R.I.P. - A Heavy Metal Fanzine (Buch)
31.08.2025 | 20:39Ihr habt Bock auf eine Zeitreise in die 80er Jahre und wollt ein wirklich cooles Fanzine aus der Zeit (neu-)entdecken? Dann seid Ihr hier goldrichtig!
Ihr wollt Euch auf eine Zeitreise in die 80er Jahre begeben? Den Zeitgeist von damals einatmen, von einer Zeit ohne Internet, ohne den Zugang zu beinahe jedem Song, ohne die Möglichkeit über irgendeinen Messenger mal eben den Lieblingsmusikanten in Übersee zu kontaktieren? Einer Zeit, in der man postalisch Musik getauscht hat, indem man sich Musikkassetten überspielt hat? Einer Zeit voller Pioniergeister, die den Grundstein der heutigen Heavy-Metal-Underground-Szene gelegt haben? Dann seid Ihr hier goldrichtig! "RIP – A Heavy Metal Fanzine" umfasst die gesammelten Werke von Peter Marquardt und Marc Isenbugel, die Mitte bis Ende der 80er Jahre das gleichnamige Fanzine erstellt haben. Zuerst noch unter dem Banner "Luzifera" haben die beiden Teenager in mühsamer Kleinstarbeit Interviews, Konzertberichte, News und Plattenkritiken getippt und gelayoutet. Wobei man aus heutiger Sicht dieses wild zusammengeschusterte Layout sicherlich mit dem Attribut "chaotisch" betiteln würde. Aber so war das damals nun mal. Da wurden Schnipsel, Fotos, Flyer und andere optische Leckerlis mit Pritt-Stift aufgeklebt und fotokopiert. Ich kann mich in so eine Aufmachung reinlegen und mir wird wohlig warm ums Herz, erinnert es mich doch unwillkürlich an meine Zeiten als Fanzine-Scribbler.
Bis heute ist mir diese komplett unaufgeräumte Optik viel lieber als diese akkurat mit Lineal bzw. Layout-Programm erstellte Optik aller Print-Medien von heute. Diese Unruhe fürs Auge sorgt dafür, dass man eben nicht schnell mal über eine Seite drüberblättert, sondern mit Argus-Augen alle Details zu erfassen versucht, was glücklicherweise nicht sofort gelingt. Das führt dazu, dass man auch beim späteren Zweit-, Dritt- und Acht-Lesen noch lustige Feinheiten entdeckt. Auch die unterschiedlichen Schriftarten und -größen werden modernen Layoutern zumindest ein amüsiertes Grinsen ins Gesicht zaubern. Ich liebe auch dies, zeugt es doch von komplett unbedachter Hingabe der Ersteller. Obendrein belegt es, worauf hier der eindeutige Schwerpunkt gelegt wurde: auf den Inhalt! Und auch hier punktet dieses sensationelle Blätterwerk.
Hier geht es nicht in erster Linie um den Informationsgehalt, denn dieser ist der Zeit geschuldet heute natürlich eher gering. Es geht um den Pioniergeist, denn selbst heute hoch verkultete Magazine wie das unvergleichliche "Snakepit" können an dieser Stelle nicht mithalten. Der Grund ist schnell genannt: Das "RIP" ist deutlich älter und von daher war die Herangehensweise umstandsbedingt noch hemdsärmeliger.
Ohne jetzt zu viel spoilern zu wollen, will ich aber doch mal ein wenig detaillierter auf den Inhalt eingehen. Zu Beginn ist der Inhalt sehr stark auf die deutsche Szene fokussiert, was ich sehr cool finde. So gab es parallel eine Ausgabe, die man schon im Intro als Promomagazin von Noise Records vorstellt. Die hier vorgestellten Bands sind logischerweise allesamt von eben diesem Label, das aber damals auch noch ausschließlich Qualitäts-Heavy-Metal veröffentlich hat. Überhaupt kann man an diesem Buch sehr gut die Entwicklung eines Fanzines nachvollziehen. Während zu Beginn fast ausschließlich Bands aus dem deutschsprachigen Raum vorgestellt werden, wird es in der zweiten Hälfte deutlich internationaler. Man hatte sich als Schreiber ein bisschen eingegroovt, hatte seine Kontakte erweitert und hatte sich sicherlich mit dem Erscheinen der ersten Ausgaben einen zeitlichen Puffer erarbeitet, den man damals für Übersee-Interviews brauchte. Ich verweise nochmals auf den damals einzuschlagenden Postweg. So dauerte es manchmal Monate, bis man ein Interview zusammen hatte. Am sensationell chaotischen Layout ändert sich aber auch in den späteren Ausgaben zum Glück nichts.
Ganz fantastisch finde ich natürlich das Abdrucken der Briefe etlicher, heute renommierter Musiker. Hier sieht man nochmal sehr deutlich, wie der Zusammenhalt und der Austausch liefen. NASTY SAVAGE, VOIVOD, SIREN, HALLOWS EVE, AGENT STEEL oder FLOTSAM & JETSAM sind nur einige Namen, die im hinteren Teil mit Interviews auftauchen. Natürlich ist der Newsgehalt heute eher gering, aber trotzdem fallen auch eingeweihten Silberrücken beim Lesen plötzlich wieder längst vergessene Details ein. Ich verweise hier nur auf die auch mir nicht bekannte Anekdote aus dem Hause HEIR APPARENT. Die auch hier überall wild eingestreuten Flyer von Übersee-Konzerten lockern das Bild mächtig auf und laden zum wiederholten Schmökern ein. Ich habe dabei etliche, viel zu lange nicht aufgelegte Scheiben angehört und weiß, dass ich dies auch beim erneuten Hervorkramen genau so zelebrieren werde. Wer nun glaubt, es wäre ausschließlich um Speed/Thrash und US-Metal gegangen, der wird sich über Interviews mit HELIX, RATT oder DORO/WARLOCK wundern. Damals waren die Subgenres eben noch nicht so auseinander dividiert wie heute.
Eine absolute Augenweide sind natürlich die ganzen Promofotos, die uns seitenweise serviert werden. Da gibt es dann auch so obskure Truppen wie L.S.N. (LOUD SENSELESS NOISE), die Band mit George Robb von AGENT STEEL, oder BLACK TASK, die mehrfach im Heft abgefeiert werden. Völlig berechtigt übrigens.
Am Schluss gibt es dann die obligatorischen Plattenbesprechungen, bei denen man sicherlich das eine oder andere Mal mit den Augenbrauen runzeln wird. Ich nehme überdies an, dass sogar die Verfasser hier heute einiges etwas anders sehen werden, aber das ändert ja nichts am Lesevergnügen ebensolcher Relikte. Genauso verhält es sich mit den Reviews zu den Demos. Auch hier gibt es seitenweise lesenswerte Kurzbesprechungen, die den einen oder anderen sicherlich zum eigenen Kassetten-Regal laufen lassen werden, um dort mal wieder ehemalige Lieblings-Tapes auszugraben. Was war das doch eine aufregende Zeit!
Wie Ihr nun sicherlich alle gemerkt habt, bin ich hin und weg von "R.I.P. – A Heavy Metal Fanzine", welches ihr für 35€ erwerben könnt. Offenbar gibt es bei den Bestellungen auch noch eine Tube Aufkleber, Flyer und andere Leckerlis dazu. Ganz wie in alten Zeiten. Also, nicht lange überlegen, JETZT bestellen.
- Redakteur:
- Holger Andrae