PRIMAL FEAR: Interview mit Tom Naumann
18.04.2016 | 09:16Das elfte Album der Baden-Württemberger von PRIMAL FEAR hört auf den Namen "Rulebreaker" und knackt nicht nur Regeln, sondern rund um den Globus auch die Charts. Und auch die Tour mit BRAINSTORM und STRIKER steht unter einem guten Stern. Vor dem Konzert im überfüllten Hamburger Logo stand uns Tom Naumann, seines Zeichens Gitarrist der Metal-Institution, im geräumigen Tourbus Rede und Antwort. BRAINSTORMs Goldkehle Andy B. Franck sitzt im Hintergrund und spielt mit dem Handy.
Eure "Ruling Europe"-Tour führte euch dieses Jahr schon nach Frankreich, Spanien und Tschechien. Wie liefen die Shows und wie kommen die neuen Songs an?
Tom: Wir waren die ersten drei Tage in Spanien, wo es echt super lief. Auch die Stimmung war spitze, was Andy bestimmt bestätigen kann. (Dieser nickt eifrig mit dem Kopf.) In Frankreich ist es immer ein bisschen schwieriger, weil dort eigentlich, im Gegensatz zu Spanien und Italien beispielsweise, kein richtiges "Metal-Publikum" ist. In Prag war es anschließend brechend voll, da hat der Schweiß von den Wänden getropft.
Ihr werdet dieses Jahr nicht nur in fast jeder europäischen Stadt spielen, sondern auch noch Nordamerika, Japan und Australien unsicher machen. Wie bekommt ihr diesen intensiven Terminplan zusammen mit den vielen anderen Bands, mit denen ihr Mitglieder teilt?
Tom: Da muss man einfach seine Prioritäten setzen, in unserem Fall ist das eindeutig PRIMAL FEAR. Mat, der auch organisatorisch viel für PRIMAL FEAR regelt, kann seine Terminpläne natürlich selbst so zusammen basteln, dass es passt. Für mich steht PRIMAL FEAR im Mittelpunkt. Ich kann nicht einfach sagen, ich spiele ab und zu mal mit euch, muss dann aber ein paar Termine aussetzen, weil ich noch andere Bands habe. Wenn es also Terminüberschneidungen gibt, dann fällt die Wahl ganz klar auf PRIMAL FEAR.
Wo wir gerade von anderen Bands sprechen, auf der von Metalfans um den ganzen Globus geschätzten Internetseite www.metal-archives.com steht, dass du nebenbei auch bei den KASTELRUTHER SPATZEN spielst. Die Informationslage dazu ist allerdings eher spärlich. Stimmt's oder ist das Blödsinn?
Tom: Ne, das stimmt nicht. Ich glaube, ich habe bei irgendeinem Interview irgendwann mal aus Quatsch gesagt, dass ich Gitarrist bei den KASTELRUTHER SPATZEN bin und mein Gegenüber muss das dann für bare Münze genommen haben. Aber ich finde das geil! Stell dir mal vor - bei PRIMAL FEAR und bei den KASTELRUTHER SPATZEN!
Na, dann zurück zur Realität: "Rulebreaker" ist weltweit hoch in den Charts eingestiegen. Wie schlägt es sich im Vergleich zu den Vorgängern?
Tom: Da ich ja erst seit zwei Alben wieder fest dabei bin, kann ich natürlich nur sagen wie es im Vergleich zu "Delivering The Black" aussieht. Wir sind zwar mit "Delivering The Black" in Deutschland etwas höher eingestiegen, aber das hatte nicht unbedingt mit höheren Verkaufszahlen zu tun. Das hängt auch immer davon ab, welche anderen Bands gerade Platten auf den Markt werfen. Da hatten wir 2014 einfach etwas mehr Glück. Dieses Jahr kamen zum Beispiel AXEL RUDI PELL, MEGADETH und AVANTASIA raus.
Andy: Und BRAINSTORM! Wir hatten die "most busy week"!
Tom: Die "most busy week"?
Andy: Ja, hab ich gerade erfunden. Klingt doch gut!
Tom: Ja, wie PAUL STANLEY - "Rockstar Supreme"! Ist auch so ein geiler Ausdruck. Auf jeden Fall ist dieser Platz 19 natürlich so gesehen viel höher einzustufen, wenn jetzt gerade im Januar brutal viele Metal-Platten veröffentlicht werden. Der Blick ins Ausland bestätigt das natürlich. Wir waren jetzt zum ersten Mal in den amerikanischen Billboard-Charts, sind in Japan auf Platz 11 und in Tschechien auf der 15. Das ist ja auch Ergebnis der langjährigen Arbeit der Band. Wir geben seit Jahren Konzerte in aller Herren Länder und reißen uns den Arsch auf.
Es passt ganz gut, dass Andy hier auch herumsitzt. Ihr wart schon einmal 2010 zusammen auf Tour. Warum jetzt die Wiederholung? Seid ihr auch privat befreundet oder bietet es sich wegen der ähnlichen Herkunftsorte einfach an?
Andy: Das liegt am Geld!
Tom: Eigentlich war das ein ganz komischer Zufall. Der Andy und ich, wir hatten eine gemeinsame Freundin. Und irgendwann haben wir uns an einem launigen Sommerabend auch mal getroffen und ich hab ihn gefragt, wie es denn aussieht mit einer neuen Platte und ob eine neue Tour ansteht. Da haben wir festgestellt, dass beide Bands gleichzeitig auf Tour gehen wollen. Das ergibt natürlich eigentlich keinen Sinn, so hintereinander weg die Städte zu bereisen. Deshalb haben wir das dann einfach zusammen gelegt. Dadurch, dass wir uns jetzt schon so lange kennen, ist die Laune im Bus immer gut und man geht respektvoll miteinander um. Wir lachen viel und setzen uns abends eigentlich immer zusammen. Es gibt natürlich auch andere Tourneen, bei denen irgendwelche Bands dabei sind, mit denen man sich nicht ganz so gut versteht und die man vorher auch nicht kennt. Da ist das mit BRAINSTORM natürlich lockerer und schöner. Wir gehen mal zusammen in die Sauna oder gucken Filme. Auch musikalisch passt die Zusammensetzung ganz gut, finde ich. Die Musik von BRAINSTORM mag ich ja sehr gern. Und die Fans sehen das wohl genauso, sonst würden nicht immer so viele kommen.
Im Making-Of auf der Bonus-DVD von "Rulebreaker" erzählt Ralf, dass die Songs zwar in Teamarbeit komponiert wurden, die Aufnahmen letztendlich aber getrennt voneinander abliefen. Ist das euer Geheimrezept?
Tom: Das ist schwer zu beantworten. Im Großen und Ganzen ist es erstmal gut, wenn man getrennt Songs schreibt und jeder seine Ideen zu Papier bringt, aufnimmt und rumschickt. Dadurch ist die Chance auf viele gute Songs logischerweise größer. Es ist bei uns natürlich auch etwas schwierig. Alex wohnt in der Nähe von Saarbrücken, Magnus wohnt ganz in Schweden, deshalb können wir uns nicht einfach mal so zusammensetzen. Mittlerweile macht es auch einfach keinen Sinn mehr, sich wochenlang im Studio zu vergraben, wenn man auch zuhause gutes Aufnahmeequipment hat. Klar, früher war man froh, wenn man drei Wochen ins Studio gegangen ist, da große Marshall-Türme aufgebaut waren und man voll aufdrehen konnte. Heutzutage hat doch fast jeder sein eigenes kleines Studio daheim und kann sein Zeug selbst aufnehmen. Das ist im Endeffekt kostengünstiger, wir haben keine strengen Zeitvorgaben und können so lange an den Songs herumbasteln, bis wir zufrieden sind. Aus dem Studio musst du irgendwann wieder raus und pünktlich fertig sein, wenn jeder Tag 800 Euro kostet.
Du hast gerade von den verschiedenen Songs gesprochen, die ihr geschrieben habt. Warum ist aus der Thrash-Granate 'Final Call' nur ein Bonustrack geworden? Für mein Dafürhalten ist das einer der stärksten Songs auf "Rulebreaker", vor allem weil euer neuer Schlagzeuger Francesco Iovino hier ziemlich glänzen kann.
Tom: Ehrlich? Wow, das Kompliment werde ich ihm weitergeben! Es ist nun mal so: Wenn du Platten machst, dann hast du irgendwann 10 oder 12 Songs. Unsere japanische Plattenfirma will aber immer noch extra zwei Songs für den japanischen Markt haben, die wir dann sozusagen zurückhalten müssen. Da wählt man dann zwischen den zwölf Songs zwei aus, die extra für den japanischen Markt sind. In Europa werden das dann Bonussongs.
Also kann ich mir abschminken, den Song live zu hören heute?
Tom: Ja, den spielen wir vielleicht dann in Japan, aber nicht in Europa. Dafür spielen wir heute andere Granaten. Wie 'Highway Star' und 'Smoke On The Water'! Und der Ralf (den eine ziemliche Erkältung erwischt hat) singt 'Before The Dawn'!
Noch eine Frage zu Francesco. Wie kam die Zusammenarbeit mit ihm zustande?
Tom: Den Francesco kennen wir schon ein bisschen länger, weil wir mit U.D.O. auf Tour waren, wo er damals Schlagzeuger war. Als uns Randy (Black) 2014 verlassen hat, brauchten wir natürlich einen neuen Drummer. Da hatten wir dann zunächst Aquiles Priester an Bord, was nicht ganz so gut funktioniert hat, weil die Reise zwischen Brasilien und Deutschland echt lang ist. Da kann man sich nicht mal eben zum Proben treffen, sondern es muss alles ganz genau organisiert werden. Und natürlich spielt da auch das liebe Geld für die Flugreisen eine gewaltige Rolle. Deshalb kam dann im letzten Jahr erneut die Frage auf, wer sich hinter das Schlagzeug setzen könnte. Da wir nun auch viel auf Tour sind, ist logischerweise nicht nur der musikalische Anspruch an den Drummer da, sondern es muss auch menschlich passen. Wenn du mit jemandem fünf oder sechs Wochen quer durch Amerika gondelst und du dir jeden Tag gegenseitig die Kauleiste massierst, dann macht das Tourleben natürlich irgendwie keinen Spaß. Und bei diesen Überlegungen kam der Francesco irgendwann ins Spiel. Beim Vorspielen hat dann alles super geklappt, auch menschlich, weshalb wir uns dann dazu entschlosen haben, ihn aufzunehmen. Die ersten Konzerte haben noch gezeigt, dass er super zu uns passt und die Songs genauso trommelt, wie wir das brauchen. Von daher war das eigentlich 'ne super Idee, dass der Udo ihn nicht mehr dabei haben wollte.
Ich war etwas überrascht, dass du, Tom, wieder voll bei PRIMAL FEAR eingestiegen bist. Eine Zeit lang warst du ja nur live als Aushilfsgitarrist dabei und nicht als richtiges Bandmitglied. Da Magnus auch weiterhin dabei ist, spielen nun drei Gitarristen bei PRIMAL FEAR. Führt das nicht zu Zickereien?
Tom: Ich wurde 2014 von den Jungs gefragt, ob ich nicht bei der Europa- und Amerika-Tour aushelfen könnte, weil der Magnus aus familiärer Sicht verhindert war. Das klappte dann so gut, dass Ralf mich irgendwann gefragt hat, ob ich nicht wieder voll mit einsteigen möchte. Zickereien gibt es bei uns nicht. Der Magnus ist ein ganz lieber, ruhiger und zurückhaltender Kerl, wir verstehen uns prächtig. Den Alex kenne ich schon seit 1990, als wir zusammen auf MAT SINNERs erster Soloscheibe "Back To The Bullet" gespielt haben. Wir verstehen uns auch prima. Als ich damals wieder bei PRIMAL FEAR vorgespielt habe, da kam wieder das Gefühl von vor zwanzig Jahren auf und wir konnten total tight zusammen spielen. Das macht einfach tierisch Laune. Der Alex steht natürlich gerne etwas weiter vorne im Rampenlicht. Das ist für mich auch völlig in Ordnung. Ich brauche das nicht unbedingt, da ergänzen wir uns ganz gut. Die Chemie zwischen uns beiden stimmt einfach
So, das war's mit meinen Fragen. Vielen Dank für das Interview. Möchtest du den Lesern noch was mit auf den Weg geben?
Tom: Nein, mach ich nie. Ich hab jetzt Hunger! Viel Spaß heute Abend und man sieht sich on the road!
Foto: Hauke M. Sperling
- Redakteur:
- Marius Luehring