SCORNAGE: Interview mit Guido Grawe
01.01.1970 | 01:00SCORNAGE stammen aus der Aachener Region und haben mit nach der durchwachsenen Mini-CD "Ascend" mit ihrer neuen Full-Length "Sick Of Being Human" einige Schippen zulegen können. Mit einigem Abstand zu diesem Album meldete sich Sänger Guido Grawe zu Wort und zeigte sich als gut gelaunter und auskunftsfreudiger Interviewpartner. Dabei entstand ein interessanter Dialog über die Aachener Underground-Szene, die ungewöhnliche Kollaboration mit japanischen Bands und den Begriff Pure Aggressive Metal:
Björn:
Hallo, alles klar soweit?
Guido:
Ja sicher das; schlechten Leuten geht’s immer gut!
Björn:
Euer aktuelles Werk "Sick Of Being Human" ist ja jetzt schon einige Zeit auf dem Markt, wie sind denn bisher die Reaktionen?
Guido:
Bis jetzt eigentlich durchweg positiv! Sowohl die Medien (Internet-Zines, Printmedien) als auch die Leute, die sich das Album zugelegt haben, geben uns durchweg gutes Feedback! Ist schon 'ne coole Sache, wenn das, was man da fabriziert hat, anderen Leuten gefällt, das motiviert natürlich ungemein!
Björn:
"Sick Of Being Human" ist ja eure erste Full-Length-CD. Mit welchen Erwartungen seid ihr an diese Scheibe herangegangen?
Guido:
Nach vier Jahren ohne offiziellen Release und Umbesetzungen im Line-up der Band war es mal wieder an der Zeit, etwas neues Hörbares unter die Leute zu bringen. Wir hatten genügend Zeit, neues Material zu schreiben! Darunter waren dann genug gute Songs, dass wir ein Full-Length-Album auf die Beine stellen konnten. Wir sind die Produktion dann auch sehr konzentriert angegangen und haben uns gut vorbereitet, so dass wir im Studio schnell und effizient arbeiten konnten. Wir wollten unsere Energie gebündelt auf 40 Minuten zusammenfassen und diese Energie auf den Hörer überspringen lassen; was uns, glaube ich, ganz gut gelungen ist. Für mich war es besonders spannend, die Songs im Studio wachsen zu sehen, da es für mich ja die Studiopremiere darstellte. Es hat mir dabei sehr geholfen, dass die Atmosphäre im Studio (Rosenquarz-Tonstudio Lübeck) sehr entspannt und familiär war! Wir haben uns da wirklich sehr wohl gefühlt und haben uns zwei Wochen komplett auf die Musik konzentrieren können!
Björn:
Vor einiger Zeit habt ihr ja auch schon eine Mini-CD namens "Ascend" auf den Markt gebracht. Was kannst du mir zu diesem Release sagen?
Guido:
Im Gegensatz zum aktuellen Album, wurde die Promo für die MCD komplett von SCORNAGE gemacht, da wir zu dieser Zeit keinen Vertrieb hatten. Außerdem wurde mir von den anderen Jungs berichtet, dass sich die Produktion der MCD sehr lange hingezogen hat, da es im Studio immer wieder zu Problemen kam, die den Release verzögerten. Das Ergebnis der Produktion war dann allerdings sehr zufrieden stellend, was den Sound angeht.
Björn:
Was ist denn zwischen dem Release von "Ascend" und dem von "Sick Of Being Human" so alles passiert?
Guido:
Jede Menge! Nach der "Ascend“ verließ der damalige Sänger Andy die Band aus familiären Gründen! Die anschließende Tour mit den Japanern von TERROR SQUAD wurde dann mit einem Gastsänger absolviert (Chris von CAUSE OF DIVORCE)! Danach verließ auch Gitarrist Peter die Band, um eigene Projekte auf die Beine zu stellen (aktuell IN RUINEN). Es fehlten der Band also zwei Mitglieder, so dass es lange Zeit nicht möglich war, live zu spielen oder einen Release in Angriff zu nehmen.
Mitte 2002 stieß dann Achim zur Band, der schon bei der Quasi-Vorgängerband GRAYSTEN Gitarre spielte, also in der lokalen Szene kein Unbekannter war und ist. Die Suche nach einem neuen Sänger gestaltete sich dann etwas langwieriger, wurde aber im August 2002 abgeschlossen, nachdem ich per Zufall den Volker auf 'ner Metalparty in Aachen besoffen an der Theke getroffen habe. Zufälle gibt’s! Glücklicherweise passten wir sowohl musikalisch als auch menschlich hervorragend zusammen, so dass man inzwischen sicherlich von der perfekten Besetzung sprechen kann, die hoffentlich in dieser Konstellation noch lange aktiv sein wird.
Björn:
Wie würdest du die musikalische Entwicklung von SCORNAGE seitdem beschreiben?
Guido:
Am Anfang der Band-Historie war das Material noch sehr Hardcore-lastig, was vor allen Dingen darauf zurückzuführen ist, dass Ex-Sänger Andy mit einem enormen Hardcorestimmchen glänzte und sein musikalischer Background ebenfalls im Hardcore verwurzelt ist. Ich hingegen komme eher aus dem Metal und habe mit Hardcore nicht so viel am Hut; auch wenn unser Manager mir immer wieder sagt, dass ich ein verkappter Punk bin, na ja, ich mag halt Punk! ANARCHY!!! ... Aber zurück zum Thema: Die Musik an sich ist über die Jahre sicherlich auch etwas straighter geworden, als sie noch auf der "Ascend" geklungen hat. Die Songs sind kürzer, kompakter und vielleicht auch etwas schneller geworden.
Björn:
Ihr spielt ja ganz klar eine Form von Thrash Metal und benutzt dabei einige modernere Elemente. Ich habe in meinem Review angeführt, dass besonders KREATOR ein wichtiger Einfluss gewesen zu sein scheint, während man bei einem Song wie `Age Of Scorn´ sogar dezente Parallelen zu MACHINE HEAD heraushört. Welche Bands haben euch auf eurem bisherigen Weg denn am meisten beeinflusst?
Guido:
Unsere Wurzeln liegen sicherlich im Thrash Metal der Achtziger. KREATOR und SODOM als deutsche Einflüsse und TESTAMENT oder EXODUS aus Amiland. Wir sind aber anderen Sachen gegenüber nicht verschlossen und machen die Musik, die uns halt gefällt. Dabei spielen unsere persönlichen Faves sicherlich eine große Rolle. Muss aber sagen, dass zumindest für mich MACHINE HEAD nicht dazugehören, ich mag eher VIO-LENCE!
Björn:
Wie würdest du denn die Musik von SCORNAGE mit eigenen Worten beschreiben?
Guido:
Wir haben mal den Begriff "Pure Aggressive Metal" geprägt. Ich glaub', das trifft's eigentlich ganz gut!
Björn:
Ich habe mich bereits auf dem Smash-Fest in Hückelhoven von euren Live-Qualitäten überzeugen können. Wie sieht es denn aus, spielt ihr häufiger live oder beschränkt sich das lediglich auf einzelne Wochenend-Gigs?
Guido:
Im Moment spielen wir tatsächlich nur Wochenend-Gigs! Im Mai waren wir jedoch neun Tage auf Europatour mit KING'S EVIL aus Japan und CAUSE OF DIVORCE aus Aachen. Dadurch, dass wir alle auch noch einen "9 to 5 job" haben, ist dann auch nicht viel mehr machbar. Wenn ich mal durchrechne, haben wir dieses Jahr etwa 20 Shows gespielt; weitere werden folgen und die Dates können auf unserer Homepage nachgelesen werden (http://www.scornage.com)!!
Björn:
Ich habe auf eurer Homepage gelesen, dass ihr auch schon mit Bands wie SODOM, CROWBAR usw. die Bühne geteilt habt. Wo haben sich denn solche Gelegenheiten ergeben?
Guido:
Unser Manager Jens hat damals die Europatour von CROWBAR mitorganisiert und sie auch nach Aachen geholt. Dementsprechend hat er die Band damals als lokalen Support aufs Billing setzen können. Aus jener Zeit haben sich natürlich auch andere Kontakte aufgetan, die Jens dann für unsere Zwecke nutzt und ihm die Möglichkeit geben, uns auch weiterhin vor größere Bands zu setzen. Im September spielen wir beispielsweise mit TANKARD und im Januar mit KREATOR!
Björn:
Trotzdem sind SCORNAGE ja nach wie vor fest im Underground verankert. Wie organisiert man sich da, wenn man flächendeckend bekannter werden möchte? Bleiben da schließlich nur solche Events wie das Smash-Fest?
Guido:
Wir versuchen halt, unsere Shows flächendeckend und bundesweit zu spielen! Das heißt, dass wir an einem Wochenende mal eben nach München fahren und am nächsten nach Berlin! Mit der Zeit kommt man halt rum und präsentiert sein Material in allen möglichen Winkeln der Republik und des näheren Auslands, so geschehen auf Tour, wo wir in Belgien, Luxemburg, Österreich, Italien und in der Schweiz gespielt haben.
Björn:
Ihr kommt ja aus der Region Aachen, wie ist deine Meinung zu der Szene dort? Gibt es genügend Leute, die sich noch für Metal interessieren oder würdest du sagen, die Szene im Westen der Republik stagniert ein wenig?
Guido:
Ich glaube die Szene hat sich in Aachen etwas ausgedünnt. In dem Ort, wo ich wohne (etwa zehn Kilometer von Aachen entfernt), beispielsweise gibt es im Moment eine wachsende Punk-Bewegung! In Aachen selber stehen die meisten Kids auf den Nu-Metal-Kram, der auch kommerziell sehr erfolgreich ist. Wenn man es positiv sieht, würde ich sagen, dass das eine Art Einstiegsdroge sein kann, um sich der noch härteren Gangart zuzuwenden. Im Moment jedoch ist es schwierig, das "Potenzial" der Aachener Szene zu bündeln, um die existierenden Underground-Bands zu pushen! Mal schauen, was die Zukunft bringt!
Björn:
Welche Auftrittsmöglichkeiten bzw. Clubs kannst du denn im Hinblick auf die Metalszene empfehlen?
Guido:
In Aachen sieht's im Moment nicht gerade rosig aus: Das "AZ" wurde dicht gemacht, ebenso wie das "Black and White"! Die einzige erschwingliche Location, um sich ordentlich zu präsentieren, ist der Musikbunker, in dem wir auch regelmäßig unser eigenes Festival (Mosh it up!) veranstalten. Alternativen bieten sich noch im "Nightlife" und mit Abstrichen im "Wild Rover"! Eine gute Sache sind auch immer wieder diverse Jugendheime oder ähnliches!
Björn:
Ihr seid ja bereits einmal auf Tour gewesen, nämlich mit dieser japanischen Band. Wie ist damals der Kontakt entstanden?
Guido:
Der Kontakt besteht ja schon länger, da auch die erste Tour mit einer japanischen Band gemacht worden ist! Eigentlich wollten wir wieder mit TERROR SQUAD touren; die Jungs wollten aber erst ihre neue Scheibe fertig stellen, so dass wir umdisponieren mussten. Die Wahl fiel auf die Labelkollegen von KING'S EVIL, die dann auch bereit waren herüberzukommen und musikalisch auch besser zu uns passten. Abgerundet wurde das Package mit unseren Kollegen von CAUSE FOR DIVORCE (Grindcore for the Unloved!!).
Björn:
Wie ist denn die Tour für euch gelaufen und welche Eindrücke hast du vom Leben on the road mitnehmen können?
Guido:
Die Tour war einfach nur geil!! Neun Tage Chaos, Terror, Panik!! Die Chemie zwischen den Bands war großartig und es gab keinen Stress untereinander! Es war natürlich auch sehr anstrengend, da wir einer ordentlichen After-Show-Party nie abgeneigt sind. Dementsprechend gab es wenig Schlaf und jede Menge Alkohol. Manchmal ist das schon hart, wenn man bis neun Uhr morgens feiert und am nächsten Tag mal eben 500 km Autobahn vor sich hat, aber man lebt ja voraussichtlich nur einmal! Außerdem lernt man auf Tour jede Menge interessanter Leute kennen und man macht sich eigentlich viele Freunde in ganz Europa! Ich würde jederzeit wieder auf Tour gehen.
Björn:
Und wie sieht es da für die Zukunft aus? Seid ihr wieder bereit, eine weitere Tour zu starten und falls ja, ist da was in der Mache?
Guido:
Grundsätzlich würden wir jederzeit wieder fahren! Es ist halt 'ne logistische Sache, das Ganze zu organisieren. Das fängt damit an, dass alle Leute gleichzeitig Urlaub haben müssen und dass man das Ganze auch finanziell bewerkstelligen muss. Im Moment gibt es aber noch keine konkreten Pläne.
Björn:
Angenommen, ihr würdet mit eurer Musik plötzlich ganz gut verdienen und prompt bekannter werden, was würdet ihr dann machen: den sicheren Weg und weiter einen Beruf ausüben oder euch ganz auf die Band beschränken?
Guido:
Ich denke wir sehen das realistisch genug, um sagen zu können, dass das Risiko zu groß wäre. Mit dem, was wir bereits erreicht haben, sind wir alle sehr zufrieden und der Zeitfaktor, den die Band fordert, ist im Moment noch zu bewältigen. Sollte es noch weitere Schritte nach oben gehen, muss man abwägen, inwieweit wir alle das leisten können, ohne unseren Beruf zu vernachlässigen.
Björn:
Welches Ziel strebt ihr denn mit der Musik von SCORNAGE auf lange Sicht an?
Guido:
Erst mal schauen, wie "Sick Of Being Human“ ankommt. Wir möchten unsere Musik natürlich so vielen Leuten wie möglich präsentieren, was für uns bedeutet: spielen, spielen, spielen! Wenn’s dann noch jemandem gefällt, freuen wir uns umso mehr. Konkrete Ziele gibt es da eigentlich nicht!
Björn:
Und was wollt ihr in Zukunft konkret erreichen?
Guido:
Um möglichst viele Leute zu erreichen, versuchen wir vor größeren Bands in größeren Hallen zu spielen! Die Konzerte mit TANKARD und KREATOR sind dafür schon mal ein guter Anfang!
Björn:
Was passiert denn gerade so bei euch, habt ihr schon neues Material am Start?
Guido:
Im Moment arbeiten wir an neuen Songs und bereiten uns auf die kommenden Shows vor. Zwei neue Songs sind bereits so gut wie fertig und andere sind noch in der Mache. Die neuen Songs werden wir dann auch in absehbarer Zukunft live präsentieren.
Björn:
Wie lange wird man denn auf eine weitere CD warten müssen, hast du da schon eine Idee?
Guido:
Die Planung für die nächste CD steckt noch in den Kinderschuhen. Angepeilt ist ein Release im Frühjahr 2006; wobei diese Angabe wie immer ohne Gewähr ist!
Björn:
Eine letzte Frage: wir machen das Interview ja hier für ein Internetmagazin. Wie stehst du zu diesem Medium? Ich denke ja mal, dass ihr noch nicht besonders unter Downloads und Raubkopien leidet, oder wohl doch?
Guido:
Internet ist schon okay! Man kann sich über das Medium Internet über alles Mögliche informieren und mit Leuten aus aller Welt in Kontakt treten. Eine sehr interessante Plattform also. Und das Problem mit den Raubkopien trifft glaub ich eher die großen Bands und Labels. Im Underground ist der Gedanke, eine Band zu unterstützen, stärker ausgeprägt und man ist eher bereit, die CD im Original zu kaufen. Wir sind halt nicht die Millionarios, denen das Verbreiten von Raubkopien schon nicht weh tun wird, da sie immer noch genug absetzen werden. Ich persönlich kaufe eigentlich grundsätzlich nur Originale, da ich das Gesamtwerk besitzen möchte, inklusive Texte und Artwork, denn alles fügt sich dann komplett zusammen und ergibt mehr Sinn.
Björn:
Wie wichtig ist es dir, dass die Band SCORNAGE im Internet professionell präsentiert wird? Welchen Stellenwert räumst du dieser Geschichte ein?
Guido:
Ich denke schon, dass es wichtig ist, sich so professionell wie möglich zu präsentieren! Ansonsten kann man es gleich sein lassen. Unsere Seite befindet sich aber noch im Entwicklungsprozess und wird in näherer Zukunft noch die ein oder andere Veränderung erfahren. Man erreicht halt viele Leute und kann sich in Bild und Ton präsentieren.
Björn:
Und was muss deiner Meinung nach eine Bandpage alles beinhalten?
Guido:
Am wichtigsten finde ich, dass die aktuellen Konzertdaten ersichtlich sind! Darüber hinaus finde ich Hörproben immer sehr spannend, damit man weiß, was einen erwartet! Fotos sind auch immer aufschlussreich und witzig; und wenn das Design auch noch stimmt, umso besser.
Björn:
Okay, wir sind am Ende angelangt. Irgendwelche letzten Worte?
Guido:
Ich hoffe, ich konnte ein paar offene Fragen klären und würde mir wünschen, dass die Leser mal unsere Seite anchecken und uns vielleicht ein Feedback in unser Gästebuch schreiben!! Rock 'n' Roll!!
- Redakteur:
- Björn Backes