SHAKRA: Interview mit Thom Blunier
20.08.2014 | 16:18Als ich vor kurzem mal wieder den obligatorischen Abstecher zur Homepage einer meiner absoluten Lieblingsbands SHAKRA unternommen habe - könnte ja schließlich sein, dass mit der neuen Best-Of-Scheibe "33 - The Best Of" im Gepäck der ein oder andere Gig in fahrbarer Nähe stattfindet - musste ich mit Entsetzen feststellen, dass nach gut vier Jahren Sänger John Prakesh der Band den Rücken kehrt. Komisch dabei nur, dass die Ankündigung schon etliche Monate zurück liegt, aber in der einschlägigen Metal-Presse dazu überhaupt keine News zu finden waren. Somit reichlich Klärungsbedarf! Gründungsmitglied und Gitarrist Thom Blunier war so frei und gab bereitwillig, aber doch auch erkennbar leicht angeschlagen in Anbetracht der gegenwärtigen Situation, Auskunft.
Thom, in einem Gespräch mit dem BurnYourEars Online-Magazin vor ca. 2,5 Monaten hast du dich nicht gerade positiv angehört. Man spürt darin sehr deutlich, dass dir der überraschende Abgang von John sehr an die Nieren geht und ihr sehr viel Respekt vor der Aufgabe habt, einen neuen Sänger zu suchen. Hat sich die Stimmung bei dir bzw. dem Rest der Band inzwischen wieder etwas gebessert? Du hast in dem Gespräch ja sogar davon gesprochen, dass man beim Kollegen Thomas Muster so etwas wie Resignation spürt. Ich hoffe, die Resignation ist einer Aufbruchstimmung gewichen.
Leider hat sich mein Respekt vor dieser Aufgabe mehr als bestätigt. Bis jetzt haben wir zwei mögliche Lösungen. Bandintern sind wir nun am Diskutieren und Abwägen, ob eine dieser Lösungen in Frage kommt.
Das Interview mit BurnYourEears endet mit deinen Worten "Bitte wartet auf uns!" Noch ein Statement, das deutlich zeigt, dass ihr harte Zeiten auf euch zukommen seht. Warum glaubst du, dass SHAKRA-Fans nicht auf euch warten könnten? Ihr habt doch bisher alle Besetzungswechsel gut verkraftet und seid aus jeder Phase immer gestärkt hervorgetreten. Warum jetzt diese Skepsis? Vielleicht weil John nur vier Jahre dabei war und jetzt der Zirkus wieder von vorne beginnt?
Weil wir diese Situation ja kennen, wissen wir, wie unglaublich schwierig es ist, einen für uns passenden Sänger zu finden. Wir erachten den Sänger als mit das Wichtigste in unserer Band. Und das kann dauern den Richtigen zu finden. Da ist die Angst halt schon da, in Vergessenheit zu geraten. Es hat so viele andere gute Bands, die für den Fan präsenter sind.
Wenn ich ehrlich bin, habe ich den Ausstieg, wie eingangs erwähnt, erst ziemlich spät mitbekommen. Wie hat John euch denn darüber informiert und wie waren die ersten Reaktionen eurerseits?
Ja, leider hätte ich da auch etwas mehr Hilfe von Label und Management erwartet, um die Suche öffentlicher zu machen. John hat uns in den Proberaum bestellt, um mit uns zu sprechen. Da hat er uns dann informiert, dass er aufhören möchte. Wir waren alle geschockt, weil dies niemand erwarten konnte. Es gab vorher keinen Streit und auch sonst keine Anzeichen dafür. Er will sich einfach anders orientieren in seinem Leben, was man respektieren muss.
Stimmt, das muss man respektieren, auch wenn die Entscheidung für Außenstehende nicht unbedingt nachvollziehbar ist. Thom, was müsste in deinem Leben passieren, dass du als Gründungsmitglied deiner Band den Rücken kehrst?
Wenn ich mich überhaupt nicht mehr verstehen würde mit meinen Bandkollegen und ich auch kreativ keine Möglichkeit mehr hätte mich auszuleben, dann wäre das sicher ein Grund.
Okay, lassen wir die Vergangenheit und schauen in Richtung Zukunft, die hoffentlich bald positive Nachrichten aus eurem Lager bringt. Was muss ein potentieller Kandidat auf den Sängerposten bei SHAKRA mitbringen? Worauf legt ihr wert? Mark Fox hatte für mich eine unverkennbar eigenständige Stimme, während John technisch extrem gut war, aber ein eher universell klingendes Organ hatte. Welchen Sängertypen sucht ihr für die Zukunft? Wäre eine Frauenstimme auch eine Option für SHAKRA?
Es muss einfach einen Wow-Effekt geben, wenn ich ihn höre. Die Stimme von Fox mit der technischen Versiertheit von John wäre wohl die richtige Kombi. Auch eine Frauenstimme ist nicht ausgeschlossen. Leider finde ich Frauenstimmen aber meistens eher verwechselbar.
Was erwartet die Sänger, die bei euch zum Vorsingen eingeladen werden? Wie läuft das ab und wie lange lasst ihr euch Zeit bei der Auswahl?
Erstmals müssen die möglichen Kandidaten selber ein Playback einsingen, damit wir hören wie das klingt. Wenn alle begeistert sind, sprechen wir zusammen über gemeinsame Ziele. Wir versuchen so rauszufinden, ob wir in etwa auf gleicher Wellenlänge sind. Wenn alles stimmt, treffen wir uns um ein paar Songs zu jammen.
Lassen wir das Thema Sänger endgültig hinter uns. Ich verfolge SHAKRA schon sehr lange und es vergeht mit Sicherheit kein Tag, an dem ich keinen Song beim Joggen von euch auf dem Ohr habe. Ohne mich jetzt anbiedern zu wollen, aber für mich seid ihr eine der wenigen Bands (nicht nur im Vergleich mit anderen Schweizer Hard-Rock-Bands), die über all die Jahre immer nur saustarke Alben abgeliefert haben, ohne sich je einen Ausfall erlaubt zu haben. Was ist euer Erfolgsrezept? Wie funktioniert euer internes "Qualitätsmanagement", mit dem ihr bestimmt, welcher Song auf ein Album kommt und welcher nicht?
Sehr schön zu hören, wie du unsere Arbeit schätzt. Dies ist nicht einfach! Thomas hat sehr viele Ideen. Er ist meistens sehr überzeugt davon und ich manchmal vielleicht eher skeptischer. Einen gemeinsamen Nenner zu finden, ist oft nicht einfach, aber möglich.
Ich hoffe es ist okay, wenn ich auch etwas abschweife, aber für mich ist es eine einmalige Gelegenheit, wenn ich schon einmal den eigentlichen Kopf der Band in der "Mangel" habe. Thom, du bist durch dein Studio und die Band sehr ins Musikbiz eingebunden. Wie schaffst du den Spagat bzw. wie hältst du die Balance zwischen Studio/Band und deinem Privat- und Familienleben?
Das Schwierige ist für mich abzuschalten. Das geht irgendwie nicht. Auch wenn ich keinen Stress habe, denke ich immer über die Band nach. Im Studio hab ich seit Jahren nur noch SHAKRA produziert, weil ich es mir leisten konnte. Ich habe keine Kinder und auch sonst wenig Familie. Aber mit meinen Freunden versuche ich so oft wie möglich zusammen zu sein. Dies ist eigentlich gut möglich, da SHAKRA ja nicht so oft am Stück tourt.
Das Trio Blunier (Gitarre)/Muster (Gitarre)/Tanner (Schlagzeug) ist sowas wie die Konstante Phi bei SHAKRA. Gibt’s zwischen euch auch schon mal Unstimmigkeiten und wenn ja, weswegen? Wieso ist es so schwer den Posten des Bassisten/Sängers bei SHAKRA mit einer dauerhaften Größe zu besetzen?
Auch bei uns gibt es Unstimmigkeiten. Ist ja ganz normal! Ist ja fast wie in einer Beziehung. Trotzdem haben wir immer das gleiche Ziel. Nämlich die Fans und auch uns selber glücklich zu machen mit unserer Musik. Wieso gerade Bassisten und Sänger bei uns so oft die Segel streichen, weiß ich echt auch nicht.
Schweizer Uhren, Schweizer Schokolade, Schweizer Banken und Schweizer Hard Rock. Alles internationale Gütesiegel. Hast Du dir schon einmal überlegt, was Schweizer Hard Rock so speziell macht?
Vermutlich empfinde ich dies gar nicht so. Meine Lieblingsmusik kommt nicht aus der Schweiz. Ich denke sogar, dass der Schweizer im allgemeinen nicht geeignet ist, im Musikzirkus zu bestehen. Den meisten von uns geht es zu gut, um zu versuchen mit Musik etwas zu erreichen. Meistens ist es bei uns viel einfacher einen gutbezahlten Job zu bekommen, als mit Musik ein paar Franken zu verdienen. Es gibt dementsprechend auch wenige, die das machen. Und die paar Bands, die es schaffen etwas Aufmerksamkeit zu bekommen, meinen es halt auch ernst und arbeiten meistens hart dafür.
Thom, als Betreiber des Powerride-Studios hast du ja die ganze Entwicklung in Sachen Recording hautnah miterlebt. Inwieweit macht sich der allgegenwärtige Homerecording-Trend im Amateur- und Semiprofessionellen-Bereich auf dein Studio bemerkbar? Bist du gezwungen inzwischen auch Studio-Jobs zu machen, die du früher evtl. abgelehnt hättest oder wie muss ich mir das vorstellen?
Wie gesagt, hab ich schon längere Zeit nicht mehr für andere Bands gearbeitet. Von daher kann ich da nicht viel dazu sagen. Ich glaube, die Technik wird oft überbewertet. Der Mann am Regler bestimmt, wo die Reise hingeht.
Wo wir schon beim Thema Studio sind: Alle SHAKRA Alben wurden in deinem Studio aufgenommen. Habt Ihr Euch schon einmal überlegt, um vielleicht andere Reize zu setzen, in einem anderen Studio, mit einem externen Producer zu arbeiten? Welche Vor- bzw. Nachteile siehst du in der Arbeit im eigenen Studio?
Der ganz große Vorteil ist ganz klar die Zeit. Ich finde es unglaublich wichtig, ohne finanziellen Zeitdruck zu arbeiten. Dies übertrifft für mich alle Nachteile. Klar, ich bin nicht mit der neusten Technik ausgerüstet, aber die Technik ersetzt keinen coolen Song oder gar eine gute Performance!
Eure DVD "My Life My World" ist inzwischen zehn Jahre alt. Vielleicht, aufgrund der aktuellen Situation bei euch, etwas unpassend zu fragen, aber gibt es Pläne irgendwann einmal wieder eine neue DVD zu veröffentlichen? Ich würde es mir wünschen...
Wenn wir es schaffen SHAKRA wieder auf den Weg zu bringen, könnte ich mir eine DVD durchaus wieder vorstellen.
Was muss ein gutes Interview für dich haben? Beantwortest du jedes Interview oder nimmst du dir die Freiheit ein Interview abzubrechen, wenn's dir zu dumm wird? Oder anders gefragt, wie kritikfähig sollte man als Musiker bei der Beantwortung von Interviews sein?
Ich hab noch nie ein Interview abgebrochen, obwohl mir schon danach war. Ich finde es blöde, wenn der Journalist sich nicht im Geringsten mit der Band beschäftigt hat und er auch kein Interesse daran hat, dies zu tun. Dann soll er bitte die Fragerei lassen. Kritikfähig sollte man aber immer sein.
Die nächste Frage musst du nicht beantworten, wenn du dich hierdurch angegriffen fühlen solltest (was übrigens nicht in meiner Absicht liegt). Ich sage das nur im Voraus, weil erst kürzlich ein nicht ganz unbekannter Kollege von dir aus einer deutschen Band ein erhebliches Problem mit meinen Fragen hatte und die folgende dann das Fass wohl zum Überlaufen brachte. Also, los geht's. Keiner von uns wird jünger! Was ist für dich das Schlimmste am Älterwerden und gibt es auch Dinge, die du mit zunehmendem Alter auch zu schätzen weißt?
Den körperlichen Zerfall finde ich eher nicht so prickelnd! Ich glaube niemand findet dies schön. Ansonsten merke ich, dass ich langsam erwachsen werde. :-) Ich schätze am Älterwerden, dass ich eher etwas gelassener werde.
Ich habe gelesen, ihr habt 1994 zusammen Show(s) mit CHROMING ROSE gespielt. Welche Erinnerung hast du an die Band? Ich frage nur, weil die Band aus meiner Gegend hier kommt.
Ich kann mich nur noch an den Ort erinnern. An die Band nur noch ganz schwach. Hat wohl auch mit dem Alter zu tun. :-)
Ihr werdet von VW mit einem fahrbaren Untersatz gesponsert, vor dem ihr im Booklet zur Best-Of-Scheibe abgebildet seid. Eine feine Sache für eine Band. Darf man nach Details fragen bzw. wie es zu dem Deal kam?
Unser Management hat uns diese Zusammenarbeit besorgt. Dies ist wirklich eine ganz feine Sache! Wir bekommen einen Oberhammer-Crafter, mit allen Extras gestellt. Dafür machen wir ordentlich Werbung und spielen auch an allen möglichen Veranstaltungen von VW-Nutzfahrzeugen. Die Jungs von VW fahren auch total auf Rock ab und kommen öfters zu unseren Gigs.
Ein wichtiges Thema noch, bevor wir auf die Zielkurve einbiegen. Ich habe es eingangs erwähnt, die Best-Of-Scheibe, die vor einigen Monaten veröffentlicht wurde und neben 30 bekannten Songs aus allen neun veröffentlichten Alben auch drei neue Songs enthält, ist somit unfreiwillig und ungeplant das Ende eines Abschnitts der Bandgeschichte von SHAKRA. Die Idee hinter der Scheibe stammt deiner Aussage nach von eurem Label. Ihr fandet die Idee "okay", um dich zu zitieren. "Okay" hört sich für mich nicht unbedingt überzeugt an. Musstet ihr überzeugt werden? Hättet ihr lieber etwas Neues aufgenommen?
Wir sind alle nicht gerade die Oberfans von Best-Of-Alben. Ich selber besitze kaum eines. Ich glaube, die Fans haben eh schon gekauft, was ihnen reinläuft. Trotzdem hatte unser Label genügend gute Argumente, um uns zu überzeugen. Und mit drei neuen Songs hat es ja auch seine Berechtigung.
Die Best-Of ist in der Schweiz auf Platz 17 der Charts gelandet. Im Vergleich zu früheren Veröffentlichungen etwas schwächer. Kann man mit einem Best-Of-Album einfach nicht mehr erreichen und das Ergebnis ist als absolut gut zu werten oder habt ihr euch etwas mehr erwartet?
Ich war doch sehr überrascht, dass es das Teil überhaupt in die Charts geschafft hat. Platz 17 finde ich toll! Ich denke, von einem Zusammenschnitt von "alten" Songs kann und darf man nicht mehr erwarten.
Wie liefen eigentlich die letzten Shows zusammen mit John nach seiner Ankündigung aufzuhören? Speziell der letzte Gig war sicher eine emotionale Berg- und Talfahrt für alle von euch, oder?
Der Gig war ein würdiger Abschluss mit John! Es waren glaube ich etwa 10.000 Leute da. Natürlich nicht nur wegen uns. Aber die Gefühle waren schon krass - von überwältigend bis zum Weinen traurig war alles dabei!
Letzte Frage, dann hast du es geschafft. Nächstes Jahr rockt ihr seit 20 Jahren unter dem Namen SHAKRA die Bühnen dieser Welt. Irgendetwas Besonderes zu diesem Jubiläum geplant? Evtl. ein neues Album, sollte es bis dahin mit einem Sänger klappen?
Priorität hat einfach eine gute Lösung zu finden, wie es weiter gehen soll. Alles andere wird sich ergeben. Im Moment ist es unmöglich Pläne zu schmieden.
So, wir sind am Ende. Ich sage 1000 Dank für die Zeit und Geduld, die du dir für die Beantwortung meiner Fragen genommen hast. Ich wünsche euch verdammt viel Glück bei der Suche nach einem neuen Frontmann und macht unbedingt so weiter, wie bisher. Ich warte in jedem Fall auf euch - auch wenn ich ein ungeduldiger Mensch bin! Thom, die letzten Worte gehören dir.
Ich danke dir für das Interview und schön, dass du an uns denkst.- Redakteur:
- Oliver Kast