SPIRITUAL CRAMP: Interview mit Stefan Klauke und Holger Schmiedl
01.01.1970 | 01:00Mit "Time" haben SPIRITUAL CRAMP vor Kurzem eine abwechslungsreiche und vielseitige EBM-Scheibe veröffentlicht, welche nicht nur zum Tanzen, sondern anhand der tiefgründigen Texte durchaus auch zum Nachdenken anregt (Review findet ihr in unserem Archiv).
Stefan Klauke und Holger Schmiedl, kreative Köpfe und Gründermitglieder der Band, standen zum E-Mail-Interview bereit und erzählten von der Arbeit am Album, wie sie zu EBM stehen und woher der Bandname SPIRITUAL CRAMP "geklaut" wurde...
Kathy:
Seit März ist euer neues Album "Time" auf dem Markt. Seid ihr mit dem Ergebnis eurer Arbeit zufrieden?
Holger:
Nachdem die Aufnahmen abgeschlossen waren, haben wir einige Sachen gehört, die man hätte besser machen können. Man kann natürlich keine "Independent"- Produktion mit einer Millionen teuren Produktion vergleichen. Aber dennoch brauchen wir uns keinesfalls zu verstecken. Ich bin ich mit der "Time" sehr zufrieden.
Stefan:
Wir sind an die Produktion der CD relativ naiv und verspielt herangegangen. Zum Beispiel hatten wir beim Song "Das Wasser" einen wahnsinnig tiefen und lauten Herzschlag-Sound als Fundament. Für sich alleine klang der Song wirklich cool, aber mitten im Album fehlte es dann einfach an Lautstärke. Wegen solcher Sachen haben wir mehrere Songs überarbeiten müssen.
Kathy:
Wie lange habt ihr insgesamt an der Platte gearbeitet?
Holger:
Ein Album zu erstellen, welches gut 70 Minuten einnimmt, braucht natürlich sehr viel Zeit. Viele Ideen und Demos existierten schon einige Jahre. Einige Songs sind innerhalb kürzerer Zeit hinzugekommen. Insgesamt gesehen kann man sagen, dass für Komposition, Texte und Überarbeitung zwei Jahre veranschlagt werden müssen.
Kathy:
Die Stücke zeichnen sich durch nachdenkliche und tiefgründige Texte aus. Was genau inspiriert euch bei der Verfassung/Kreation eines Liedes?
Stefan:
In den meisten Fällen ist es die momentane Gefühlslage, die einen neuen Text prägt. Ich habe den Eindruck, dass ich weit kreativer bin, wenn ich eher unglücklich bin. Melancholie sitzt einfach tiefer als Fröhlichkeit. Manchmal ist es auch so, dass ich irgendwelche Textfragmente und halbfertige Songs längere Zeit mit mir herumtrage, bis sie sich plötzlich im Kopf zusammenfügen, so zum Beispiel bei "Remaining: Zero" und "Quiet". Ideen erstellt man ja nicht, sie kommen einfach.
Kathy:
Wie auch schon bei WELTENBRAND hat Alex Krull von ATROCITY bei euch als Produzent hinter den Reglern gesessen. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Holger:
Oh, da habt ihr wohl im Booklet nicht richtig gelesen! "Time" wurde komplett selber produziert. Demnach gab es keine direkte Zusammenarbeit, Alex Krull hat unser Album nur gemastered.
Kathy:
A propos WELTENBRAND: Ihr habt für deren Album "In Gottes Oder Des Teufels Namen" einen Remix des Songs "The Fiddler" beigesteuert. Seid ihr mit der Band befreundet oder wie kam es dazu?
Holger:
Oliver Falk von WELTENBRAND wollte gerne mal einen Remix haben. Wir fanden den "Fiddler" ideal dafür und haben es gemacht. Ein richtiger Remix ist es eigentlich nicht geworden, da Ivi und Stefan den Gesangspart übernommen haben. Man kann es vielleicht einen CoverRemix nennen.
Kathy:
SPIRITUAL CRAMP gibt es bereits seit 1994. Wenn ihr mal einen Blick auf damals und heute werft, inwieweit habt ihr euch dann in den vergangenen 7 Jahren musikalisch weiterentwickelt?
Holger:
Meiner Meinung nach haben wir uns produktionstechnisch kontinuierlich weiterentwickelt. Musikalisch sind wir uns immer treu geblieben. Wir machen die Art von Musik, die wir machen wollen. Ok, es mag sein, dass diese beabsichtigte Eigenwilligkeit in Form von ungewöhnlichen Songs nicht jedermanns Sache ist, aber dieses ist unser Stil. Der eine oder andere mag aber auch dadurch vielleicht mit einem solchen Album überfordert sein. Die "Time" ist sehr facettenreich und dümpelt halt nicht von vorn bis hinten mit den gleichen Beats dahin. Seinen eigenen musikalischen Weg zu gehen ist doch gerade für eine Band enorm wichtig, sofern sie nicht als die 100ste Kopie einer anderen angesagteren Band gelten will.
Kathy:
Seit der Gründung der Band gab es häufige Wechsel in eurem Line-Up. Muss man fürchten, dass die jetzige Besetzung auch nicht auf Dauer hält?
Holger:
Stefan und ich sind Gründungsmitglieder von SPIRITUAL CRAMP und waren eigentlich schon immer die primären Kräfte der Band. Außerdem ist es für eine Band, die es mehrere Jahre gibt, nichts Ungewöhnliches, wenn es einen Line-Up-Wechsel gibt. In einer Band zu sein heißt auch weiterhin eine Menge Geld und Zeit zu investieren. Dieses ist aber nicht für jedermann dauerhaft möglich. Mit der "jetzigen" Besetzung bin ich voll zufrieden und finde unser Trio perfekt.
Kathy:
Warum habt ihr euch eigentlich den seltsamen Namen SPIRITUAL CRAMP (="spiritueller Krampf") gegeben?
Stefan:
Den Namen haben wir von dem gleichnamigen Song von CHRISTIAN DEATH übernommen. Mit denen haben wir zwar musikalisch nicht soviel gemeinsam, aber zur Zeit der Namensfindung habe ich die Band täglich gehört. Da bot es sich an, einen kleinen Tribut zu zollen. Außerdem fand ich es ganz witzig, als Namen einer Electro-Combo den Songtitel einer Goth-Band zu wählen, sozusagen als kleines Verwirrspiel.
Holger:
Man könnte unseren Namen auch mit "geistiger Fessel" deuten. So soll es sein!
Kathy:
EBM hat heutzutage in manchen Kreisen den schlechten Ruf, immer mehr nach Mainstream-Techno zu klingen. Wie seht ihr dieses Vorurteil (von dem ich leider auch leicht befallen bin)?
Stefan:
Ich würde eher sagen, dass heutzutage Bands, die eigentlich Mainstream-Techno machen, als EBM bezeichnet werden, sobald sie nur ein kleines bisschen düster klingen oder sich so geben. Dummerweise scheint es genau das zu sein, was die Leute hören und sehen wollen. Ich habe nichts dagegen, Einflüsse aus allen möglichen modernen und populären Musikrichtungen zu verarbeiten - das machen wir ja auch - allerdings muß die Basis stimmen.
Kathy:
Was haltet ihr von anderen EBM-Gruppen wie z.B. PROJECT PITCHFORK, APOPTYGMA BERZERK oder BLUTENGEL? Hört ihr privat auch solche Musik?
Holger:
Früher habe ich mehr Mainstream gehört, davon bin ich weitgehend ab. Ich verköstige lieber den Underground.
Stefan:
Natürlich höre ich auch privat EBM, die drei genannten Bands interessieren mich allerdings nicht (mehr) so sehr. Meine Lieblinge (was Elektronik angeht) sind immer noch HAUJOBB.
Kathy:
Wie wichtig ist euch Präsenz im Internet, sprich messt ihr den digitalen Medien große Bedeutung bei? Immerhin habt ihr auch eine eigene Homepage.
Holger:
Ich persönlich finde das Internet sehr wichtig, da man mit dessen Hilfe eine einfache Möglichkeit des Informationsaustausches geboten bekommt. In dieser doch so schnelllebigen Zeit ist das Internet das (fast) perfekte Medium.
Kathy:
Habt ihr vor, 2001 auf Tour zu gehen?
Holger:
Ich würde mich sehr freuen auf Tour zu gehen, denn damit würde endlich ein weiterer lang gehegter Traum in Erfüllung gehen.
Stefan:
Eventuell wird es im Herbst eine kleine Tour geben, unser Label werkelt gerade daran (hoffe ich).
Kathy:
Was für Ziele habt ihr euch für die Zukunft gesteckt?
Holger:
Das nächste Ziel ist es, ein weiteres Album zu veröffentlichen. Tempus fugit!
- Redakteur:
- Kathy Schütte