SCANNER: Interview mit Axel "A.J." Julius
20.01.2015 | 08:43Es ist in der Vergangenheit viel passiert im Hause SCANNER. Hier weiblicher Gesang und der kräftige Dreh am Besetzungskarussell, dort Jesus und andauernde Wünsche der treuen Fanschar. Doch nach all den Höhen und Tiefen kann Frontmann Axel "A.J." Julius nun auf ein mehr als gelungenes, neues Album blicken. "The Judgement" sprüht vor Vitalität, Power und SCANNER. A.J. stand uns in einem mehr als sympathischen Interview Rede und Antwort und blickt in die Vergangenheit, Gegenwart, aber auch in die Zukunft von seiner Band. Aber lest einfach selbst.
Hi Axel. Schön, dass es mit dem Interview geklappt hat, es ist mir eine große Freude. Wie ist denn bei euch zur Zeit die Lage in Anbetracht des baldigen Releases der neuen Platte?
Hi Marcel. Ja, hier herrscht etwas Hektik im Allgemeinen und freudige Erwartung gegenüber den Dingen, die da kommen. Hektik, weil einige Dinge zum Release noch unbedingt erledigt und fertiggestellt werden sollen, wie z.B. unser Video zu 'The Judgement', das Release-T- Shirt und so diverse andere Dinge, wie das nervige Buchen der Flüge für unsere Auslandsshows. Zwischendurch fallen auch noch einige Interviews zum Release an, die auch alle vorher noch gemacht sein wollen. Also, es ist gibt hier momentan viel tun. Aber, zur Zeit sind wir wirklich glücklich mit der Situation und wir sehen der Veröffentlichung mit freudiger Erwartung entgegen und sind gespannt, wie das Album draußen angenommen wird. Wir haben sehr viel Herzblut und Energie da rein gesteckt und denken und erhoffen uns, dass die Leute das auch spüren und uns dann sicher gerne etwas davon zurückgeben werden. Sowohl bei den Live-Shows als auch bei all ihren anderen Feedbacks. Nichts wünschen wir uns mehr als, dass wir den Fans damit wirklich Freude bereiten können. Und Spaß macht es einfach auch, wenn es einmal läuft. Wenn der Fan das dazu auch noch honoriert, ist es das Schönste, was man sich als Musiker wünschen kann.
Nach nunmehr 12, 13 Jahren seid ihr endlich wieder zurück an der Power-Metal-Front. Ihr müsst mir ein kleines Update geben. Was ist zwischen "Scantropolis" und der neuen Platte bei euch so passiert? Und warum hat es so lange gedauert, bis es zu einem neuen Lebenszeichen kommen konnte?
Die Band hat sich sozusagen neu gefunden. Was nicht heißt, dass wir uns zwischenzeitlich aufgelöst hätten. Aber, nachdem klar war, dass wir mit der damaligen "Scantropolis"-Besetzung nicht weiter machen würden, haben wir wieder mal einen Sänger gesucht. Danach haben wir uns auf die alten Stärken von SCANNER besonnen, um uns von dem Konzept von "Scantropolis" wieder abzusetzen. Mit Efthi, unserem "neuen" Sänger, der uns bis heute treu ist, haben wir dann ab 2003 unsere Shows in Europa bestritten und der arme Kerl hatte die nahezu unlösbare Aufgabe, insgesamt vier SCANNER-Sänger und zusätzlich Ralf Scheepers von unseren Alben zu interpretieren. Keine leichte Aufgabe. Zumal ja ein Sänger darunter noch eine Sängerin war. Aber, unser erstes Bestreben war es dann auch gar nicht, ins Studio zu rennen und unsere nächste Scheibe aufzunehmen, sondern in erster Linie erst mal einfach nur live zu spielen. Wir waren also immer da, sind nur nicht von allen wahrgenommen worden. Ich meine, wir hatten ein Repertoire, dass sich aus fünf Alben zusammensetzten ließ und waren immer fähig eine unterhaltsame SCANNER-Show mit Klassikern der Bandgeschichte zu liefern. Auch das kann eine Weile sehr, sehr viel Spaß machen und den Fans genügen.
In diesem Zeitraum muss man aber auch sehen, dass der Markt sich komplett gewandelt hatte. Und es den Plattenfirmen immer schlechter ging, sie immer weniger bereit waren, in gute Produktionen zu investieren und so der Künstler am Ende niemals von seiner Arbeit hätte überleben konnte. Selbst Plattenfirmen und Portale bieten mittlerweile sagenhafte 0,07 Cent für den legalen Download. Davon kann keine Band ihr Album aufnehmen und vertreiben. In diese Spirale zog uns so gar nichts mehr hin und da wollten wir auch gar nicht einsteigen, sondern erst mal abwarten und uns die Entwicklung anschauen. Die Plattenindustrie hatte einfach eine Entwicklung verpennt und war nur noch am jammern, über illegale Downloads etc.
Viele Bands haben sich sogar in Promotions- und Vertriebswege von Plattenfirmen eingekauft, um überhaupt mal die Chance zu haben, ein Album zu vertreiben. Wenn du dein erstes Album unbedingt herausbringen willst, dann hast du noch diesen ganzen Enthusiasmus gegen all diese Widrigkeiten und bist zu allem bereit. Für uns kam das aber nicht in Frage. Bei uns stand das sechste Album an und da bist du einfach gelassener, hehe. Nur wurden dann natürlich irgendwann bei unseren Konzerten auch die Fragen nach einem neuen Album immer lauter. Und da sagst du den Leuten dann nicht, dass du das nicht vorhast, sondern versprichst ihnen ein neues Album. Wenn du dann zum zweiten Mal dort spielst und das neue Album in der Zwischenzeit immer noch nicht gemacht wurde, dann wird es eng und etwas peinlich, hehe. Dagegen mussten wir etwas tun. Und irgendwann weiß man dann halt als Band, dass die Zeit reif ist. Das Album haben wir dann endgültig in 2013 in Angriff nehmen können, nachdem wir unser bandeigenes Studio gebaut hatten. So dass wir nun nicht mehr woanders produzieren müssen.
Nach unserer Show in Moskau im November 2013 haben wir uns dann im Studio eingeschlossen und unser Album fertig gestellt. Im Sommer 2014 war es dann endlich soweit: Unser neues Baby war geboren, hehe.
Du musstest ja über all die Jahre eine komplett neue Mannschaft formen. Wie kam der Kontakt zu den "neuen" Bandmitgliedern zustande?
Nun, erst mal war das ja ein schleichender Prozess, der letztendlich zu dieser Besetzung führte. Ich meine, es gab da ja keinen Stichtag, an dem ich gesagt hätte, so jetzt forme ich die Band neu. Die Besetzung hat sich also in den Jahren so herauskristallisiert. Wobei Efthi (Ioannidis, Gesang - Anm. d. Red.) ja 2003 zur Band gestoßen ist, der dann irgendwann Gitarrist Andreas 2007 für die Band empfohlen hat, den er aus der gemeinsamen Zeit ihrer Band LEVANOM gut kannte. Unser Drummer Franz war 2002 der erste Neuzugang nach "Scantropolis" und hat mit einer kurzen Unterbrechung bis vor kurzem bei uns getrommelt, also so ca. 11 Jahre lang. Franz ist dann aber leider von keinem geringeren als Jesus abberufen worden. Und das war schon ein Ding, als er meinte, Jesus sei ihm erschienen. Das war wirklich schwer zu handhaben, als er mir das als erstes am Telefon offenbart hat. Es sei ihm irgendwie auf der Fahrt zu einem Gig von uns in der Schweiz passiert, da ist Jesus irgendwie in ihn gefahren und sagt ihm seitdem, welche Musik er spielen darf und welche nicht. Unsere war da dann leider nicht mehr dabei. Er wollte dann erst wieder bei uns spielen, wenn wir christliche Musik machen. Ich habe keine Ahnung, was christliche Musik ist, aber dass der Teufel meine Feder beim Songwriting schwingen soll, habe ich im Traum nicht gedacht.
Also, so was musst du erst mal verpacken, wenn dir das ein Bandkollege erzählt. Und das wirklich auch glaubt. Das war ein großer Verlust für uns, mit dem man so im Leben nicht rechnen konnte. Wir haben dann Patrick (Klose - Anm. d. Red.) angesprochen, der bei uns schon öfter mal eingesprungen ist, wenn Franz nicht spielen konnte. Der ist dann von ELMSFIRE kommend bei uns fest eingestiegen. Unser Bassist Jonathan (Sell - Anm. d. Red.) kam vor dreieinhalb Jahren auf Empfehlung von Franz zur Band, da sie sich vom Musikstudium von der Uni in Mannheim kannten und auch schon bei der einen oder anderen Jazzsession zusammen gespielt hatten.
So viele Namen, aber nun steht die Besetzung. "The Judgement" steht bereits in den Startlöchern. In wie weit konnten sich die neuen Mitglieder schon am Songwriting und den Vorbereitungen beteiligen?
Na, wie gesagt, soooo neu sind die ja alle nicht und von daher hatten sie ja auch alle Zeit sich entsprechend einzubringen. Die Jungs haben sich eingebracht und mich auch beim Songwriting unterstützt, wo sie konnten. Sie liefern auch Ideen und helfen beim Ausarbeiten der Songs. Ich bin jedenfalls kein Egoshooter oder so was. Hinzu kommt, dass uns mein langjähriger amerikanischer Freund Wayne in allen technischen Dingen unterstützt hat. Mit ihm produzieren wir übrigens auch unser Video zum Titelsong 'The Judgement', der hoffentlich pünktlich zum Release auch fertig sein wird.
Mit gefällt die neue Scheibe äußerst gut. Sie ist abwechslungsreich, steckt voller Vitalität und Power und hat ein paar amtliche Hits im Repertoire. Stammen alle Stücke des neuen Albums von SCANNER 2014 oder gibt es auch den einen oder anderen Song, der bereits zu "Scantropolis"-Zeiten entworfen und dann verworfen wurde?
Also, aus der Zeit stammt definitiv gar kein Song mehr. Wir hatten 2005 mal einen Anlauf unternommen eine neue Scheibe in Angriff zu nehmen, als die Besetzung aber nicht so stabil war, und da haben wir unter anderem eine Demoversion von 'The Legionary' als unseren ältesten Song der neuen CD aufgenommen. Anderes, älteres Songmaterial haben wir dann auch verworfen, weil wir in der neuen Besetzung einfach keinen Bezug mehr dazu bekommen haben.
Wenn man einmal von der Tatsache absieht, dass "Scantropolis" von Lisa Croft und das neue Album wieder von einem Herren, nämlich Efthi, eingesungen wurde, worin liegen die Hauptunterschiede zwischen beiden Alben? Wieviel SCANNER 2002 steckt 13 Jahre später in dem Album?
Nicht viel. Aber das muss man auch etwas erklären. Generell ist es sicher kein Fehler eine Frau als Sängerin in die Band zu holen. Aber im Falle von Lisa für "Scantropolis" war es leider einer. Dazu sollte man wissen, dass wir nach dem Verlust unseres damaligen Sängers Haridon Lee geplant hatten, 2001 mit unserer Backgroundsängerin Chris als Frontfrau weiterzumachen. Sie hatte mit uns schon auf dem Wacken Open Air einen super Gig hingelegt und ich habe danach extra ein paar SCANNER-Songs für ihre Stimme geschrieben, um sie als unsere neue Sängerin bei Massacre Records vorzustellen. Die Firma war von diesem Demo begeistert. Nur, die Chris hatte plötzlich Angst, der Herausforderung nicht gewachsen zu sein und hat uns dann abgesagt.
Dann haben wir Lisa gefunden und wollten das Konzept mit ihr durchziehen. Leider hat das nicht so geklappt, weil Lisa erstens nicht so eine kräftige Stimme hatte wie die Chris und das Album entsprechend anders produziert werden musste. Und dann hat sie am Ende der Produktion auch noch eine Coverband gestartet, mit der sie unsere Booking-Termine behinderte. Wir haben sie letztendlich rausgeschmissen wegen grenzenloser Blödheit. Das hört sich nun vielleicht etwas krass an, aber das war so unprofessionell von ihr, so etwas hatten wir auch noch nicht erlebt.
Ich will damit sagen, auch das Album hätte sicher anders und auch härter geklungen, wenn alles nach Plan gelaufen wäre. Also, "The Judgement" ist damit schon weit von "Scantropolis" entfernt.
Mit welcher Absicht und Einstellung seid ihr an das neue Album herangetreten? Wolltet ihr "Hypertrace"- und "Terminal Earth"-Nachfolger schaffen oder sollte man beim Hören von "The Judgement" eure Frühphase komplett ausblenden?
Nein, wir haben das nicht ausgeblendet. Wobei ich ehrlich gesagt aber auch nicht ganz nachvollziehen kann, wieso unsere Alben Nummer drei und Nummer vier "Mental Reservation" und "Ball Of The Damned" völlig bei der Frage ausgeschlossen werden, hehe. Aber unser Ansatz war diesmal in der Tat, den Geist von SCANNER der späten 80er wieder aufleben und als Inspiration bei "The Judgement" einfließen zu lassen. Wenn man so will: Eine Selbstbesamung, im weitesten Sinne, haha, sodass auch neue Fans nachvollziehen können, woher wir kommen und vor allem, dass die Band eine bewegte Geschichte hat. Ich hasse es eigentlich zu einem aktuellen Album die oft gehörten Phrasen zu bemühen: "Das ist das Beste, was wir je gemacht haben!", "Das Album ist so genial wie keines davor. Das müsst ihr einfach haben." etc. Das nimmt man doch heute keinem Künstler mehr ab, sondern verbucht das unter: "Ja, das muss er ja jetzt so sagen, klar", hehe Und natürlich sage ich das jetzt nicht, sondern: Tut uns leid, eher und besser haben wir das nicht hingekriegt, haha.
Wir konnten erstmals alles im eigenen Studio aufnehmen und mischen. Das macht das Album auch vom Ansatz her schon direkter. Man kann alle Zeiträume selbst bestimmen und ist von niemandem sonst abhängig. Das hat Vorteile. Es kann aber natürlich auch dazu verleiten die Zeiträume zu dehnen. Dem muss man dann mit Disziplin entgegenwirken. Sagen wir es mal so: Auf "The Judgement" haben wir abgeschnitten von der Außenwelt genau unser Ding gemacht. Und uns nicht daran orientiert, wie es heute klingen müsste und was heute gerade angesagt ist. Das war eigentlich unsere Herangehensweise bei der Platte. 100% SCANNER.
Kommen wir einmal zu den einzelnen Songs. Insbesondere gefallen mir der treibende Titeltrack, der Ohrwurm 'Pirates', 'F.T.B.' mit all seiner Kraft und schnellen Ausstrahlung und die Hymne 'The Race'. Welche Stücke ragen für dich heraus? Und welche kann man exemplarisch herauspicken, wenn es um den SCANNER-Sound anno 2015 geht?
Oh, Mann, das ist eine sehr schwere Frage. Aber frage dazu alle fünf Bandmitglieder und jeder nennt dir eine andere Playlist. Wobei wir uns aber einig sind, dass das Titelstück schon auch in den Fokus gehört, da wir uns dabei ja auch viel Mühe gegeben haben, dass es als Titelsong taugt, hehe. Ich persönlich mag 'F.T.B.' und 'Warlord' auch sehr. Die Vertonung von Edgar Allan Poes Gedicht "The Raven" mit 'Nevermore' war für mich auch eine besondere Herausforderung. Jetzt aber irgendeinem Song den absoluten Vorzug zu geben, das kann ich gar nicht, weil das Album, ehrlich gesagt, auch ziemlich homogen geworden ist.
Worauf kann sich der SCANNER-Fan in den kommenden Wochen einstellen? Welche (Tour?-)Pläne habt ihr?
Also, zunächst spielen wir am Samstag, den 24.01.2015, unsere Release-Show in der Matrix im Rockpalast in Bochum. Zu der wir alle recht herzlich einladen und mit der wir uns bei den Supportern, die uns bei "The Judgement" unterstützt haben, bedanken wollen. Allerdings sind die übrigen Tickets deswegen streng limitiert und man sollte schon rechtzeitig zugreifen, wenn man dabei sein möchte. Danach geht's dann erst mal nach Griechenland und Spanien für uns. Weitere Konzerte sind aber schon angefragt und unsere Booking Agentur in der Schweiz plant das gerade alles. Wir werden sicher auch dieses Jahr noch öfter in Deutschland zu sehen sein. Die Termine erfährt man auch rechtzeitig auf unseren Webseiten.
Das freut uns. Aber Hand aufs Herz: Wird es noch einmal so lange bis zum nächsten SCANNER-Album dauern, oder glaubt ihr, endlich eine feste Besetzung gefunden zu haben, mit der man auch langfristig planen kann?
Haha, ja klar, denkt man das nicht immer? Ja, also wir gehen fest davon aus, dass wir zusammen bleiben und in 2016 unsere nächste CD machen werden, von daher sind wir auch Gläubige. Und einmal mehr ist es mir deshalb unverständlich, wie man diese Band "freien Willens" verlassen kann, hihi.
Dann wäre ich mit meinen Fragen auch am Ende und bedanke mich vielmals für deine Zeit und Geduld. Ich wünsche euch nur das Beste für die kommende Zeit und euer Album "The Judgement". Die letzten Worte gebühren dir. Was möchtest du unseren Lesern und den jahrelangen SCANNER-Fans mit auf den Weg geben?
Vielen Dank, Marcel, für deine Fragen und deine netten Wünsche. Wir hoffen, dass wir mit "The Judgement" den Fans eine Freude machen können und sie viel Spaß mit dem Album haben werden. Besonderer Dank gilt insbesondere denen, die uns auch in der Zeit ohne aktuellen Release stets supportet und nicht vergessen haben. Ihr seid eine geile Horde!
- Redakteur:
- Marcel Rapp