POWERWOLF: Interview mit Falk Maria Schlegel

08.07.2020 | 22:22

Der Sinn von Best-Of-Alben liegt bekanntlich immer im Auge des Betrachters. Doch wenn man, wie im Falle von POWERWOLF, nach sieben Jahren und diversen Special-Outputs das erste Mal mit solch einem Diskographie-Querschnitt um die Ecke kommt, dann liegt eine objektive Berechtigung hierfür auf der Hand. "Best Of The Blessed" hat aber noch viel mehr zu bieten als eine bloße Ansammlung der größten POWERWOLF-Hits. Falk Maria Schlegel ist bei uns ein gern gesehener Interviewgast, sodass wir auch zum aktuellen Anlass ein paar sehr unterhaltsame Worte mit ihm wechseln konnten.

Falk Maria, wie ist die Stimmung im Wolfsrudel speziell im Hinblick auf die Pandemie?

Soweit geht es uns ganz gut. Die letzten Wochen waren jedoch schlimm und natürlich gibt es Tage, an denen man sich fragt, wie das alles weitergehen soll und was daraus resultiert. Dann gibt es aber auch Momente, in denen wir fest entschlossen sind, alles genauso wie bisher fortzuführen. Wenn man sich zu sehr in die Angst stürzt, kommt nichts Kreatives dabei raus. Insofern wollen wir uns von solchen Gedanken freimachen. Trotzdem kann einem dabei bange werden, weil wir auch nicht wissen, welche Konsequenzen die momentane Lage für Kunst und Kultur hat. Aber das ist kein Alleinstellungsmerkmal für POWERWOLF, sondern betrifft alle Menschen. Aber als Künstler momentan nicht auf die Bühne gehen zu können, macht uns natürlich traurig. Wir können es nicht ändern, sondern nur auf bessere Zeiten hoffen.

Ihr seid momentan in den Vorbereitungen zum "The Sacrament Of Sin"-Nachfolger. Kann man im nächsten Jahr damit rechnen?

Nach den jetzigen Plänen schon. Ich würde auf jeden Fall daran festhalten. Wenn du einen aktuellen Release hast, den du durch Live-Konzerte promoten würdest, ist die Situation natürlich doppelt bitter. Wir haben jetzt Glück im Unglück, dass wir kein reguläres Studioalbum am Start haben. Nach der Südamerikatour mit AMON AMARTH wollten wir eh konsequent mit dem Songwriting-Prozess für das neue Album starten.

Stilistisch passen POWERWOLF und AMON AMARTH nicht unbedingt zusammen. Doch anscheinend hat dieses Billing bestens harmoniert, oder? Wie verlief die Tour?

Absolut großartig. Wir waren zum ersten Mal drüben, haben Südamerika bisher noch gar nicht betourt. Als sich diese Situation ergab, wusste ich auch nicht so recht, ob POWERWOLF musikalisch so gut zu AMON AMARTH passt, aber das hat wunderbar funktioniert. Ich hatte zu keiner Zeit den Eindruck, dass es zwei Lager geben würde. Im Gegenteil, die AMON AMARTH-Fans haben uns genauso abgefeiert wie ihre Lieblinge und andersherum. Die Stimmung war wunderbar, die Auftritte waren gut voll. Einen kleinen Stich ins Herz gab es dann allerdings als wir in Chile waren und uns dann aufgrund der Pandemie untersagt wurde, unseren Auftritt in El Salvador wahrzunehmen. Dennoch werde ich diese genreübergreifende Tour in bester Erinnerung behalten, auch weil diese Erfahrung so gut war.

"Best Of The Blessed" ist eure erste Best-Of-Scheibe überhaupt. Wie stehst du generell zu dem Thema?

Ich bin ehrlich: Ich bin Fan von Best-Of-Alben. Normalerweise müssen sich solche Alben ab und an den Vorwurf gefallen lassen, dass man zu faul wäre, sich durch die regulären Alben zu hören, aber bei mir war es immer andersrum: Erst das Best-Of motivierte mich dazu, auch die restlichen Scheiben kennenlernen zu wollen. In unserem Fall konnten wir unsere Lieblingssongs, die wir auch sehr gerne live spielen, endlich mal zusammentragen. Zwar hat jeder so seine eigenen Favoriten, aber das Album ist eine gute Momentaufnahme. Natürlich haben wir auch überlegt, was wir noch dazupacken könnten. Und da wir denken, dass POWERWOLF-Songs live am besten funktionieren, haben wir unsere bis dato größte und erfolgreichste Tour, die Wolfsnächte-Tour von 2018, mitgeschnitten. Das war eine gute Gelegenheit, dem Best Of einen zusätzlichen Mehrwert zu geben. Und die Live-Songs geben einen passenden Einblick, worauf wir in Sachen Show und Entertainment stehen. Von daher finde ich die Kombination super: Du kannst dir zunächst die Studioversion anhören und dann schauen, ob wir das auch live richtig gemacht haben, hehe.

Das war aber ein Zusammenschnitt diverser Shows der Wolfsnächte-Tour, nicht wahr?

Die komplette Europatournee war wie ein Rausch, insbesondere als dann die ersten Zahlen reinkamen. Von daher wollten wir uns auch nicht auf eine Stadt versteifen und den Live-Mitschnitt "Live In Prag" oder "Live In Berlin" nennen. Somit haben wir uns für einen Querschnitt der kompletten Tour entschieden.

Welche persönliche Erinnerung an die komplette Tour mit KISSIN' DYNAMITE und AMARANTHE hast du?

Das ist eine sehr gute Frage. Ich fand generell die Kombination der drei Bands total gelungen. Man hat sich einfach prächtig verstanden. Natürlich hatte jeder abends viel zu tun und musste auch ordentlich was liefern, aber das Ganze hatte den Charakter einer Klassenfahrt und wir hatten allesamt unheimlich viel Spaß. Genau das ist die perfekte Grundlage für einen guten Abend. Jeder will für jeden einen guten Abend zelebrieren, Konkurrenzdenken war komplett ausgeschlossen. Gerade jetzt habe ich noch so viele Bilder von den Shows vor Augen. In München im Zenith beispielsweise war schon alles arrangiert, die Show war komplett ausverkauft. Und vor der Show kam dann der Tourmanager auf uns zu und sagte, dass in der Nähe eine Bombe gefunden wurde und das Zenith knapp an der Grenze zur Evakuierung liegen würde. Wir waren natürlich fix und fertig mit der Welt, aber seitens der Feuerwehr gab es dann später doch noch grünes Licht. Und als dann alle in der Halle waren, hat das nochmal Extrakräfte freigesetzt, diese Dynamik merkst du natürlich auf der Bühne.

Glaubst du denn, dass nach der Corona-Geschichte Konzerte generell dynamischer werden, weil die Zuschauer ausgehungert sind?

In meinem Kopf sind zwei Szenarien: Im ersten sind die Leute eher ängstlich und zurückhaltend, im zweiten - und darauf hoffe ich persönlich - lebt man die Situationen noch mehr aus, weil man sie eben wiederhat. Mal abgesehen vom Heavy Metal ist dieses Ausgehen und etwas Erleben auch eine Art sozialer Klebstoff und hilft einem, andere Dinge besser zu ertragen oder auszuhalten, dem Alltag ein Stück weit entfliehen zu können. Konzerte und Musik haben eine unheimliche gesellschaftliche Funktion und sind absolut systemrelevant. Ich hoffe, dass das bei den Politikern auch ankommt und sie all das als Treibstoff ansehen, der den Menschen gut tut. Ich wurde in Saarbrücken beispielsweise von Fans angesprochen, die selbst zwei Wochen nach unserem Konzert noch solch eine Energie hatten. Ein größeres Kompliment kannst du einem Musiker nicht machen. Von daher denke ich auch, dass Konzerte und Auftritte regelrecht zelebriert werden, wenn die Tore wieder öffnen.

Wahre Worte, ich glaube, dass jeder, der diese Zeilen liest, sehr viel Kraft generell aus Musik und Kunst ziehen kann, und diese daher so wertvoll ist.

Absolut. Ich geh mit viel Energie auf die Bühne, bekomme aber auch viel vom Publikum zurück. Wenn du vier Wochen auf Tour warst, bist du vollkommen beseelt und erlebst alles in einer Art Mikrokosmos. Dann ist es auch normal, dass man bei all der Energie sich daheim, wenn die Tour vorüber ist, wieder ein paar Tage akklimatisieren muss. Natürlich kribbelt es momentan wieder in mir, da die letzte POWERWOLF-Show am 14. März in Mexiko-Stadt schon einige Monate her ist und wir zu der jetzigen Zeit einige Festivals bespielen würden. Man trifft Leute, man tauscht sich aus, sieht die Fans, feiert mit ihnen, auch eine Art Lebensfreude. Natürlich kann keiner etwas für die gegenwärtige Situation, aber es muss einfach in die Köpfe der Politiker, dass man auf weitaus mehr verzichtet als man denkt.

Ich gebe dir da vollkommen Recht. Ich hoffe da sehr auf Einsicht. Um nochmal auf "Best Of The Blessed" zurückzukommen: Nach welchen Auswahlkriterien wurden die Songs ausgewählt?

Das war ein eher interner Prozess. Wir saßen eines abends zusammen und überlegten, welche Songs wir draufpacken möchten. Die Entscheidung war relativ leicht, da du auf die Live-Kracher, die du immer im Programm hast, einfach nicht verzichten kannst. Da waren wir uns alle recht schnell einig. Ein Live-Set für Konzerte oder Festivals ist dann von etwas kontroverserer Natur, da du auch nur eine begrenzte Spielzeit hast. Da ist die Auswahl schwieriger. Aber auch hier kann man Setlisten von Abend zu Abend auch mal ändern, man ist also etwas flexibler.

Warum wurden denn einige Songs umgeschrieben und neu eingespielt?

Dazu muss ich sagen, dass lediglich ein Song umgeschrieben wurde. Aber 'We Drink Your Blood', 'Resurrection By Erection' oder 'Sanctified With Dynamite' beispielsweise haben wir in der Tat nur neu eingespielt, also die alte Version nicht zerpflückt oder so. Wenn IRON MAIDEN 'Aces High' neu arrangieren würde, würde ich auch die Wände hochgehen, haha. Aber um den Zuhörern auch einen gewissen Mehrwert zu bieten, haben wir einige Stücke noch einmal neu aufgenommen. Natürlich klingen sie nicht 1:1 wie das Original, schließlich haben sie auch eine Entwicklung durchgemacht. Aber das Grundgerüst ist noch immer dasselbe. Und das wollten wir im Studio auch entsprechend zelebrieren. Eine Ausnahme haben wir allerdings bei 'Kiss Of The Cobra King' gemacht, indem der Refrain zwar blieb, der Song aber dennoch etwas umgeschrieben wurde, weil wir zum einen da Bock drauf hatten und es zum anderen den Song in seiner Ursprungsversion bekanntlich noch gibt. Aber auch die CALIBAN-Version hiervon, die uns total umgehauen hat, war ein Grund, nochmal an das Stück heranzutreten.

Wenn eine genrefremde Band wie CALIBAN einen Song von euch covert, hat das auch viel mit Respekt und Anerkennung zu tun, nicht wahr?

Das habe ich bei der "Communio Lupatum"-Bonus-CD des letzten Albums genau so empfunden. Es war total spannend zu sehen, wie Bands in ihrem typischen Stil unsere Songs covern. Seien es EPICA, SALTATIO MORTIS oder Mille von KREATOR, die dabei auch völlige Freiheiten hatten - das empfand ich auch als sehr wertschätzend.

Umgekehrt habt ihr das ja auch mit "Metallum Nostrum" gemacht. Dank der Scheibe kam ich wieder dazu, meine alte CHROMING ROSE-Scheibe wieder auszubuddeln...

Das freut mich sehr. Unser Ansatz war nicht, die größten Heavy-Metal-Hits zu covern, sondern nur die Songs zu nehmen, die uns persönlich am wichtigsten oder sogar Schuld daran sind, dass wir heute gemeinsam in einer Band sind. Bei mir persönlich war es 'Edge Of Thorns' von SAVATAGE, für Matthew (Greywolf - Anm. d. Red.) 'Headless Cross' der BLACK SABBATH-Ära mit Tony Martin und einer war eben auch 'Power & Glory'. Das kannten viele unserer Fans gar nicht und wurden dann so eben auf CHROMING ROSE aufmerksam. Eine schöne Sache war das.

Und so huldigt man nicht nur seinen einstigen Helden sondern spannt auch noch einmal den Spannungsbogen. Auch natürlich im Hinblick auf die Bands, mit denen ihr auf Tour wart und künftig auch sein werdet.

Unsere Highlights sind klar die Konzertabende, die in erster Linie für die Zuschauer auch spannend und aufregend sein sollen. Da muss der Support auch passen. Wenn die also schon gut beim Publikum ankommen, ist das geil für POWERWOLF. Da gibt es auch keinen Neid oder Missgunst, sondern es freut uns natürlich ungemein, wenn sie von den Zuschauern gefeiert werden.

Auf jeden Fall! Im letzten Jahr wurde POWERWOLF 15 Jahre alt. Wo steht die Band denn in weiteren 15 Jahren?

Die Frage kann ich dir nicht eindeutig beantworten, haha. Aber wenn wir 15 weitere Jahre noch die gleiche Band sind und noch immer diese Art von Musik machen können - auch natürlich mit dieser Leidenschaft - dann wäre ich super happy. Natürlich wollen wir neue Shows spielen, uns neue Sachen ausdenken, aber was am Ende des Tages daraus wird, liegt nicht mehr in unserer Hand. Trotzdem würde ich es total klasse finden, wenn wir in dieser Konstellation weitere 15 Jahre dabei sind. Wir schauen aber weiterhin nach vorne und versuchen, so kreativ wie möglich zu sein. Und man darf Dinge wie diese niemals für selbstverständlich halten. Das wäre der Anfang vom Ende.

Und den Tag so leben als wäre er der letzte?

Daran versuche ich mich natürlich auch zu halten. Aber eine Sache kann ich dir versprechen: Wir werden jede Show so spielen als wäre sie unsere letzte. Das kann ich dir mit Brief und Siegel sagen.

Etwas anderes hätte ich euch auch nicht abgenommen. Falk Maria, es war mir eine große Freude. Vielen Dank für dieses sehr schöne Interview!

Redakteur:
Marcel Rapp

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