Perlen der Redaktion: Marius Lührings Glanzpunkte 2024
14.01.2025 | 21:20Das war mal wieder ein fantastisches Jahr im Metalkosmos. Suchet und frohlocket!
Irgendwie ist es nicht so meins, Jahrgänge nach Qualität zu bewerten. Denn ich finde jedes Jahr so viele tolle Metal-Alben, dass ich doch immer wieder verwirrt bin, wenn ich solche Einschätzungen meiner werten Kollegen hier lese. Ich bin der festen Überzeugung, dass jeder, der bemüht sucht und Truhen ausbuddelt, auch mit Gold belohnt wird. Naja, vielleicht trifft dies aber auch nur auf den Teil innerhalb der ausfransenden Grenzen unseres Lieblingsgenres zu, auf den ich mich so fokussiere. Jedenfalls gab es neben unzähligen Erkältungserkrankungsvarianten, die mir meine Kinder über das ganze Jahr ins Gesicht geschleppt haben, auch viele Bands und Alben zu entdecken. Folgende zwanzig haben mich in den letzten zwölf Monaten besonders begeistert.
Ganz hinten auf meiner Liste ist tatsächlich das neue Album von TÝR gelandet. Diese eigentliche Lieblingsband von mir verfolge ich schon fast zwanzig Jahre (ich bin fast noch jung, für mich ist das viel) und enttäuscht wurde ich von Heri Joensen und seiner Besetzung bisher nie. Bis zum April des vergangenen Jahres. Mit "Battle Ballads" kam ich von Anfang an nicht wirklich klar. Das sehr kompakte Songwriting lässt Tiefgang vermissen, den ich nach fünf langen Jahren des Wartens so sehnlich erwartet hatte. Trotzdem finden sich auf dem Dreher doch ein paar Knaller ('Row'!) und in Vorfreude auf die in diesen Tagen startende Tour drehte das Teil dann auch einige Runden im Spätherbst. Ich hab mir das Album schöngehört, das fast zu meiner Enttäuschung des Jahres geworden wäre.
Davor reiht sich mit dem unerwarteten dritten Album von PROJECT ARCADIA bulgarischer Melodic Metal ein, der mich durch gewitzte Gitarrensoli, feine Melodien und ziemliche Riff-Abrisse vollkommen mitgenommen hat. Es kommt nicht mehr so häufig vor, dass mich Veröffentlichungen aus diesem Subgenre begeistern. Hut ab also! Über DOOL auf meinem Platz 18 haben schon Menschen geschrieben, die sich mehr mit der Materie auskennen. Mich holt "The Shape Of Fluidity" jedes Mal ab. Fantastische Songs, viel Herzblut trieft aus den Boxen und die Interviews sind auch noch sympathisch.
Knapp davor platziert sich mit GREYHAWK eine Band aus Seattle, die ich seit dem Debüt vor vier Jahren auf dem Kieker habe und die glücklicherweise auch mit Album Nummer zwei gewitzten Rock-Metal mit einem dicken Fausthieb Epik produziert hat. Hoffentlich ändert der Sängerwechsel nichts an der Qualität. Anschließend geht's gleich wieder nach Osteuropa, denn die polnische Combo CROSSROAD beglückte uns schon im Januar des vergangenen Jahres mit ihrem ersten Album. "Funeral Path" steckt voll von inspiriertem, finster-epischem Doom Metal, wie ich ihn liebe. Wenn ihr wisst, wovon ich rede, dann hört euch das magenschonend kurze Album unbedingt mal an.
Auf Platz 15 landet das zweite Album der kanadischen Rockhelden FREEWAYS. "Dark Sky Sanctuary" bockt so dermaßen mit seinem schönen Artwork, der trockenen, luftigen Produktion und den unfassbar tollen Gesangs- und Gitarrenmelodien, dass mir fast die Spucke weg bleibt. Rockmusik für das nächste Abenteuer, das schon vor unseren Haustüren wartet. Hiermit ist man für alles gewappnet. Ähnliches lässt sich wohl über TRIUMPHERs "Spirit Invictus" sagen, mit dem die Griechen ihrem eh schon großartigen Debüt nochmal eins draufsetzten. Man versetze seine Verehrung für epischen MANOWAR-Stoff mit ein wenig Black Metal und erhalte reinste Glorie. Bringt mich an die Ufer von Marathon, ich bin bereit für die Schlacht!
Oder... warte mal! Hab ich wirklich schon alle Feinheiten des letzten WITHERFALL-Drehers erfasst? Ich mein, das Teil lief etliche Male, aber da gibt es so viel zu entdecken... Ne, lass das mal mit der Schlacht. Ich bleib lieber bei meiner Musik. Und die ist im Falle WITHERFALLs vielschichtig und einfach stark. Wenn ihr dieses Werk nicht abgefeiert habt im letzten Jahr - "Whaaaaaat Have You Done?" Vielleicht es auch zugelassen, dass die slowenischen Senkrechtstarter CHALLENGER im späten Herbst nochmal die ganze Liste auseinander pflücken? Das Album kam nicht überall richtig gut an, für mich wurden allerdings die immensen Erwartungen, die ich nach der EP "Turned To Dust" hegte, mehr als nur erfüllt. Das hier ist große Metalkunst, die mal wieder beweist, dass im traditionellen Sektor eben noch längst nicht alles auserzählt ist.
Dazu passt auch das erste Album der Label-Kollegen COLTRE ganz gut, das sich passenderweise direkt davor befindet. Die Briten hätte ich ohne meine verehrten Freunde aus der Rubrik "Neuer Heißer Scheiß" vermutlich übersehen (wie so einiges anderes). Bei diesem NWoBHM-atmenden Wunderwerk wäre es aber besonders ärgerlich gewesen. Auf Platz 10 landet dann wieder Doom Metal. Dieses Mal aus Dänemark. Die Rede ist von ALTAR OF OBLIVION, einer Band aus Aalborg, die konstant tolle und eigenständige Musik veröffentlicht und die trotzdem immer unter dem Radar bleibt. "In The Cesspit Of Divine Decay" beschäftigt sich mit ziemlich düsterem Stoff und zaubert doch so manchen Ohrwurm hervor.
Auf Platz 9 folgt mal wieder Zeug von Qualitätsgarant Dying Victims. Auf das neue Album von MIDNIGHT FORCE habe ich regelrecht hingefiebert. Und war direkt begeistert vom schnörkelfreien und kantigen Epic Metal auf "Severan". Für mich das bisher beste Album der schottisch-deutschen Kollaboration, die ich unbedingt mal live erleben muss. Vom Underground wage ich bei Platz 8 nun den Sprung an die Weltbühne, denn JUDAS PRIEST fehlt natürlich auch in meiner Liste nicht. Der Sohnemann feierte 'Panic Attack' vom ersten Ton an und genauso ging es auch mir. So simpel und so geil. Und der Rest des Albums steht diesem Brecher in nichts nach. Tolle Gitarren, toller Gesang, tolle Songs. Bitte danke.
Auf Platz 7 schalten wir dann wieder einen Zahn runter. Denn da folgt SCALDs "Ancient Doom Metal", der mich trotz aller Bedenken, die ich im Vorfeld hatte, direkt überzeugte. So überführt man ein schweres Erbe in die Gegenwart. Die neuen Songs atmen den alten Geist und sind trotzdem voll und ganz in der Gegenwart. Schon wieder ganz toller Doom Metal. Für Rang 6 wandere ich von Russland nach Australien, denn dort hat sich "Glimpse Of The Dawn" von TAROT eingenistet. Auch wieder eine Band, die ich vorher gar nicht kannte. Der fantasievolle, abenteuerlustige Hard Rock der tasmanischen Band macht mir dermaßen Spaß, dass mir die Stücke bisweilen schon fast aus den Ohren wieder rausliefen. Aber irgendwie kann man diese Musik nicht zu oft hören. Zum Glück. Denn ich möchte bitte immer wieder 'The Winding Road' innig lieben, den für mich drittbesten Song des Jahres.
Platz 5 wartet dann mal wieder mit ziemlichem Underground auf. Was bin ich froh, diese Promo im April geöffnet zu haben. Denn sonst hätten wir die HANDS OF GORO verpasst und da wäre uns ganz schön was entgangen. Diese kleine untergründige Supergroup rockt so dermaßen herzlich und befreit drauf los, dass es mir jedes Mal eine große Freude ist. Dabei ist es mindestens 25 Jahre her, dass ich "Mortal Kombat" geguckt habe. Nur ganz knapp an meinem Treppchen vorbei gesegelt ist "Songs In Crimson" von SATAN, das den Kauz-Metal mal wieder auf die Spitze treibt. Ich liebe es, diesen verwinkelten Gitarrenläufen zu folgen und mich ganz in den Vorträgen von Brian Ross zu verlieren. Zeitlose Kunst, wie gewohnt.
Auf mein Treppchen geschafft hat es MEGA COLOSSUS, obwohl ich "Showdown" nicht mal zu den besten Alben der Band zählen würde. Das sagt viel über die Qualität dieser Gruppe aus North Carolina aus. Hier ist jeder Song ein Treffer, voller Spielwitz, Einfallsreichtum und Hit-Gespür. Und dann sind die Typen auch noch so nett. Macht bitte immer so weiter! Gleiches kann man über die Musikanten von GRENDEL'S SŸSTER sagen, die sich auf Rang 2 einnisten. Ich hatte tierisch Bock auf das erste volle Album und es hat meine Erwartungen vollends erfüllt. Live ging es zwar mitunter noch etwas wacklig zu, aber die Sicherheit steigt bestimmt mit jedem Auftritt. Und davon gönne ich dieser Ausnahmeband noch viele, viele mehr. Mit 'Güldenes Schlüsselein (klemmt)' fand sich auch mein Lieblingslied des Jahres auf dem Album.
Ganz vorne gelandet ist allerdings eine Band, die ich auch mal wieder gar nicht so auf dem Schirm hatte. Warum auch immer, denn CRYPT SERMON spielt genau die Art von Doom Metal, die ich so innig liebe. Episch, mit Ecken und Kanten, mit Texten, die mich in ihren Bann ziehen können und mit ausdrucksstarkem Gesang. Für mich ist das Belauschen der "Stygian Rose" schon seit dem ersten Versuch ein wirklich intensives Erlebnis mit Gänsehaut und allem Drum und Dran.
Auch live wurde es im vergangenen Jahr an manchen Stellen richtig intensiv. Etwa beim Geburtstagsfest der Kollegen vom Deaf Forever in der Hamburger Markthalle. Einmal noch CIRITH UNGOL, wenn auch mit Ersatzmannschaft. Aber diese Stimme, diese Songs - mein Konzerthöhepunkt. Ebenfalls richtig toll fand ich die DAMPFMASCHINE beim "Metal Frenzy Open Air" in Gardelegen, den Brechstangeneinsatz von PHANTOM CORPORATION in Walsrode, HEAVYSAURUS natürlich mit meinem Sohn und den Senkrechtstarter WRITHEN HILT in Hamburg, der die Energie der fantastischen EP ansatzlos auf die Bühne zaubern konnte. Übrigens auch mein Newcomer des Jahres. Was gab's noch? Achja, unser Kompetenzzentrum "Neuer Heißer Scheiß", das mir über das ganze Jahr hinweg enorm viel Freude und enorm viel neue Musik bereitet hat. Es ist wirklich schön, dass wir uns so fruchtbar zusammenfinden konnten und wir arbeiten daran, euch auch weiterhin regelmäßig mit unserem Blick auf Underground und Newcomer zu beglücken.
Rang |
Band | Album |
01. | CRYPT SERMON |
The Stygian Rose |
02. | GRENDEL'S SŸSTER |
Katabasis Into The Abaton |
03. | MEGA COLOSSUS |
Showdown |
04. | SATAN |
Songs In Crimson |
05. | HANDS OF GORO |
Hands Of Goro |
06 |
TAROT |
Glimpse Of The Dawn |
07. | SCALD |
Ancient Doom Metal |
08. | JUDAS PRIEST |
Invincible Shield |
09. | MIDNIGHT FORCE |
Severan |
10. | ALTAR OF OBLIVION |
In The Cesspit Of Divine Decay |
11. | COLTRE |
To Watch With Hands... |
12. | CHALLENGER |
Force Of Nature |
13. | WITHERFALL |
Sounds Of The Forgotten |
14. | TRIUMPHER |
Spirit Invictus |
15. | FREEWAYS |
Dark Sky Sanctuary |
16. | CROSSROAD |
Funeral Path |
17. | GREYHAWK |
Thunderheart |
18. | DOOL |
The Shape Of Fluidity |
19. | PROJECT ARCADIA |
Of Sins And Other Tales |
20. | TÝR |
Battle Ballads |
- Redakteur:
- Marius Luehring