SKYHARBOR: Interview mit Keshav, Dan und Devesh
08.01.2014 | 07:11Die indische/englische Kombo SKYHARBOR ist mit dem Debut "Blinding White Noise: Illusion & Chaos" Mitte 2012 eingeschlagen wie eine Bombe. Wir sprachen mit Keshav Dhar (Gitarre), Daniel Tompkins (Gesang) und Devesh Dayal (Gitarre) vor dem Auftritt auf dem Euroblast-Festival 2013 über neue Pläne und die indische Szene.
Hallo zusammen! Bitte erzählt doch noch mal die Geschichte von SKYHARBOR: Wie fing es an und wie habt ihr euch gefunden?
Keshav:
Es fing in Prinzip als mein Solo-Projekt an - wie bei der Hälfte der Bands dieses Festivals. Ich habe meine Musik geschrieben und sie kostenlos im Internet zur Verfügung gestellt und schon bald fing es an, viele Leute zu interessieren. Dan (Tompkins, JE), kontaktierte mich im Oktober 2010 und meinte, dass er meinen Sound ziemlich gut findet und, dass er interessiert daran wäre den Gesang zum Album beizusteuern. Und natürlich dachte ich, wie jeder andere mit funktionierenden Ohren es wohl auch würde: "Oh yeah!" Ich habe ihm dann einen Song geschickt, welcher ihm auch gefallen hat. Aus einem wurden drei Songs, aus drei wurden fünf und schließlich sieben Songs.
Anup (Sastry, Schlagzeug, JE) kontaktierte mich zur selben Zeit, er wollte Schlagzeugvideos von meinen Songs auf seinem Youtube-Kanal hochladen und fragte mich nach Versionen der Songs ohne Drums. Ich habe ihn dann gefragt, ob er sich vorstellen könnte, die Songs mit mir live zu spielen und hier sind wir nun! Devesh (Gitarre) kannte ich schon etwas länger, er kommt auch aus Indien und spielt in der indischen Band GODDES GAGGED. Die erste SKYHARBOR-Show spielten wir rein instrumental und Devesh spielte mit seiner Band direkt nach uns und hat angeboten, dass er Gitarre bei uns spielen könnte.
Ihr spielt ja nun das zweite Mal auf dem Euroblast (2012 und 2013, JE). Ich habe gehört, dass Dan mittlerweile ein festes Mitglied der Band ist. Was ist seit dem letzten Jahr passiert?
Dan:
Das ist eine spannende Frage! Wir haben für das zweite Album geschrieben, mit neuen Sounds und Ausrichtungen experimentiert und haben versucht einen Schritt nach vorne im Vergleich zum ersten Album zu gehen. Denn wir haben eigentlich nicht erwartet, dass wir live auftreten und als wir die Demos geschrieben haben, hatten wir sehr viel Spaß und haben die Grenzen zu sehr ausgereizt. Als wir die Möglichkeit bekommen haben, live zu spielen, bekam ich fast Panik: Wie sollte ich das alles live reproduzieren können? Wir mussten also viel abändern, damit es realistisch wird. Im Vorfeld des zweiten Albums, haben wir uns darüber Gedanken gemacht, wofür SKYHARBOR steht. Denn wir wollen auch eine Botschaft mitgeben und für etwas stehen. Wir möchten also nicht nur ein paar Songs schreiben und eine Band sein, wir möchten mehr als das. Es war sehr hart, es gab viele Gespräche, viele Mails, viele Ideen in der Bar und wir glauben, dass wir jetzt eine ungefähre Richtung haben. Die möchten wir aber noch geheim halten, damit das zweite Album umso stärker einschlägt. Einen neuen Song werden wir heute spielen.
Ja, den habe ich schon gestern Abend in Hamburg gehört. Ist das die neue Richtung von SKYHARBOR?
Dan:
Ja, obwohl der Song selber auch ein Experiment ist, er ist noch nicht fertig.
Wie schafft ihr es denn neue Songs zu schreiben und zu üben? Lebst du, Dan, jetzt in Indien oder lebt ihr in England...?
Dan:
Wir leben auf der ganzen Welt! Es ist sehr schwer, gemeinsam zu proben. Die erste Show auf dieser Tour in Berlin vor zwei Tagen war unsere Probe. Eigentlich kommen wir vor einer Tour oder Show ein paar Tage vorher zusammen, um gemeinsam zu proben, diesmal gab es jedoch ein paar logistische Schwierigkeiten und wir mussten gleich auf die Bühne. Aber versteh mich nicht falsch: Jeder übt seinen Part zu Hause! Aber es ist natürlich noch mal was anderes, wenn man zusammen mit einer Band spielt. Wir haben also auch gestern in Hamburg geprobt und hoffentlich wird es heute auf dem Euroblast tight. Aber es ist sehr schwierig, ja. Der Schreibprozess andererseits ist sehr einfach, denn wir schreiben alle in unseren eigenen Studios und legen die Ideen zusammen.
Ist eine größere Tour nach dem neuen Album geplant?
Keshav:
Wir möchten, dass das Album so perfekt wie möglich wird - natürlich ist nichts perfekt, aber wir wollen es so gewaltig wie möglich gestalten und froh mit dem Ergebnis sein. Und dann möchten wir es auch unter so viele Leute wie möglich bekommen, es wird also ziemlich sicher zu einer Tour kommen, ich weiß aber nicht in welcher Größe oder wo genau, aber es wird auf jeden Fall einen Live-Support zu dem Album geben, das ist sicher.
Dan:
Es gibt noch viele Dinge, die die Band erreichen muss, bevor wir daran denken können. Der einzige Grund für diese Tour jetzt ist, dass es überhaupt keine für das erste Album gab. Und nun kommen wir auf das Ende des Jahres zu und wollen ein neues Album nächstes Jahr veröffentlichen und haben einfach alles selber organisiert. Wir werden keinen Gewinn machen, wir machen das, damit die Leute uns sehen.
Dan, erzähl doch mal was von deinen Projekten...
Dan:
Ich bin aktuell in drei Projekten aktiv, ich versuche meine Zeit auf alle drei Bands zu balancieren. Auf SKYHARBOR liegt im Moment der Fokus. WHITE MOTH BLACK BUTTERFLY fing als Solo-/Songwriting-Projekt an und dann kam Keshav dazu und produzierte mit mir das Album und schrieb auch an den Songs mit. Das Projekt dreht sich sehr um Soundscapes, ist sehr cinematisch, die Songs sind sehr ambient und experimentell. Ähnlich wie MASSIVE ATTACK, ENIGMA und SIGUR RÓS, was ganz grundlegende Einflüsse sind, wobei ich noch nie ein derartiges konstantes musikalisches Können erreicht habe. Es unterscheidet sich komplett von allem, was ich bisher gemacht habe, es ist sehr introspektiv, sehr offen mit symbolischen Textbedeutungen und sehr spirituell. Ich singe aber auch noch in einer Mainstream Rock/Pop-Band die IN COLOUR heißt. Das ist ein Projekt mit Dan Weller, der auch Gitarrist bei SIKTH ist. Wir hoffen, dass wir demnächst was Neues veröffentlichen, denn wir waren zuletzt sehr inaktiv. Wir telefonieren aber langsam ein Team zusammen und bringen das Ganze wieder zum Laufen. Und das ist es, was SKYHARBOR auch braucht: Ein solides Team um die Band herum. Sonst können wir die Dinge nicht erreichen, die wir erreichen möchten.
Ihr habt ja alle einen unterschiedlichen Blickwinkel auf die Progszene. Gestern habt ihr mit TWELVE FOOT NINJA und EVER FORTHRIGHT gespielt, heute spielen noch viel mehr Bands, die unter dem Label "Progressive" laufen und doch sehr unterschiedlich sind. Was sind eure Gedanken zu der Szene?
Devesh:
Ich denke, dass der Vorteil von progressiver Musik generell ist, dass jeder zwar progressive Musik spielt, aber total einzigartig klingt. Es ist außerdem cool für die Zuschauer, dass sie zu einer Show gehen können und sich jede Band klar unterscheidet und nicht alles wie ein Song klingt. Das schätze ich sehr!
Sprechen wir doch auch mal kurz über die indische Metalszene. Ist es einfach für neue Bands bekannt zu werden? Ich meine, die indische Metalszene ist sehr stark, aber wie ist sie organisiert?
Devesh:
Das ist eine ganz andere Welt, ein ganz anderes Universum. Wenn du gute Musik machst, wirst du bemerkt werden und du wirst auch ein paar gute Shows spielen, aber die meisten Bands touren nicht international und sehen sich nur als eine "indische Band" und nicht als "Band". Das versuchen wir zu durchbrechen und auch international zu spielen und eine Band auf der Weltbühne zu werden.
Keshav:
Das ist das Problem an der indischen Szene: Sie guckt nicht nach außen, was sehr unglücklich ist. Es gibt zwar ein paar Bands, die voraus denken und versuchen dahinter zukommen nicht nur in Indien zu spielen. Es gibt viele indische Bands, die gute Musik machen, sie haben aber alle ihre alltäglichen Jobs und sind damit zufrieden. Doch was ich bemerkt habe, ist, dass es sehr schwierig ist, wenn man einen Tagesjob hat, von einem regelmäßigen Einkommen loszulassen. Das Geld zieht einen an. Viele Bands spielen ihre Musik also nur als Hobby am Wochenende oder einmal im Monat. Und wenn sie dann einmal im Jahr international spielen, ist das toll, aber wenn es darum geht zu touren, geht das nicht mit den Jobs einher und dann lassen sie es sein, warum auch immer. Die Musik ist also nur die zweite Spielwiese. Ein anderes Problem mit der indischen Szene ist, dass alles so in sich abgeschlossen ist. Die Leute sind so froh, dass sie in ihrer geschlossenen Szene sind, eine große indische Band zu sein, reicht ihnen. Verstehst du was ich meine? Ich finde das total ärgerlich, wie kann man als Band, als Künstler oder einfach als Individuum wachsen, wenn du nicht hinter diese Grenze guckst, die du selbst kreiert hast? Der indische "Rolling Stone" hat so eine Art Metal Awards verliehen und aus 12 oder 13 Kategorien haben wir acht gewonnen. Und sofort kamen die Leute an und meinten, dass wir nun richtig groß seien und so weiter.
Devesh:
Aber darum geht es nicht!
Keshav:
Ganz genau. Was haben wir denn tatsächlich erreicht? Wir sind noch so eine winzige Band auf der Weltbühne, wir haben uns vielleicht gerade mal selbst bewiesen. Zu der Zeit der Verleihung haben wir noch nicht mal richtig getourt, haben gerade mal sieben oder acht Shows gespielt. Denke immer an das Gesamtbild! Klar, jeder hat seine Vorlieben, aber für uns ist es Musik, was wir machen wollen. Wir leben nur einmal und wenn wir fehlschlagen, ist das egal, aber immerhin haben wir gelebt und es hart probiert! Für andere kommen die Absicherung, das Geld und das leibliche Wohl zuerst. Ich möchte nichts verurteilen, aber die Szene könnte so viel mehr sein, wenn die Leute die Musik über andere Dinge stellen würden, aber im Moment sieht es nicht so aus, als ob das passieren würde.
Devesh:
Darüber haben wir uns auch gerade auf der Autofahrt unterhalten.
Keshav:
Es ist echt eine Schande, denn es gibt dort so viel gute Musik!
[Es folgte eine längere Diskussion über diese Thematik, alles wiederzugeben würde den Rahmen sprengen. JE]
- Redakteur:
- Jakob Ehmke