SACRIVERSUM: Interview mit Remo Mielczarek

01.01.1970 | 01:00

SACRIVERSUM, eine relativ neue Gothic-Metal-Band aus Polen, haben mit ihrem zweiten Album "Beckettia" eine Hommage an den irischen Schriftsteller Samuel Beckett abgeliefert. Frontmann Remo (Vocals, Bass) hatte eine ganze Menge zu erzählen, nicht nur zur neuen Scheibe.

Kathy:
Wer von euch kam denn auf die Idee, ein Album betreffend Samuel Beckett zu machen? Seit ihr oder ist jemand von euch Fan seiner Werke?

Remo:
Nun, ich bin es, der Samuel Beckett schon seit vielen Jahren verehrt. Zum Abschluss meines Studiums vor fünf Jahren (Theatertheorie und Drama) musste ich eine Art Aufsatz schreiben. Es handelte sich dabei um eine Analyse musikalischer Aspekte in Becketts Dramen. Glaub mir, das war eine riesige Herausforderung für mich, dass ich mich mit diesem Genie befassen durfte. Beckett genoss eine umfangreiche musikalische Ausbildung, beim Schreiben seiner Dramen benutzte er die Regeln klassischer Sonaten. Jedes seiner Werke ist geschrieben wie eine Symphony. Dies ist der erste Grund, warum er mich so fasziniert. Der zweite Grund ist diese spezielle Atmosphäre in Becketts Kunst. Die Helden seiner Dramen sind keine typischen Menschen. Sie sind eher "Dinger" in menschlichen Körpern, die auf das ultimative Desaster warten, ohne Hoffnung, zu überleben... . Das finde ich sehr tragisch. Und so habe ich beschlossen, Lyrics zu schreiben, die von dieser Literatur beeinflusst wurden. Der Rest der Band hat hat das problemlos akzeptiert (lacht).

Kathy:
Beckett hat ja ziemlich düstere und melancholische Sachen geschrieben. Haben solche Texte eine spezielle Bedeutung für dich?

Remo:
Natürlich! Sie sind für mich eine große Inspirationsquelle. Die Eigenart des Menschen, Traurigkeit, Reflektionen der menschlichen Zukunft - dies sind die Grundgedanken von Becketts Literatur, und sie erweisen sich als gutes Material für Metal-Songwriter. Unser neues Album ist eine richtige Hommage an diesen großartigen Iren.

Kathy:
Warum habt ihr eure Band SACRIVERSUM genannt? Hat dieser Name eine bestimmte Bedeutung?

Remo:
Hmmm...eigentlich nicht. Sacriversum bedeutet "heilige Worte" auf lateinisch, aber es ist eben die selbe Geschichte wie mit den BEATLES, der "beatle" ist ja auch nicht gleich der "beetle" (= "Käfer", Anm. d. Red.).
Der Name hört sich einfach gut an, unser früherer Gitarrist hat ihn gefunden, es war der Titel einer Science-Fiction-Story von R. Milke. Also haben wir den genommen, haben aber einen Buchstaben drinne verändert.
Wir sind keine religiöse Band, wir haben keine spezielle Botschaft, die wir mit unserer Musik verbreiten möchten, also ist die Namensfrage für uns nicht so wichtig, wie es vielleicht bei anderen Bands der Fall sein könnte.

Kathy:
Wie fühlt ihr euch bei derart viel positivem Feedback auf eure bisherigen Werke?

Remo:
Was soll ich sagen...wir fühlen uns großartig. Der Grund, weshalb wir zusammen spielen ist es, unser Hobby auszuleben. Wir sind Freunde, die Spass daran haben, gemeinsam unsere Lieblingsmusik zu spielen. Wir sind nicht darauf aus, viel Geld zu machen, wir alle studieren oder arbeiten noch nebenher. Außerdem wollen wir auch nicht spielen, um berühmt zu werden. Wir spielen für uns selbst und für diejenigen Leute, die unsere Musik kennen. Und wir sind sehr glücklich, wenn die Anzahl dieser unserer Hörer wächst und wächst. Das macht uns richtig zufrieden. Wir haben bei Serenades Records für drei Alben unterzeichnet - "Beckettia" ist ein erster Schritt, obwohl "Soteria" unser Debütalbum war. Wir müssen alles tun was wir können, um unseren Stil weiterzuentwickeln, um stetig besser zu werden, da wir wissen, dass die Leute von unserem nächsten Album eine erneute Steigerung erwarten.

Kathy:
Wie ist denn die Zusammenarbeit mit Last Episode/Serenades Records?

Remo:
Ich denke, sie tun ihr Bestes. Last Episode/Serenades Records ist kein großes Plattenlabel, aber wir ziehen es vor, die dritte Band einer kleineren Plattenfirma zu sein als die 109983. Band einer großen Firma. Wir wissen, dass wir nicht die erfolgreichste und populärste Band der Welt sind (lacht), also schrauben wir unsere Erwartungen auch nicht extravagant hoch. Aber sicherlich ist die Promotion diesmal, verglichen mit der von "Soteria", einen gehörigen Schritt weiter.

Kathy:
Ihr stammt aus Polen. Ist die dortige Resonanz auf eure Musik auch so gut wie in Deutschland?

Remo:
Nein, ich glaube nicht. Wir hatten vor ein paar Jahren bessere Resonanz, denn zu Anfang der 90er Jahre war der Hunger nach Musik in Polen überwältigend... . Es gab keinen normalen Musikmarkt, weshalb die Leute sich damals mehr auf den Underground konzentriert haben als heute. Am bekanntesten waren wir in Polen zwischen 1995 und 1998. Heute haben wir immer noch kein Label, welches unsere Platte in Polen veröffentlichen könnte. Deshalb haben die Leute uns ein bisschen vergessen, fürchte ich.

Kathy:
Wie sieht eigentlich die Metal- bzw. Gothic-Szene in Polen aus? Es gibt ja ziemlich bekannte Vertreter wie z.B. VADER.

Remo:
Wie schon gesagt ist unsere Metal-Szene ziemlich groß aufgrund von Underground-Tradition. Heute ist der Markt viel kommerzieller, deshalb gibt es einige Bands, die von großen Labels wie Metal Mind Productions zu Stars aufgepusht werden. Ich kann da auch einige Namen nennen: MOONLIGHT, ARTROSIS, AION, CEMETARY OF SCREAM, SIRRAH (r.i.p.), BATALION D'AMOUR,TOWER... . Manche dieser Bands mögen wir wirklich gerne, aber manchmal gibt es eben Staub zwischen Diamanten, wenn du verstehst, was ich meine. Aber ich muss dir sagen, dass Polen ein traditioneller Platz für eher extreme Metal-Genres ist, von Death über Black bis zu Grind Metal. Und das Publikum für solche Bands ist hier ist immer noch riesig. Du hast VADER erwähnt - natürlich sind sie immer noch Götter in unserem Land, aber die Leute mögen ebenso CHRIST AGONY, BEHEMOTH, LUX OCCULTA, DEVILYN, YATTERING usw. Last but not least haben die Grind-Bands ihr eigenes spezielles Publikum auf der ganzen Welt. Generell würde ich sagen, dass Polen immer noch ein guter Platz für Metal ist. Und hier live aufzutreten ist normalerweise immer ein großartiges Abenteuer für alle Bands.

Kathy:
Würdet ihr auch mal auf polnisch singen?

Remo:
Das werden wir nicht machen. Englisch ist die beste Sprache, um Emotionen in Metal auszudrücken. Außerdem müssen wir immer daran denken, dass wir bei einem ausländischen Label unterzeichnet haben (lacht).

Kathy:
Ich habe gelesen, dass ihr früher mehr im Death Metal verwurzelt wart. Wie kam der Wechsel zum Gothic-Metal?

Remo:
Wir denken nicht, dass wir unseren Stil total verändert haben. Death Metal ist unser Ursprung, und wir wollen ihn nicht ganz aufgeben und einen Touch von Death in unserer Musik beibehalten. SACRIVERSUM hat als eine typische Death-Metal-Combo mit drei Mitgliedern angefangen, und ich bin der einzige, der vom ersten Line-Up übriggeblieben ist. Natürlich hat sich durch neue Besetzungen unser Stil weiterentwickelt, da wir unsere Musik zusammen machen, es gibt hier keine Bosse oder Anführer. Wir respektieren einander.

Kathy:
Wurdet ihr von bestimmten Bands beeinflusst?

Remo:
Nein. Wir versuchen bloss, offen zu sein, aber unserer Faszinationen sind so vielfältig - es wäre einfach unmöglich, irgendeine Band zu kopieren (lacht). Aber ich denke, das ist gut so. Niemand hat uns in den letzten acht Jahren des Plagiats beschuldigt. Und wir sind darauf sehr stolz.

Kathy:
Erzähl doch mal ein bisschen was über deine Bandkollegen: Wie habt ihr euch kennengelernt, wie kommt ihr untereinander klar, hat irgendjemand von euch eine bestimmte Macke?

Remo:
Yeah, ich könnte ein Buch darüber schreiben (lacht). Sechs Leute in einer Band, das ist ja schon fast wie ein Orchester (lacht). Wie wir uns getroffen haben? Nun, es gibt nicht grade viele musikalische Einrichtungen in unserer Stadt Lodz. Wir haben einander an den gleichen Orten getroffen und kennen uns persönlich untereinander ziemlich gut. Wir waren also schon Freunde, bevor wir überhaupt daran gedacht haben, zusammen zu spielen. Und wir alle haben eine schlechte Angewohnheit: Viel Bier trinken! (lacht)

Kathy:
Wie entsteht bei euch ein Song? Komponiert und textet ihr alle gemeinsam? Oder gibt es da jemanden, der quasi der "kreative Kopf" ist?

Remo:
Sunrise, unser Gitarrist, ist der Mann, der normalerweise die Hauptideen bringt. Aber wir arbeiten dann alle zusammen an diesen Ideen. Wir alle respektieren das Talent vom Rest der Band (lacht). Aber ernsthaft, mit dieser Methode sind wir zufrieden - zusammenarbeiten und von Freunden inspiriert werden. Diesen Moment nach der Probe, wenn der neue Song fertig ist und alle von uns glücklich sind, den zu erreichen ist unser Ziel.

Kathy:
Welche Bands mögt ihr selbst sehr gerne?

Remo:
Ohhhh, wir mögen Tausende von Bands. Jedes Mitglied von SACRIVERSUM hat seine eigenen Lieblinge. Ich persönlich mag SAMAEL, ORPHANAGE, ARTROSIS, SIRRAH, CRADLE OF FILTH, METALLICA, IRON MAIDEN, DIMMU BORGIR, BAL SAGGOTH, ANATHEMA, THE GATHERING, MOONSPELL, TIAMAT, ... . Normalerweise aber mag ich bestimmte Alben, nicht bestimmte Bands.

Kathy:
Wie kommt euer Keyboarder an den seltsamen Namen "Bürger" und euer Drummer an den Namen "Zombie Attack"? Was hat es mit diesen Spitznamen auf sich?

Remo:
Nun...wir verwenden Spitznamen, da unsere polnischen Namen zu schwer auszusprechen sind (lacht). Aber der Nachname von Bürger ist Burgstaler (in der Tat ziemlich deutsch), hier wäre der Sinn also klar. Nebenbei, dieser Mann hat kürzlich die Band verlassen, wir proben jetzt mit einer anderen Keyboarderin. Ihr Name ist Ann - wir haben also grade zwei Mädels im Line-Up. Und Zombie Attack - das ist ein richtiger Metal-Spitzname, findest du nicht? Sein Nachname ist Kempski, trotz der typischen Schreibweise ist diese Art Name anders. Das ist jetzt sehr schwer für mich, das zu erklären (lacht).

Kathy:
Geht ihr neben eurer Musikerkarriere auch noch normalen Berufen nach?

Remo:
Ja. Unsere beiden Mädels studieren, die Jungs arbeiten. Der Drummer verkauft Klamotten, Mario produziert Material für Klamotten, Sunrise baut Fenster. Ich arbeite als Journalist in einer lokalen Radiostation namens Radio Manhattan.

Kathy:
Plant ihr in nächster Zeit eine Tour? Falls ja, werdet ihr dann auch nach Deutschland kommen?

Remo:
Yeah, unser Label hat uns versprochen, eine Tour durch Deutschland zu organisieren, aber im Moment haben wir keine Informationen darüber. Wahrscheinlich hängt es davon ab, wie sich das Album verkauft. Aber wir sind bereit zu spielen, das machen wir auch sehr gerne. Also hoffe ich sehr, dass wir uns dann irgendwo mal treffen und ein paar Bier zusammen trinken können.

Kathy:
Zum Abschluss ein Blick in die Zukunft von dir: Wo siehst du dich und deine Band in den nächsten 5 Jahren?

Remo:
Wow, ich kann nicht versprechen, dass wir dann noch immer so nett, hübsch, ansehnlich und attraktiv sein werden wie jetzt (lacht). Kleiner Scherz. Unser Ziel ist es, so lange wie möglich zusammen spielen zu können. Fans können mit mindestens zwei neuen Alben rechnen. Wir hoffen, dass das dann nicht das Ende sein wird... .
Da dies die letzte Frage war möchte ich mich bei dir sehr für das Interview und die Unterstützung bedanken. Ich möchte auch jeden grüßen, der unsere Musik mag. Wir sehen uns irgendwo auf Tour... . Ihr könnt mich unter remo@radiomanhattan.com.pl auch anschreiben.

Redakteur:
Kathy Schütte

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