RHAPSODY: Interview mit Alex Staropoli

01.01.1970 | 01:00

Rhapsody-Interview mit Alex Staropoli / 18. Mai 2004

RHAPSODY melden sich nach ihrem letzen Album und nunmehr zwei Jahren ohne Neuveröffentlichung mit einer EP zurück, die als Vorgeschmack auf den neuen Longplayer dient, dessen Release - nach derzeitigem Kenntnisstand - offiziell für September angekündigt ist. Am 18.5.2004 erfolgte in den Peppermint Park Studios die Präsentation der brandneuen EP "The Dark Secret" samt eines ab dem 28. Juni 2004 limitiert in den Läden zu erhaltenden Digipacks, welches zusätzlich eine Bonus-DVD enthält. RHAPSODYs neues Label SPV respektive "Steamhammer" hatte zum Promotiontermin in Hannover geblasen und viele kamen – selbst die lokale "Bild"-Redaktion hielt es offenbar für angebracht, anlässlich des Auftakts zur neuen Saga mit dem (vollständigen) Titel "Symphony Of Enchanted Lands Part II – The Dark Secret" ein Reporter- und Fotografenteam zu entsenden. Ich weiß nicht, was die zum Ortstermin erschienenen Luca Turilli (guitars), Alex Staropoli (keys) und Fabio Lione (vocals) den Herren von der Boulevard-Presse zu sagen hatten, das fand hinter verschlossenen Türen statt, doch hatte ich im Anschluss daran Gelegenheit, mich mit Alex zu unterhalten...

Jürgen:
Zuerst einmal vorweg ein dickes Lob, die EP hört sich nach meinem Empfinden großartig an, ich denke, auch die Fans werden mehr als zufrieden sein.

Alex:
(deutet eine Verbeugung an) Vielen, vielen Dank.

Jürgen:
Meine erste Frage ist eine, die sicherlich viele interessieren wird: Was war der Grund des kürzlich vorgenommenen Labelwechsels von Limp zu SPV?

Alex:
Der alte Vertrag lief aus und wir haben uns natürlich nach einem Management umgesehen, das unsere Interessen am besten vertritt. Auch andere Labels hatten durchaus Interesse angezeigt und die Entscheidung war nicht gerade leicht - auch emotional – doch letztendlich haben wir uns für das "große" Management entschieden und sind im Endeffekt darüber sehr glücklich. Da fließt jede Menge positiver Energie. Sie machen vieles möglich – es war eine gute Wahl.

Jürgen:
Offensichtlich. Zumindest haben sie es geschafft, Christopher Lee für das neue Projekt ins Boot zu holen – von wem stammte diese Idee eigentlich, von euch oder dem Management?

Alex:
Ursprünglich suchten wir für die neue Saga "nur" einen Erzähler, der wie ein roter Faden durch das neue Album führt, anfangs war es eine reine Spinnerei von uns, wo wir uns gedacht haben: "Wow! was für eine verrückte Idee, wenn er diesen Part übernehmen würde". Das Management sah das ähnlich und gesagt: "Okay, die Idee ist verrückt, doch versuchen wir's mal". Sie haben nachgehakt, ihm die Storyline, die Vision hinter der Saga und unsere Musik unterbreitet. Joey [deMaio – MANOWAR, die über SPV auch ihre letzte DVD veröffentlichten; Joey ist inzwischen via "Magic Circle Music" Manager von RHAPSODY - Anm. des Red.] war diesbezüglich sehr hilfreich und im Dezember hatten wir das tatsächlich in trockenen Tüchern. Kaum zu glauben, wir waren platt... und begeistert.

Jürgen:
Wir haben in der kurzen Ansprache des Label-Vertreters [vor der Präsentation – Anm. des Red.] gehört, dass die Saga ja nicht nur ein Album umfassen, sondern sich auf mehrere erstrecken wird, da stellt sich die Frage, ob er (Lee) jetzt fester Bestandteil ist?

Alex:
Für dieses Mini-Album – die Einführung – und das (komplette) Album im September auf jeden Fall, da ist er unser Erzähler und somit fester Charakter, der durch die Story führt.

Jürgen:
Apropos "Einführung". Das Cover-Artwork der EP, die als solche in die neue Saga führen soll, weicht vom gewohnten Stil ab. Wird er beibehalten oder bekommen wir im September dann wieder ein "typisches", gezeichnetes/gemaltes RHAPSODY-Cover zu sehen... so mit Drachen und Schwertkämpfern?

Alex:
Für das Mini-Album passt das Cover perfekt. Es repräsentiert den Anfang der neuen Saga – Die Alte ist zu Ende, jetzt kommt etwas Neues. So gesehen, sind wir damit sehr zufrieden. Wir haben schon mitbekommen, dass sich einige Leute darüber gewundert haben. Über das Artwork und das genaue Motiv für das Album kann ich derzeit im Detail noch nicht viel sagen, aber es geht zurück in die gewohnte Richtung, jedoch... irgendwie "realistischer".

Jürgen:
Wie weit seid ihr eigentlich mit dem neuen Album, so vom musikalischen Status her?

Alex:
Das Album ist bereits fertig eingespielt.

Jürgen:
Wisst ihr schon ungefähr, wie umfangreich die neue Saga werden wird und habt ihr schon weitere Releasedates angepeilt oder ist das noch Zukunftsmusik?

Alex:
Es werden auf jeden Fall mehrere Alben werden, so viel ist sicher. Nein, über weitere Releases nach dem Album im September kann ich noch nichts Konkretes sagen.

Jürgen:
Es wird im Moment viel über Fabio [Lione] und sein eingestelltes Engagement bei VISION DIVINE geredet und spekuliert, woran es liegen mag, dass er nun nur noch ausschließlich für RHAPSODY singt...

Alex:
Es war eine persönliche Entscheidung, wir haben uns nicht gezankt oder so was. Immerhin kennen wir uns jahrelang und stehen uns nah. Sich für unseren Neubeginn ganz in die Dienste der Band zu stellen, kommt nicht nur unserem neuen Projekt sehr entgegen. Generell möchten wir für die Zukunft als eine Familie erscheinen. Dafür ist es besser, wenn Fabio zu jetzt zu einhundert Prozent als RHAPSODY-Member auftritt, denn schließlich ist der Sänger immer die Identifikationsfigur und Repräsentant der gesamten Band – mehr als jeder andere vielleicht.

Jürgen:
Es wurde mal von einem "Dark Rhapsody"-Projekt gemunkelt, also RHAPSODY in "härter, schneller und dunkler", was ist daraus geworden?

Alex:
(stutzt)Ach so, du meinst bestimmt "Rhapsody in black" - so heißt es richtigerweise. Das haben wir zwar nicht ganz aufgegeben, doch zur Zeit natürlich auf Eis gelegt.

Jürgen:
Was hat es mit dem "Film Score Metal" auf sich, ich bin sicher, nicht jeder kann sich darunter etwas vorstellen.

Alex:
Noch nicht, aber bald wird es jeder können (lacht). Nein, Scherz beiseite. Man hat man unsere Musik ja vorher mit "Hollywood Metal" bezeichnet, was unseren Sound und unsere dahinter stehende Vision der Saga gut getroffen hat. Wir haben immer versucht eine Geschichte zu erzählen und mittels der Musik visuelle Bilder beim Zuhörer zu erzeugen. Doch hat sich etwas entscheidend geändert und auch verbessert. Es ist eine komplett neue Saga, wo wir jetzt mit einem richtigen Orchester spielen, was ganz neue Soundlandschaften mit ganz neuen Visionen und Möglichkeiten eröffnet – eben mehr wie ein Soundtrack zu einem Film, der sich jedoch im Kopf abspielt. Daher kommt der griffige Ausdruck "Film Score Metal", mit dem jetzt am Anfang der neuen Saga noch keiner etwas so recht anzufangen weiß, aber bestimmt bald wird.

Jürgen:
Ich für meinen Teil konnte [bei der Präsentation – Anm. des Red.] schon einen Unterschied im Sound ausmachen, es klingt wirklich "realistischer". Manche könnten jetzt aber sagen: "Oh, schon wieder eine neues Subgenre" und das als reines Marketing abtun.

Alex:
Das kann natürlich passieren, doch stehen wir zu der Genre-Änderung, es ist ein Neubeginn für uns, wobei Marketing zwar eine Rolle spielt, doch nur untergeordnet.

Jürgen:
Du hattest eben das Orchester erwähnt. Gab's da irgendwelche Probleme, mit denen ihr im Vorfeld so nicht gerechnet hatet? Immerhin sind das ne ganze Menge Leute, die unter einen Hut zu bringen sind.... wie viele Köpfe zählte es nochmal - 50?

Alex:
Aus 50 Leuten bestand allein der Chor, zeitweise sogar 60. Das Orchester waren dann noch mal 80 Musiker – ein riesiges Ensemble. Die einzigen Probleme waren einige der Deadlines, es war nicht immer leicht die Termine zu halten. Bei manchen Tracks wurde es mal enger mit dem Zeitplan. Doch auch hier hat sich das Management – allen voran Mediaran - als sehr hilfreich erwiesen, die uns organisatorisch unter die Arme gegriffen haben, den Job pünktlich zu erledigen. Musikalische Probleme gab es keine, wir wussten ja, worauf wir uns einlassen und wie das Ganze klingen sollte. Kleinere Ecken und Kanten kann man später im Studio auch zur Not noch leicht nachbearbeiten. Doch fügt sich das Orchester auch so perfekt in die Komposition ein. Wir sind sehr zufrieden mit den Ergebnissen.

Jürgen:
War es nicht stressig, diesmal statt nur in einem Studio zu arbeiten, quer durch Europa touren zu müssen, um die EP und das Album aufzunehmen?

Alex:
Nein, eher interessant. Die meiste Arbeit wurde sowieso im Studio in Wolfsburg erledigt, mit Ausnahme natürlich der Aufnahmen in Tschechien, wo wir mit dem Orchester und dem Chor gearbeitet haben. In London waren wir für die Aufnahmen der Erzählerstimme. Es war sehr schön, die ganzen verschiedenen Eindrücke und Einblicke sammeln zu können.

Jürgen:
Zum ersten Mal produzierten du und Luca selbst, welche Rollen spielten denn Joey deMaio und Sascha Paeth, die ebenfalls als Producer gelistet werden?

Alex:
Fangen wir mit dem Part des Erzählers an, Joey hat die Aufnahmen mit Christopher Lee produziert. Die künstlerische Gesamtleitung des Projekts – des Mini-Albums und des kommenden Longplayers – hatten jedoch wir, also Luca und ich. Schon früher hatten wir mit Sascha als Producer weitgehend freie Hand, was die Umsetzung unserer musikalischen Visionen anging. Bei der zweiten Saga sind wir nun auch die verantwortlichen Produzenten, während uns Sascha diesmal als Co-Producer und Engineer hilfreich zur Seite stand, auf dessen Erfahrungen wir jederzeit zurückgreifen konnten.

Jürgen:
Für zwei Jahre wart ihr nicht im Studio, ist diese Zeit für das neue Konzept draufgegangen... oder anders gefragt: Wie viel Arbeit bedeutet eine neue Saga?

Alex:
Die reinen Aufnahmen dauern etwa zwei Monate, mit Bearbeitung und Mix im Studio insgesamt... sagen wir mal gute sechs Monate. Man beginnt in der Tat mit einem weißen Blatt Papier und arbeitet sich Stück für Stück voran. Angefangen beim Titel, dann Story und so weiter. Hauptsächlich ist es Lucas Einfallsreichtum, der gefordert ist, er hat eine sehr klare Vorstellung von der Storyline und den Personen, die darin vorkommen. Was für mich manchmal grausam ist, mit den ganzen Namen (lacht). Luca kennt die Saga, was die Geschichte angeht, wesentlich besser als ich. Ich weiß aber natürlich, was ich wissen muss, um die Richtung und die Orchestrierung so hin zu bekommen, wie wir uns das vorgestellt haben – vom musikalischen Aspekt her betrachtet.

Jürgen:
Was bleibt von den anfänglichen Ideen übrig? Ich denke, da wird im Laufe des Prozesses eine Menge umgestellt und verworfen...

Alex:
Das ist richtig. Die Struktur und die Vision für die neue Saga standen schon recht früh fest, trotzdem muss man zwischendurch immer mal wieder an den Lyrics arbeiten, kleinere Anpassungen vornehmen und zum Teil den Stoff auch komprimieren. Es muss ja thematisch auf eine CD passen.

Jürgen:
Ist die neue Geschichte eine direkte Fortsetzung der Algalord-Saga?

Alex:
Es ist eine brandneue Saga, die aber an einigen Stellen Verbindungen mit der alten aufweist – durch Orte, Geschehnisse und Personen, die hier ebenfalls vorkommen. Ein "Brückenschlag", wie Luca immer gerne sagt. Wir bleiben also in der gewohnten Welt, doch die Storyline ist eine andere und spielt ein paar Jahre später.

Jürgen:
Kann es sein, dass ich Christopher Lee eben habe auch singen hören auf dem Mini-Album? Ich bin mir nicht sicher, doch hätte er es sein können... immerhin ist er ein ausgebildeter Opernsänger.

Alex:
(lacht) Nein – gesungen hat er nicht, da hast du dich verhört. Jedenfalls nicht für das Album... wohl aber tatsächlich im Studio, um seine Stimme zu lockern, oder einfach nur spaßeshalber. Er hat nämlich nicht nur diese wahnsinnstiefe Stimme, die uns als Erzählerstimme so fasziniert, sondern auch jede Menge Humor.

Jürgen:
Wo wir grade in diese Richtung gehen, das Video zu 'Unholy Warcry' (auf der DVD des Digipacks enthalten) erinnert mich unheimlich an die Eröffnungssequenz von "Herr der Ringe – Die zwei Türme", mit der Kamerafahrt über die schneebedeckten Gipfel des Nebelgebirges. BLIND GUARDIAN hat schon Tolkiens "Silmarillion" vertont, wie wär's, wenn ihr statt dessen HdR ein metallisches Denkmal setzen würdet?

Alex:
Eine Versuchung wäre es, doch haben wir lieber etwas Eigenständiges und Originelles auf die Beine gestellt. Klar hat uns HdR – wie jeden, der sich für Fantasy interessiert – ebenfalls beeinflusst. Dank der Filme kann man sich endlich ein Bild von Personen und Landschaften machen, das grenzt die eigene Interpretation des Stoffes ein und würde jeden, der es versucht, musikalisch in ein sehr enges Korsett pressen. Auf der anderen Seite ist es auch immer eine Frage der Lizenzen. Ich weiß nicht, wie das mit den Rechten an Begriffen aus dem Buch gehandhabt wird, normalerweise hält heute ja immer jemand die Hand auf (grinst). Ich denke, es ist nahezu unmöglich, in absehbarer Zeit eine Metal-Version des HdR-Themas zu realisieren – wenn es denn überhaupt je möglich sein wird. Die Filme sind so perfekt, dass die Messlatte sehr hoch liegt. Wir sind stolz auf unsere eigene Saga und die ist sicherlich auch professionell und anspruchsvoll geworden.

Jürgen:
Das will ich meinen, vor allem, was 'Sacred Power Of Raging Winds' angeht, das hat ja wahrlich epische Ausmaße und weist eine geniale musikalische Bandbreite auf. Für mich der beste Song des Mini-Albums und meines Erachtens ein wesentlich besseres Aushängeschild. Warum habt ihr 'Unholy Warcry' mehr in den Vordergrund gestellt?

Alex:
Danke für das Lob. Ganz ehrlich: Das ist auch mein persönlicher Lieblingssong – nicht nur auf dem Mini-Album, sondern auch auf dem Longplayer. Beide Stücke werden nicht nur auf der EP, sondern ja auch dort zu finden sein. Der Grund ist, wir brauchten einen Appetizer für das kommende Album und somit repräsentative Tracks, die verdeutlichen, wie RHAPSODY in Zukunft klingen werden und worum es in der neuen Saga geht. Die Wahl fiel schließlich auf 'Unholy Warcry' als Zugpferd, er ist weniger sperrig als das ebenfalls favorisierte 'Sacred Power Of Raging Winds' und damit auch besser geeignet, mit einem Video versehen zu werden. Zudem erklärt er durch das gesprochene Intro auch schon, wohin die Reise storytechnisch geht.

Jürgen:
Man muss aber nicht zwingend beide – also EP und Album – hören, um die neue Saga zu verstehen... oder verpasst man wichtige Teile der Geschichte, wenn man die EP nicht kennt?

Alex:
Nein, Nein. Die EP ist nur ein Vorgeschmack, der genug verrät, um neugierig auf mehr zu werden, aber ohne all zu viel preis zu geben, daher sind ja auch zwei Schlüssel-Tracks vom kommenden Longplayer darauf enthalten. Das Mini-Album soll verdeutlichen: Nach zwei Jahren ohne Veröffentlichung sind wir wieder mit etwas Neuem da und SO hört sich das an...

Jürgen:
Herzlichen Dank für das Gespräch. Grazie.


Post Scriptum
Ich hätte noch gern gefragt, was Alex von den Möglichkeiten des Internets hält bzw. ob er darin eher eine Chance oder eine Gefahr für die Musikindustrie sieht. Des weiteren wäre es auch interessant zu erfahren, ob sich der Trend zur DVD respektive der 5.1-Abmischung in Zukunft seiner Meinung nach durchsetzt. Leider sind zwanzig Minuten recht fix um, noch dazu, wenn ich eigentlich noch zehn Minuten Interviewzeit gehabt hätte. Doch auch Metaller müssen mal was essen und das ihre wurde gerade aufgefahren, sodass ich auf die höfliche Anfrage des Studio-Managers hin etwas früher die Segel gestrichen habe. Daher endet das Interview ein wenig abrupt.

Redakteur:
Jürgen Pern

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