Perlen der Redaktion: Rüdiger Stehles Highlights 2018

14.01.2019 | 11:43

Manch eine Prophezeihung ist selbsterfüllend, und manch ein Spitzenplatz doch recht vorhersehbar.

2018 - für den einen ein Jahr voller Highlights, für den anderen hat es eher maue Kost abgeworfen und der Dritte spricht von viel Durchschnitt auf dem Veröffentlichungsmarkt. An dieser Stelle wollen wir unserem Redaktionspoll vorgreifen und lassen unsere Kolleginnen und Kollegen zu Wort kommen. Welche Scheiben haben es in die Top-20 geschafft und warum? Viel Spaß beim Lesen!

Der Tatsache, dass ich heuer die meiste Zeit beim Soundcheck pausiert habe, ist es sicherlich nicht zuletzt geschuldet und zu verdanken, dass es mir im Jahre 2018 wieder etwas öfters möglich war, mich einzelnen neuen Glanzlichtern der metallischen Zunft ein wenig intensiver und nachhaltiger zu widmen als dies zuletzt üblich war, und so sind mir in diesem Jahr mehr Alben stärker ans Herz gewachsen als sonst in den bisherigen Jahren des dritten Jahrtausends. Daher komme ich für mich dann auch ganz klar zu dem Ergebnis, dass 2018 ein richtig gutes Jahr für den Heavy Metal war, das ich musikalisch in vollen Zügen genossen habe. Dabei konnten mich natürlich und wenig überraschend immer mal wieder meine alten Helden überzeugen, doch auch einige Newcomer haben es geschafft, den Kopf aus der grauen Masse zu recken und entdeckt zu werden.

Wer mich nun ein wenig kennt und weiß, dass im vergangenen Jahr nach 27 langen Jahren des Wartens endlich der erste neue Song meiner absoluten Lieblingsband erschienen ist, der muss nicht lange fragen oder raten: Mein Song des Jahres ist natürlich 'Witch's Game' von CIRITH UNGOL, und ebenso klar ist, dass die zugehörige Single auf meinem Plattenteller in einer Dauerschleife ohnegleichen gefangen war. Bis zum Jahresende marschierte sie fast hundertmal durch die Boxen, und ja, was soll ich sagen: Die guten alten Ventura-Epiker um Ausnahmesänger Tim Baker liefern in beeindruckender Manier ab, und es passt wie immer alles. Damit geht die leider nicht ganz so günstige 12"EP aus dem Hause Metal Blade Records dann auch folgerichtig auf Platz 1 meiner Albumcharts 2018 in die Annalen ein, obwohl sie kein Album ist. Dogmatisch natürlich völlig falsch, aber in dem Fall geht es einfach nicht anders.

Um die Silbermedaille durften sich dann mehrere ernstzunehmende Kontrahenten ein wenig zoffen, und die Entscheidung fiel letztlich auch sehr knapp und zwar zu Gunsten einer Band, die gar noch älter ist als die Herren vom Pass der Spinne, und die es mit ihrem neuen Werk "Firepower" geschafft hat, sehr viele Fans zu überraschen, die auf den letzten beiden Alben doch einen deutlichen Anflug von Altersmüdigkeit wahrzunehmen glaubten, und gar manch einen, der seit Jahren nicht mehr damit gerechnet hätte, dass ihn Halford, Tipton & Co. nochmals so richtig abholen würden. Ja, die Feuerkraft scheint im Hause JUDAS PRIEST wieder hergestellt zu sein; vermutlich haben sie auch in England trotz all des Brexit-Getöses gehört, dass Donald Trump mehr Investitionen in den Wehretat fordert, und daher gleich richtig aufgerüstet. Als frühes Jahreshighlight hält sich die knallgelbe Scheibe der alten Briten auch ganz hervorragend in meiner Playlist.

Knapp hinter den altehrwürdigen Priestern landen dann zwei weitere ewige Lieblingsbands, und zwar meine große Jugendliebe STORMWITCH, die bei uns seit vielen Jahren fast die ganze Familie zu fesseln vermag, die - wie auch PRIEST - nach zwei in den Ohren mancher Fans und Kritiker eher durchwachsenen Scheiben in einen echten Jungbrunnen gefallen zu sein scheint, und die mit "Bound To The Witch" nicht nur in ihrer Heimat im Herzen Schwabens gefeiert wird wie einst im Mai, sondern auch überregional und international einige Beachtung erfahren darf. Damit scheitern Ireland's Finest CRUACHAN (Sag mir keiner, dass dort noch feinere Bands herkommen würden!) denkbar knapp am Stockerlplatz und kommen mit dem tollen "Nine Years Of Blood" - dem letzten Akt ihrer Blut-Trilogie - als Vierte ins Ziel, denn nach wie vor versteht es keine Band besser, Celtic Folk mit harschem, thrashigem Black Metal zu verbinden.

Ja, und was war sonst noch richtig zwingend und beeindruckend im vergangenen Jahr? So einiges, muss ich sagen, und zwar querbeet durch die Genres. So macht sich Russlands Metal-Flaggschiff ARIA endlich mal daran, den Westen zu erobern und zwar mit einer amtlichen neuen Scheibe, die kein Geringerer als Roy Z produziert hat. Von MIRROR OF DECEPTION gibt es nach viel zu langen Jahren des Wartens mit "The Estuary" endlich ein neues Wunderwerk des Schwabendooms. Meister Aldrahn beweist mit URARV, dass er noch immer der Großmeister schwarzmetallischer Gesangskünste ist, und Dirkschneiders Udo, ein anderer Großmeister seines Faches, verweist mit der neuen U.D.O. seine ex-Kollegen von ACCEPT aber mal ganz deutlich in ihre Schranken.

Wie von JUDAS PRIEST, so gibt es auch von URIAH HEEP ein phänomenales neues Alterswerk, so wie auch die Japaner von LOUDNESS auf ihrem - man gebe sich die schiere Anzahl - 32. Studioalbum keine Gefangenen machen. Derweil gibt es von FIFTH ANGEL und IMMORTAL - jeweils trotz Sängerwechsels - recht überzeugende Comebacks nach mehr oder minder langen Absenzen zu bestaunen, so wie auch das als REFUGE reformierte RAGE-Kult-Line-up der späten Achtziger und frühen Neunziger mit einem feinen Comeback glänzen mag. Mike Howe scheint sich mit der zweiten Scheibe seit der Reunion wieder sehr gut bei METAL CHURCH eingelebt zu haben, und dass Jutta Weinhold nochmals eine so starke VELVET VIPER an den Start bringt wie "Respice Finem", war alles andere als eine Selbstverständlichkeit und verdient sehr viel Bewunderung.

An der grimmigen Front können mich dieses Jahr vor allem noch die Tschechen MASTER'S HAMMER, sowie die Norweger von EINHERJER und AETERNUS begeistern. Dazu kommen die für mich neu entdeckten Nidaros-Recken von MANII und MARE. Und bevor ich es vergesse: Ja, mit IN THE WOODS und SIGH fehlen in der Liste bisher zwei Alben, welche man in selbiger an sich unbedingt erwarten sollte, doch dies liegt daran, dass diese Werke erst kurz vor Toreschluss bei mir angekommen sind und daher noch nicht allzu oft gelaufen sind. Erste Höreindrücke sind allerdings ziemlich grandios, so dass ihr "Cease The Day" und "Heir To Despair" in Gedanken gerne zu meiner Liste hinzufügen dürft.

Was gab es sonst noch Bemerkenswertes? Nun, unter den Newcomern haben mir die fränkischen Alternativ-Metaller DEVIL'S FOOLS sehr gut gefallen, die Doomster OLD MOTHER HELL, und ebenso die bayerischen Thrasher KRUG, während an der Livefront neben CIRITH UNGOL vor allem STORMWITCH immer wieder überzeugen konnte, weil es einfach so schön zu sehen ist, wie viel Spaß die Band inzwischen wieder auf der Bühne hat, und wie sehr sich das auf die Zuschauer überträgt, ganz gleich ob vor vollem Haus oder beim weniger gut besuchten Gig: Hier geht's immer ganz besonders familiär und positiv zu!

Abschließend sei noch gesagt, dass ich abseits von neuer Musik im vergangenen Jahr sehr viel Spaß daran hatte, einige Diskograpien großer alter Bands neu- oder wiederzuentdecken, was zu einem erstaunlichen Maß von Präsenz der alten Scheiben von beispielsweise AC/DC, WHITESNAKE, VAN HALEN oder PANTERA (hier insbesondere der allzu oft vergessenen ersten vier Alben) im Abspielgerät geführt hat, und auch die ungarischen Stahlveteranen POKOLGÉP, OMEN und OSSIAN waren Dauergäste im CD-Player. Dieses Konzept möchte ich im neuen Jahr gerne weiter verfolgen, denn man hört sich allzu viele alte Perlen viel zu selten an. Deshalb will gerade FAITHFUL BREATH die Anlage nicht verlassen, doch das ist eine andere Geschichte, die dann vielleicht Anfang 2020 erzählt werden wird, wenn das neue Jahr auch wieder ein altes ist, und hoffentlich das fünfte Studioalbum CIRITH UNGOLs in trockenen Tüchern ist. Es muss ja nicht unbedingt sein, dass wir 2019 einen Führungswechsel in der Tabelle haben.

Euch allen noch ein gutes Neues und viel Spaß mit dem Sound, den wir lieben!

Die Top-20-Alben in der Übersicht. Mit einem Klick auf den Albumnamen gelangt ihr - soweit vorhanden - zur Rezension.

Rang Band Album
01. CIRITH UNGOL
Witch's Game
02. JUDAS PRIEST
Firepower
03. STORMWITCH Bound To The Witch
04. CRUACHAN
Nine Years Of Blood
05. ARIA
Curse Of The Seas
06. MIRROR OF DECEPTION
The Estuary
07. URARV
Argentum
08. U.D.O.
Steelfactory
09. URIAH HEEP
Living The Dream
10. IMMORTAL
Northern Chaos Gods
11. FIFTH ANGEL
The Third Secret
12. LOUDNESS
Rise To Glory
13. VELVET VIPER
Respice Finem
14. MASTER'S HAMMER
Fascinator
15. EINHERJER
Norrøne Spor
16. AETERNUS
Heathen
17. MANII
Sinnets Irrganger
18. MARE
Ebony Tower
19. REFUGE
Solitary Men
20. METAL CHURCH
Damned If You Do
03.01.2019 Vomiturition A Leftover

Redakteur:
Rüdiger Stehle

Login

Neu registrieren