um "Doomsday Afternoon" zu verkaufen. Tatsächlich haben wir keine Kompromisse gemacht außer den 5.1-Mix von der Tagesordnung zu streichen, weil wir keine Zeit hatten. In Zukunft werden wir das machen.
Eike:
Einige haben die Meinung geäußert, dass im Zeitalter der Internetdownloads das Konzept des Musikalbums seine Bedeutung verliere. Was denkst du darüber?
Phideaux:
Wahrscheinlich weil ich mit Liebe zu Alben aufwuchs, habe ich dazu keinen Bezug. Ich liebe Alben und die ganzheitliche Kreation eines Projekts. Ebenso erfreue ich mich an Singles und großartigen Tracks. Ich meine, das sind unterschiedliche Dinge. Es gibt nichts, das ich mehr lieben würde, als ein großartiges vollständiges Album zu hören. Ich meine, wenn jemand ein besonderes Album macht, dann wird das Publikum den gesamten Artikel haben wollen, und nicht nur zufällige Songs.
Eike:
Welche Bedeutung hat Coverartwork für dich als Künstler?
Phideaux:
Ich meine, dass Albumkunst ein Weg ist, um den Genuss der Musik zu erhöhen. Ich glaube, dass sie informativ sein und die Themen aus der Musik und den Songs anreichern sollte.
Eike:
Und welche Bedeutung hat Coverartwork für dich als Teil eines Publikums?
Phideaux:
Ich habe es schon immer geliebt, Album-Artworks zu lesen und darüber nachzusinnen, besonders bei ausgefeilten Gestaltungen.
Eike:
Wie kam es dazu, dass sich Coverkünstlerin Molly Ruttan bei deinen Alben involvierte?
Phideaux:
Molly ist eine meiner ältesten Freunde überhaupt. Sie und ihre Schwester Linda sind atemberaubende Künstlerinnen, und ich habe das Vergnügen, sie schon von Kindesbeinen an zu kennen. Es ist eine glückliche Fügung, dass Molly sich inspiriert fühlte, diese fantastischen Kunstmalereien anzufertigen.
Eike:
Ihre Bilder sind sehr suggestiv. Außerdem gibt es dort wiederkehrende Motive, zum Beipsiel Engel, der Gelehrte in Rot, das gehörnte Tier, Verschmutzung. Aber ich kann nicht ausmachen, inwieweit sie Teil einer Erzählung sind. Gibt es eine übergeordnete Erzählung, zu der die Songs auf "Doomsday Afternoon" gehören? Hast du diese Motive und Ideen mit Molly Ruttan gemeinsam erarbeitet?
Phideaux:
Molly und ich sprachen über die Songs. Sie konnte die Musik anhören, während sie malte. Wir wählten Bildsprache und Ideen und Archetypen aus, die mit der Geschichte aus den Texten eine Verbindung eingingen, und sie bezog diese Elemente in ihre Gestaltung mit ein.
Eike:
Habt ihr "Doomsday Afternoon" schon auf einer Bühne live aufgeführt?
Phideaux:
Wir haben letzten Sommer performt, gleich nachdem "Doomsday Afternoon" erschienen ist. Bei diesen Aufführungen haben wir die Konzerte mit dem letzten Song eröffnet, 'Microdeath Softstar'. Das war aufregend für uns, weil das Lied mit einer einzigen Note auf der Orgel beginnt und sich dann nach und nach zur vollständigen Band hin aufbaut. Das entsprach den 14 Schlussminuten des Albums. Später in der Show spielten wir was als 'Doom Suite' bekannt wurde, dabei handelt es sich um die ersten drei Songs und die Gesangsversion von 'Crumble' aus dem zweiten Akt. Die 'Doom Suite' war 'Micro Softdeathstar', 'The Doctrine Of Eternal Ice (Part One)', 'Candybrain', 'Crumble (Vocal Version)'.
Eike:
Wie habt ihr die Entscheidung getroffen, welche Auswahl an Songs gespielt wurde?
Phideaux:
Wir wollten das Album repräsentieren - mit Liedern, die sich live gut umsetzen lassen. Einige der Songs wirken ermüdend, wenn sie der Produktion entkleidet werden.
Eike:
Fandet ihr es notwendig, die Songs für eine Live-Vorführung abzuändern, und falls ja, aus welchen Gründen?
Phideaux:
Für Live-Vorführungen nahmen wir auf jeden Fall Veränderungen an den Songs vor, weil wir daran glauben, dass Live-Shows ein anderes Viech sind, und dass die Songs atmen und wachsen, wenn sie live aufgeführt werden. Zum einen spielen da andere Leute als auf dem Album spielten. Außerdem befinden sich keine Orchester und Gastmusiker auf der Bühne, also erfordert das Neuinterpretationen.
Eike:
Über welche Zuschauerreaktion freust du dich am meisten?
Phideaux:
Klatschen.
Eike:
Und welche würde dich am meisten ärgern?
Phideaux:
Flaschen und faules Obst.
Eike:
Wie wichtig ist dir Live-Musik persönlich?
Phideaux:
Ich liebe Live-Musik. Es gibt nichts Magischeres, als hinzugehen und eine Band spielen zu sehen. Wenn ich Fan einer Band bin und sie live spielen sehen kann, ist das erhaben. Aufzutreten ist ein Privileg, für das ich schwärme, und wir sind höchst erpicht darauf, rauszukommen und weitere Shows zu spielen.
Eike:
Hast du das Gefühl, dass sich die soziale Bedeutung von Live-Musik Zeit deines Lebens geändert hat?
Phideaux:
Ich weiß es nicht, denn als ich ein Kind war, war sie überbedeutsam. In meinem jetzigen Lebensalter ist sie ein ganz entzückendes Schmankerl, aber ich kampiere nicht mehr ganz so oft draußen, um eine Live-Show zu sehen, wie früher. Für diese jungen Leute, die die Musik gerade erst mit offenen Armen begrüßen, würde ich mir vorstellen, dass es genauso aufregend ist, wie es immer schon war.
Eike:
Woran arbeitest du im Moment?
Phideaux:
Wir arbeiten an unserem neuen Album "Number Seven". Es ist eine Sammlung von sieben Liedern, obwohl wir uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht so sicher sind, welche sieben das sein werden. Vielleicht nehmen wir einen Song, machen eine Single draus, und fügen dann etwas anderes zum Album hinzu.
Eike:
Was hat es mit diesem Piratencomic nebst CD auf sich, zu der du einen Song beigesteuert hast?
Phideaux:
CypherArts.com hat uns eingeladen, an einem Album über Piraten mitzuarbeiten.
Zu diesem Zweck bat ich Rich Mouser ein Lied zu produzieren, das ich mit einer Gruppe anderer Leute eingeübt hatte. Der Grund dafür, dass Gabe und Rich nichts an dem Song machten, ist, dass wir bis zum Hals in "Doomsday Afternoon" steckten. Außerdem wollte ich mit Mr. Mouser arbeiten, also war das eine reizvolle Gelegenheit.
Eike:
Kannst du ein wenig ausführen, worum sich euer kommendes Album "Infernal" drehen wird?
Phideaux:
"Infernal" ist ein komplexes Musikstück, das aus zwei langen 'form songs' besteht. Wir haben uns dafür entschieden, die Aufnahme zu diesem Album aufzuschieben. Der Grund dafür ist, dass es lange dauern würde, es fertigzustellen, und wir würden dieses Jahr gerne noch ein weiteres Album machen. Deshalb stellen wir zu eurem Hörvergnügen sieben etwas weniger verzwickte Songs zusammen...
Eike:
Habt ihr irgendwelche Projekte auf Lager, die ihr an den Start bringen möchtet, sobald die laufende Arbeit beendet ist?
Phideaux:
"Infernal" liegt in der Zukunft. Ich arbeite auch an einem Solo-Album mit einfacheren Songs, das "Guitar" heißen soll. Es gibt zwei Alben an Archivmaterial, das ich überarbeiten und veröffentlichen möchte. Es steht weit unten auf der Liste... Außerdem wollen wir einiges an Material vom "Crescendo Festival" zusammenstellen, um es bei YouTube hochzuladen.
Eike:
Was ist dein Blick in die fernere Zukunft? Was ist dein größter Traum als Künstler?
Phideaux:
Weiterhin zu spielen und Musik zu machen, und in Europa mit unserer Musik touren zu können.
Eike:
Was meinst du, gibt es so etwas wie die Progressive-Rock-Szene, und falls ja, in welcher Beziehung stehst du zu ihr?
Phideaux:
Ich meine, es gibt eine Szene insofern als es für alles eine Szene gibt. Es ist nicht, wie es in den 70ern war, aber es gibt Leute, die die Fackel hoch halten. Wir befinden uns am Rand der Szene. Wir wollen nicht ständig vertrackte Musik spielen, und PHIDEAUX ist vielleicht ein wenig songorientierter als einige Progressive-Rock-Acts. Eines meiner liebsten Alben ist das erste PETER GABRIEL-Soloalbum. Es ist sehr songorientiert. Ich verspüre auch eine große Liebe zu DAVID BOWIE und einiger Folkmusik. THE CURE / SIOUXSIE AND THE BANSHEES waren sehr kreativ und hatten eine unverwechselbare Suggestivkraft in ihrer Musik. Wir stellen uns gerne vor, dass wir in PHIDEAUX viele Einflüsse zusammenbringen, sodass uns einige Leute in der Progressive-Rock-Szene anscheinend nicht allzu gut aufnehmen. Wenn wir zwanzigminütige Songs machen, glauben sie an uns, wenn wir einfachere Musik machen, scheinen wir die Kundschaft nicht immer zu beglücken.
Eike:
Möchtest du sonst noch irgendetwas anfügen?
Phideaux:
Wir haben so ein Glück, uns durch diese Musik ausdrücken zu können, und wir hoffen, dass einige Leute sich an unserer musikalischen Reise und unserem musikalischen Wachstum erfreuen. Unsere Musik hört man am besten einige Male, bevor sie sich erschließt. Ian Anderson hat einmal gesagt, dass die beste Musik von der Hörerschaft Anteilnahme und aktives Zuhören erfordert. Ich finde, dass meine Lieblingsalben sich beim ersten Hören ziemlich schlecht anhörten...
Danke für die Fragen.
Eike:
Vielen, vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast. Alles Gute für eure laufenden und zukünftigen Projekte!
- Redakteur:
- Eike Schmitz