RETURN TO EARTH: Interview mit Ron Scalzo & Chris Pennie

23.08.2010 | 20:22

RETURN TO EARTH haben mit "Automata" ein Album aufgenommen, das Freunde  moderner, schräger Töne durchaus gefallen sollte. Herz und Hirn der Band sind Sänger Ron Scalzo und Drummer Chris Pennie (COHEED & CAMBRIA, früher DILLINGER ESCAPE PLAN), die sich Zeit für unsere Fragen nahmen.

Platz #10 im August-Soundcheck und Meinungen von "zu schräg" bis "großartig" sind für RETURN TO EARTH so ungewöhnlich nicht. "Ich finde, euer Team hat ein gutes Gespür dafür, wie unsere Musik wirkt. Wer sich mit Chris' anderen Bands beschäftigt hat, wird RETURN TO EARTH sicher nicht als zu merkwürdig empfinden, aber wir sind auch eine Band, die nicht jedem gefallen. Es gibt ja eine große Spannbreite von sehr eingängigen bis hin zu sehr anspruchsvollen Songs. Der Titelsong ist ein gutes Beispiel für Letzteres. Wir sind alle sehr ambitionierte Musiker und Songwriter und wollen von dem, was wir machen, umgeblasen werden. Und wenn wir es dann schaffen, dass es ein paar Leute gibt, die das großartig finden, machen wir einen ziemlich guten Job.", steigt Ron in das Gespräch ein. Lyrisch geht es vor allem um das Thema Mensch vs. Maschine. "Ja, das trifft schon ungefähr den Kern.", erzählt Ron, ""Automata" ist ein loses Konzeptalbum. Alle Songs behandeln die Themen Mensch vs. Technologie,  Maschinen, die Menschen ersetzen und Kriege, die wir führen, mit und gegen die Waffen, die wir selbst entwickelt haben. Die drei Interludien dienen dabei als Einleitungen in die jeweiligen Kapitel des Albums.", führt der sympathische Sänger aus. Den Eindruck, dass der Hörer sich erst durch die vertrackteren Stücke kämpfen muss, um dann mit eingängigeren Songs wie 'The Replicas' belohnt zu werden, teilt Ron aber nicht. "Hmm, es war zumindest nicht unser Ziel, dass der Anfang komplexer ist als das Ende. Klar, wir haben den Titeltrack an den Anfang gestellt und der ist sicher ziemlich schräg, aber schon 'You Will Be Replaced' ist ja verhältnismäßig geradlinig. Wir möchten glauben, dass der Hörer interessiert bleibt, ganz gleich, ob die Songs jetzt schräg sind oder nicht, und das Album mit einem Gefühl der Befriedigung hört. Einem Album, dass anspruchsvoll, intelligent & heavy ist. Der letzte Song 'The Altercation Of Man' ist eine passende Koda, nicht nur in punkto purer Heavyness, sondern es passt auch perfekt zu der finalen "Verwandlung" vom Menschen zur Maschine."


Wenn es um den Entstehungsprozess von "Automata" geht, muss Ron etwas ausholen. "In erster Linie versuchen wir immer, uns selbst zu übertreffen. Unser erstes Album "Captains Of Industry" ist nicht ansatzweise so dicht und so heavy wie "Automata". Wir sind alle große Fans und Kritiker von Musik, sowohl von Musik der Zukunft als auch von Musik der Gegenwart, und versuchen natürlich nie jemanden zu kopieren. Ein Unterfangen, das gut gelingt, da wir alle unseren Anteil an der Musik von RETURN TO EARTH haben." erklärt Ron nicht ohne Stolz. "Normalerweise läuft es so, dass Chris und Brett (Aveni, gt. - PK) die Songs schreiben und mir einen Rough Mix schicken. Dann erarbeite ich - manchmal zusammen mit Brett - an den Lyrics, den Melodien und den Harmonien. Chris macht dann noch den Großteil der Programmierungen. Manches davon ist schon in den Anfangsversionen eingebettet, während anderes erst in der Post-Produktion hinzugefügt werden." Produktion ist ein gutes Stichwort. Diese klingt nämlich erstaunlich trocken. Die mögliche kalt-sterile Atmosphäre, die man bei der Thematik erwarten könnte, hat man ganz bewusst weggelassen, wie Chris erklärt. "Ja, genau diese mechanische Atmosphäre wollten wir unbedingt vermeiden, auch wenn das Konzept dies durchaus hergeben würde. Aber als wir die Songs geschrieben und aufgenommen haben, waren wir uns schnell einig, dass wir ein organisch klingendes Album haben wollten. Wir wollte nicht, dass der Computer uns aufdiktiert, wie unsere Songs zu klingen haben. Wir wollten es erstmal zusammen spielen und aufnehmen, um dann Loops und Effekte hinzuzufügen. Es ging halt vornehmlich darum, wirklich im Proberaum zu sein, die Arrangements zu fühlen und fast auszuschwitzen und uns gegenseitig zu pushen."

Musikalisch sind RETURN TO EARTH vom DILLINGER ESCAPE PLAN und von COHEED & CAMBRIA ein gutes Stück entfernt. Dennoch haben sie natürlich Einfluss auf Chris' Arbeit bei RETURN TO EARTH. "Ja, absolut. Beide Bands haben einen großen Einfluss auf meine Arbeit. Ohne diese Bands gäbe es RETURN TO EARTH wohl gar nicht. Ich finde, dass RETURN TO EARTH seinen eigenen Sound hat, der aber aus diesen Bands entwachsen ist. Schon alleine, was mein Spiel bei der Band betrifft, aber auch weil man einfach so viele Einflüsse in seiner eigenen Band unterbringen kann, nicht nur meine eigenen, sondern auch die von Brett und Ron, die ja unser Songwriting auch maßgeblich mitgestalten." erzählt Chris. Umgekehrt sind RETURN TO EARTH aber auch wichtig für COHEED & CAMBRIA. "Klar. Es ist einfach so wichtig, dass man sich als Musiker, Songwriter und zu guter letzt auch als Mensch wächst, lernt und besser wird. Ich finde, dass jede Form von Kreativität dafür sorgt, dass du dich entwickelst und auch frisch bleibst. Und so kann ich dann auch richtig in die Ideen eintauchen, wenn Claudio (Sanchez - Kopf von COHEED & CAMBRIA - PK) mir neue Riffs oder Ideen zeigt, um diese dann bestmöglich zu interpretieren.". So etwas nennt man wohl Win-Win-Situation.

Dass RETURN TO EARTH nicht mit Chris' Hauptbands zu vergleichen sind, haben wir schon erarbeitet. Überhaupt fällt mir keine Band ein, die wie RETURN TO EARTH klingt. Eine Einschätzung, die Ron sehr freut. "Das ist wohl das größte Kompliment, das man uns machen kann. Wir hassen es, wenn wir einfach in eine Schublade gesteckt werden. Klar, es ist nur normal, dass Fans Vergleiche anstellen, wenn sie die Musik ihren Freunden beschreiben wollen. Wenn wir das also tun, würde ich sagen, dass wir die besten Teile von einigen unserer Lieblingsbands kombinieren und zusätzlich unsere Erfahrungen aus vorherigen Bands und der Zeit miteinander einfließen lassen. Ich höre schon eine Menge von Chris' Arbeit bei DILLINGER ESCAPE PLAN heraus, aber die Gitarren und die Vocals sind halt etwas völlig anderes. Am besten kann man RETURN TO EARTH wohl als Hybriden aus Rock und Metal beschreiben. Wir haben keine Angst das Pendel in Richtung von QUEEN, MUSE oder DAVID BOWIE schwingen zu lassen und genauso gut kann es in die andere Richtung zu TOOL, THE MARS VOLTA oder MINISTRY ausschlagen. Wir sind wie der Schmelztiegel für die geschmolzene Metal-Lava, aber uns sind auch Strukturen wichtig, weshalb wir nie zu sehr ausarten.", lacht Ron.

Dass man mit dieser Musik bei MetalBlade landet, wirkt auf Außenstehende erst mal etwas überraschend. Ron erklärt, wie es dazu kam: "Für uns ist das natürlich keine Überraschung, denn MetalBlade standen bei uns ganz oben auf einer kurzen Liste von Labels, mit denen wir uns eine Zusammenarbeit vorstellen konnten. Wir waren auch darauf vorbereitet wieder alles alleine zu machen, das sind wir ja schon gewohnt. Wir haben einfach auch alle schon unsere schlechten Erfahrungen mit einigen Labels in der Vergangenheit gemacht und da ist es natürlich schwierig, deine Arbeit, dein Vertrauen und deine Leidenschaft in andere Hände zu geben, wenn du das schon mal durchgemacht hast. Auf der anderen Seite wussten wir natürlich, dass uns das richtige Label auch auf das nächste Level bringen könnte, so zum Beispiel bei der Promotion oder dem Touring. Und da wir alle Brian Slagel (Chef von MetalBlade - PK) kennen und respektieren sowie die Geschichte von MetalBlade kennen, haben wir Brian einfach mal unsere Songs geschickt. Er hat sie gehört und nur gesagt: okay, lass uns loslegen.", lacht Ron. "Wenn es doch immer nur so einfach wäre. Wir haben zwar noch ein bisschen geschaut, ob es auch andere Optionen gibt, aber Brians Enthusiasmus für das Album und Chris' Arbeit hat dann gewonnen. Es ist einfach toll, gewollt zu werden. Und wenn wir dann sehen, dass ein tolles Team mit Leidenschaft, Loyalität und Professionalität für uns arbeitet, wissen wir, dass es die richtige Entscheidung war."


Ob man RETURN TO EARTH auch mal auf deutschen Bühnen bewundern darf, ist vom X-Faktor abhängig. "Wir wollen natürlich auch live spielen, gerade auch in Europa. Aber es hängt alles von Chris' Tourplänen mit COHEED & CAMBRIA ab. Aber wenn sich da eine Möglichkeit ergibt, sind wir natürlich dabei. Da ist uns auch egal, mit wem wir auf Tour gehen. Hauptsache, es sind ein paar coole Jungs, die uns und die wir respektieren. Ich will einfach auf einer Bühne stehen und ein bisschen rumschreien." lacht Ron. Das sollte man sich dann nicht entgehen lassen.

Redakteur:
Peter Kubaschk

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