SINEW: Interview mit Sascha Junker & Andreas Mette
11.12.2012 | 13:06Mit "Pilots Of A New Sky" hat SINEW ein bravouröses Album vorgelegt, das auch mit etwas Abstand zu den großen Gewinnern des Jahres gehört. Wir sprachen mit Sänger Sascha Junker und Gitarrist Andreas Mette.
Das Album ist jetzt bereits ein paar Wochen auf dem Markt und die Kritiken, die ich gelesen habe, waren fast alle überschwänglich. Hat sich das denn auch ein wenig auf eine neue Hörerschaft übertragen? Anders gefragt: seid ihr zufrieden wie "Pilots Of A New Sky" bisher läuft?
Sascha J.:
Also in Zahlen können wir das nur schwer bis gar nicht ausdrücken, für mich ist das ein undurchdringlicher Nebel. Gefühlt weitet sich unsere Hörerschaft aber schon aus, wir bekommen regelmäßig aus vielen verschiedenen Erdteilen ganz wundervolles Feedback zu unserer Platte. Vielleicht verdichtet sich der Nebel auch noch zu einem ausgewachseneren Gewitter, wer weiß? Ich denke wir werden das rausbekommen, wenn wir wieder präsenter auf den Bühnen dieser Welt sind.
Andreas:
Also was die Verkaufszahlen anbelangt, ist unsere Plattenfirma mehr als zufrieden. Sie hat da weitaus weniger erwartet. Entsprechend freuen wir uns natürlich auch darüber! Aber die überschwengliche Resonanz von Seiten der Presse und vor allem der Fans freut uns natürlich noch mehr! Das Album ist ja stilmäßig schon anders, als das Debut, und dass die Fans da mitziehen bzw. den Wandel sogar abfeiern, ist einfach super!
So düster wie bei bspw. 'Lost/Found' vom Vorgänger "The Beauty Of Contrast" seid ihr zwar nicht mehr, aber doch schwingt immer noch eine deutliche Melancholie in euren Songs mit, die aber immer mal wieder von leichten Sonnenstrahlen durchbrochen wird. Ist "Pilots Of New Sky" also Schmerz oder Hoffnung oder beides?
Sascha J.:
Ich habe letztens nochmal in "The Beauty Of Contrast" reingehört und fand außer den vielen Unterschieden auch ein Motiv, das sich auch auf "Pilots Of New Sky" wiederfindet: auch in den schwierigen Situationen des Lebens ein Licht zu finden. Ich kann dir aber auch dahingehend zustimmen, dass diese hellen Flecken größer und strahlender geworden sind, und ich finde diese Entwicklung sehr sehr schön! Ohne den Kontrast könnten wir Menschen dieses Licht jedoch nicht so wertschätzen und erkennen, wie wir es tun. Das heißt, in diesem Kontrast liegt für mich ein tiefer Sinn unseres teilweise leidvollen Daseins. Es kann auch niemals darum gehen, im Leben keine Herausforderungen, Probleme oder Schmerzen mehr zu haben, sondern das Leben mit all seinen Facetten anzunehmen und sich hineinzugeben. In jeder Situation gibt es etwas zu lernen, und in jedem Hurrikan gibt es ein friedvolles Auge. Und dass es selbst in scheinbar hoffnungslosen Momenten doch noch weitergehen kann, berührt mich immer wieder ganz tief. Letztlich ist es aber doch so, dass in der Mitte meines Herzens ein unerschütterlicher Optimist wohnt.
Ich habe "The Beauty Of Contrast" bislang nur einmal bei euch auf eurer Homepage quergehört, aber "Pilots Of A New Sky" scheint doch deutlich mehr Wert auf Hooks und eingängige Melodien zu legen. Ist das die berühmte natürliche Weiterentwicklung oder woher kommt diese Direktheit, die das Album phasenweise mitbringt?
Andreas:
"Pilots Of A New Sky" ist im Grunde das, was wir schon mit "The Beauty Of Contrast" angestrebt haben, aber dafür letztendlich noch nicht reif oder mutig genug waren: ein Album, auf dem wir durch viele Genres und Stile querbeet nur das machen, worauf wir Lust haben bzw. was uns musikalisch reizt oder herausfordert. Von Prog bis Pop, von Hardcore bis Jazz ist alles dabei. Das dieses Sammelsurium letzendlich doch Einheitlich nach SINEW klingt und nicht zerfahren wirkt, ist schon ziemlich geil. Aber es hat eben auch seine Zeit gebraucht, bis wir soweit waren, um die Platte und die Songs so klingen zu lassen, wie sie jetzt sind. Es steckt unglaublich viel Arbeit im Proberaum dahinter, und ebensoviel Schweiß, Tränen, Freude und Enthusiasmus im Studio.
Vor allem zum Schluss wird es dann doch deutlich progressiver, was in 'The Descend To The Heart Of Mount Sadhana' seinen Höhepunkt findet. Was könnt ihr mir über diesen Song im Detail erzählen. Was macht in euren Ohren seine Besonderheit aus?
Sascha J.:
'The Descend To The Heart Of Mount Sadhana' ist in vielerlei Hinsicht ein besonderer Song für uns. Die Vibes des Songs scheinen von großer Ferne zu kommen, und sind doch ganz vertraut. Wir haben uns zuvor noch nie so viel Freiheit genommen beim Songwriting, er ist sehr organisch im Proberaum gewachsen und gereift. Und es war auch das erste Mal, dass ich so viel Raum für die Lyrics hatte. Ich konnte eine komplette Geschichte erzählen, was ich sehr genossen habe. Die Bilder dazu ergaben sich aus der Stimmung des Songs, und aus den einzelnen Bildern verdichtete sich schließlich ein Ablauf mit rotem Faden, im Grunde eine komplette Heldenreise. Und trotz der mythologischen Motive erzählt der Song auch viel von meinem persönlichen Weg, sogar von den Teilen, die noch vor mir liegen. Das macht für mich auch seine enorme Tiefe deutlich, die in und zwischen den Klängen eingewoben ist.
Ist es für euch schwieriger einen "Hit" wie 'Turquoise' zu schreiben oder doch eher etwas Verschachteltes wie 'The Descend To The Heart Of Mount Sadhana' oder auch 'Echoes'?
Sascha J.:
Beides ist eine ganz eigene Herausforderung. Wenn du wirklich Kunst mit Qualität abliefern willst, ist das mit viel Leidenschaft und einem langem Atem verbunden. Und dabei kann das Ausfeilen eines Dreiminüters länger dauern als bei einem Stück, das über 13 Minuten geht. Jeder Song hat seine eigene Seele und Geschichte. Peter Gabriel hat bei einem Stück tatsächlich jahrelang auf die richtige Inspiration für den Refrain gewartet. Songs zu schreiben hat sein eigenes Momentum, und wir als Musiker dienen im besten Falle einfach dem, was sich natürlicherweise durch uns ausdrücken möchte. Das ist in den besten Momenten mühelos, aber es braucht viel Disziplin, damit das möglich wird - sowohl im Proberaum als auch auf der Bühne.
Habt ihr die Songs eigentlich bewusst so angeordnet, dass der Hörer beinahe von Song zu Song mehr beansprucht wird?
Andreas:
Nein, das kann man so nicht sagen. Wir mussten einfach eine Reihenfolge finden, die stimmig klingt und für die Atmosphäre der gesamten Platte Sinn macht.Ich denke, das nimmt auch jeder anders wahr, ob das nach hinten raus komplexer wird. Der geübte Proggi hört sowas doch mit links!
Ich habe die Texte zwar gelesen, aber dass sie für sich selbst sprechen, kann ich jetzt nicht behaupten. Ich lese viele Metaphern zum Thema Einsamkeit, Zweisamkeit, Verlust, Sehnsucht und Freiheit. Kann man als Zusammenfassung halbwegs so stehen lassen? Was mögt ihr unseren Lesern über die Texte noch mit auf dem weg geben?
Sascha J.:
Ich denke, dass sich viele Grundmotive des Menschseins in meinen Texte wiederfinden. Und mich fasziniert sowohl die göttliche Seite der menschlichen Seele als auch die allzumenschlichen Abgründe - und das Pendeln zwischen diesen beiden Polen. Letztlich gehören die Texte aber auch einfach zu meinem persönlichen Weg, sind Ausdruck, Inspiration und Reflexion der Erfahrungen, die ich mache. Und mal ist das die Erfahrung von Verlassensein und Einsamkeit, mal von Einheit und Liebe, mal beleuchte ich den Stand unserer Gesellschaft, und mal schaue ich nach innen. Bei 'Echoes' schaue ich zurück, bei 'Pilots Of A New Sky' nach vorn. Ich denke, es gibt da viel zu entdecken, und ich freue mich sehr darüber, dass sich so viele Menschen mit den Texten beschäftigen.
Okay, so weit war es das erst einmal von mir. Wenn ihr unseren Lesern noch etwas mitgeben wollt, dann ist hier jetzt der Platz dazu.
Andreas:
Ich würde jedem Leser gerne noch ein Exemplar der "Pilots Of A New Sky" mitgeben, aber soviele habe ich leider gar nicht und es würde außerdem mein Budget sprengen, deshalb mein Apell: hört mal rein und wenn es dem ein oder anderen gefällt, würden wir uns freuen, wenn er sich die CD evtl. nicht saugt, sondern ganz altmodisch kauft und mal auf ein SINEW-Konzert kommt! Wäre super, Euch dort zu treffen!
- Redakteur:
- Peter Kubaschk