SABATON: Interview mit Joakim Brodén
14.08.2023 | 23:07Wenn man auf die absoluten Schwergewichte unserer Szene zu sprechen kommt, landet man relativ zügig bei den Schweden von SABATON. Auch schon fast 25 Jahre Bestandteil (Jubiläum 2024) unserer Szene, haben es die Jungs um die Gründungsmitglieder Pär Sundström und Joakim Brodén sukzessive an die Speerspitze geschafft und dürfen mittlerweile bei ausverkauften Hallen landein, landaus die Lorbeeren einfahren. Welchen Aufwand die erfolgreiche "The Tour To End All Tours" tatsächlich bedeutet, wie man auf die ungewöhnlichen Vorgruppen gekommen ist und wie die Zukunftspläne aussehen durfte ich mit Sänger und Identifikationsfigur der Band, Joakim, vor dem Auftritt in Leipzig besprechen. In lockerer Atmosphäre konnten wir sogar über deutsche Oscargewinner und verrückte Italiener schwadronieren und ich durfte den Grund erfahren, warum er nicht mit BABYMETAL gemeinsam performt. Viel Spaß beim Lesen!
Hey Joakim, wie geht es dir? Bist du schon etwas angespannt wegen heute Abend?
Hi Stefan! Etwas gestresst, aber sonst geht's mir prima. Erstmal sorry für die Verspätung. Ich war in der Innenstadt spazieren und es hat mich deutlich mehr Zeit gekostet als ich erwartet hätte. Man unterschätzt schon die Fans und ihre Selfiewünsche. Ansonsten geht es uns gut und die Tour läuft hervorragend.
War es das erste Mal, dass du etwas Sightseeing in Leipzig umsetzen konntest? Wo warst du genau?
Nicht das erste Mal in Leipzig, aber das erste Mal, wo ich ein etwas größeres Zeitfenster zur Verfügung hatte, um mir auch mal ein paar Sachen anzusehen, insbesondere die Johann-Sebastian-Bach-Statue. Hat sich gelohnt.
Versucht ihr, regelmäßig solche Exkursionen einzubauen?
Eigentlich schon, aber es funktioniert halt leider nicht immer. Es hängt damit zusammen, wo genau der Veranstaltungsort liegt. Hier waren es jetzt 15 Minuten Fußweg, das ist natürlich ideal. Außerdem müssen wir natürlich auch gucken, wann Soundcheck ist und ob wir noch irgendwelche Promo-Aktivitäten wahrnehmen müssen. Da spielt dann der Tagesplan schon eine große Rolle. Aber wir versuchen es natürlich irgendwie einzurichten. Wir hatten jetzt explizit einen freien Tag in Berlin, wo wir das letzte Mal 2006 die Möglichkeit hatten, die Stadt mal auf uns wirken zu lassen. Es ist Wahnsinn, wieviel sich seitdem verändert hat und schade, dass man so selten die Chance bekommt es vor Ort zu sehen.
Schön, dass es jetzt geklappt hat. Wie zufrieden seid ihr generell mit dem Verlauf der Tour?
Wir sind total zufrieden und begeistert. Wir waren am Anfang etwas nervös und hatten extra vier Tage Rehearsals vor dem Tourbeginn in UK und waren von Seiten der Band super vorbereitet. Aber es ist halt das erste Mal eine Tour mit einer solchen Dimension. Diese ganzen Pyros, Lichteffekte, Videoeinspieler und dazu noch die Laiendarsteller brauchen ihre Zeit zur Abstimmung. Wenn du dann mal einzelne Elemente oder Szenarios durchspielen willst, dann kann es sein, dass der nächste Versuch mit Band in zwei Stunden ist. Ziemlich viel Warterei und Ungewissheit, ob es dann funktioniert. Das ist etwas surreal, weil wir in unseren Köpfen immer noch eine kleine Rockband aus Schweden sind. Aber nun haben wir zwölf Trailertrucks und sieben Busse im Einsatz und beschäftigen knapp 170 Mitarbeiter in der Crew. Es läuft halt alles nicht mehr so locker durch – deswegen sind wir umso begeisterter wie es jetzt jeden Abend klappt.
Ich könnte mir vorstellen, dass diese Tour nochmal extra Gewicht hat, da eure letzte Tour zu "The Great War" ja so unvermittelt abgebrochen werden musste.
Ja, das war schrecklich. Ich meine, die letzten Jahre hat es ja alle Bands heftig getroffen. Wir waren mit JUDAS PRIEST zusammen auf USA-Reise und hatten uns mit allen strikten Covid-Vorgaben arrangiert. Also das ständige Testen vor allen Auftritten und das absolute Verbot von Gästen im Backstage-Bereich, aber dann passierte der Unfall von Ritchie (SRO: Faulkner; Riss der Aorta) während des Auftritts in Louisville, Kentucky. Es war schon merkwürdig, dass er bei der Aftershowparty nicht dabei war, aber wir dachten uns, dass er zügig wieder in Form sein würde. Uns war diese Dramatik gar nicht bewusst gewesen und wir waren schon auf den Weg nach Denver, als der Anruf kam, dass es keine Tour mehr gibt. Das war sehr bitter. Jetzt hatten wir zwar vorab schon eine kleine Schweden-Tour, aber wir sind so happy, dass es jetzt wieder richtig losgeht.
Hatte dieser Abbruch auch Auswirkungen auf das Zusammenstellen der Setlist der nun folgenden Tour? Ich meine, mit fortschreitender Karriere wird es eh immer schwieriger eine gelungene Mischung zu finden, aber nun habt ihr ja sogar noch thematisch bedingt einen enger gesteckten Rahmen.
Das wird tatsächlich immer ambitionierter. Es hängt halt auch immer damit zusammen, wo wir grade spielen. Besonders in Deutschland gibt es eine enge Fanbasis, die uns seit 15 Jahren folgt. In Amerika ist es leichter, weil wir dort erst seit 8-10 Jahren eine Rolle spielen. Wie finden wir also den idealen Mix aus alten und neuen Songs in der jeweiligen Region? Mathematisch ist das heutzutage eigentlich ganz einfach, da man Streaming optimal auswerten kann. Klar, haben wir keine Übersicht über das Konsumverhalten der Personen, die physische Tonträger kaufen, aber die sind massiv in der Minderheit und liegen mit ihren Favoriten tendenziell ähnlich. So können wir für jede Region auswerten, welche Songs haben die größte Popularität bei Apple, Amazon, Spotify oder Youtube. Gerade Deutschland ist sehr transparent – aber dann hätten wir eine todlangweilige Setlist. Es geht auch darum, Leute zu überraschen und trotzdem mitzureißen. Und diese Mixtur ist das Schwierige. Aber soweit wir es einschätzen können, sind die Zuschauer mit dieser Tour zufrieden. Aber auch hier gibt es natürlich andere Meinungen. Zum Beispiel spielen wir aktuell den Song 'Carolus Rex' in der schwedischen Version. Dass der Song dabei ist, ist keine Überraschung, aber dass ich plötzlich nicht englisch singe, schon. Das ist halt ein echtes Highlight für alle Fans, welche das Original schon dreimal gesehen haben. Für Fans, die das erste Mal am Start sind, ist es vielleicht enttäuschend, da es nicht die Version ist, die sie kennen und mögen.
Oh, das ist interessant. Ist es denn tatsächlich möglich, die Setlist bei so einer durchgetakteten Produktion individuell auf Regionen anzupassen?
Das kann man tatsächlich machen. Hier haben wir nur die Besonderheit, dass es eine Europatour ist und wir, mit Ausnahme von Schweden, eigentlich überall zu gleicher Zeit bekannt geworden sind. Somit ist der Unterschied zwischen Holland, Deutschland und Belgien nicht so groß. Aber in der Tat haben einzelne Länder auch Hits, welche anderswo unter dem Radar laufen. In Tschechien ist zum Beispiel 'Far Frome The Fame' sehr beliebt, welches hier in Leipzig gar keine Rolle spielt. In Schottland ist es dann halt 'Blood Of Bannockburn'. So gibt es immer mal wieder kleine Anpassungen, allerdings muss man bei einer solchen Produktion Abstriche bei der Flexibilität machen. Das ist auf der einen Seite toll, weil es uns eine fantastische Show ermöglicht, auf der anderen Seite, können wir nicht einfach spontan mehr Fanwünsche erfüllen. Selbst wenn wir es als Band umsetzen könnten und unser Soundguru auch, dann bekommt spätestens der Lichtmensch Panik in den Augen. So viele Knöpfchen und alles vorbelegt – da steigt doch kein Mensch mehr durch. Auch die Pyros folgen ja einem strikten Time-Code. Nein, so spontane Sachen zu machen ist mittlerweile nicht mehr möglich. Dazu sind zu viele Personen involviert und es gibt zu viele Automatismen.
Es gibt Gerüchte, dass ihr die laufende Tour für eine DVD-Aufzeichnung nutzt. Stimmt das?
Also wir haben in der Tat mittlerweile diverse Shows aufgezeichnet. Leipzig ist leider nicht dabei, aber dafür Frankfurt. Ebenfalls haben wir in Stockholm und Amsterdam aufgezeichnet, aber es gibt keinen fixen Plan für einen DVD-Release. Klar haben wir das nicht für uns aufgezeichnet, da wir mittlerweile schon genug SABATON-Shows gesehen haben, aber ob es eine DVD oder Blu-ray wird, habe ich Zweifel. Lohnt sich das Medium noch? Macht das heutzutage noch Sinn? Ich denke, manches kommt als Give-Away auf unserem YOUTUBE-Kanal und anderes als Bonusmaterial oder als Special-Edition-Content. Wir werden sehen.
Können wir davon ausgehen, dass das Thema Erster Weltkrieg mit dieser Tour abgeschlossen wird, oder können wir uns auf eine Trilogie freuen?
Nein, das Thema ist vorerst zu Ende erzählt. Sag niemals nie, aber ich meine, wir sind erst bei der Hälfte unserer musikalischen Karriere angekommen und werden sicherlich in Zukunft noch einzelne Songs zu diesem Thema schreiben, aber ein weiteres Konzeptalbum möchte ich ausschließen. Sollten wir auf eine Geschichte stoßen, die uns reizt, dann werden wir sie nicht ausschließen, nur weil wir schon einiges über diese Zeit geschrieben haben. Das wäre dumm. (SRO: Zu einem späteren Zeitpunkt ergänzte Joakim noch, dass ihn auch das Konzept "Heroes" und eine mögliche Fortsetzung reizen würde.)
Somit ist der Anime dann der Abschluss dieser Schaffensperiode?
Ich kann noch nicht sagen, wie groß das wird, aber es wird mächtig. Wir planen mit Museen und nicht mit Kinos und wollen den historischen Aspekt noch deutlich mehr in den Vordergrund stellen, als man es erwarten könnte. Mehr kann ich leider noch nicht sagen.
Apropos Kino. Wie ist deine Meinung zum NETFLIX-Film "Im Westen nichts Neues" ?
Ohje, leider noch nicht gesehen. Ich habe im Alter von zehn Jahren das Buch gelesen. Es war eine Pflichtlektüre in der schwedischen Schule, aber den Film habe ich noch nicht gesehen. Ich brauch da den entsprechenden Freiraum, um das genießen zu können. So habe ich mittlerweile eine richtig große Anzahl an Filmen über den ersten Weltkrieg, welche ich noch gucken muss. Selbst "1917" habe ich noch nicht gesehen. Und das ist schon irgendwie peinlich. Ich muss die gottverdammte Liste abarbeiten. (lacht) Aber selbst, wenn ich zuhause bin und auf die Uhr gucke, dann sind es noch 90 Minuten, bis ich ins Bett will und diese Filme gehen immer so lange. Und splitten kommt für mich nicht in Frage.
Lass uns noch kurz über eurer Tourpackage sprechen. Was hälst du von LORDI und BABYMETAL und seid ihr ins Booking involviert gewesen?
Klar. Hauptsächlich Pär, aber jeder von uns muss sowas absegnen. Ursprünglich war THE HU statt BABYMETAL geplant, aber durch die Verschiebungen konnten die Jungs nicht mehr. Unsere Intention war es aber immer, ein sehr diverses Billing zu haben, und somit fanden wir die Lösung mit BABYMETAL sehr charmant. Wir hatten 2018 mit ihnen schon in Japan getourt und dort hatten sie massiv abgeliefert. Klar war uns bewusst, dass wir ein paar unserer Fans mit dieser Wahl ans Knie pissen, aber die hätten sich das Ticket ja auch nicht wegen THE HU gekauft. Du merkst da im Publikum schon so ein Generationsding. Bei uns ist zwischen 15 und 50 Jahren alles vertreten und du hast schon einige in den Vierzigern oder Fünfzigern, welche dann panisch den Weg zur Bar suchen und sagen, es ist Zeit für noch ein Bier. (lacht)
Aber das junge Publikum geht halt richtig steil.
Also kann ich mich auf 'Oh! Majinai' freuen?
Um Gottes Willen! Das kann ich nicht live performen, da ist soviel japanisch drin. Als ich das erste Mal den Song gehört hatte, dachte ich, das wäre die japanische Folk-Metal-Version von 'The Trooper'. Wir haben das Ding auf der Japan-Tour an einem freien Tag in Osaka aufgenommen. Das war total weird, weil die Japaner so freundlich waren, dass ich gar nicht richtig wusste, was die denn von mir im Studio wollen. Soll ich härter, schneller, lauter oder softer singen? Es hat ewig gedauert bis sie endlich verstanden haben, dass sie mich nicht beleidigen, wenn sie mir genau sagen, wie es klingen muss. Am Ende haben sie nur noch ständig härter, härter und härter gerufen. (lacht) Ich meinte später nur, warum wollten sie denn unbedingt den SABATON-Sänger haben, das ging ja fast in den Death-Metal-Bereich. Total verrückt. Der nächste Auftritt war dann in Kobe und ich hatte mit meiner Stimme zu kämpfen. Also ich habe echt alles gegeben und kann das nicht live reproduzieren.
Wo wir grade bei Gastauftritten sind. Wie geil ist denn bitte 'Pasadena 1994' von NANOWAR OF STEEL geworden?
Das ist eine sehr lange Geschichte. Wir sind zwar keine Freunde, aber haben uns immer sehr freundschaftlich auf diversen Festivals getroffen. Vor einigen Jahren habe ich Promo für "The Great War" gemacht und hatte ein Interview in einem Live-Broadcast im Internet. Einer der Jungs stand draußen und hat zugehört. Im Anschluß hat er dann angefangen, CDs von ihnen zu verschenken und ich meinte nur, er solle aufhören, ich habe doch die Platte eh zuhause. Da haben wir vorsichtig die Bande geknüpft, irgendwann mal was Gemeinsames zu machen. Irgendwann brauchten wir dann einen Gospelchor für 'Christmas Truce' und sie hatten für 'Valhalleluja' glaube ich, mit einem gearbeitet. Also kamen wir wieder ins Gespräch. Normalerweise nutzen wir immer klassische Kirchenchöre, aber hier wollten wir explizit was Neues ausprobieren. So hatten sie eigentlich einen gut bei uns. Also kamen sie etwas später um die Ecke und fragten, ob ich auf einen ihrer Songs singen kann. Ich sagte, okay und fragte, was es werden soll? Sie drucksten etwas rum und meinten, es sei eine Art SABATON-Persiflage mit jeder Menge geklautem Kram. Naja, warum zur Hölle nicht?
Normalerweise mache ich nicht so viele und gerne externe Beteiligungen, da ich auch eine Regel habe. Ich stelle nie meine Arbeit in Rechnung. Entweder ist das cool oder nicht. Bei NANOWAR hätte ich mit Sicherheit rückblickend einen Kontrakt gebraucht. (lacht) Die sind mit dem Material dann total durchgedreht. Crazy Shit – aber cool. Das war so ähnlich wie damals bei 'Pumping Iron Power' von den GRAILKNIGHTS. Sie hatten angefragt wegen einem Videodreh und ich habe gesagt, sie sollen es vergessen. Ich mache keine Videos und ich hasse Videos. Und schwupps tauche ich stattdessen als Actionfigur in diesem verrückten Clip auf.
So, Joakim – leider ist die Zeit rum und ich kann mich nur für die großartigen Ausführungen bedanken. Das war ein klasse Interview. Hast du noch ein paar letzte Worte für unsere Leser?
Sehr gerne. Denkt bitte daran, dass POWERMETAL.de eines der ersten Magazine überhaupt war, welches uns Interviews ermöglicht hat, wo niemand anderes an uns gedacht hat. Also auf jeden Fall Danke für diese tolle Arbeit. Und an eure Leser – mit diesem Magazin liegt ihr goldrichtig.
Bilder: Norman Wernicke
- Redakteur:
- Stefan Rosenthal