SOLSTAFIR: Interview mit Guðmundur

13.01.2006 | 18:22

Gleich zu Beginn des neuen Jahres kommt ein Hammer für alle, die extreme und progressive Klänge lieben - die neue Scheibe von SÓLSTAFIR. Die Isländer haben mit "Masterpiece Of Bitterness" ein göttliches Werk irgendwo im Spannungsfeld zwischen Black Metal und Rock erschaffen. Zu ihrem Geniestreich hat Guðmundur, der Drummer von SÓLSTAFIR, eine ganze Menge zu erzählen - denn in Island scheint es leicht, in kreative Stimmungen zu kommen.

Henri:
SÓLSTAFIR-Jungs, hallo! Ich hoffe, es ist zur Zeit nicht zu kalt in Island?!

Guðmundur:
Das Wetter hier ändert sich ständig, weil wir kein kontinentales Klima haben - manchmal regnet es, manchmal schneit es, manchmal hagelt es - und gerade haben wir Frost.

Henri:
Ihr wundert euch vielleicht, warum ich so ein Interview mit dem Wetter beginne. Ich möchte wissen, wie das Klima und die Landschaften in Island die Musik eurer aktuellen Scheibe "Masterpiece Of Bitterness" beeinflusst haben?

Guðmundur:
Gut, wir haben einen Großteil des Albums in Stokkseyri aufgenommen. Das ist ein kleines Fischerdorf an der Südküste. Man braucht eine gute Stunde von Reykjavík bis dahin. Die Fahrt geht dabei über Lavafelder und Bergpässe, da bekommt man schon komische Anwandlungen. Wir sind immer am Freitag hingefahren und haben dann bis in die Nacht hinein gearbeitet. Samstag haben wir bis spät Abend weiter gemacht. Nachts sind wir dann zurück nach Reykjavík gefahren, um dort betrunken zu werden. Das lag auch an unserem Techniker und Co-Producer Sigurgrímur Ullarpeysa Jónsson, weil er dort seiner derzeitige Freundin kennen gelernt hat. Sonntag früh sind wir dann nach ein paar Stunden Schlaf wieder zurück nach Stokkseyri gefahren und haben weiter gewerkelt. In der Nacht ging es dann wieder zurück nach Reykjavík.
Als wir bei den Aufnahmen schon weiter gekommen waren, haben wir dann oft die Rough-Mixe der Songs gehört, wenn wir über die Lavefelder und die dunklen Bergpässe gefahren sind. Manchmal ging es dabei durch verrückte Schneestürme, manchmal fuhren wir unter den Sternen und hellen Nordlichtern am klaren Winternachtshimmel – und nirgendwo sonst über Meilen hinweg war auch nur ein Licht zu sehen. Und manchmal herrscht einfach deprimierendes Regenwetter. Ich denke, dass diese Stimmungen wirklich mit in die Songs flossen. Es sind diese Fahrten, die ich beim Hören der Scheibe vor mir sehe. Natürlich wollten wir sowieso solch eine Grundstimmung auf der Scheibe wiederfinden, aber die Bedingungen haben sie wohl noch stärker ausgeprägt.

Henri:
Was war der wichtigste Einfluss für die Musik auf "Masterpiece Of Bitterness"?

Guðmundur:
Unseren stärkste Einflüsse für das Album - wie auch für unsere anderen Sachen - kommt aus unseren eigenen Persönlichkeiten. Wir vermeiden es soweit wie möglich direkt von anderen Bands beeinflusst zu werden. Natürlich werden aber unsere Persönlichkeiten von allem beeinflusst, was wir hören, sehen, tun und erleben. Aber wir entscheiden nie, wie ein Song klingen sollte, bevor wir ihn schreiben - wir lassen es einfach natürlich fließen. Ich fühlte mich seltsam, wirklich leer, weil wir für das Album mehr als ein Jahr gebraucht hatten und es gerade fertig war.

Henri:
Warum heißt dann das neue Album "Masterpiece Of Bitterness"? Welche Gefühle wollt ihr denn damit transportieren - nur Bitterkeit?

Guðmundur:
Oh, das ist eine lange Geschichte. Aber das ist ja egal, ich erzähle sie trotzdem. Als unser Sänger und Gitarrist Aðalbjörn und Sigurgrímur in Helsinki waren, um das Album zu mastern, setze ich mich an den Computer und schrieb eine kleine Pressemitteilung für unsere Homepage. Das Album wurde mit Sicherheit nicht in der glücklichsten Lebenszeit aller Bandmitglieder geboren. Aber das Album war möglichweise das eine Ding, dass uns angetrieben hat weiter zu machen - mit dem Wissen im Hinterkopf, dass wir wirklich ein Meisterwerk kreiert haben. Wenn du das nicht so siehst, liegst du mit Sicherheit falsch, hehe.
Aber zurück zu dem Moment, als ich an dem PC saß: Ich erinnert mich dabei an eine Zeile von 'Black Angel' von THE CULT. Sie lautet etwa so: "Emptiness, his bitterness is gone". Also, als wir uns leer fühlten, weil das Album fertig war, war die Scheibe also "gone", musste also auch die Bitterkeit weg sein - zumindest ein unteilbares Stück davon. So also schrieb ich am Ende: "The master piece of bitterness will be out in December on Spikefarm Records", klickte auf Enter und setzte den Satz ins Netz. Gleich nachdem ich das getan hatte, bemerkte ich, was dies für ein passender Titel wäre. So sendete ich Addi [Aðalbjörn - d. Verf.] eine Nachricht und teilte ihm mit, dass ich ein wenig Mist auf unsere Seite geschrieben hätte. Aber ich sagte ihm noch nicht, dass ich schon über diesen Titel nachdachte. Ich wollte, dass er es erst liest und wollte ihm den Titel erst nach seiner Rückkehr nach Island vorschlagen. Ein paar Minuten später schrieb er mir aber schon eine Nachricht zurück und meinte, was das für ein cooler Titel wäre. Er las das an einem Computer im Spinefarm Label-Büro und fühlte genau wie ich, dass dies der Name des Albums sein sollte.
Zu den Gefühlen: Die Gefühle, die ich aus dem Album gezogen habe, waren nicht nur bitter. Wir hatten auch ein paar wirklich gute Zeiten, während wir das Album aufgenommen haben. Wenn wir nach Stokkseyri zum Aufnehmen gefahren sind, war das wie eine kurzweilige Flucht aus der bitteren Realität. Die Bitterkeit wurde ausgeschlossen und wir konnten arbeiten.

Henri:
Ich sehe ein paar Ähnlichkeiten zu Bands wie PRIMORDIAL, NEUROSIS, OPETH, ULVER, frühen TIAMAT and BATHORY - wie würdest du denn eure Art von Metal beschreiben?

Guðmundur:
Ja, dies sind alles Bands, die ich auch höre - obwohl PRIMORDIAL und OPETH nicht so oft. Aber Addi, der den größten Teil der Musik schreibt, hört solche Sachen nicht sehr oft. Er mag mehr Oldschool Rock'n'Roll wie THIN LIZZY, AC/DC und ein paar Thrash-Metal-Bands wie SADUS, METALLICA oder SLAYER. Wie ich schon vorhin sagte, es gibt Ähnlichkeiten, aber keine direkten Einflüsse. Ich weiß auch nicht genau, wie ich die Musik beschreiben soll. Ich brauche noch möchte ich, dass sie in einer schon existierenden oder neuen Kategorie eingeordnet wird. Es ist einfach Metal. Manchmal ist es episch, manchmal rau, manchmal experimentell, manchmal psychedelisch. Die Leute können dazu sagen was sie wollen, aber für mich ist es einfach Metal.

Henri:
Zu den einzelnen Titeln: Basiert der Song "Ritual Of Fire" auf einem echten Ritual?

Guðmundur:
Nein und ja. Es basiert auf einem Gedanken, einer Idee, einem Ritual des Verstands. Es ist ein Hommage.

Henri:
Was bedeuten die Songnamen "Ljósfari" und "Náttfari"?

Guðmundur:
Beide Songs haben im CD-Booklet andere Namen, "Lux Fare" und "Nox Fare". Lux Fare ist der originale Name von Lucifer, der mit dem Licht reist und es bringt. In Island heißt das übersetzt "Ljósfari". "Náttfari" ist einer der vielen Pseudonyme von Sæþór, unserem Gitarristen. Er hatte dieses Instrumental, brauchte aber noch einen Titel - und so entschieden wir, es nach ihm zu benennen. "Náttfari" bedeutet im Isländischen: Jener, der mit der Nacht reist und sie bringt - also das genaue Gegenteil von Lux Fare. Dann dachte ich darüber nach, dass wir diese zwei Songs haben, eben "Lux Fare" und "Náttfari": Zwei Namen, die das Gegenteil des anderen meinen - aber in zwei verschiedenen Sprachen. So übersetzte ich "Lux Fare" ins Isländische mit "Ljósfari" - und "Náttfari" ins Lateinische mit "Nox Fare".

Henri:
Wie würdet ihr eure Texte ganz allgemein beschreiben?

Guðmundur:
Alle Texte für das Album sind sehr persönlich und spielen mit den inneren Emotionenen; manche sind eher alltäglich und universell, manche mehr seelisch und psychedelisch.

Henri
Was wollt ihr mit dem Cover von "Masterpiece of Bitterness" ausdrücken - ist das ein Bandporträt?

Guðmundur:
Nein, es ist ist das Porträt von den den verschiedenen Seelenlagen eines Mannes, seinen Höhen und Tiefen. Ich denke, es beschreibt die Stimmung auf dem Album sehr gut.

Henri:
Ok, weg vom Album. Ihr arbeitet jetzt schon elf Jahre als SÓLSTAFIR zusammen - warum ist dann "Masterpiece Of Bitterness" erst eure erste Scheibe? Ich weiß ja, dass ihr ein paar 7'er und solche Sachen veröffentlich habt, aber es ist nach so einer langen Zeit erst euer erstes richtiges Album?!

Guðmundur:
Nicht ganz. Eigentlich ist es unser zweites Album, nur eben unsere erste Scheibe bei Spikefarm. Unser Debüt "Í Blóði og Anda" brachten wir 2002 bei dem deutschen Label Ars Metalli heraus. Wir fingen 1999 an das Album aufzunehmen, aber hatten dann eine Menge Ärger - für Außenstehende sah dies natürlich aus, als seien wir drei Jahre lang faul gewesen. Kurz nachdem die Platte dann erschien, brach das Label auseinander, weswegen die Scheibe keine gute Werbung bekam. Im selben Jahr brachten wir noch eine 7'er-EP heraus und fingen sofort danach mit den Songs für "Masterpiece Of Bitterness" an. Wir fingen Anfang 2004 an es aufzunehmen, aber wurden nicht bis Mitte 2005 fertig. Und so sah es für Außenstehende wieder aus, also seien wir drei Jahre faul gewesen. Außerdem haben wir 1996 eine 4-Song-Mini-CD veröffentlicht, die nur in Russland mit den orginalen sechs Songs der zwei Jahre zuvor veröffentlich wurde. Die Wahrheit ist, dass wir während der gesamten elf Jahr immer nur ein paar Wochen nichts mit der Band gemacht haben.

Henri:
Und wie seid ihr zu Spikefarm Records gekommen? Seid ihr zufrieden?

Guðmundur:
Sami, der Chef von Spikefarm, sah uns im letzten April bei einem Konzert in Kopenhagen zusammen mit Mat von <CODE> - übrigens die einzige Black-Metal-Band der letzten Jahre, die etwas Frisches machen. Jedenfalls denke ich, dass er unseren Auftritt gut fand, weil er uns ein paar Tage später einen Vertrag schickte. Jetzt sind wir sehr zufrieden mit Spikefarm, es ist viel besser, als wir in unseren Träumen hoffen konnten. Als wir selber im November da waren, sahen wir, dass es dort wie in einer großen Familie zugeht und viele coole Leute arbeiten.

Henri:
Was sich vielleicht auch viele Leser fragen: Was bedeutet eigentlich SÓLSTAFIR?

Guðmundur:
Dämmerige Strahlen.

Henri:
Ihr habt ja noch nie in Deutschland gespielt - wann kommt ihr endlich?

Guðmundur:
Wir hoffen, dass wir im nächsten Sommer ein paar Gigs in Deutschland organisieren können. Wir warten darauf seit vielen Jahren. Das einzige Problem ist, dass wir nur wenige Promoter oder Bands in Deutschland kennen (außer unseren Freunden von DRAUTRAN und HELLFUCKED - Hail and Kill!). So ist es ein wenig schwierig das selbst zu arrangieren. Aber wir versuchen natürlich, bei ein paar Festivals dabei zu sein.

Henri:
Spielt ihr denn oft in Island?

Guðmundur:
Ja, hier spielen wir so ein bis zweimal im Monat - zumindest war das so in den letzten anderthalb Jahren oder so.

Henri:
Ok, hier sind noch Wörter - schreib einfach schnell hin, was dir einfällt.

Guðmundur:
Vision - Vision Street Wear (Oldschool Skaters wissen, was gemeint ist)
True Black Metal - <CODE>
Geysir - Geysir í Haukadal - das ist der echte Geysir; es ist immer lustig, dass alle Ausländer alles Geysir nennen, aber es gibt nur diesen einen
Heathen - ein Wort, dass von den heutigen Black-Metal-Kids missverstanden wird
Wodka - Finnland
NS - Nova Scotia

Henri:
Ok, ein paar letzten Worte an die Leser von Powermetal.de?

Guðmundur:
Danke für das gute Interview.
"Buy our album, it's a masterpiece you know! Nuke the whales! Étið grjót! All hail King Evil! Fieldz eru lang bestir! Thanks for the support!"

Redakteur:
Henri Kramer

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