RECKLESS TIDE: Interview mit Olli
14.07.2005 | 18:11Verdammt starken TRASH METAL aus Deutschlands heimlicher Rock-Hauptstadt Hannover bieten die Jungs und Mädels von RECKLESS TIDE, die Anfang des Jahres mit "Repent Or Seal Your Fate" einen echten Kracher als Debüt-Album rausgehauen haben. Die Band hat den letztjährigen Wacken-Metal-Battle gewonnen und durfte auf dem Festival spielen. Gitarrist Olli hat mir einen bunten Strauß voller Fragen über dieses und jenes beantwortet, die ich euch hier nicht vorenthalten möchte...
Martin:
Beschreibe doch bitte mal kurz für alle die euch (noch) nicht kennen den bisherigen Werdegang von RECKLESS TIDE und eure Musik bzw. den Stil, den ihr spielt, mit eigenen Worten.
Olli:
O.k., dann versuche ich mal unsere Geschichte etwas kompakt zu bündeln. RECKLESS TIDE wurde 2000 von Susi Swillus (g.), Kai Swillus (dr.) und meiner Ergrautheit gegründet. Uns folgten ein paar Monate später Andrew Troth (voc.), Henning Pfeiffer (b.) und Kjell Hallgreen (voc.). In dieser Besetzung haben wir bis jetzt drei Veröffentlichungen unters Volk gestreut. Nämlich die "Insanity Or Reality" (2002), "7 Minutes Of Thrash" (2003) und schließlich unser Debüt-Album "Repent Or Seal Your Fate" (2005). Unseren Stil würde ich als Thrash Metal aus old-school und modernen Elementen bezeichnen. Wie wir festgestellt haben, werden wir oft mit den Bay-Area-Verteranen TESTAMENT und EXODUS verglichen. Da diese Beiden zu unseren Lieblingsbands zählen, können wir mit dem Vergleich gut leben.
Martin:
Ihr habt zwei Sänger in der Band, was schon recht ungewöhnlich ist. Wie kam es dazu?
Olli:
Als Andrew in die Band kam, brachte er eine rauhe old-school-Stimme mit, die gut auf harte und schnelle Songs passt. Bei den Aufnahmen zur "Insanity Or Reality" wollten wir aber noch ein paar melodische Einsprengsel in den Songs haben. So habe ich meinen alten Kumpel Kjell aus alten "Kieler Tagen" einfach mal gefragt, ob er nicht ein paar melodische Backings mit seiner klaren Stimme noch uns beisteuern möchte. Gesagt getan. Das Ergebnis gefiel uns allen so gut, dass wir ihn fragten, ob er nicht fest als zweiter Sänger bei uns einsteigen möchte. Kjell sagte begeistert zu und hier sind wir nun... (lacht)
Martin:
Eine Gitarristin in einer Thrash Metal-Band ist dann auch nicht alltäglich...
Olli:
Susi war mit Kai und mir Gründungsmitglied von RECKLESS TIDE. Für uns ist es nichts Außergewöhnliches. Aber wenn ich mir die restliche Thrash-Landschaft so anschaue, dann ist
diese Tatsache wirklich nicht alltäglich, da gebe ich dir recht.
Martin:
Was hat sich am meisten für euch geändert, als ihr als Gewinner des letztjährigen Wacken-Metal-Battles neben dem Auftritt in Wacken auch einen Plattenvertrag bekommen habt?
Olli:
Hmm... ich glaube, am meisten hat sich verändert, dass man etwas ernster an die Sache rangeht. Man bekommt einen Einblick, wie das Metalbusiness so funktioniert und arbeitet etwas härter an der Band als vorher. Schließlich will man ja diese Chance nicht gleich wieder durch Zurücklehnen wegwerfen. Zudem scheint der Name RECKLESS TIDE in der Szene langsam seine Runde zu machen. Besonders nach der guten Promotion seitens Armageddon Music. Das ist für ein Newcomer-Debüt heute nicht selbstverständlich. Man spielt auch noch mehr Konzerte als vorher und bekommt interessantere Angebote. So haben wir z.B. letztens in London gespielt. Man kommt also auch öfters mal aus Deutschland heraus.
Martin:
Auf eurem Debüt "Repent Or Seal Your Fate", das mir ausgesprochen gut gefällt, haben mit Jeff Waters (ANNIHILATOR) und Sabina Classen (HOLY MOSES) recht bekannte Musiker umfangreiche Gast-Auftritte. Wie kam es dazu?
Olli:
Schön, dass dir das Album so gut gefällt. Wenn ich bedenke, als ich angefangen habe Gitarre zu spielen, wollte ich immer meine damaligen Idole als Gäste mit auf einer evtl. Platte haben.
Mit Jeff und Sabina konnten wir zwei Metalbekanntheiten für unser Material gewinnen. Zu Sabina hatte ich lange Kontakt und eigentlich sollte sie sich auch schon auf der "Insanity Or Reality" verewigen. Das klappte aber leider aus gesundheitlichen Gründen nicht und konnte erst auf unserem Debüt nachgeholt werden. Jeff habe ich einfach mal frech kontaktiert und ihn gefragt, ob er nicht ein Solo auf einen unserer Songs packen könnte. Da ihm das Material gefiel, sagte er ziemlich schnell zu. Zum Dank haben wir dann ANNIHILATOR unseren Proberaum zur Verfügung gestellt, damit sie sich auf die letztjährige PRIEST-Tour vorbereiten konnten, bei der sie ein paar Gigs mitspielten. Somit waren ein paar Wochen Party in Hannover angesagt mit etlichen gekillten Bieren. Und weil wir gerade in der Stimmung waren, haben wir auch gleich noch Curran Murphy und Dave Padden mit auf unsere Platte eingeladen. Aber auch Michi von HOLY MOSES hat ein cooles Solo in 'Equality' abgeliefert. Hätte mir jemand so was vor ein paar Jahren noch gesagt, hätte ich es nicht geglaubt. :-)
Martin:
Mein Favorit auf dem Album ist 'The Hunt', das wie eigentlich alle Stücke, fette Riffs und starke Hooklines besonders verbindet. Gibt es einen Song, der dir besonders am Herzen liegt?
Olli:
Nun, einen hast du schon angesprochen, haha. Mit 'The Hunt' bin ich persönlich sehr happy. Ich denke, mit dem Song konnte ich meinen Stil um ein paar Nuancen erweitern. Ein sehr schöner Stampfer mit starkem Chorus, den ich mir auch jetzt noch gut anhören kann. Dann würde ich noch den schnellen Thrasher 'Misery' und 'Intensity / To Die For Creativity' für mich als Faves herauspicken.
Martin:
Der Song-Titel 'Lebende Organverpflanzung' bedarf einer Erklärung... :-)
Olli:
Hehe... Ja, 'Lebende Organverpflanzung' ist etwas.... anders. Wir wollten für die Platte noch einen ganz extrem bekloppten Song haben. Einen Song, der das Gefüge unserer restlichen ernsteren Songs etwas aufbricht. In diesem "Ungetüm" haben wir eine Menge Film- und Metalstil-Elemente verbraten. Wer genau aufpasst, dürfte das ein oder andere wieder erkennen. Ursprünglich sollte der Song mehr auf Monty Python basieren, wie der Titel vielleicht schon erahnen lässt. Wir haben ihn nämlich aus dem Film "Sinn des Lebens" entliehen. Da wir aber nicht rechtzeitig die Freigabe von ein paar Wortschnipseln aus dem Film erhielten, haben wir den Song dem allgemeinen Schwachsinn gewidmet. Der Titel passte aber trotzdem noch ganz gut, da wir die vielen Elemente in einen Song "verpflanzt" haben. Wir haben den Song auf den Metal-Battle-Events mal live getestet und interessante Reaktionen geerntet. Von verstörtem "Augenbrauen hochziehen" bis totalem Abgehen war alles vertreten. Wer den Song schon von Platte kennt, hat vielleicht leichter Zugang. Die anderen denken immer nur: "Was machen die da auf der Bühne?"... (lacht)
Martin:
Wie schreibt ihr Songs?
Olli:
Andrew schreibt die meisten Texte und Susi und ich die meisten Songs. Die Songs entstehen oft aus groben Ideen. Bei mir ist es so, dass ich zuerst ein oder zwei starke Riffs suche, die dann meist schon mal den Anfang des Songs oder die Strophe markieren. Dann schreibe ich den Rest um die Riffs herum, wobei der Refrain meist als letztes entsteht. Da lasse ich mich dann immer vom Text inspirieren, was der musikalisch braucht. Eher hart und schnell oder eher melodisch. Das entsteht dann immer aus einem Gefühl heraus. Ich mache mir beim Schreiben auch immer Gedanken, wie ich selber zu den Stücken singen würde. Daran passe ich das Strophenriff dann an. Danach wird alles in den Proberaum getragen und wir arrangieren die Stücke zusammen.
Martin:
Ihr seit bei den diesjährigen Wacken-Metal-Battle-Vorausscheidungen als Special Guest dabei gewesen. Zumindest für Kiel kann ich persönlich bestätigen, dass ihr zu später Stunde tierisch abgeräumt habt. Wie waren die Auftritte aus eurer Sicht?
Olli:
Also, als alter Kieler war ich ziemlich erfreut und überrascht zugleich, dass es dort so geil abging. So viele Leute habe ich bis zu meinem Umzug nach Hannover noch nicht in Underground-Metalkonzerten in Kiel angetroffen. Ich weiß noch, wie es mich damals immer angekotzt hat, dass es kaum geile Metal-Konzerte dort gab. Die meisten Metal-Bands haben im Höchstfall in Hamburg gespielt, aber Kiel blieb immer außen vor. Kiel war auf jedenfall ein Highlight auf unserer kleinen Clubtour. Aber auch Rostock lief sehr gut für uns. Im Nachhinein kann man mit wenigen Abstrichen aber unsere Special Guest-Funktion als Erfolg erachten. Jetzt fehlt eigentlich nur noch eine Tour mit einer größeren Band um richtig glücklich zu sein.
Martin:
Und vor allem, wie war es für euch den diesjährigen Wettkampf quasi aus einer neuen Perspektive hautnah mitzuerleben?
Olli:
Es war auf jeden Fall nicht vergleichbar mit dem Metal-Battle im letzten Jahr, wo wir mit im Rennen waren. Es war für uns dieses Jahr auf jeden Fall entspannter. Wir sind als letzte auf die Bühne gegangen und haben unser Set unbeschwert den Leuten um die Ohren gehauen. Diesmal waren die teilnehmenden Bands wohl so angespannt, wie wir letztes Jahr. Einige sind auch auf uns zu gekommen, und haben uns um Rat gefragt, was sie besser machen können. Den konnte man manchmal Tipps geben, worauf die Jury alles achtet. So konnten wir nette Kontake zu einigen Bands herstellen und ich bin mir sicher, Gewinner oder nicht, mit einigen Combos werden wir bestimmt auch öfter noch mal zusammen spielen, da wirklich eine Menge talentierter Bands im Underground schlummern.
Martin:
Was liegt in der näheren Zukunft für RECKLESS TIDE an? Weitere Live-Aktivitäten? Songwriting?
Olli:
Nun, die Metal-Battle-Events sollen natürlich nicht das letzte Lebenszeichen von uns in diesem Jahr sein. Wir werden auf dem diesjährigen Wacken-Open-Air wieder zu finden sein, und mit 45 Minuten Spielzeit sind wir dort am Abend auch ganz gut bestückt. Vorher werden wir einen Wacken-Warmup-Gig in Hildesheim am 16.07. mit den Bands FINAL CRY und DESOLATION spielen. Kiel steht natürlich auch wieder auf dem Plan. Dort werden wir am 12.08. in der Traumfabrik rocken und am 24.09. werden wir die Würzburger mal besuchen. Das Songwriting für die nächste Platte hat auch schon begonnen. Damit werden wir uns jetzt im Juni und Juli schon mal intensiv beschäftigen Es gibt schon wieder genügend Ideen, die wir nur noch arrangieren müssen. Du siehst, der Rest des Jahres wird nicht gerade langweilig werden... haha.
Martin:
Was sind eure Ziele/Träume in Sachen RECKLES TIDE?
Olli:
Hmm... viele Träume haben wir uns schon erfüllt. Wir haben einen Plattenvertrag ergattert, ein Debüt-Album aufgenommen, auf dem sich einige Metalurgesteine verewigt haben und auf dem Wacken Open Air gespielt. Jede Metal Band würde schließlich gerne mal dort spielen. Tja, dann sind unsere nächsten Ziele die zweite Platte zu machen, eine coole Supporttour durch Europa und vielleicht sogar Amerika zu ergattern und unseren Namen noch etwas bekannter zu machen. Du siehst, von der Vorstellung mit der Musik Millionäre zu werden, träumen wir noch nicht mal... (lacht) Wir wollen eine gute Zeit haben und mal sehen, wie weit wir mit der Band kommen können.
Martin:
Gibt es noch irgendetwas, das du in Richtung der Leser von Powermetal.de loswerden möchtest?
Olli:
Wir möchten uns bei allen bedanken, die uns unterstützen, zu unseren Konzerten kommen und unsere Platte gekauft haben. Kommt einfach zu unseren Gigs und habt eine gute Zeit mit uns. Auf unserer Hompage http://www.recklesstide.de ist natürlich auch jeder eingeladen. Und immer schön den Underground supporten. Da kommen die Bands von morgen her.
THRASH ON!
Martin:
Vielen Dank!
Olli:
Gerne wieder. Bis bald!
- Redakteur:
- Martin Stark