SPV: Wir blicken mit Olly Hahn auf 40 Jahre SPV!

06.08.2024 | 08:37

Ist es tatsächlich schon 40 Jahre her? Richtig, SPV feiert in diesem Jahr den großen Geburtstag und blickt auf so viele Ereignisse zurück, die das musikalische Werden vieler von uns maßgeblich beeinflusst hat. Wir schnappten uns aufgrund dieser freudigen Anlässe den Produktmanager Olly Hahn, um mit ihm über seine Anfänge, über den gegenwärtigen Stand sowie über Zukunftspläne zu sprechen. Lasst uns gemeinsam in wunderbaren Erinnerungen schwelgen.

Lieber Olly, 40 Jahre SPV – wir sagen Glückwunsch und dir vielen Dank, dass du uns hierzu einige Fragen beantwortest. Zunächst: Wie geht es dir? Alles im Lot im Hause SPV?
Vielen Dank, auch im Namen der ganzen Mannschaft. Mir geht es gut, gerade Urlaub gehabt, der mit einem Umzug verbunden war. Mein Gott, man hat aber auch viele LPs und CDs, haha. Bei SPV und Steamhammer ist alles im Lot. Gerade ein bisschen ruhig, aber wir bereiten schon die ganzen Themen von August bis November vor.

Du bist seit 2001 bei SPV und leitest seit 14 Jahren Steamhammer – eine durch und durch spannende Zeit. Aber vielleicht kannst du uns ein wenig über den Startschuss von SPV sagen? Womit fing die Geschichte von "Schallplatten Produktion Vertrieb" an und wer genau hat das Ganze initiiert?
Der Gründer war Manfred Schütz. Der hatte einen Mega-Plattenladen in Hannover namens Boots. Manfred machte damals schon den Vertrieb von Roadrunner Records und merkte schnell, dass viel mehr Labels einen Vertrieb brauchen. So hat er am 01.01.1984 die Firma SPV gegründet, was ausgeschrieben heißt: Schallplatten, Produktion, Vertrieb. Und hatte dann auch sehr schnell alle Metal-Labels, die Rang und Namen hatten, dabei. Sein bester Kumpel war Karl Walterbach von Noise Records, der damals auch schon Metal-Alben veröffentlicht hatte, nachdem man mit Punk nichts mehr verdienen konnte. Und Manfred wollte auch immer ein Metal-Label haben, weil er gesehen hat, dass dieses Genre gut verkauft. Also hat er Steamhammer gegründet, benannt nach seiner britischen Lieblingsband. Und dann ging's auch gleich los mit SODOM, DESTRUCTION, IRON ANGEL, LEATHERWOLF und TROUBLE. Auch die erste Platte von METAL CHURCH ist bei Steamhammer erschienen! Es lief hervorragend. Dann kamen Bands wie STEELER und ZED YAGO hinzu, es wurde ein wenig kommerzieller, was auch gut war.

Du warst vor deinem Engagement bei CMM – bist du aktiv dann zu SPV gewechselt? Was waren Anfang des Jahrtausends denn deine Beweggründe, zu SPV zu gehen?
1991 kam ich als Praktikant zu CMM und Wolfgang Rott und habe ab 1992 meine ersten Promo-Touren mit SPV-Acts gemacht, z.B. mit Andy Scott von SWEET und Frank Bornemann von ELOY. Schnell haben wir die Deutschland-Promotion für alle Acts von SPV/Steamhammer übernommen. Ich kannte die SPV-Bands also sehr gut, als Manfred Schütz 2001 seine eigene Promotionsabteilung gründete und ich dorthin umzog. Zum einen hat mich das Neue angelockt, also genau die andere Seite zu sehen und desweiteren war ich nach 10 Jahren Promotion auch ein wenig abgestumpft und wollte was Neues erleben.

Größen wie DESTRUCTION und SODOM, aber auch JUDAS PRIEST mit dem Ripper, MOTÖRHEAD und METAL CHURCH hattet ihr im Vertrieb. Ich bin da immer wieder auf den Namen Rainer Hänsel gestoßen. Welche Rolle hatte er bei bzw. für SPV inne?
In den 90ern ging es dann mit Steamhammer richtig los. Da kam Rainer Hänsel ins Spiel, der Herr mit dem Bart und zwei Hunden. Der hatte CBH Records gegründet und so haben wir mit Steamhammer/SPV Acts gehabt wie SAXON, DIO, MOTÖRHEAD, LYNYRD SKYNYRD oder PAUL RODGERS. Dadurch konnten wir dann Gruppen wie JUDAS PRIEST anziehen, damals gerade mit Tim "Ripper" Owens am Gesang. Wir haben auch ein geniales Live-Album von JIMMY PAGE und den BLACK CROWES gemacht. In den 2000ern ging es weiter mit WHITESNAKE, ALICE COOPER, HELLOWEEN, GAMMA RAY, KREATOR – wir hatten wirklich hammermäßige Acts!  

Vor allem Ende der 1990er sowie in den 00er Jahren war nahezu alles, was Rang und Namen hatte, bei SPV/Steamhammer. Wie hat sich das Arbeiten bei SPV seitdem geändert? Und wie hat sich auch die Musikindustrie als solche aus Sicht eines Vertriebs geändert?
Durch die Streaming-Portale hat sich unsere Arbeit komplett verändert. Man braucht ständig irgendwelche Teaser, neue Social-Media-Kampagnen, Mockups und so weiter. Außerdem ändern sich laufend die Parameter: Facebook gilt schon wieder als oldschool, alles konzentriert sich auf TikTok. Zum Glück haben wir treue Fans, die noch CDs kaufen. Dafür sind wir unendlich dankbar.

Wenn ich mir retrospektiv – ich bin 1988er Baujahr – die 90er Jahre in Sachen Metal angucke, muss ich sagen, dass verflucht gute Sachen auch in diesem für Metal sehr undankbaren Jahrzehnt veröffentlicht wurden. Wie nahmst du das als damaliger Musikpromoter wahr und welche Auswirkungen hatte das für SPV?
Bei cmm haben wir 1994 das HELLOWEEN-Album "Master Of The Rings" promotet und ich hatte wirklich Bammel davor, da die Medienlandschaft nur nach Seattle geschaut hat. Aber die Qualität des Albums hat überzeugt und es war eine wunderbare Promotion-Kampagne. Genauso zu SAVATAGEs "Dead Winter Dead" von 1996. Alle haben die Band abgeschrieben, aber sie konnte alle überzeugen, sowohl auf Platte als auch live.

2009 musstet ihr in die Insolvenz. Weshalb und was hat sich dadurch für dich in deiner täglichen Arbeit sowie generell für SPV geändert?
Wir hatten das große Glück, dass wir einen tollen Insolvenzverwalter hatten, der auch Metal-Fan war. Er wollte unbedingt SPV und Steamhammer erhalten, was ihm auch geglückt ist. Außerdem: Bands wie MAGNUM, SODOM, AXEL RUDI PELL und FREEDOM CALL, um nur einige zu nennen, kann ich hier nur nochmal meinen höchsten Respekt aussprechen, dass sie bei uns geblieben sind. Andere Bands haben schnell das Weite gesucht und sich auch nicht sehr freundlich gegenüber uns verhalten. Aber das ist mittlerweile auch schon 15 Jahre her.

Die Veröffentlichungswelt lebt ja nicht nur von CDs, die bei unserem Klientel Gott sei Dank noch hoch im Kurs sind, sondern auch von Vinyl und speziellen Box-Sets. Wie weit habt ihr denn in der Gestaltung einer Special-Edition die Oberhand oder sprecht ihr das bis ins kleinste Detail mit den Bands ab? Was sind deine größten Schätze in der privaten Sammlung?
Wir sprechen immer alles mit den Bands ab, da gibt es keine Alleingänge. Größter Steamhammer-Schatz: die originale Filmdose von SODOMs "Agent Orange" inkl. Slipmat usw. Gerade das Album hat ja auch so ein bisschen den Bekanntsheitgrad von Steamhammer gesteigert, da es damals 1989 als erstes deutsches Thrash-Metal-Album auf Platz 36 in die deutschen Album-Charts eingestiegen ist. Ein wirklich wegweisendes Album für die Band, aber auch für uns.

Wie weit haben sich denn in diesem Zuge die Kosten einer Platte bzw. eines Box-Sets geändert? Oft meckert man, dass Vinyl bspw. teurer geworden ist – und wie sehr macht sich da die Streaming-Kultur seit einigen Jahren bemerkbar?
Wir sind ja nicht die einzigen Labels, die die Preise für Vinyl erhöht haben. Eine METALLICA oder JUDAS PRIEST ist deutlich teurer als eine LP von uns. Die Preise für die Herstellung sind seit Corona gestiegen und irgendwie müssen diese ja auch aufgefangen werden, um wirtschaftlich zu überleben. Wir versuchen aber die Vinyl-Version sehr wertig zu gestalten. Meist sind es Gatefold Editionen, die Innentaschen sind wattiert, es liegt ein Textblatt bei und auch die Farben der Vinyl-Versionen sind alle sehr wertig.

Bald machst du bei SPV das große 25-jährige Jubiläum voll. Wenn du einmal zurückblickst: Was waren in deiner Zeit von den Bands her die größten Gewinne, die interessantesten Entdeckungen und mit welcher Band hättest du gerne zusammengearbeitet, aber es kam letztendlich doch nicht zustande?
Im Nachhinein waren alle Bands super. Klar, mit MOTÖRHEAD, WHITESNAKE, DIO oder SAXON zusammenzuarbeiten, ist schon was Besonderes. Eine Band, bei der der Vertrag nicht zustande kam, das war THE CULT. Wir wurden 2012 nach London eingeladen, um die Band zu treffen. Vorher hatten sie noch in einem ausverkauften Hammersmith Odeon gespielt. Das Treffen mit Ian und Billy war wirklich entspannt, auch wenn es meiner Meinung nach mehr um die Kunst als um die eigentliche Musik ging, aber leider haben sie sich für ein anderes Label entschieden. "Electric" und "Sonic Temple" gehören für mich zu den Meisterwerken der Rockmusik.

Und vielleicht gibt es diese Sagen noch immer in den SPV-Räumlichkeiten, aber was waren denn in 40 Jahren die besten und was vielleicht nicht ganz so gute Entscheidungen bei SPV?
Ich will da jetzt keine Details nennen, aber die besten Entscheidungen waren immer die, die aus dem Bauch heraus getroffen wurden und nicht die, wo es in erster Linie nur ums Geld und Prestige ging.

Du und ich, Björn und die gesamte POWERMETAL.de-Crew sind Musikfanatiker – und dein Herz schlägt schon weit über SPV für Rock und Metal. Bei welcher Band hat es dich und dein Fanherz am meisten gefreut, dass ihr zusammenarbeiten konntet?
Boah, da gibt es einige: SAXON zum Beispiel, hatte sie 1981 das erste Mal live gesehen als Support für JUDAS PRIEST. Oder RONNIE JAMES DIO, den ich 1986 live in Hannover mit der Drachen-Show gesehen habe. Lemmy und MOTÖRHEAD muss man auch nennen, hatte sie im Winter 1981 das erste Mal live gesehen mit dem Bomber... was für ein Konzert! Zu einem wirklichen Fanboy mutiert bin ich bei RAVEN, VARDIS und ANVIL. Das war genau meine Zeit Anfang der 80er.

Ich habe damals mein Praktikum beim Rock Hard Magazin gemacht und ehrlicherweise war es immer mein Traum, mit der direkten Arbeit bei einem Metal-Magazin, aber auch als Promoter oder im Vertrieb alt zu werden. Ist es denn noch immer und war es schon immer dein Traumjob? Der Alltag ganz im Zeichen des Rock und Metals?
Ich habe damals 1991 mit dem Einstieg als Praktikant bei cmm mein Hobby zum Beruf gemacht und habe bis heute nichts bereut. Auch nach 33 Jahren ist jeder Tag anders, jeder Tag spannend und nichts ist alltäglich. Ich möchte nichts missen und hoffe, auch die nächsten Jahre bei SPV/Steamhammer etwas zu bewegen.

Zu guter Letzt, lieber Olly – auf was können sich Fans im Laufe dieses Jahres aus dem Hause SPV noch freuen? Ihr habt beispielsweise sehr schöne VIRGIN STEELE-Re-Releases angekündigt...
Es wird neue Scheiben von MOLLY HATCHET, TURBOKILL, DRAGONY und MOGGS MOTEL, der neuen Band von UFO-Sänger Phil Mogg, geben, desweiteren noch Re-Releases von NIGHT DEMON und PRO-PAIN und ein Album von FIRE ACTION, eine Band die wir jetzt erst unter Vertrag genommen haben. Auch sind wir wieder für das neue THE DEAD DAISIES-Album zuständig und ein Buch von RAGE/Peavy Wagner wird auch erscheinen.

Tolle Aussichten! Olly, vielen lieben Dank und auf die nächsten 40!

Fotocredits: Olly Hahn/SPV

Redakteur:
Marcel Rapp

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