SINNERS BLEED: Interview mit Eric Krebs
01.01.1970 | 01:00SINNERS BLEED haben sich zu einem der brutalsten, abwechslungsreichsten und besten Death-Metal-Acts einer dahinsiechenden Republik verwandelt. Wider der allgemeinen Kaufmüdigkeit ist das erste Album der Berliner "From Womb To Tomb" inzwischen ausverkauft – aus gutem Grund. Schließlich spielen die Hauptstädter, als würden sie in den Sümpfen Florida hausen – selten war Death Metal aus deutschen Landen so mit perfekten Riffs gesegnet und mit coolen Breaks gespickt. Zudem gehen die Jungs live ab wie ein mutierter Brüllaffe im Fieberwahn einer thermonuklearen Apokalypse. Einen weiteren Beweis ihrer Qualität zeigten die Jungs erst wieder im April: Zusammen mit HOLY MOSES spielten sie auf dem norwegischen Inferno-Festival in Oslo und brachten einen ganzen Saal Nordmänner zum Schwitzen. Drummer Eric Krebs stand per Mail Rede und Antwort.
Henri:
Euer Debüt "From Womb To Tomb" ist seit kurzem ausverkauft. Wie sehr hat euch das überrascht?
Eric:
Ich habe da jetzt keine direkten Vergleiche mit anderen Underground-Bands, wie viel dort durchschnittlich verkauft wird. Viel dazu beigetragen hat sicherlich auch die Zusammenarbeit mit "Twilight Records", durch welchen der Bestand innerhalb kürzester Zeit verkauft war. Die Leute sind dort sehr geschäftstüchtig. Wir sind bis jetzt sehr zufrieden. Außerdem waren die Kritiken zu unserem Album fast überall sehr positiv.
Henri:
Wann wird es eine Nachpressung geben?
Eric:
Wir haben bereits für eine Nachpressung gesorgt und werden auch weiterhin, sofern es für uns finanziell machbar ist, unseren Vertrieb mit CDs beliefern.
Henri:
Wie sieht es angesichts dieses Erfolgs mit einem echten Label aus?
Eric:
Für das nächste Album wollen wir auf jeden Fall mit einem fähigen Label zusammenarbeiten. Wir hoffen, dass da in Zukunft interessante Dinge zustande kommen. Mit dem Debüt wird es vorerst bei dem Vertrieb bleiben.
Henri:
Wenn ihr eure Musik einem Alien erklären müsstet: Wie würdet Ihr Sie in drei Sätzen beschreiben?
Eric:
Das ist, denke ich mal, gar nicht so einfach. Es hängt ja davon ab, ob das Alien fähig ist, akustische Schwingungen aufzunehmen und zu verarbeiten. Sollte das der Fall sein, wäre doch die einfachste Variante interessierte Außerirdische zu einem illustren Privat-Knüppelnachmittag einzuladen, da ja die Kommunikationsmöglichkeiten arg eingeschränkt sein werden. Für alle Erdenbewohner kurz: fast, technical, thrashy deathmetal!
Henri:
Und was würdet ihr über die Texte sagen?
Eric:
Hauptbestandteil der Texte von SINNERS BLEED sind immer Projektionen der eigenen Gefühle. Dabei spielen Unzufriedenheiten und Aggressionen, also Dinge, die im normalen Leben öfter vorkommen, eine gewichtige Rolle. Es wird bei SINNERS BLEED aber nie irgendwelche Splatter- oder Gore-Texte geben, wir sind nicht so eingestellt, völlig hirnloses Zeug zu Tage zu bringen. Wir finden es immer wichtig eine gewisse Grundaussage in einem Text zu haben, auch wenn der Rest nur eine Geschichte ist. 'Daemons' zum Beispiel ist ein Song über das eigene dunkle Ich, das man bei seinem Denken und Hassen beobachtet und sich letztendlich fragt, ob dieses nicht gewollte oder beschworene Situationen von jemand anderem sind. Das passende Gegenstück dazu ist 'Injected Lies', es soll die totale Abhängigkeit von der Gesellschaft dargestellt werden - die Ketten der Versklavung sind die Medien, die einen Menschen zu jeder Zeit manipulieren, in welche Richtung auch immer. In dieser Art und Weise hat jeder SINNERS BLEED-Text auch seinen gesellschaftskritischen Ansatz, wobei es nie um Moral geht, sondern um den eigenen inneren Verfall, wenn man nicht aufpasst. Für solche Gedankenausbrüche ist Death-Metal-Musik natürlich die geeignete Spielwiese… hart und verworren wie das Leben. Man kann sich aggressiv ausdrücken, ohne gleich von allen angeprangert zu werden.
Henri:
Schreibt ihr inzwischen schon an neuem Material?
Eric:
Nachdem wir in den vergangenen Jahren etliche Wechsel an der zweiten Gitarre hatten, sind wir momentan in der glücklichen Lage den Lille, der unter anderem auch bei der süddeutschen Death-Metal-Formation DEFEATED SANITY die Sticks schwingt, in unserer Band zu haben. Was bedeutet, dass wir uns nicht mehr mit dem zeitaufwendigen Anlernen oder Ausprobieren neuer Gitarristen abmühen müssen, sondern uns auf das Songwriting und Zusammenspiel konzentrieren können.
Henri:
Wann können eure Fans mit einer neuen Scheibe rechnen? Stehen schon ein paar Details fest?
Eric:
Eine neue Scheibe wird es erst fern am Horizont geben. Vielleicht Ende 2005. Wir ziehen es eher vor, wirkliche Knaller-Songs zu schreiben. Und die brauchen eben ihre Zeit. Manchmal erkennt man erst Monate später, dass das eine oder andere Riff oder gar ein kompletter Song doch nicht so der Bringer sind. Dann hat man noch die Möglichkeit, die Titel so umzustrukturieren, dass sie schlussendlich perfekt rüberkommen. Wir haben auch nicht den Druck eines Labels. Es soll ja Deals geben, bei denen vertraglich festgemacht ist, eine Scheibe pro Jahr rauszubringen. Ich persönlich halte nicht viel von Bands, die jedes Jahr ein eher durchschnittliches Album auf den Markt schmeißen. Klar, das Label ist daran interessiert, eine Band nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Das kann man aber, denke ich, durch ausreichende Live-Präsenz kompensieren.
Henri:
Habt Ihr noch Nebenprojekte am Start? An welchen Bands ist wer noch beteiligt? Wie bekommt ihr die ganzen Aktivitäten unter einen Hut?
Eric:
Ich knüppel nebenbei noch bei GOLEM. Da ich der Einzige in der Band bin, der einem geregelten Job nachgeht, habe ich auch den meisten Stress. Er ist aber mit der Musik logischerweise eher positiver Natur. Es ist verdammt erfüllend fast jeden Tag mit Musik zu tun zu haben. SINNERS BLEED und GOLEM teilen sich glücklicherweise auch einen Proberaum. Was die anderen Bandmitglieder angeht, ist wie vorhin schon erwähnt, nur der Lille noch bei einer anderen Band beschäftigt.
Henri:
Ihr habt dieses Jahr auf dem Inferno-Festival gespielt. Was hat der Gig für euch bedeutet?
Eric:
Als uns unsere Managerin darüber informierte, waren wir völlig geplättet. Hey, unser erster Auslands-Gig und dann gleich so ein Highlight! Sie hatte uns im Vorfeld nichts über eine Bewerbung erzählt und uns damit völlig überrascht. Es ist bei diesem Festival so üblich, dass die Veranstalter aus den vielen Demoband-Bewerbungen - damals waren wir noch ohne Vertrieb - sechs Favoriten herausfiltern. Und geil, wir waren dabei. Wir haben einen wirklich geilen Gig hingelegt und es gab auch einen fetten Moshpit vor der Bühne. Meine Freundin berichtete mir von einem völlig überraschten Metalhead, der den Veranstaltungsraum betrat, kurz zuhörte und dann seine Begleiterin stehen ließ und wie ein Berserker zur Bühne stürmte um wie wahnsinnig abzumoshen. Hammer, so muss dat sein! Da lohnt es sich doch auf der Bühne zu stehen. Mit dem Gig hoffen wir natürlich uns einen kleinen Namen bei den Nordmännern und -frauen gemacht zu haben und in Zukunft die Bühnen der anderen skandinavischen Staaten entern zu dürfen.
Henri:
Wie habt ihr das Festival allgemein empfunden?
Eric:
Das ganze Event war perfekt durchorganisiert. Es gab dort zwei Bühnen, die sich abgewechselt haben. Das Billing war gut gemischt. Meine persönlichen Faves waren SADUS und ZYKLON. Erstere waren der absolute Mega-Hammer. Als wir erfuhren, dass sie dort den Headliner machen, freuten wir uns ein zweites Loch in den Arsch. Sie haben definitiv den thrashigen Stil von SINNERS BLEED beeinflusst. Wir waren happy wie kleine Kinder und bangten uns in Trance. ZYKLON waren für mich nur vom Namen her bekannt. Ich war ziemlich beeindruckt von ihrer Show, die mich sehr an MORBID ANGEL erinnert hat. Das Publikum war auch ein gänzlich anders als man es aus Deutschland kennt. Ich kam mir vor wie in einem Sado-Maso-Schuppen. Überall durchgestylte, durch Lack und Leder die holde Weiblichkeit betonende Klamotten tragende dunkle Schönheiten. Frauen oben herum mit Body-Paint und sonst nichts. Die Kerle waren total gepflegte 'Lords Of Darkness'. Das hängt, denke ich, mit der sehr ausgeprägten Black-Metal und Gothic-Szene zusammen. Auffallen um jeden Preis war dort das Motto! Hey man, Steve DiGiorgio stand mit Jesus-Latschen und Schlaghosen auf der Bühne. Das muss für die total schockierend gewesen sein. Der Metal-Bass-Gott in Ober-Hippie-Manier. Ich glaube fast, dass die Musik bei den Nordlichtern eher sekundär ist.
Henri:
Viele Bands aus Norwegen haben ihren Stil mit elektronischen Spielereien versetzt oder machen nun komplett etwas anderes – inwiefern könntet ihr euch für SINNERS BLEED solche radikalen Soundänderungen vorstellen?
Eric:
Momentan können wir uns nicht vorstellen, in unsere Songs irgendwelche Synthie-Sounds zu verarbeiten. Wir wollen schnelle, aggressive und brutale Mucke spielen, und da finden solche Sachen keinen Platz. Dieser ganze Clean-Voice Blackmetal/Gothic/Elektro-Kram geht uns ziemlich auf die Eier.
Henri:
Inwiefern sehr ihr euch mit Bands wie HARMONY DIES als Vorreiter einer eigenen Berliner Death-Metal-Szene vergleichbar, etwa mit Zuständen wie in Göteborg? Existiert für euch so etwas überhaupt?
Eric:
Es gibt in Berlin verdammt viele gute Death-Metal-Bands wie ANENCEPHALUS, GOLEM, SPAWN, FINAL DAWN, FROZEN FIELDS, ORTH, SECRETUM, NECROMORPH... Da nur HARMONY DIES und uns zu nennen, wäre nicht korrekt. Außerdem bestehen einige genannte Bands schon wesentlich länger als wir. Wir kennen uns alle sehr gut, feiern zusammen und helfen uns gegenseitig. Das ist schon vergleichbar mit der Szene in Göteborg. Was ich ergänzend hinzufügen muss ist, dass wirklich jede Band anders klingt. Jede hat sich eigenständig entwickelt und nicht die anderen abgekupfert. Das finde ich phänomenal. Wenn man bedenkt, dass allein zum Beispiel in den USA in ganzen Bundesstaaten die Stile der dort aktiven Bands sich so sehr ähneln. Auch Göteborg oder ganz Schweden, hat bis auf einige wenige Ausnahmen einen eigenen Death-Metal-Sound, der sich wie ein roter Faden durch die dortige Szene zieht.
Henri:
Ihr spielt beim Party.San in diesem Jahr. Wo geht’s sonst noch hin? Kennt ihr das Festival schon - wenn ja, was hat euch dort besonders gefallen?
Eric:
Bis auf das P.S.O.A. stehen erst einmal keine weiteren Gigs an. Dieses Festival ist eines der besten in Deutschland. Das war für mich in den letzten Jahren Pflichtprogramm. Das Gelände ist einfach nur der Hammer. Rundherum Wald. Ich mag die Naturverbundenheit mit der Musik. Da kann man seine Seele baumeln lassen.
Henri:
Was dürfen die Fans dort von eurem Auftritt erwarten?
Eric:
Wir werden uns, wie auf jeden Gig, intensiv vorbereiten und eine verdammt schnelle und aggressive Show abliefern und auch den ein oder anderen neuen Song spielen. Ich bin außerdem noch mit GOLEM auf dem Festival aktiv. Yeahhh!!! Das wird mir so schnell nicht wieder passieren!!! Das gibt jede Menge Kleinholz! Ha, ha!!!
Henri:
Welche Reunion findest du wichtiger und warum – OBITUARY oder SUFFOCATION?
Eric:
Das mit OBITUARY ist doch so viel wie ich weiß nur eine weltweit exklusive Show auf dem F.T.C. und keine wirkliche Reunion?! Ich kann mich da auch irren. Du bist der Journalist. Ich stehe Reunions generell erst einmal skeptisch gegenüber. Bei OBITUARY warten wir es ab. Frag mich beim nächsten Inti noch mal, wenn eine neue Scheibe am Start war. Bei SUFFOCATION haben wir uns alle mehr erhofft. Auch sie waren prägend für den Sound von SINNERS BLEED. Nicht, dass das Album schlecht ausgefallen wäre, aber es tritt nicht mehr so in den Arsch wie “Pierced From Within” oder “Effigy Of The Forgotten”. Schade eigentlich! Sie spielen ja demnächst in Berlin. Das werde ich mir auf jeden Fall reinziehen!
Henri:
Any Last Words?
Eric:
Freaks out there, bleibt uns treu! Lasst alte Omas in Ruhe, geht fein zu SINNERS BLEED-Gigs, wechselt jeden Tag den Schlüpfer, lasst Euch keinen Popelbremser stehen und Ihr werdet sehen, dass Leben kann soooooooooooooo schöööööööööön sein!!!
- Redakteur:
- Henri Kramer