Stoned From The Underground 2024: Interview mit Ralf Burkart
27.04.2024 | 22:36Wie geht es dem Festival? Den Bands? Den Clubs? Der Musikszene, der Underground-Szene im Besonderen? Was hat die Pandemie in der Gitarrenmusikwelt so für Spuren hinterlassen?
2001 fand in Erfurt das erste Mal das "Stoned From The Underground"-Festival statt. Noch eintägig, noch indoor, zaghaft fast - aber schon deutlich mit den Ansätzen der Stärken dieses herzblutgemachten Szenetreffens. Eine stilistische Bandbreite, die seinesgleichen sucht, Doomer treffen Krautrocker, Zweikopflärm trifft auf Breitwandstoner, altgegerbte Schweinerocker treffen Jungspündinnen. Und das immer in einer stimmigen Atmosphäre im Thüringischen, auch mehrmalige Umzüge haben der Popularität des Juli-Treffens nicht geschadet - eher hat es seinen Kultcharakter ausgebaut und friedfertigen und gut organisierten Ruf festigen können.
Was aber alles dazu gehört, haben wir mit Ralf Burkart beredet: Er ist Designer, Grafiker, Technikfreak im Hauptberuf und beim SFTU seit der ersten Stunde dabei und jetzt unter anderem für die Öffentlichkeits- und Pressearbeit zuständig.
Diese Drei sind massgeblich mit am Gelingen des Stoned From The Underground beteiligt: Ralf, Fred und Matte.
Hi Ralf, schön, dass Du Zeit für ein paar Fragen hast. In diesem Jahr kann ich endlich nach längerer Pause wieder auch selbst auf das Stoned kommen. Als ich das bisherige Line-up sah, war ich wieder einmal sehr angetan. Und überzeugt, dass ich das erleben möchte. Wie läuft denn der Ticketverkauf gerade?
Mit den Ticketverkäufen läuft es eigentlich wie jedes Jahr. Gut. Wir kommen Jahr für Jahr auf die selbe Zuschauerzahl und das ist gut so.
Beim SFTU 2024 geht es quer durch die Stile: Wie kann ich mir da den Auswahlprozess vorstellen? Wer trägt die Bands zusammen? Macht die Vorschläge? Wie wird denn dann entschieden? In einem gemeinsamen Plenum?
Das mit dem quer durch das Musik-Gemüsebeet ist so gewollt. Wir haben da verschiedene Herangehensweisen. Da sind zum einen die Bands, die sich schon vor Jahren beworben haben und jetzt an die Reihe kommen. Weil, wie Du Dir vielleicht vorstellen kannst, werden wir mit Bewerbungen überschüttet und klar, dass man nicht jede Band nehmen kann.
Dann haben wir noch die Bands, die wir auf dem ein oder anderen Konzertbesuch live erleben konnten. Das sind dann die Bands, die wir persönlich anfragen. Das sind dann meist die Bands, die Fred live erleben durfte, weil ich bin eher aus der Thrash-, Death- und Sludge-Ecke. Deswegen machen mir meine werten Kollegen auch manchmal eine Freude und buchen Bands wie WEEDEATER, ZERRE etc. Dann haben wir noch die Sache mit den Bands, die eh auf Tour sind.
Und: Nach welchen Kriterien wählt Ihr aus? Es gibt ja Immerwiederkehrerbands und es gibt jedes Jahr ebenfalls Newcomergigs und Entdeckungen!
Wie Du vielleicht festgestellt hast, haben wir dieses Jahr ganz viele mehr oder weniger unbekannte Bands. Kriterien gibts da nicht so viele. Das einzige und wichtigste Kriterium ist meistens, dass die Bands gut abliefern und Spaß machen. Das schwappt dann auch aufs Publikum über. Erfahrungsgemäß geben Bands, sobald sie auf der großen Bühne sind, immer das Beste, und das merkt das Publikum auch. Also in über zwei Jahrzehnten Stoned hat es noch keinen Ausfall gegeben oder gar Buh-Rufe... das Gegenteil war immer der Fall.
Klar haben wir auch Bands, die uns jetzt schon von Anfang an begleiten und die auch immer wieder gerne zu uns kommen. Warum auch nicht, es ist doch schön, alte Freunde alle paar Jahre mal wieder zu sehen und mit ihnen zu feiern.
Ja, man sieht und hört viele viele Wiedersehensrituale auf dem Stoned, viele Gesichter sind dem Ganzen über die gesamte Zeit treu geblieben, immer wieder stoßen neue junge Leute hinzu und trotzdem bemerkt man das einer Stimmung, die ich selbst noch nie auf irgendeine Art aggressiv oder aufgeputscht empfunden habe. Absolute Stärke!
Stilistisch finde ich zappeligen Thrash mit ZERRE, Südstaatenmatsch-Sludge mit WEEDEATER über reduzierten Krautrock von EINS EINS EINS, bis zum fast klassisch anmutenden Edelstoner von LOWRIDER einen durchaus wilden Genreritt. Ist das ein ganz bewusster Ansatz? Oder ist es eher schwer, mit Bands in Verhandlungen und zu Gig-Abschlüssen zu kommen?
Wie oben schon kurz angerissen, ist dieser Mix aus verschiedenen Genres gewollt und sind wir mal ehrlich... am Ende ist alles gut, weil am Ende gehts einfach darum, schwere Riffs und harte Musik abzufeiern und 'ne gute Zeit mit Freunden zu haben.
Definitiv! Dahingehend zielte meine Frage vorher bereits: Nach den für die Live-Musikszene schweren Jahren der Corona-Pandemie - stellst Du, stellt Ihr, Veränderungen in der Live-Club-Festival-Szenerie fest?
Ich glaube, dass die Club-Szene sehr gelitten hat unter der Pandemie und wenn ich so die Sache betrachte, haben eine ganze Menge Clubs aufgeben müssen, weil die Leute, die dort gearbeitet haben, abgewandert sind und regulären Jobs nachgehen. Klar gab es noch Clubs, die teils von der Stadt unterstützt wurden, die aber dann auch den Live-Betrieb eingestellt haben, weil man einsehen musste, dass alleine an einer Bierbank sitzen mit 1,50 Meter Sicherheitsabstand vor der Bühne auch keinen Sinn machte. Auch das Kaufverhalten bei Tickets hat sich in der Zeit geändert. Man kaufte keine Tickets mehr im Voraus, da man immer Angst haben musste, dass das Konzert abgesagt wird.
Im Festival-Betrieb lief die Sache schon wieder anders, nach der Pandemie schossen ganz viele neue Festivals aus dem Boden und man muss jetzt immer recht früh in die Werbung gehen, da die Leute sich nicht mehr jedes Festival leisten können und sich schon Anfang des Jahres für ihren Festivalbesuch entscheiden. Was natürlich auch eine finanzielle Sache ist. Deswegen versuchen wir auch jedes Jahr aufs Neue, die Ticketpreise zu halten und auch in Sachen Verpflegung der Besucher auf dem Boden zu bleiben. Was nicht immer leicht ist, da wirklich alles teurer geworden ist. Das fängt bei A wie Absperrband an und hört bei Z wie Zaun auf.
Was denkst Du, was wird sich weiterhin verändern - was wird bleiben oder wird es neue Trends geben?
Wie es bei Trends so ist, die kommen und gehen. Deswegen war es uns immer wichtig, nicht mit jedem Trend mitzugehen. Ich weiß noch, es gab Zeiten bei unserem Festival, bei denen die Zuschauerzahlen heruntergingen. Aber gerade da haben wir - glaube ich - richtig gehandelt und sind nicht mit dem regulären Trend – größer, teurer, berühmter – mitgegangen. Nein, wir sind bei unserem Konzept geblieben: ein gesunder Mix aus Underground-Stars und unbekannten, ungeschliffenen Heavy-Rock-Diamanten. Scheiß auf Genres. Es spielte, was gefällt. Ich glaube, wir sind ganz gut damit gefahren, da es uns ja immer noch gibt.
Sehr schön, dass Ihr Eurem Wege treu geblieben seid! Und überhaupt: Wie seid Ihr alle, als Team und als Musikschaffende aus der Pandemie "zurückgekommen"? Was ist insgesamt anders geworden? Was ist geblieben?
Geblieben ist die Freundschaft und die Liebe zur Musik, also von daher hat sich nicht viel geändert. Klar, der ein oder andere musste sich ein wenig umorientieren, aber am Ende sitzen wir alle Jahr für Jahr am zweiten Wochenende im Juli am Alperstedter See und feiern zusammen. Was will man mehr? Klar, die Pandemie war wirklich ein richtiger ABFUCK, aber er hat uns auch eines gelehrt, und zwar, dass es wichtig ist, weiterzumachen.
Letztens war ich mir für "Pay What You Want" vier Bands (in einer Großstadt wohlgemerkt) an einem Abend ansehen, im Grunde waren das jeweils vier Einstundengigs. Neben meiner Freude, dass sich da vier noch unbekannte Bands in den Genres Hardcore und Stoner Rock ziemlich gut auskennen bzw. neue Akzente setzen könnten, ging mir durch den Kopf, dass ich da gerade eigentlich auf vier Konzerten bin. Das ist natürlich dem mir sehr genehmen DIY-Ansatz gewidmet, wo auch das zahlende Publikum einen großen, aber wohl nicht den entscheidenden Einfluss hat. Den zum Teil noch sehr schüchternen Bands war der direkte Zuspruch sehr wichtig. Wie fangt Ihr beim SFTU denn Euer Feedback ein - von Besucher:innen und Bands?
Das Feedback bekommen wir relativ zeitnah, meist schon während des laufenden Festival-Betriebs, das heißt, nach all den Jahren kennen uns schon viele und man bekommt gleich gesagt, was man nächstes Jahr besser machen kann oder so bleiben soll. Das ist gut. Das Stoned ist aber auch wirklich zu klein, um sich vor dem Feedback zu verstecken... (lacht).
Das wollen wir auch nicht, wir sind nach wie vor ein Festival von Fans für Fans. Der Kontakt zu unseren Besuchern ist uns wichtig. Und was gibt es schöneres, als sich mit Besuchern über Musik zu unterhalten.
Apropos junge Bands: Ralf, auf dem allerersten Stoned 2001 hast Du noch mit Deiner Band CALAMUS selbst mitgelärmt: Gibt es Euch noch?
Hahaha, da war ja noch was. Ja, da wurden wir damals von Fred gebucht und hatten gerade unsere Platte bei People Like You Records raus. War ne aufregende Zeit und der Gig im Gewerkschaftshaus war definitiv ein Highlight in der Zeit. Und ich kann heute mit jeder jungen Band mitfühlen, welche die große Festival-Bühne zum ersten Mal betritt. Geiles Gefühl. Leider gibts CALAMUS seit 2005 nicht mehr. Wir hatten vor der Pandemie mal einen Reunion-Gig im White Pig in Bad Frankenhausen. Mehr war leider nicht. Seit 2005 sind nur noch Adrian, unser Drummer und ich von CALAMUS übrig und wir haben einfach eine neue Band gegründet. Wir heißen jetzt HELLAMOR und machen normalen Metal. Das, was wir am besten können und womit wir auch groß geworden sind in den 80ern. Klar, die Schlagzahl an Gigs ist runtergegangen, aber wir machen immer noch Musik und das ist das Wichtigste. Ebenso wichtig ist, dass man mit der Band auch einen gefestigten Freundeskreis hat. Mit Adrian mach ich jetzt schon knapp 30 Jahre zusammen Musik. Krass, wenn man sich das überlegt.
Das sind krasse Zeiträume, ja. Für das Stoned steht ja bald auch das Vierteljahrhundert-Jubiläum an - was ist da von Euch zu erwarten?
Das wissen wir auch noch nicht, was uns und die Besucher da erwartet. Wahrscheinlich das selbe wie jedes Jahr – geile Bands, gute Stimmung und Freunde treffen – das ist doch schon mal was, wo man sich drauf freuen kann. Meinst du nicht?
Absolut! Stimmungsvolles Wiedertreffen mit Freunden und Gleichgesinnten, und das schon über Jahre hinweg, ja. Und wo wir schon mal beim Alter sind: Wie rekrutiert Ihr denn neue und junge Helfer:innen - oder seid Ihr ein sehr festes und "abgeschlossenes" Team?
Ach, wir haben zum einen eine Crew, die mit dem Festival gealtert ist und was das Gute ist, dass inzwischen schon die Kinder der Crew-Mitglieder mitarbeiten, die sind jetzt auch schon erwachsen. Dann haben wir noch Leute, die uns ansprechen, ob sie mitarbeiten können. Irgendwie haben wir immer genug Mitarbeiter, die Bock haben, das Stoned mitzurocken.
Wie kommt Ihr in der Umgebung des idyllischen Alperstedter Sees mit den Anwohnern aus? Da gab es doch in einigen Jahren auch ab und zu "beef" - erinnere ich mich recht daran? Wie ist die Zusammenarbeit mit der Stadt Erfurt und der Bürokratie vor Ort? Ich frage, weil ich letztens in einem Interview mit den jungen Macher:innen eines an sich recht bekannten Kunst-Festivals in Leipzig 2023 las, dass mit Abstand die meiste Energie in zu erfüllende Auflagen und die schwerfällige Kommunikation mit den Behörden und Ämtern fließen musste und die Organisator:innen jetzt ziemlich ernüchtert, gar enttäuscht sind.
Klar haben wir immer noch Auflagen und Fred ist vor dem Festival wirklich nur am Herumrennen, dass auch alle bürokratischen Sachen erledigt sind. Gerade jetzt nach der Pandemie war es schlimm, da einige Dienstleister aufgehört haben und man sich zu dem ganzen Bürokratie-Wahnsinn auch noch um anderen Kram kümmern musste. Ob jetzt die Klos, Zelt, Bühne etc. ... irgendwie war alles gleich, aber halt anders. Gepaart mit der Bürokratie war oder ist das jedes Jahr schon viel Rennerei für Fred.
Wie weit gehen eigentlich in solch einem so gut funktionierenden Team die Planungen? Schaut Ihr eher ins nächste Jahr oder findet man sich gedanklich schon ab und zu in zwei, drei, fünf Jahren wieder, was das SFTU anbetrifft?
Das Kernteam ist nun weit über 50 und wir planen immer höchstens ein Jahr im Voraus. Auch hier hat uns die Pandemie gelehrt, nicht zu weit in die Zukunft zu planen, weil man weiß ja nie was kommt.
Ihr habt mir persönlich mit der Ankündigung von GHOST WOMAN, LOWRIDER, GREENLEAF, TOMMY AND THE TELEBOYS (die ich auf der letztjährigen Saalepartie kennengelernt habe) oder auch PSYCHLONA den Mund sehr wässrig gemacht. Ich freue mich aber auch auf die vielen Chancen, von Auftritten regelrecht überrascht oder überfahren zu werden. Auf welche Bands freust Du Dich denn am meisten?
Ich freue mich persönlich sehr auf WEEDEATER, ZERRE, ECHO SOLAR VOID. Aber eigentlich freu ich mich auf alle Bands, zumal ich die meisten nicht kenne oder nur mal die Sachen auf Spotify angehört habe. Und meist ist es ja so, dass Bands live viel brachialer und besser sind als auf Platte. Sagen wir mal so, ich lass alles mal auf mich zukommen.
Ralf, danke für Deine Zeit, ich habe mich sehr gefreut, dass Du die gefunden hast... Hast Du noch etwas, was Du unbedingt loswerden musst oder willst?
Was will ich loswerden? Vielen Dank an Dich Mattes, für all die Jahre an Support und Zuspruch. Magazine wie Powermetal.de sind ganz wichtig für die Szene. Fred, Matte und ich freuen uns, jeden von Euch auf dem 2024er Stoned zu sehen und ein paar Bier in gemütlicher Runde zu trinken.
Besten Dank. Wir sehen uns beim Stoned From The Underground 2024.
Yep.
- Redakteur:
- Mathias Freiesleben