SWAN CHRISTY: Interview mit Band

01.01.1970 | 01:00

SWAN CHRISTYs immer noch aktuelles Album "Julien" ist ein verrückt-progressiver und elektronisch-kammermusikalischer Bastard im Stil von BJÖRK, RADIOHEAD und DEPECHE MODE geworden. Das wirft einiges an Fragen an die früheren Metaller auf, die die Band per Interview zu klären versucht.

Sebastian:
Könnt ihr unseren Lesern eine kurze Zusammenfassung der bisherigen Bandgeschichte von SWAN CHRISTY geben?

Swan Christy:
Die Band wurde 1996 gegründet, als wir unser erstes Demo aufnahmen, betitelt "A Tribute To Chris Oliva". Zu der Zeit bestanden wir nur aus zwei Mitgliedern. Es folgen zwei weitere Demos, "Farewell To The Flesh" und "Vis a Vis". Anschließend bekamen wir den Vertrag mit Black Lotus Records, bei denen wir auch unsere bisherigen drei Alben veröffentlichten, "One With The Swan", "Today Died Yesterday" und "Black Is The White Color".

Sebastian:
Was tut ihr denn derzeit genau, außer Interviews geben und Promoarbeit für euer aktuelles Album "Julien" machen?

Swan Christy:
Um ehrlich zu sein: Gar nichts. Wir bearbeiten ein paar weitere Interviews, die meisten per Mail. Wir wissen nicht, ob es eine Tour geben wird (fragt Black Lotus Records). An neuen Songs arbeiten wir auch noch nicht. Die meisten von uns gehen ihrer eigentlichen täglichen Arbeit nach und das war's dann auch. Ziemlich langweilig, oder?

Sebastian:
Falls es doch eine Tour geben sollte: Wir wollt ihr die neuen Songs denn live umsetzen? Könnte schwierig werden mit den ganzen elektronischen Parts...

Swan Christy:
Wenn, dann werden wir bei dem Shows mit Laptops, Synthesizern, Keyboards, Gitarren und Sequenzern etc. die Sounds machen. Ja, das wird ziemlich schwierig. Aber wir mögen es schwierig.

Sebastian:
Ich würde gerne etwas über euer Album "Julien" reden: Es ist hauptsächlich elektronische Rock-Avantgarde-Musik, sofern ich das beurteilen kann. Wie würdet ihr die neue Platte selbst beschreiben und wo seht ihr die Hauptunterschiede zu dem, was ihr zuvor gemacht habt?

Swan Christy:
Ja, wir würden auch Wörter wie Avantgarde, elektronisch, Soundtrack oder so verwenden, um die Musik zu charakterisieren. Aber es war nicht unser Ziel, in eine dieser Richtungen zu gehen. Wir haben einfach die Musik gemacht, die wir in unseren Köpfen hatten. Musik, die wir selber gerne anhören würden. In dem Sinne kannst du es beschreiben, wie du willst. Es gibt keine Ähnlichkeiten zu unseren alten Sachen, von den Pianoparts abgesehen. Insbesondere die Gedanken, die Ideen hinter den Songs haben gar nichts mehr mit unserer Vergangenheit zu tun.

Sebastian:
Was ist denn der Unterschied darin, einen Song im Stile der Sachen auf "Julien" zu schreiben und der Formung eines "klassischen Rocksongs"?

Swan Christy:
Als wir "Julien" schrieben, entwickelten wir ein paar Ideen und dann bearbeitete jeder für sich diese von seinem eigenen Standpunkt aus. Es war hauptsächlich technisch. Wir versuchten diese ersten Skizzen in komplette Songs zu entwickeln, was von der Logik und von der Emotionalität her ziemlich schwer war. Es ist anders, weil wir nicht als Band im klassischen Sinne funktionierten. Es war kein Prozess, bei dem man dem Gitarristen oder dem Drummer erklärt, er müsse das so und so spielen. Wir versuchten zu experimentieren und aus den üblichen Klischees von Gitarrensolos, 4/4 Takten und dazugehörigen Basslines auszubrechen, die bei den meisten Rocksongs eine Rolle spielen.

Sebastian:
Und wer schreibt dann im Endeffekt die Songs?

Swan Christy:
Es ist ein kollektiver Bandprozess. Machmal kommt einer von uns mit der Hauptmelodie oder dem Thema (meistens Iraklis) und dann bauen wir darauf auf. Wir experimenten, versuchen verschiedene Herangehensweisen, Stile und Sounds, bis wir auf etwas kommen, das uns allen gefällt. Bei "Julien" haben wir die Musik so gemacht, wie ich es eben beschrieben habe und dann die Vocals hinzuaddiert. Wir wollen keine konservativen Kompositionsmethoden anwenden. Manchmal kann ein Song allein aus einem Drumloop entstehen.

Sebastian:
Ich habe ein paar wirklich vernichtende Kritiken zu "Julien" gelesen, in denen gesagt wurde, dass ihr diese Schiene jetzt fahrt, weil ihr nicht die Fähigkeiten hättet, eine richtige und gute Rockband zu sein. Was würdet ihr darauf antworten?

Swan Christy:
Ich sehe da grade eine Träne von Iraklis Wange laufen (lacht). Jemand hat mal gesagt, dass Meinungen wie Arschlöcher sind: Jeder hat eins. Und der Typ hatte Recht, weil wenn Leute wirklich denken, dass das der Grund dafür war, dass SWAN CHRISTY sich verändert haben, sollte er noch mal sorgfältig die Musik anhören.

Sebastian:
Wie ist das im Allgemeinen: Welche Reaktionen habt ihr bisher auf das Album bekommen? Nerven euch schlechte Kritiken generell?

Swan Christy:
Wir haben noch nicht so viel Feedback. Wir wissen nicht mal wirklich, wie die Verkäufe laufen. Das einzige Feedback derzeit bekommen wir über Reviews aus dem Netz und ein paar Magazine. Wir bekommen ziemlich gute und ziemlich schlechte Kritiken, und denken, dass das gut so ist, weil erstens die guten Reviews überwiegen und weil wir zweitens nie als mittelmäßig eingestuft werden. Mittelmäßigkeit ist das Schlimmste. Es zeigt, dass du es nicht geschafft hast, den Zuhörer zur Anteilnahmen an der Musik zu provozieren. Dass du es nicht schaffst, einen Eindruck bei ihm zu hinterlassen. Wir hoffen, dass wir das konnten.

Sebastian:
Und wie würdet ihr dann eueren aktuellen Stil jemandem beschreiben, der die Musik noch nie gehört hat (vielleicht mit Bezug auf andere Bands)?

Swan Christy:
Es ist nicht möglich, das Album auf diese Art zu beschreiben. Du musst selber zuhören und deine eigene Idee entwickeln, was "Julien" wirklich ist. Wir bekommen diese Frage wirklich oft gestellt und finden es schwer, sie zu beantworten, weil die Musik selbst die eigentliche Antwort ist. Wir können keine Worte finden, deswegen drücken wir es in Musik aus. Ist es letztendlich nicht das, was ein Musiker tut?

Sebastian:
Wenn man "Julien" hört, kommt man schnell auf RADIOHEAD, BJÖRK oder DEPECHE MODE. Mögt ihr diese Bands? Was hört ihr für Musik?

Swan Christy:
Wir hören viel Filmmusik, viel Jazz, elektronisches Zeug wie AUTECHRE und APHEX TWIN und auch Elektro-Rock wie DAFT PUNK oder eben DEPECHE MODE. Die letzten zwei PARADISE LOST-Alben, hauptsächlich "Host". CHROMA KEY, ULVER, VAUXDVIHL, TOOL, A PERFECT CIRCLE, MOLOKO, BJÖRK, CALEXICO. Auch das eher poppigerer Zeug wie KULA SHAKER, SUPERGRASS, die STONE TEMPLE PILOTS, TIPPER, PORTISHEAD...Ich könnte ewig weiter aufzählen....

Sebastian:
Was waren denn euere Lieblingsplatten im letzten Jahr?

Swan Christy:
A PERFECT CIRCLE "Thirteenth Step", AUTECHRE "Draft 7.30", TERRENCE BLANCHARD "The 25th Hour Soundtrack", CALEXICO "Fistful Of Wire" und TOOL "Lateralus" (sind zwar nicht alle von 2003, aber bei dem guten Geschmack wollen wir mal ein Auge zudrücken - Anmerkung des Interviewers)

Sebastian:
Ist "Julien" das definitive SWAN CHRISTY-Album? Wie wichtig ist es in eurer Diskographie?

Swan Christy:
Jetzt gerade ist es die wichtigste unserer Platten. Aber eben das passiert mit jeder neuen Platte, die man macht. Und mit Sicherheit wird es bei der nächsten wieder passieren. Es muss aufregend bleiben. Ensthaft: Wir glauben wirklich, dass wir mit "Julien" die Standards erfüllt haben, die wir uns gesetzt hatten. Und das war nicht leicht.

Sebastian:
Bleibt ihr jetzt bei diesem Stil oder wird die nächste CD wieder komplett anders? Was können wir in der Zukunft von SWAN CHRISTY erwarten?

Swan Christy:
Wir wissen noch gar nichts. Es ist zu früh, um schon über die nächste Veröffentlichung nachzudenken. Mit Sicherheit wird es keinen Rückschritt zu unseren früheren Phasen geben, aber was dabei letztendlich rauskommt, ist nicht vorherzusagen. Wir sammeln aber schon Ideen, jeder für sich, und wenn die Zeit reif ist, werden wir diese Ideen miteinander teilen und am Ende wieder mit euch. Aber das wird mit Sicherheit noch eine ganze Weile dauern.

Sebastian:
Wer ist eigentlich der Charakter "Julien", der auf der Platte omnipräsent ist? Oder ist es sogar eine reale Person?

Swan Christy:
Wie wir schon viele Male erklären musste, ist Julien keine reale Person und es gibt auch kein wirkliches Konzept dahinter. Es kann jeder sein, den sich der Zuhörer darunter vorstellt.

Sebastian:
Und was drehen sich die Texte dann? Wie wichtig sind sie euch generell? Und warum stehen die Lyrics nicht im Booklet?

Swan Christy:
Es gibt keine Geschichte von Song zu Song. Iraklis hat manche der Songs geschrieben, die anderen wurden von Kostas verfasst. Die Texte drehen sich um persönliche Gedanken und Situationen, die die beiden in ihrem Leben eben erfahren haben und über die sie reden wollten. Tatsächlich gibt es doch wenigstens ein paar der Lyrics zu lesen: Im Inneren des Jewel-Case des Albums, unterhalb der CD stehen einige von ihnen. (Anmerkung des Interviewers: 1. Idee von RADIOHEAD geklaut 2. Dumme Sache, das mit den Promos in Pappschubern für uns Journalisten)

Sebastian:
Worauf bezieht sich dieses "Soundtrack eines schizophrenen Films"-Zitat? Es taucht als Genrebeschreibung im Promo-Info und auch auf der Platte selbst auf...

Swan Christy:
Diese Beschreibung des Albums war die Meinung unseres Labels und nicht unsere eigene. Wir stimmen zu, dass das Album ein paar Einflüsse von Soundtrack-Musik hat, aber es hat auch so viele andere Aspekte und Stile, dass es fast ein wenig abwertend ist, von unserer Arbeit nur als möglicher Soundtrack-Musik zu sprechen. Spiros ist sich sicher, dass es auf der CD und im Booklet nicht erwähnt wird, weil ich das Cover und das Booklet selber designt habe und er nichts derartiges geschrieben hat. (Da wird wohl noch jemand "nachdesignt" haben. Bei mir stehts auf jeden Fall schwarz auf weiß, auch im Booklet. – Anmerkung des Interviewers)

Sebastian:
Traditionell am Schluss: Letzte Worte für eure deutschen Fans und unsere Leser?

Swan Christy:
Bleibt open-minded und versucht, euch dauernd neue Musik anzuhören. Danke.

Redakteur:
Sebastian Baumer

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