SHANNON: Interview mit Olivier

20.06.2008 | 20:48

Nachdem die Franzosen von SHANNON bereits im heimischen Musikgeschäft Erfahrungen sammeln konnten, schicken sie sich nun an, mit ihrem Longplayer "Angel In Disguise" auch deutsche Melodic-Rock-Fans auf ihre Seite zu ziehen. Besser also den Herren erst einmal genauer auf den Zahn zu fühlen, und so beantwortete Sänger Olivier mir einige Fragen per Mail.

Ricarda:
Kannst du erzählen, wie ihr euch gefunden habt und wann das Line-up komplett war?

Olivier:
Um die Bandgeschichte in einigen Worten zusammenzufassen: SHANNON wurde vor zehn Jahren gegründet. Patrick und Thierry spielten zu der Zeit schon zusammen und arbeiten an einigen Coverversionen von BON JOVI, EUROPE und JOURNEY. Ich kam im Frühjahr 1998 dazu, und kurz danach entschieden wir uns, mit den Covern aufzuhören und eigene Songs zu schreiben. Schnell machten wir ein Demo, das wir an einige Labels schickten. Das Feedback war ziemlich gut, also veröffentlichten wir unser erstes Album in 2003. Wir spielten einige Shows mit bekannten Bands wie PINK CREAM 69, AXXIS und JEFF SCOTT SOTO. Aber damals war unser Line-up noch nicht komplett. Benjamin und Nico kamen 2005 hinzu. Von da an wurde SHANNON auch bekannter. Wir arbeiteten hart, spielten so oft wie möglich live und begannen, für das neue Album zu schreiben. Das Line-up hat seitdem nicht mehr gewechselt, und die Dinge laufen ganz gut.

Ricarda:
Wie kamt ihr auf den Namen? Bedeutet er irgendetwas Besonderes?

Olivier:
Der Bandname hat keine bestimmte Bedeutung. Als wir nach einem Namen suchten, wollten wir einfach etwas Einfaches, an das man sich leicht erinnert und das nicht aggressiv ist. Ausserdem wollten wir nichts Traditionelles. Und ich glaube, der Name SHANNON passt zu unserer Musik. Ein weiblicher Name bedeutet für jeden etwas.

Ricarda:
Wann hast du gemerkt, dass Musik eine Karriere für dich sein könnte? War es bereits ein Kindheitstraum?

Olivier:
Wenn du mit Kariere meinst, dass wir über eine längere Zeit von unsere Musik leben können, und ständig auf Achse sind, außer wenn wir an einem Album arbeiten, dann sind wir davon noch sehr weit weg. Dafür gibt es eine ganze Reihe von Gründen.
Der erste davon ist, dass es immer schwieriger wird, eine lange Musikkarriere zu haben. Die Evolution des Musikgeschäfts und die illegalen Downloads sorgen dafür, dass sich das Verhalten der Fans ändert. CDs verkaufen sich kaum noch, weil jeder Musik gratis runterladen kann. Das führt dazu, dass die Labels nicht mehr zu risikofreudig sind; sie zögern, wenn es darum geht, Geld in eine Band zu investieren. Von daher müssen die Bands das Geld selbst aufbringen. Heutzutage wollen Labels lieber ein fertiges Produkt haben, das sie verkaufen können. Wenn man die ganzen Kosten in Betracht zieht – Studio, Mastering, Herstellungskosten – dann ist es nicht verwunderlich, dass so viele Bands es schwer haben, von ihrer Musik leben zu können. Labels gehen nur Risiken ein, wenn die Band bereits bekannt ist oder zumindest eines der Mitglieder schon berühmt ist. Ich verstehe schon, dass es auch für die Labels hart ist, aber ich habe auch Angst, dass in naher Zukunft neue Bands sehr große Schwierigkeiten haben werden, bekannt zu werden, ein Album herauszubringen und von ihrer Musik zu leben. Hinzu kommt, dass die Medien sich nicht mehr so sehr für Hard Rock interessieren. Das ist schade, denn ein Publikum gibt es allemal. Aber die Medium konzentrieren sich auf die TV-Stars aus "Star Academy". Ist das nicht schade? Ein solche Haltung tötet die Kreativität und produziert Künstler, die alle gleich sind. Für mich ist das wie ein Restaurant, wo es nur ein Menü gibt, und man sich nichts aussuchen kann.
Und dann, und das ist ein Paradoxon, gibt es trotz dieser Schwierigkeiten auch mehr Bands als zuvor. Die technische Entwicklung hat viel damit zu tun. In den 80ern konnte keiner ein Heimstudio haben. Aber nun mit Hilfe von Computern und den gesenkten Preisen kann quasi jeder in ein Heimstudio investieren. Du brauchst sogar gar keine Musiker mehr um Musik zu machen. Und ich kann dir verraten, dass das auch bei uns nicht anders war, als wir unser erstes Album aufnahmen und das Line-up noch nicht komplett war. Daher benutzen wir die Technik, um Bass und Schlagzeug zu erzeugen.
Um den zweiten Teil der Frage zu beantworten: Eigentlich ist es mehr als ein Kindheitstraum für mich, es ist für mich der beste Weg, einfach Spaß zu haben und dem Alltag zu entfliehen. Er ist quasi mein Zünder. In dem Geschäft gibt es so viele, die versuchen Fuß zu fassen, und so wenige schaffen es. Falls wir Glück hätten und die Fans würden unsere Musik so sehr lieben, dass wir die Möglichkeit bekämen auf der ganzen Welt zu spielen, dann würden wir das natürlich gerne tun. Aber wir müssen mit unseren Füßen auf dem Boden bleiben. Es ist bereits eine große Sache, dass wir einen Plattenvertrag mit ArtistService haben und Alben herausbringen können, auch wenn das nicht unser größtes Ziel ist. Haltet die Augen offen, und falls unser Album freundlich aufgenommen wird, dann gibt es noch soviel, das wir tun können.

Ricarda:
Nun hab ich eine recht unhöfliche Frage: Könnt ihr von eurer Musik leben, oder arbeitet ihr noch? Wenn ja, verrätst du uns was?

Olivier:
Ja, im Moment können wir nicht von der Musik leben und müssen arbeiten. Patrice und Thierry arbeiten für ein Verkehrsunternehmen, Nico für eine Fluggesellschaft, Benji ist Schlagzeuglehrer, und ich selbst arbeite im bildenden Freizeitsektor. Keiner weiß, was die Zukunft bringt, aber natürlich würden wir gerne von der Musik leben können.

Ricarda:
Was sind deine größten musikalischen Idole?

Olivier:
Wenn es um Bands geht, dann liebe ich WHITE LION. Für mich sind sie die Verkörperung des Melodic Hard Rocks. Aber ich mag auch DANGER DANGER, FAIR WARNING und GOTTHARD. Auch Bands wie JUDAS PRIEST, IRON MAIDEN und DEF LEPPARD. Ich denke, ich mag so ziemlich alles, was krafvoll und melodiös ist. Und was Sänger betrifft, mag ich Typen wie Steve Lee, David Coverdale, Jeff Scott Soto oder Joe Lynn Turner. Und um noch eine andere Stilrichtung zu nennen, ich mag auch Ronnie James Dio und Rob Halford.

Ricarda:
Woher nimmst du deine Inspiration?

Olivier:
Von verschiedenen Sachen. Wir mögen es sehr, das Doppelgesichtige in einem Track zwischen optimistischer Musik und düsterem Text zu bewahren. 'Do You Know' ist ein gutes Beispiel. In dem Song geht es um Tod, was wir werden, wenn wir diese Welt verlassen. Aber es ist auch eine Aufforderung, Stellung zu beziehen, einen Weg zu wählen und sich zwischen Gut und Böse zu entscheiden. Der Text von 'Winter Nights' handelt von Ausgrenzung, es ist die Geschichte eines Kerls, der alles verloren hat und einsam ist. Wenn du aus der Gesellschaft draußen bist, dann sieht dich keiner mehr richtig. Dann haben wir natürlich auch optimistischere Songs wie 'No Better Times' oder 'Keep On Rolling'.

Ricarda:
Gibt es ein Thema über das du nie einen Song schreiben würdest?

Olivier:
Ich glaube, das gibt es bei SHANNON nicht. Ich bin nicht der Einzige, der Songs schreibt, aber ich versuche immer Politik und Religion zu umgehen. Das sind sehr persönliche Themen, und ich denke nicht, dass eine Band ihre Fans dort beeinflussen sollte. Aber das ist nur mein Standpunkt, jeder kann machen, was er will.

Ricarda:
Wenn du eure Musik mit einem einzigen Wort beschreiben müsstest, welches würdest du wählen?

Olivier:
Ein Wort? Das ist unmöglich. Lass mich noch ein zweites nehmen, dann würde ich sagen: 'Melodie' und 'Power'.

Ricarda:
War es ein langer Weg, euren Plattenvertrag zu bekommen? Wie bekamt ihr ihn letztendlich?

Olivier:
Nachdem ich 1998 zur Band kam, dauerte es noch fünf Jahre bis wir unser erstes Album herausbrachten. Zu der Zeit waren wir nur drei Leute in der Band, wir hatten keine Rhythmussektion. Wir mussten Live-Musiker finden, da es klar war, dass SHANNON kein Album veröffentlichen würde ohne live gespielt zu haben. Die Nachfrage, die Band live zu sehen, wurde größer, wir mussten unsere Suche beschleunigen. Wir arbeiteten mit vielen Musikern, waren aber niemals 100% zufrieden. Das Line-up wechselte zwei Jahre lang häufig, aber wir hatten die Möglichkeit mit PINK CREAM 69, AXXIS und JEFF SCOTT SOTO zu touren. 2005 brachte dann Nico (Bass) und Nenji (Drums) zu uns, und es wuchs schnell eine Kameradschaft mit ihnen, nicht nur musikalisch sondern auch persönlich. Seitdem arbeiten wir zusammen, und das klappt recht gut.
Anfang 2006 begannen wir, an "Angel In Disguise" zu arbeiten, und wir versuchten so oft wie möglich live zu spielen. Im Sommer 2007 war das Album dann fertig. Das mag lang klingen, aber ich muss dazu sagen, dass außer dem Mastering jede Tätigkeit von der Band selbst übernommen wurde. Wir suchten dann nach einem Label und entschieden uns im Herbst, mit ArtistService zusammenzuarbeiten. Alles klappte gut mit diesem Label. Wir hatten ihnen ein Demo Ende 2006 geschickt. Sie mochten es und schlugen vor, noch hart an der Produktion zu arbeiten. Außerdem wollten sie mehr Tracks, um eine bessere Übersicht über unsere Musik zu bekommen. Wir blieben in Kontakt und nahmen die Vorschläge an. Ende 2007 boten sie uns dann einen Vertrag an. Also verstrichen fünf Jahre ohne Plattenvertrag. Das erscheint wie eine lange Zeit, aber trotzdem haben wir hart gearbeitet.

Ricarda:
Ihr habt vor "Angel In Disguise" bereits zwei Alben veröffentlicht. Warum hat man von euch in Deutschland zuvor nichts gehört?

Olivier:
Ich denke, das hängt mit Promotionproblemen zusammen. Unsere frühere Plattenfirma hatte nicht die Promotion-Möglichkeiten, die uns auch in anderen Ländern bekannt gemacht hätte. Dann kam unser Album zu einer Zeit heraus als Melodic Rock gerade kein Trend war. Heute fühle ich eine Art Revival des Stils, es ist defintiv einfacher. Und ArtistService bietet uns ein besseres und reichhaltigeres Promotionangebot.

Ricarda:
Was bedeutet der Albumtitel?

Olivier:
"Angel In Disguise" ist sehr repräsentativ für das, was SHANNON ist: Power und Melodie. Anfangs wurden wir in die FM-Hard Rock Schublade gesteckt. Ich glaube wegen der präsenten Keyboards. Wir veränderten uns dann ein wenig, und die Tracks auf unserem neuen Album sind härter. Das gilt auch für den Sound. Mit dem Titel "Angel In Disguise" zeigen wir, dass wir vielleicht nicht das sind, was wir zu sein scheinen, dass die Realität manchmal anders ist als sie erscheint.

Ricarda:
Ihr seid aus Frankreich. Denkst du eure Kultur spiegelt sich in der Musik wieder?

Olivier:
Frankreich hat keine Rock-Kultur so wie Deutschland oder andere europäische Länder. Es ist nicht leicht, in Frankreich bekannt zu werden, wenn man Hard Rock spielt, alles ist sehr kompliziert. Es gibt nur wenige Labels mit denen man seriös arbeiten kann und die auch die Möglichkeit haben, dein Album mit guter Promotion und gutem Vertrieb zu veröffentlichen. Es ist sehr schade, denn in Frankreich gibt es gute Bands, aber viele hören auf, weil es niemanden gibt, der sie unterstützt und ihnen hilft ein Album zu produzieren.

Ricarda:
Kannst du dir vorstellen, ein Lied in deiner Muttersprache zu schreiben?

Olivier:
Sag niemals nie, aber es steht nicht auf dem Plan. Wenn man auf französisch schreibt, dann ist man sehr auf die französich-sprechenden Länder beschränkt. Englisch hingegen spricht man auf der ganzen Welt, daher erlaubt uns die Sprache ein breiteres Publikum zu erreichen.

Ricarda:
Wie wichtig denkst du ist Image im heutigen Musikgeschäft?

Olivier:
Auch wenn das Metal-Bands eigentlich gar nicht so betrifft, würde ich mir wünschen, dass die Leute mehr hinter das Image von Bands blicken und sich auf die Musik konzentrieren würden. Aber ich gebe zu, dass Image schon viel ausmacht auch wenn ich denke, dass es nicht das Wichtigste ist. Eine Band, die nur auf ihr Äußeres setzt, ist eine Mogelpackung.

Ricarda:
Habt ihr Pläne in Deutschland live zu spielen?

Olivier:
Im Moment nimmt die Promotion für das Album ziemlich viel Zeit in Anspruch, daher können wir nicht touren. Ob wir nach Deutschland kommen, hängt natürlich auch davon ab, wie gut sich das Album dort verkauft. Ich persönlich habe sogar schon einmal mit meiner früheren Band auf einem Festival in Pforzheim in Deutschland gespielt. Ich habe sehr gute Erinnerungen daran, also wäre es echt super, wenn auch SHANNON diese Möglichkeit bekommen würde.

Ricarda:
Hast du Grüße an unsere Leser von POWERMETAL.de?

Olivier:
Ein herzliches Hallo an alle POWERMETAL.de-Leser. Wir hoffen, ihr mögt unser Album und dass wir bald zu euch kommen können um live zu spielen. Und an die, die uns noch nicht kennen: Kommt und entdeckt unsere Musik bei MySpace.

Ricarda:
Ich wünsche euch alles Gute für die Zukunft und danke für das Interview.

Redakteur:
Ricarda Schwoebel

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