SONATA ARCTICA: Interview mit Jani Liimatainen

01.01.1970 | 01:00

Zwischen Bandproben für die anstehende Tour, einem Videodreh in Japan und während eines dreitägigen Promo-Marathons klingelt ein dennoch erstaunlich entspannter und gut gelaunter Jani Liimatainen (g.) von SONATA ARCTICA bei mir durch, um sich meinen Fragen zu stellen. Denn schließlich steht mit dem neuen Album "Reckoning Night", der Tour als Special Guest von NIGHTWISH und der beständig wachsenden Popularität der Band ausreichend Gesprächsstoff zur Verfügung. Auch von ein paar Problemen mit der Telefonleitung ließ sich der sympathische Finne nicht aus der Ruhe bringen.

Martin:
Hallo, wie geht's? Ihr seid gerade ziemlich beschäftigt, wie ich erfahren habe. Ihr probt für die kommende Tour, dreht ein Video in Japan und macht "zwischendurch" ordentlich Promotion für das neue Album "Reckoning Night".

Jani:
Ja, danke der Nachfrage. Uns geht es recht gut. Die Promo-Aktivitäten in Deutschland neigen sich dem Ende zu, morgen geht es kurz nach Hause, um die Klamotten zu wechseln, und in einer Woche fliegen wir nach Japan.

Martin:
Sprechen wir über das neue Album, welches mir sehr gut gefällt. Es ist sehr abwechslungsreich ausgefallen und wirkt reifer als die Vorgänger. Ihr müsst sehr zufrieden sein, oder?

Jani:
Ja, danke erst mal für dein Lob. In der Tat sind wir sehr zufrieden mit "Reckoning Night" und sogar richtig stolz darauf, das mit Abstand beste Album unserer Karriere bis zum heutigen Tag gemacht zu haben. Es unterscheidet sich doch recht stark von den vorigen Alben.

Martin:
Mich hat beim Hören der Scheibe nur gewundert, dass mit 'Reckoning Day, Reckoning Night' quasi der Titelsong ein Instrumental geworden ist. Wie kam es dazu, und was ist die Idee dahinter?

Jani:
Nun, genau genommen ist es gar nicht der Titelsong im eigentlichen Sinne. 'Reckoning Night' stellt vielmehr ein Intro zum folgenden Song 'Don't Say A Word' dar. Es soll einfach eine gewisse Atmosphäre aufbauen, das ist alles. Der Album-Titel entstand auch schon vorher. Es war also anders herum, der Songtitel ist nach dem Album benannt, aber eben nicht genau identisch.

Martin:
'Don't Say A Word' ist das Stichwort. Das ist die aktuelle Single von SONATA ARCTICA. Im Gegensatz zu vielen eurer Kollegen habt ihr auch in der Vergangenheit immer Singles veröffentlicht. Wie wichtig sind euch Singles, und warum macht ihr das?

Jani:
Singles sind vor allem in unserer Heimat Finnland sehr wichtig. Singles, auch und vor allem im Metalbereich, verkaufen sich speziell in Finnland sehr gut. Als 'Don't Say A Word' erschien, sind wir damit sofort auf Nummer eins der Single-Charts gegangen. Es hängt wohl auch mit den CD-Preisen zusammen. Singles sind nun mal günstiger als ganze Alben. Singles werden von den Fans auch als Appetithappen für die Alben angesehen und dementsprechend angenommen. Man kann so auch prima neue Bands entdecken.

Martin:
Was hat es mit den beiden Stücken auf sich, die auf der Single 'Don't Say A Word', nicht aber auf dem neuen Album 'Reckoning Night' zu hören sind?

Jani:
Das sind Coversongs. Wir brauchten natürlich weiteres Material, welches exklusiv auf der Single stehen sollte. Der erste Song 'Two Minds, One Soul' ist ein Cover der Australier VANISHING POINT, mit denen wir in der Vergangenheit zusammen mit GAMMA RAY getourt sind. Wir haben uns einen Bus geteilt und uns mit ihnen angefreundet. Wir sind der Meinung, dass sie nicht annähernd die Aufmerksamkeit speziell in Europa bekommen, die sie eigentlich verdient hätten. So ist dies als Anschubhilfe für unsere Freunde von VANISHING POINT zu verstehen, weil wir ihnen helfen möchten. Und außerdem ist es einfach ein guter Song. Der zweite Song 'World In My Eyes' ist ein DEPECHE MODE-Cover. Unser Sänger Tony und ich sind seit langer Zeit riesige DEPECHE MODE-Fans. Wir wollten schon während der Aufnahmen zu "Winterheart's Guild" einen MODE-Coversong aufnehmen. Der Song selber ist einer der weniger bekannteren von DEPECHE MODE und stammt vom "Violator"-Album der Band. Wir wollten uns ganz bewusst nicht eines ihrer größten Hits annehmen und diesen möglicherweise verunstalten ... (lacht). Es war auch sehr interessant für uns, mal mit Samples und dergleichen zu arbeiten.

Martin:
Kommen wir zu der Frage, warum Skandinavien generell so ein gutes Pflaster für Hardrock oder melodischen Metal ist. Wo liegen deiner Meinung nach dafür die Gründe, dass aus dem Norden Europas so viele gute Bands kommen?

Jani:
Hm ... eine schwierige Frage. Ich bin das schon oft gefragt worden und habe dennoch keine Antwort parat. Vielleicht ist die traditionelle Melancholie der Skandinavier einfach so gut in unsere melodische Musik zu übertragen? Man hört skandinavische Bands immer heraus, weil sie sich meistens sehr von anderen Bands unterscheiden, auch wenn diese eigentlich den selben Stil spielen. Auch hört man häufig einer italienischen Band ihre Herkunft an, aber ehrlich gesagt, kann ich die Frage nicht besser beantworten. Ich bin natürlich über den momentanen Erfolg von Bands aus meiner Heimat sehr froh ...

Martin:
Die nächste Frage hast du wahrscheinlich noch nie gehört ... Spaß beiseite, was sind deine bzw. eure musikalischen Einflüsse?

Jani:
(lacht) Als wir 1999 mit unserem Debüt "Ecliptica" anfingen, hat uns wirklich jeder mit STRATOVARIUS verglichen, was auch in Ordnung war, denn wir sind damals schon sehr von ihnen beeinflusst worden. Viele haben uns danach als STRATOVARIUS-Klon abgestempelt, ohne zu erkennen oder erkennen zu wollen, dass wir uns weiterentwickelt haben. Das neue Album beispielsweise klingt nun wirklich nicht mehr wie STRATOVARIUS. Für manche ist das schwer zu akzeptieren, weil sie ihre Meinung haben, und mit diesen Vorurteilen haben wir zu kämpfen. Heutzutage haben wir eben nicht mehr diese Einflüsse wie früher, obwohl natürlich jeder in der Band seine eigenen Einflüsse mit einbringt. Spätestens mit "Winterheart's Guild" haben wir meiner Meinung nach unseren eigenen Stil gefunden, den wir auf "Reckoning Night" dann noch weiter verfeinert haben.

Martin:
Sprechen wir doch mal über die anstehende Tour, die euch als Special Guest von NIGHTWISH in Deutschland in die größten Hallen führen wird. Was versprecht ihr euch von den Gigs?

Jani:
Das wird riesig! Wir sind schon länger, seit 2000 ungefähr, mit NIGHTWISH befreundet und wollten schon häufiger mit ihnen losziehen. Das hat aus den verschiedensten, meist organisatorischen Gründen wie Studio-Terminen oder anderweitigen Tour-Verpflichtungen nie geklappt. Daher sind wir gerade in der jetzigen Situation, wo wir ein brandneues Album am Start haben und NIGHTWISH dermaßen erfolgreich sind, glücklich, dass es hinhaut. Viele der Zuschauer werden vielleicht gar nicht aus dem traditionellen Metalpublikum stammen, was uns die Möglichkeit eröffnet, sie auf unsere Seite zu ziehen. Wir können so ganz neue Zielgruppen ansprechen. Wir freuen uns sehr auf die Gigs und denken, dass wir eine Menge Spaß haben werden.

Martin:
Ihr kennt die großen Bühnen schon ein wenig. Ihr habt beim Sweden Rock 2003 einen umjubelten Gig gespielt, auch Wacken kennt ihr zur Genüge. Was mögt ihr lieber: Eine ausverkaufte Clubshow oder ein großes Konzert, bei dem ihr nicht nur vor eigenen Fans auftretet? Wo liegen die Unterschiede?

Jani:
(überlegt) Nun, alles hat natürlich Vorteile. Auf großen Festivals kann man eben mehr Leute erreichen, auch solche, die sonst nicht unsere Konzerte besuchen würden, aber anderseits ist das Austauschen von Emotionen zwischen Künstler und Fans bei kleinen, mehr intimeren Clubshows natürlich intensiver. Auch wenn mir persönlich auf kleineren Bühnen mehr "Feeling" auf beiden Seiten möglich erscheint, sind große Konzerte eine Riesensache, und eben auch sehr wichtig, um voranzukommen.

Martin:
Da wir ja bekanntermaßen ein Internet-Magazin sind, würde mich deine generelle Einstellung zu diesem Medium interessieren. Ihr habt ja selbst eine sehr nette und gut strukturierte Homepage und sehr zahlreiche Fan-Seiten im Netz.

Jani:
Das Internet bietet natürlich fantastische Möglichkeiten, wie z. B. die Bekanntheit einer Band enorm zu steigern oder Informationen schnell und effektiv zu verbreiten. Das Ganze im Sinne eines mächtigen Marketing-Werkzeugs. Das Internet birgt aber zwangsläufig auch Gefahren. Es ist nicht in Ordnung, wenn Musik dort zur "kostenlosen" Ware verkommt, die jeder ohne groß zu überlegen einfach runterlädt und in Massen brennt und die Künstler damit betrügt, sowie die ganze Musikbranche damit in Frage stellt.

Martin:
Hast du abschließend noch ein paar letzte Worte für unsere Leserschaft von POWERMETAL.de?

Jani:
Ja, definitiv! Wir freuen uns sehr darauf, bei euch zu spielen, und hoffen, viele von euch zu treffen. Weiterhin hoffe ich, dass viele das neue Album antesten und mögen und dann bei den Gigs lautstark mitsingen, damit wir alle eine große Party feiern können. Wir wollen Spaß haben und hinterher ein Bier trinken (lacht) ...

Martin:
Ja, das wird sich doch verwirklichen lassen ... Dann bleibt mir nur noch, mich für das Interview zu bedanken und euch viel Glück mit dem neuen Album und der kommenden Tour zu wünschen.

Jani:
Auch dir vielen Dank und alles Gute.

Redakteur:
Martin Stark

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