REJECT THE SICKNESS: Interview mit Frontmann Guy Vercruysse
03.10.2025 | 19:27Seit anderthalb Dekaden ist REJECT THE SICKNESS eine etablierte Größe in der belgischen Metal-Szene und stand bereits kurz vor dem Durchbruch, bevor eine uns allseits bekannte und verhasste Pandemie der Truppe vorzeitig einen Strich durch die Rechnung machte. Die Herren aus Gent gaben aber keinesfalls auf, sondern werkelten im Hintergrund weiterhin am nächsten Schritt - und der hört auf den Namen "Signs Of The End" und kickt wie eh und je. Frontmann Guy Vercruysse nahm sich ein bisschen Zeit, um mehr über die Band und vor allem die letzten Jahre zu sinnieren.
Hallo, Guy, wie geht es dir?
Super, danke! Bin gerade aus dem Urlaub zurück.
Es hat einen etwas längeren Anlauf benötigt, bis wir das Interview endlich in die Tat umsetzen konnten. In der Zwischenzeit ist eure neue Scheibe "Signs Of The End" auch veröffentlicht worden. Wie ist das Feedback bis hierhin?Wir können uns wirklich nicht beschweren! Spotify hat uns einen schönen Schub gegeben, und das Album hat jede Menge positive Kritiken bekommen. Wir haben wieder angefangen, Konzerte zu spielen, um die Veröffentlichung zu unterstützen, und das Publikum war großartig. Unsere Release-Show war voll, also ja, es geht in die richtige Richtung.
Es ist bereits euer fünftes Album. Welche konkreten Erwartungen hattet ihr diesmal?
Wir sind sehr gewachsen, sowohl als Musiker als auch als Menschen. Man lernt aus vergangenen Fehlern und passt sich an. Wir haben immer hart gearbeitet, und das hat sich nicht geändert. Wir sind ziemlich geerdet und realistisch. Wir wissen, dass wir eine bekannte belgische Band sind, und es wäre großartig, unsere Flügel in anderen Ländern ebenfalls ausbreiten zu können, aber das ist leichter gesagt als getan. Wir waren 2022 und 2023 auf Europatournee und hoffen, mit dem neuen Album wieder auf Tour zu gehen. Wir erwarten nichts, wir geben alles, und wenn sich uns etwas bietet, packen wir es mit beiden Händen an. Wenn alles so bleibt, wie es ist, ist es vielleicht genau so vorgesehen. Es gibt so viele großartige Bands da draußen. Man muss konzentriert bleiben und realistisch bleiben.
Als ihr 2018 "The Weight Of Silence" veröffentlicht habt, war ich mir ziemlich sicher, dass ihr gleich danach die größeren Bühnen anstreben würdet. Was denkst du darüber und was kannst du mir über die Entwicklung seitdem erzählen?Ehrlich gesagt, haben wir uns seitdem eigentlich ganz gut geschlagen. Mit The "Weight Of Silence" haben wir auf Festivals wie den MetalDays gespielt. Natürlich kam zwischen diesem und "While Our World Dissolves" COVID, und wir hatten eine kleine Besetzungsänderung. Aber selbst danach haben wir nicht nachgelassen. Mit "While Our World Dissolves" tourten wir mit VADER, ORIGIN und MONSTROSITY zweimal durch Europa. Wir spielten auf Alcatraz und unzähligen Festivals in Belgien. Wir waren fleißig!
Ich bin mir ziemlich sicher, dass du die Entwicklung des ganzen Geschäfts von der Gründung bis heute mitverfolgt hast. In den letzten zehn Jahren sind all diese Streaming-Dienste immer bekannter geworden und haben jüngeren Bands geholfen, bekannt zu werden, aber sie haben auch viele Tantiemen von potenziellen Albumverkäufen abgezogen, da die jungen Leute keine physischen Sachen mehr kaufen. Wie siehst du diese Entwicklung?
Es hat definitiv einen großen Wandel gegeben. Spotify ist ein großartiges Tool, um Musik bekannt zu machen. Echte Fans kaufen immer noch Vinyl, CDs und Merch, aber Streaming ist nicht die einzige Herausforderung. Das Leben ist teuer, Konzerte sind nicht billig, und die Leute müssen sich entscheiden, wofür sie ihr Geld ausgeben. Außerdem so viele Veröffentlichungen – wer kann sich das alles leisten? Eines ist gleich geblieben: Mit Musik verdient man kein Geld. Alles, was wir mit Konzerten und Merch verdienen, fließt direkt zurück in die Band, für bessere Konzerte, Ausrüstung, Promo, Artwork – was auch immer. Wir leben nicht von Musik. Wir haben eine laute Maschine gebaut, die Geld verbrennt ... und wir lieben sie.
Signs Of The End
https://www.youtube.com/watch?v=vUprSkz7T9o
Andererseits gibt es weltweit viele Plattensammler, die auf jede Sonderedition oder ähnliches abfahren und daher auch hin und wieder die Kassen etwas voller machen dürften. Wie sieht es mit REJECT THE SICKNESS aus? Veröffentlicht die Band auch Vinyl und was denkst du darüber?
Alle unsere Alben erscheinen auf Vinyl. Fans lieben exklusive Editionen, deshalb haben wir "Chains Of Solitude" und "The Weight Of Silence" neu aufgenommen, ihnen ein neues Artwork verpasst und physische Kopien herausgebracht. Ich bin selbst Vinyl-Sammler, also ja – das ist mir persönlich super wichtig.
Ihr wart als Band auf dem Höhepunkt, als die Pandemie damals ausbrach. Wie hart hat euch das Ganze getroffen?
Covid hat uns nicht wirklich hart getroffen. Wir haben die ganze Zeit geprobt und sind, als es möglich war, mit VADER auf Tour gegangen. Wir haben "While Our World Dissolves" veröffentlicht und viele Konzerte gespielt, als die Dinge wieder losgingen. Der einzige große Rückschlag war, dass wir unsere Russland-Tour zweimal absagen mussten – und dann bedeutete der Krieg in der Ukraine, dass wir nicht mehr zurückkehren konnten.
Wenn du auf die Pandemie und all die damit verbundenen Dinge zurückblickst, was denkst du heute darüber?
Nur ein Gedanke: Unterschätze niemals die Macht dummer Menschen in großen Gruppen...Ihr seid eine Band aus Belgien, und da ich 40 Jahre lang an der niederländisch-belgischen Grenze gelebt habe, habe ich die Szene in eurem Land genauer kennengelernt – und sie ist immer noch großartig und wächst. Was macht die belgische Metalszene so besonders?
Die belgische Metalszene floriert, wir haben riesige Festivals und unzählige Bands, die sie am Leben erhalten. Die Musikalität ist stark, und der Wettbewerb zwischen den Bands treibt alle an, sich weiterzuentwickeln. Manche Bands sind international erfolgreich, andere räumen hier in Belgien ab, und wir haben auch eine tiefgründige Underground-Szene. Wir Belgier sollten stolzer auf das sein, was wir aufgebaut haben. Die Leute kommen immer noch zu den Konzerten – das ist das Magische daran.
Wie sieht es mit der Szene in deiner Stadt aus? Was kannst du mir darüber erzählen?
In Gent war es eine Zeit lang ruhig um die Metal-Szene. Die Stadt ist eher für Dance-Musik, Jazz und alternative Musik bekannt. Aber in letzter Zeit schleicht sich Metal wieder nach Gent ein. Wir wollen dazu beitragen, diese Bewegung zu stärken. Initiativen wie Asgard, Grimm, Be-Sounds und Return Bookings sorgen für große Veränderungen. Und jetzt haben wir Wintercircus, einen tollen neuen Konzertsaal, der endlich Metal-Tourneen durch die Stadt bringt.
Zurück zu eurem letzten Album: Welchen Einfluss könnte "Signs Of The End" deiner Meinung nach auf die Szene haben?
Unsere Release-Show in Gent zog ein riesiges Publikum an, was uns sehr viel bedeutet hat. "Signs Of The End" stellt einen Wendepunkt dar – wir haben unseren Weg gefunden. Nach 15 Jahren haben wir unseren Sound und unsere Identität herausgearbeitet. Dieses Album ist unser Aushängeschild für die Zukunft. Wir hoffen, dass REJECT THE SICKNESS die belgische Szene prägt und neue Metalheads dazu inspiriert, ihre Träume zu verfolgen und stolz auf alles zu sein, was sie erreichen.Und was kannst du mir aus deiner Sicht über euren Ruf als Band erzählen?
Wir sind bekannt für unsere kraftvollen Live-Shows, dicht und intensiv. Unsere Texte, die von ausgestoßenen Jugendlichen, Traumata und Missbrauch handeln, berühren die Menschen wirklich. Das ist es, was uns antreibt. Nichts ist vergleichbar damit, wenn dir jemand sein Band-Tattoo zeigt und erzählt, dass unsere Texte ihm geholfen haben, ein Kapitel in seinem Leben abzuschließen. Das ist alles.
Du hast hart dafür gearbeitet, all das zu erreichen. Was könnte und sollte also der nächste Schritt sein?
Wir haben dieses Album unabhängig veröffentlicht, weil wir das Vertrauen in Labels verloren haben. Aber wir hoffen immer noch, ein Label zu finden, das uns wirklich dabei helfen kann, den nächsten Schritt zu gehen. Wir haben 15 Jahre investiert und hoffen, dass dieses Album neue Türen in ganz Europa öffnet. Falls nicht – wir sind trotzdem stolz auf alles, was wir erreicht haben.
Und wie sieht es aktuell mit den Live-Auftritten aus? Die Festivalsaison neigt sich dem Ende zu - was habt ihr mitnehmen können?
Jepp! Die Festivalsaison ist gut für uns. Wir spielten als Headliner beim Asgard Metal Fest und Devils Rock For An Angel, dazu kamen noch ein paar Club-Shows. Wir können uns nicht beschweren – wir rocken mehr als einmal im Monat.Wenn du in die Kristallkugel schaust und dir einen persönlichen Wunsch für die Band für die nächsten Jahre ausdenkst, was siehst du?
Wir brennen darauf, wieder auf EU-Tour zu gehen. Wir würden gerne noch einen draufsetzen, mehr europäische Festivals besuchen und ein solides Label finden. Aber am wichtigsten ist mir, weiterhin mit meinen Freunden von REJECT THE SICKNESS zu spielen, unsere Geschichte zu schreiben, das Leben, Metal und unser wöchentliches Bier im Studio zu genießen. Das ist unser Traum.
Last words?
Danke, dass wir dabei sein durften! Wenn ihr uns besuchen oder die Band unterstützen möchtet, schaut bei www.reject-the-sickness.com rein. Lebe dein Leben – ES IST VERDAMMT KURZ!
Photo Credit: REJECT THE SICKNESS
We Enslave Angels
https://www.youtube.com/watch?v=Y-qHk-zKwmY
- Redakteur:
- Björn Backes