RUDESS, JORDAN: Interview mit Jordan Rudess

01.01.1970 | 01:00

Jordan Rudess ist ein vielbeschäftigter Mann. Nicht nur, dass er fast pausenlos mit seiner Stammkapelle DREAM THEATER unterwegs ist, nein, auch nebenbei dreht sich bei dem Tastenvirtuosen alles um die Musik, wie seine vielen Nebenprojekte beweisen. Eines davon ist seine Soloband, mit der er kürzlich in Form von "Rhythm Of Time" wieder ein erstklassiges Instrumental-Album eingespielt hat. Wir klopften mal beim Prog-Keyboard-Gott an und erhielten tatsächlich eine kurze Audienz bei Mr. Rudess, der die gestellten Fragen daher auch nur kurz aber doch bestimmt und präzise beantwortete. Mehr dazu im folgenden Text:


Björn:
Hi Jordan, wie geht es dir?

Jordan:
Mir geht es sehr gut, vielen Dank! Ich bin gerade mit meiner Gruppe durch die Vereinigten Staaten unterwegs auf Tour.

Björn:
Erst einmal möchte ich dir zu deiner neuen Platte "Rhythm Of Time" gratulieren. Mir gefällt diese CD ausgesprochen gut, und das, obwohl ich eigentlich kein Hörer von Instrumental-Musik bin. Ich nehme mal an, du bist ähnlich zufrieden mit dem Resultat, oder?

Jordan:
Ich bin sehr glücklich zu hören, dass sie dir gefällt. Ich bin wirklich sehr zufrieden und denke, dass sie wunderbar geworden ist. Ich bin nicht nur auf die Musik, sondern auch auf die einzelnen Performances der Gastmusiker stolz.

Björn:
Wie sind denn die bisherigen Reaktionen seitens der Presse?

Jordan:
Momentan ist alles sehr aufregend und die Reaktionen sind großartig.

Björn:
Dabei ist es ja eigentlich unglaublich, dass du schon wieder neues Material komponiert hast. Wie schaffst du es, dermaßen viel Musik zu schreiben, ohne dass die Qualität darunter leidet?

Jordan:
Das ist einfach nur das, was ich gerne mache. Musik ist mein Leben! Falls ich keine Musik mehr schreiben könnte, würde ich sicherlich sehr schnell aufgeben.

Björn:
Gibt es denn noch irgendwas anderes, das du so machst, außer neue Songs zu schreiben?

Jordan:
Alte Songs spielen, und davon eine ganze Menge, haha!

Björn:
Es gibt gar nicht so viele Instrumentalalben von Keyboardern, und eigentlich sind diejenigen, die ich kenne, dann auch noch von Leuten gemacht worden, die in unmittelbarer Verbindung zu dem Namen DREAM THEATER stehen. Ich denke dann an den Stoff von Derek Sherinian. Warum gibt es denn eigentlich so wenige Keyboarder-CDs?

Jordan:
In der Rockwelt bekommen Keyboarder bei weitem nicht so viel Aufmerksamkeit wie Gitarristen. Es gibt aber eine Menge Alben in anderen Genres wie Electronic, New Age und eben Soundtracks, die von Keyboardern komponiert worden sind. Ich habe aber mehr Spaß daran, progressive Musik im rockenden Stil zu schreiben.

Björn:
Andererseits könnte man ja jetzt auch vermuten, dass du die Ideen, die du bei deiner Hauptband nicht unterbringen kannst, jetzt auf deinen Soloalben verwirklichst. Ist da etwas dran?

Jordan:
Jeder einzelne, der die Geschichte von DREAM THEATER kennt oder meine Solo-Scheiben hört, sollte ein gesundes Verständnis davon gewonnen haben, dass ich sowohl bei DREAM THEATER als auch beim LIQUID TENSION EXPERIMENT ein großes Engagement beim Songwriting gezeigt habe. Mir macht es also nichts aus, falls die Leute so etwas denken, denn wenn sie sich richtig mit meiner Musik beschäftigen, werden sie schnell herausbekommen, dass dies nicht der Fall ist.

Björn:
Gibt es denn noch andere Projekte, in die du involviert bist, oder sind da momentan nur DREAM THEATER und dein Soloprojekt?

Jordan:
Check nur mal "An Evening With John Petrucci And Jordan Rudess", die kürzlich über das "Favored Nations"-Label herausgebracht wurde. Außerdem sind gerade zwei Bücher von mir auf den Markt gekommen. Das erste ist die DREAM THEATER-Keyboard-Anthologie und das andere ist ein Keyboard-Lernbuch mit dem Titel "Total Keyboard Qizardry" und wurde von Hal Leonard veröffentlicht. Beide Bücher kann man in meinem Online Shop auf meiner offiziellen Homepage ordern.

Björn:
Die CD habe ich bereits erhalten, doch dazu später mehr. Erst mal würde mich interessieren, woher die Mitglieder von DREAM THEATER die Energie für die Band und all ihre Nebenprojekte beziehen. Und was eigentlich noch viel interessanter ist: Woher habt ihr immer wieder diese ganzen Ideen für neue Songs?

Jordan:
Wir lieben das, was wir machen. Da ist eine große Leidenschaft in unserem Leben, und diese gibt uns die Energie, immer wieder neue Songs zu kreieren.

Björn:
Da fällt es einem ja schwer zu glauben, dass es überhaupt mal Tage gibt, in denen dir die Inspiration fürs Songwriting fehlt. Was machst du an solchen Tagen?

Jordan:
Ein Mensch zu sein heißt, das Leben in verschiedenen Schwingungen und unterschiedliche Stimmungen zu durchleben. Manche Tage sind eben bessere als andere. Glücklicherweise war ich im vierzehntägigen Songwriting-Prozess von "Rhythm Of Time" sehr inspiriert.

Björn:
Okay, dann lass uns doch hier direkt mal bei "Rhythm Of Time" einsteigen. Was sagt der Titel für dich aus?

Jordan:
Ich mag metaphysische Konzepte und dieser Titel klang meines Erachtens sehr cool. Alles hat eine Vibration und einen Rhythmus und der Titel fühlte sich sehr passend für die Musik, die ich geschrieben habe, an.

Björn:
Welche Bedeutung hat Zeit denn für dich?

Jordan:
Es ist eine expandierte Perspektive des momentanen Augenblicks. Es ist Rhythmus in seiner originellsten Form. Eine Stunde gleicht da einem Takt der Musik, ein Tag einer ganzen Symphonie. Es ist alles miteinander verbunden.

Björn:
Viele Musiker zeigen ihre Emotionen über die Texte ihrer Songs. Instrumentalstücke haben aber nun mal keine Texte. Wie zeigt also ein Keyboarder seine Gefühle mit Hilfe der Musik?

Jordan:
Frag Chopin und du findest die Antwort.

Björn:
Okay! Aber du hast ja auch zwei Songs, bei denen ein Sänger mit von der Partie ist. Du hast dich dabei für Kip Winger entschieden und das überrascht dann doch, denn der gute Herr ist ja eine ganze Weile aus der Szene verschwunden. Warum hast du denn jetzt ausgerechnet ihn ausgewählt?

Jordan:
Er ist ein extrem talentierter und umgänglicher Musiker. Ich liebe seine Stimme und seine Musikalität und bin über Rod Morgenstein mit ihm in Verbindung gekommen.

Björn:
WINGER sind ja für viele die Nummer-eins-Poserband schlechthin, gerade für diejenigen, die etwas härtere Musik bevorzugen. Wie gefällt dir diese Band?

Jordan:
Es war eine großartige Band, deren Image traurigerweise zerstört wurde. Meiner Meinung nach war ihre Musik echt exzellent.

Björn:
Magst du denn auch den ganzen anderen Hardrock-Stoff aus den späten Achtzigern mit Bands wie WINGER, DOKKEN usw.? Bist du mit so etwas aufgewachsen?

Jordan:
Hm, ich bevorzuge eher GENESIS, YES, PINK FLOYD, GENTLE GIANT, ELP und KING CRIMSON.

Björn:
Gibt es denn auch irgendwelche Musiker, zu denen du hinaufschaust? Wer sind die Idole von Jordan Rudess?

Jordan:
Oh ja. Ich mag heutzutage solche Bands wie SUPER FURRY ANIMALS, APHEX TWIN, AUTECHRE, PORCUPINE TREE und ganz besonders MUSE!

Björn:
Zurück zum Album. Was mir mit am besten gefällt, ist, dass es nicht so ein typischer Egotrip eines talentierten Musikers ist, wie man ihn auf vielen anderen Instrumentalscheiben vernehmen darf. Stattdessen steht der Song an sich viel weiter im Mittelpunkt und das macht selbst das komplexeste Material um einiges zugänglicher. Wie würdest du das denn in eigenen Worten beschreiben, was du hier kreiert hast?

Jordan:
Danke erst einmal. Ich möchte dem Hörer mit meiner Musik ein Gefühl geben, als würde er sich auf eine Reise mit dem Schall begeben. Nimm dir etwas Zeit, schließe die Augen und genieße den Ritt. Es ist außer Frage Musik, die höhere Aufmerksamkeit verlangt. Meine Rockmusik ist nicht dafür gemacht, um sie im Hintergrund laufen zu lassen.

Björn:
Du hast aber auch schon an einem Projekt mitgewirkt, wo wirklich jeder einzelne Musiker seine Fähigkeiten sehr breit nach außen tragen konnte, nämlich beim LIQUID TENSION EXPERIMENT. Brauchst du so etwas als Ausgleich zwischen den mehr songorientierten und den eher komplexeren Sachen?

Jordan:
Ich mag alle Formen des musikalischen Ausdrucks. LIQUID TENSION EXPERIMENT war gerade deshalb sehr cool, weil sehr viel auf Improvisation beruhte, und das ist etwas, was ich persönlich sehr gerne tue. Ich habe ja auch schon Alben wie "Secret Of The Muse" herausgebracht, auf denen Improvisation die Methode ist, die hinter dem Projekt steht.

Björn:
Dann schätze ich mal, dass du keine besonderen Vorlieben hast und es egal ist, ob die Musik nun leichter verdaulich oder komplexer ist.

Jordan:
Ja genau, das kommt ganz auf meine Stimmung an.

Björn:
Was ist denn jetzt aus dem LIQUID TENSION EXPERIMENT geworden? Wird es irgendwann wieder neuen Stoff geben?

Jordan:
Es existieren keine Pläne mehr für das LIQUID TENSION EXPERIMENT. Ich sage das jetzt mal so, aber man weiß ja nie, was passieren wird. Es ist natürlich möglich, dass wir es irgendwann in der Zukunft wieder aufleben lassen.

Björn:
Bei DREAM THEATER habt ihr ja auf den letzten beiden Alben in Sachen Heaviness um einiges zugelegt. Magst du diese härtere Ausrichtung oder stehst du mehr auf Sachen wie die "Scenes Of A Memory"-Platte?

Jordan:
Ich liebe krachenden Metal und genauso liebe ich diese subtile Musik. Wiederum muss ich sagen, dass es von meiner Grundstimmung abhängt. Im Normalfall ziehe ich aber melodische Musik den superharten Sachen vor.

Björn:
Welche der ganzen DREAM THEATER-Scheiben magst du denn am liebsten?

Jordan:
Am besten gefällt mir die zweite CD von "Six Degrees Of Inner Turbulence", da sie sehr melodisch und kraftvoll klingt.

Björn:
Mit DREAM THEATER seid ihr ja fast ständig auf Tour. Wie sieht es da mit deinem Soloprojekt aus?

Jordan:
Ich plane im Frühling mit "Rhythm Of Time" auf Tour zu gehen.

Björn:
Du hattest es eben angeschnitten, ihr spielt ja ab und zu solche speziellen Konzerte wie eben jenes, welches ihr jetzt unter dem Titel "An Evening With John Petrucci And Jordan Rudess" herausgebracht hat. War dies eine spontane Geschichte oder habt ihr die Songs vorher geschrieben und geprobt?

Jordan:
Die Songs sind schon teilweise vorher geschrieben worden, wurden aber dann im Konzert noch weiter improvisiert. Wir schrieben die Sachen, als wir in Asien auf Tour waren, haben die Musik dann zurück in die Staaten gebracht und dann diese Show gespielt.

Björn:
Sind John Petrucci und du denn das perfekte Songwriting-Duo?

Jordan:
Oh, wir sind sicherlich großartige Partner.

Björn:
Wird es denn weitere solcher Shows geben, vielleicht sogar in Europa?

Jordan:
Ich hoffe doch sehr, aber geplant ist bisher noch nichts.

Björn:
Gibt es denn überhaupt noch irgendetwas, was du in nächster Zukunft verwirklichen möchtest?

Jordan:
Ich würde sehr gerne mit einigen Musikern aus dem Elektro-Bereich zusammenarbeiten. Ein Jam mit den Jungs von AUTECHRE wäre zum Beispiel sehr cool.

Björn:
Nun, ich hätte jetzt noch circa fünfzig Fragen, die ich gerne stellen würde, aber die Zeit lässt es halt nicht zu. Es war mir eine Ehre, dieses Interview hier durchzuführen und ich bedanke mich für die Zeit, die du dir genommen hast. Am Schluss möchte ich dir jetzt noch die Gelegenheit geben, ein paar Worte an unsere Leser zu richten.

Jordan:
Vielen Dank euch allen, dass ihr meine Musik hört und das, was meine Band und ich machen, unterstützt. Ich bin sicher, wir werden uns auf einer unserer nächsten Touren wiedersehen. Und dir, Björn, vielen Dank für das Interesse und das Interview.

Redakteur:
Björn Backes

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