TANKARD: Die "For A Thousand Beers"-Vollbedienung

27.02.2022 | 22:34

40 Jahre TANKARD – mit KREATOR, SODOM und DESTRUCTION bilden die Frankfurter bis heute die Speerspitze des deutschen Thrash Metals. Doch die Herrschaften Gerre, Frank und Co. agierten hierbei stets etwas trinkfreudiger als die Kumpanen aus dem Pott. Während die Frankfurter noch den letzten Feinschliff an ihr bald kommendes, 18. Studioalbum legen, werden die illustren, trinkfesten und großen Zeiten der letzten vier Dekaden Revue passiert und alle Alben der Noise-Records-Ära im "For A Thousand Years"-Boxset wiederveröffentlicht.

Nach zwei guten Demos ergatterten die fünf Jungs einen Plattendeal und blieben für insgesamt sieben Studioalben, ein Live-Album und eine EP in dessen Schoße. Doch auch bei Century Media, AFM Records, Nuclear Blast oder nun bei Reaper Entertainment gehört TANKARD noch immer zu den fleißigsten Vertretern seines Fachs und veröffentlicht am laufenden Band tolle Alben. Somit nutze ich die Veröffentlichung des "For A Thousand Beers"-Boxsets, um euch den Inhalt einmal vorzustellen und anschließend alle Alben – beginnend vom "Zombie Attack"-Debüt über "The Morning After" und "Stone Cold Sober" bis hin zum quasi selbstbetitelten "The Tankard" – in aller Kürze zu besprechen.

Diese Box ist sowohl als 7 x CDs und DVD in einer Klappbox mit allen Studioalben, EPs und der DVD mit dem Livekonzert Bonusmaterial als auch in der Vinyl-Ausgabe erhältlich. Diese sieht wie folgt aus:
- Zombie Attack (Splatter Vinyl)
- Chemical Invasion (Swirl Vinyl)
- The Morning After (inklusive der Alien EP) (Splatter Vinyl)
- The Meaning Of Life (Paint Drop Vinyl)
- Stone Cold Sober (Splatter Vinyl)
- Two-Faced (halb und halb Farbvinyl)
- The Tankard (inklusive der Tankwart EP) (Splatter Vinyl)
- Fat, Ugly & Live DVD – inklusive dem Konzert-Film Open All Night, Fat, Ugly & Live Album plus ein bisher unveröffentlichtes Videokonzert vom Dynamo Open Air in Eindhoven 1987 und ein Audiokonzert aus Frankfurt 1988.
- Ein 40-seitiges Buch in der Größe 30 x 30 cm angefüllt mit Fotografien, Quotes und Texten aus der ersten Dekade der Band. Es enthält viele rare und unveröffentlichte Fotos dieser Ära.
- Verpackung in einem Bierkasten!

Öffnen wir also einmal den Bierkasten und lassen die Zeitreise beginnen. Wir befinden uns in der Mitte der 1980er Jahre...

Aller Anfang ist schwer, doch TANKARD war gleich zu Beginn mit dieser charmanten Leichtfüßigkeit am Start. Nach den zwei Demos "Heavy Metal Vanguard" und "Alcoholic Metal" erschien im Juli 1986 das Debütalbum "Zombie Attack". Mit von der Partie waren selbstverständlich schon damals Gerre und der Thorwarth Frank, die mit Axel Katzmann und Andy Boulgaropoulos an den Gitarren und Oliver Werner an der Schießbude das Quintett vervollständigten und ein aus heutiger Sicht kultiges und tolles Erstlingswerk aus dem Boden stampften. Ganz unbekannt waren die zehn Stücke allerdings nicht, stammten sechs allein doch schon aus den Vorjahren. Doch gemeinsam mit 'Chains', 'Thrash 'Till Death', dem zeitlosen Stimmungsmacher '(Empty) Tankard' und 'Maniac Forces', den besten Freunden, ein paar Kisten Bier und gut geölten Kehlen macht das Debütalbum vom ersten bis zum letzten Ton enorm viel Freude. Schon früh haben sich Gerre, Frank und Co. dem Spaßfaktor etwas zugehöriger gefühlt, was man den Songs in Sachen Spielfreude und Abriss-Bock auf schnellen Thrash auch anhört. Aus heutiger Sicht mutigen einige Passagen und Aussprachen sicherlich zum Schmunzeln an, was jedoch noch einmal verdeutlicht, wie viel Freude dieses Ding bei all den Geschwindigkeitsattacken auch macht. In Sachen Sound hat ein gewisser Harris Johns sehr viel aus dem Album herausholen können, das bis heute auch ob des geselligen Gruselcouch-Artworks einen gewissen Kultfaktor aufweisen kann. Schon zu Beginn passte bei TANKARD also vieles zusammen: der Spaß am Thrash, der Hang zum Kult und die Hummeln im Hintern. Das sollte sich auch in den Folgejahren nicht ändern.

Für das Nachfolgealbum sollte zum ersten Mal der verrückte Professor das Cover zieren und zur chemischen Invasion aufrufen. Wie schon beim Vorgänger wurde für die Aufnahmen das Musiclab Studio in Berlin aufgesucht und diese anschließend wieder von Johns veredelt. Herausgekommen ist mit "Chemical Invasion" ein mehr als unterhaltsames, wütendes, brutales Riff- und Doublebass-Bombardement, das schon früh das Zeug, das in TANKARD steckt, zum Vorschein brachte. Allein 'For A Thousand Beers' – der Namensträger der vorliegenden Vollbedienung – macht von vorne bis hinten Spaß. Richtig, auch auf dieser Platte zeichnet sich der typische Bandhumor, das Spiel mit dem Deutschen beliebtesten Getränk und dessen Folgen, enorm ab, sprechen das Intro, 'Puke' oder das GANG GREEN-Cover 'Alcohol' eine deutliche Sprache. Musikalisch mischt sich die jugendliche Leichtfüßigkeit des Debüts mit dem Facettenreichtum und den etwas mutigeren Songarrangements der Folgezeit, markiert "Chemical Invasion" also das Sprungbrett zu künftigen TANKARDschen Großtaten. Im damaligen Hier und Jetzt, wir sprechen vom Oktober 1987, konnte man den Klassikerstatus, den das Zweitwerk später einmal haben sollte, anhand solcher Tracks wie 'Tantrum', 'Don't Panic' und 'Traitor' zumindest schon erahnen, macht das flotte, eingängige Material vom In- bis zum Outro doch sehr viel Laune und klingelt durch die Bank weg sehr gut in den Ohren. Zwar sollte sich der verrückte Professor noch auf dem "The Meaning Of Life"-Artwork mit dem Alien verewigen, doch erst 27 Jahre später gebührt ihm auf dem "R.I.B."-Cover wieder die volle Aufmerksamkeit. Keine zwölf Monate später nach "Chemical Invasion" geht es für TANKARD jedenfalls weiter in die richtige Richtung.

Das dritte Album sollte es in sich haben, entscheidet es doch in den meisten Fällen über den Fortbestand einer Band. Und im Falle von "The Morning After" hätte das Ergebnis nicht fetter ausfallen können. Im September 1988 erschien das gute Stück, mit dem die Frankfurter Spielmänner sogar dem "Chemical Invasion"-Vorgänger noch einen draufsetzen konnten. Damals noch mit Oliver Werner am Schlagzeug – er räumte nach der dieser CD beigefügten EP "Alien" den Stuhl – grenzt auch diese Platte heutzutage am Klassikerstatus. Richtig, unsere fünf Kampftrinker haben hiermit alles richtig gemacht: Die Songs haben noch mehr Feuer und Durchschlagskraft, sind noch thrashiger aber auch abwechslungsreicher und ausgeklügelter als zuvor und Gerre hat sich stimmlich um ein, zwei Klassen verbessert. Die durchzechte Nacht, das verwüstete Zimmer, ein höllischer Kater, wer kennt es nicht? Und was eignet sich besser zum Auffrischen verschollener Erinnerungen des Vorabends als dieses Album? Und so kommt, was kommen muss – TANKARD legt mit 'Commandments' und 'Shit-Faced' los wie die Feuerwehr, schlägt mit 'T.V. Hero' oder 'Try Again' in die gleiche Brutalo-Thrash-Kerbe und legt mit der Titeltrackhymne alles in Schutt und Asche. Die Band hat jedoch nicht nur in Sachen Brutalität und Schnelligkeit noch einen Zacken zugelegt. So hat 'Desperation' einen tollen Rock'n'Roll-Einschlag, 'Feed The Lohocla' stampft sich gewaltig durch das Feld und 'Mon Cheri' ist ein Abriss vom Allerfeinsten. Etwas mehr als ein simples Zusatzschmankerl ist "Alien", die EP, die besser hätte nicht ausfallen können. '666 Packs', 'Alien' oder auch der '(Empty) Tankard'-Gassenhauer gehören auch heutzutage noch gut und gerne zum Live-Repertoire der Jungs und das unterstreicht die Wichtigkeit der EP und der "The Morning After"-Veröffentlichung in Gänze. Richtig, nach "Chemical Invasion" hat sich die Band nochmals steigen können. Man durfte also gespannt sein, ob TANKARD den hohen Standart auch weiterhin halten konnte.

Was haben der Papst, Mike Tyson, Helmut Kohl und das Alien-Maskottchen gemein? Richtig, alle Protagonisten zieren nach einem mehr als durchzechten Abend das Cover des vierten TANKARD-Albums, das bis zum heutigen Tag noch als unbestrittener Fanliebling gilt. 1990 kommt zur es Wiedervereinigung, Deutschland wird Fußballweltmeister, Nelson Mandela wird freigelassen und die Frankfurter Saufkumpanen von TANKARD veröffentlichen mit "The Meaning Of Life" ein bahnbrechendes Referenzwerk für deutschen Thrash Metal. Auf der ersten Scheibe mit Arnulf Thunn am Schlagzeug sind die Songs noch ausgefeilter, der Thrash noch giftiger, schneller, die Texte noch ausgeklügelter, das Gesamtergebnis noch runder. Mit 'Open All Night', 'Always Them' oder 'Dancing On Our Grave' wird das Tempo zwar nach wie vor hochgehalten, sodass hier eine gekonnte Brücke zu früheren Alben geschlagen wird. Doch 'Wheel Of Rebirth' zeigt die leicht vertrackte Seite TANKARDs, 'Wonderful Life' hat sogar einen gewissen Hardcore-Flair und das Titelstück ist schlichtweg ein grandioser Song, der tagelang hängenbleibt. Hiervon kann auch der spätere Evergreen 'Space Beer' ein Lied singen, der bis heute noch gut und gerne seinen Weg in das Live-Arsenal findet, und 'Beermuda' ist großer Spaß von vorne bis hinten. Hier sind hitverdächtige Partymacher mit fettem Groove, ordentlich Tatendrang und jeder Menge Thrash-Feuer am Start. Weitere Beispiele gefällig? 'The Morning After', 'Commandments', 'Alien', 'Open All Night' und 'Maniac Forces' wurden mit einigen anderen Stücken beim Berliner Thrashing-East-Festival im Frühjahr 1990 mitgeschnitten und finden ihren Weg auf diese Wiederveröffentlichung. Eine durch und durch runde Sache also ist dieses vierte TANKARD-Album und anstatt sich dem Trend der 1990er Jahre anzuschließen, behalten die Frankfurter ihre straighte Thrash-Linie bei und würzen sie dezent, aber geschmackvoll zu einer richtig leckeren Suppe, die in den Folgejahren noch besser werden wollte.

Doch bevor der 10. Geburtstag im Hause TANKARD gefeiert werden darf, ist es 1991 erst einmal Zeit für "Fat, Ugly And Live", das erste Live-Album der Lausbuben. Nach neun Jahren Bandgeschichte und vier superben Alben war die Zeit also reif. Als Audiomitschnitt hält damals der Auftritt im Frankfurter Volksbildungsheim am 1. Dezember 1988 her, das keinen damaligen TANKARD-Klassiker der 1980er Jahre vermissen lässt. 'The Meaning Of Life', 'Beermuda', 'Poison' sowie 'Chemical Invasion' und 'Space Beer' – alle sind sie beisammen und werden von der Band selbst hervorragend in Szene gesetzt: Gerre singt wie ein junger Thrash-Gott, die Riffs fliegen dem Publikum beim Heimspiel reihenweise um die Ohren, keine Kehle bleibt trocken, keine Faust ungereckt, kein Hit vergessen. Natürlich lässt der TANKARD-Fronter zwischen dem einen oder anderen Gassenhauer seinen Charme spielen, nur um das Set mit der Bandhymne '(Empty) Tankard' gebührend zu beenden. Doch auch für die audiovisuelle Front hat diese Veröffentlichung einiges übrig, denn unter dem Abschnitt "Open All Night" finden wir TANKARDs Auftritt aus Ost-Berlin am 4. März 1990 sowie dem legendären Dynamo Open Air in Eindhoven am 12. April 1987 – eine Geschichtsstunde der besonderen Art also. Nun gibt es zu den Live-Bonustracks der vorangegangenen CDs auch das passende Bild. Und dieses ist klar und deutlich, der Ton druckvoll und sauber, die Band bei beiden Gigs ungemein spielfreudig, eifrig und emsig. Auch wenn man persönlich nicht vor Ort sein konnte, ist die Freude jedem Anwesenden deutlich anzumerken, längst vergessene Perlen wie 'Chains', 'Mercenary' oder auch 'Concrete Devils' zu genießen. Ohne zu sehr ins Detail zu gehen sind das zwei Gigs, die man als Thrasher von Welt definitiv einmal gesehen haben sollte. "Fat, Ugly And Live" rundet die erste Dekade TANKARDs also hervorragend ab und wir harren der Besonderheiten, die da noch folgen sollten.

Zum zehnjährigen Bandjubiläum haben sich Gerre und Konsorten nicht lumpen lassen und mit "Stone Cold Sober" eine mehr als bockstarke Scheibe eingetütet, die auch heutzutage noch vollkommen zurecht gewissen Kultstatus genießt. Nach dem formidablen "The Meaning Of Life" musste etwas Neues, Frisches her, doch warum das vorhandene Erfolgsrezept ändern, wenn es den Anhängern doch so gut mundete? So ist "Stone Cold Sober" Thrash Metal in Reinkultur, ein absoluter Hagelsturm an guten Ideen, knackigen Riffs, sehr viel Tempo, Energie und Durchsetzungskraft. Vom geradlinigen 'Jurisdiction', über die schlagfertigen 'Blood, Guts & Rock'n'Roll'- und 'Sleeping With The Past'-Nummern, bis hin zum 'Ugly Beauty'-Faustschlag und der 'Behind The Back'-Initialzündung – die Kombination aus lupenreinem Thrash, Gerres typischem Geschrei und dem Spaß dabei ist nach wie vor eine Wucht. Und dass die Herrschaften auch instrumental einiges auf dem Kasten haben, beweist der epische, siebenminütige 'Of Strange Talking People Under Arabian Skies'-Gassenhauer, der "Stone Cold Sober" einen immens runden Abschluss schenkt. Generell wird das Gaspedal auf der Platte aber fast durch die Bank weg durchgedrückt und sorgt für eine mehr als gelungene Kurzweiligkeit. Mit der unterhaltsamen J. GEILS-Covernummer 'Centrefold' sowie der Über-Hymne 'Freibier' hat TANKARD auf diesem fünften Studiorundling den Vogel abgeschossen und den Unterschied zwischen einem guten und einem sehr guten Album ausgemacht. So gehört "Stone Cold Sober" wie eigentlich alle Alben der TANKARDschen Frühphase in jedes noch so gut sortierte CD-Regal. Zusammen mit drei weiteren Live-Tracks des Thrashing-East-Festivals, namentlich 'Don’t Panic', '666 Packs' und 'Shit Faced', macht die Platte auch als Wiederveröffentlichung einiges her. Man kann im Grunde nur den Hut davor ziehen, wie sehr sich die Qualität und der rote Faden zwischen humor- und geschmackvollen Momenten einerseits und dem Bierernst der damals aktuellen Lage durch sämtliche Alben schlängelte. Auch wenn ich persönlich lange brauchte, um mich auch mit dem "Stone Cold Sober"-Artwork anzufreunden, gehört das 1992er Bollwerk definitiv zu meinen Lieblingen der Noise-Ära. Doch davon gibt es einige. 

Denn nach dem "Stone Cold Sober"-Hammerschlag erschien wiederum zwei Jahre später mit "Two-Faced" ein in der Diskographie der Frankfurter sträflich vernachlässigtes Album. Zugegeben, anno 1994 hatte die globale Metal-Szene und speziell Thrash Metal in Deutschland ohnehin nicht den einfachsten Stand, sodass es auch dem damaligen Zeitgeist geschuldet ist, weshalb "Two-Faced" etwas untergegangen ist. Doch bei genauerer Betrachtung ist der sechste Streich aus dem Hause TANKARD einmal mehr ein richtig starker geworden, weil Gerre und Co. auch bis dato ungewöhnliche Wege beschreiten und somit den Abwechslungsreichtum hochhalten, ohne den typischen TANKARDschen Humor vermissen zu lassen. 'Death Penalty' inklusive des gesprochenen Intros und 'Jimmy B. Bad' als Grande Finale hätten aufgrund des Punk-Einschlags auch ihren berechtigten Platz auf den 1980er Werken haben können, wovon auch 'Up From Zero' ein Liedchen trällern kann. Einmal mehr schreddern die Gitarren ordentlich und zum letzten Mal hört man Arnulf Thunn an den Kesseln sein Können abliefern. Doch auch in Sachen Songwriting bieten sich auf "Two-Faced" einmal mehr die beiden Seiten TANKARDs. Bei 'Betrayed', 'Cities In Flames' und vor allem dem fast schon in den Doom Metal ragenden 'Days Of The Gun' ist der nötige Ernst mit dabei, wohingegen bei der Heimat-Hommage 'Mainhattan' sowie dem 'Ich brauch' meinen Suff'-STRASSENJUNGS-Cover klar der Spaß im Vordergrund steht. Zugegeben, man muss der Platte die Aufmerksamkeit schenken, die sie auch verdient, bekommt man danach aber eine Perle nach der nächsten vor den Latz geworfen. Ein guter, druckvoller Sound, ein Gerre, der sich auch in Sachen Gesang weiterentwickelt hat, sowie Songs, die 28 Jahre später noch immer genauso viel Spaß machen wie einst, die Platte hat es in sich. Leider ist das Album das letzte, auf dem Gitarrist Axel Katzmann zu hören ist. Für mich persönlich gehört daher "Two-Faced" zu den vielen Lichtmomenten aus dem Hause TANKARD, da speziell in Sachen Ideenreichtum die Männer aus Mainhattan noch einige Schüppen zusätzlich ins Feuer geworfen und auch melodischere Parts ausprobiert haben, die nur zwei Jahre später auf "The Tankard" ihren Höhepunkt fanden.

1995 – und wir schreiben den letzten Teil dieses Box-Sets – kam mit "The Tankard" das wohl melodischste und daher für TANKARD-Verhältnisse wohl untypischste Album auf den Markt. Das Einsteigeralbum vom "Ewigen Olaf" besticht durch Eingängigkeit und Catchiness der einzelnen Songs, ohne dass ihnen jedoch die Frische und Durchschlagskraft der Frühwerke abhandenkommt. Und allein die Tatsache, dass unser Gerre weniger schreit als mehr singt, ist schon ein dickes Ausrufezeichen. Und wie gut sich die melodischere Seite des TANKARD-Frontmannes anhört, zeigen vor allem 'Minds Of The Moon' – ein Ohrwurm vor dem Herrn – und 'Close Encounter', die einmal mehr mit recht ernsten Themen Hand in Hand gehen. Ob nun die Kernenergie ('Atomic Twilight') oder das Gesundheitssystem ('Positive') ihr Fett wegbekommen, oftmals legen die Gerstensaftvernichter die Finger in die Wunde. Doch TANKARD wäre nicht TANKARD, wenn nicht auch diesmal der Spaß seinen Senf dazugeben würde. Ein bisschen Funk hier ('The Story Of Mr. Cruel'), ein Griff zum Banjo dort ('Mess In The West') und das Augenzwinkern darf auch nicht fehlen ('Fuck Christmas'). Trotz oder gerade wegen einiger Überraschungen besitzt "The Tankard" viel Tiefgang, widersetzt sich jedem musikalischen Trend, legt dennoch nicht die ach so typische Thrash-Schablone auf das Album, sondern versucht sich an einigen Neuerungen und überzeugt auf ganzer Linie. Als kleines, bierdurstiges Bonbon gibt es die "Aufgetankt"-EP im Nachgang, die die Band damals unter dem Namen TANKWART aufgenommen hat. Mit 'Hurra, Hurra, die Schule brennt', 'Sternenhimmel', 'König von Deutschland' oder 'Skandal im Sperrbezirk' haben sich die Frankfurter ein paar Hits der Neuen Deutschen Welle angenommen und sie im TANKARD-typischen Flair neu eingespielt, ehe der Rundling mit dem eigenen, wieder etwas ernsteren Song 'Billiger Slogan' endgültig endet.

Und so neigt sich auch dieses Rundum-sorglos-Paket dem Ende, bei dem wohl keine Wünsche unerfüllt, keine Kehlen ungegrölt und keine Ohren unverschont blieben. Mir persönlich hat es immensen Spaß gemacht, nicht nur ein wenig in der Geschichte der Frankfurter Trinkbrüder zu reisen, sondern auch längst vergessene Perlen, sehr viele Aha-Momente und Überraschungen und die zahlreichen Bandklassiker noch einmal neu aufleben zu lassen. Dies ist die einmalige Gelegenheit, sich einen großen Klumpen deutsche Thrash-Metal-Geschichte stilecht im Vinyl- oder wahlweise im CD-Format anzueignen und sich dabei an einer der besten, trinkfestesten und sympathischsten Bands aus Deutschland zu erfreuen. Die Noise-Jahre hatten es in sich, so viel ist sicher und ich selbst werde noch viele Tage, Abende und Nächte Freude mit dieses Boxset deluxe haben. Die kultigen Comic-Artworks, der zügellose Thrash Metal, die unzähligen Liter Bier, Dutzende Hits und Abriss-Ohrwürmer par excellence – allein beim Anblick von "For A Thousand Beers" kommen immer wieder schöne Erinnerungen hoch.

Redakteur:
Marcel Rapp

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