Artikel | TAYNE: Interview mit Matthew Sutton

TAYNE: Interview mit Matthew Sutton

29.01.2025 | 21:10

Auf "Love" beeindruckt das TAYNE-Trio mit einer außergewöhnlichen Mischung aus Noise Pop, Industrial Metal und Shoegaze einerseits, andererseits durch ein hohes Maß an Emotionalität und Tiefgang. Kurzum hat "Love" eine Menge Facetten, die es zu ergründen gilt. Nun steht uns Sprachrohr Matthew Rede und Antwort, erklärt uns den tieferen Sinn des Albums, des Titels und der hiesigen Einflüsse aus der Industrial-Szene und darüber hinaus.

Matthew, wie geht es dir? Wie ist die Stimmung bei TAYNE?
Yo Marcel, mir geht's gut, die Stimmung ist allgemein positiv, das ist gut, oder?

Definitiv. Hand aufs Herz - ich habe euch leider erst im Zuge des neuen Albums richtig kennengelernt. Aber "Breathe", euer Debüt, erblickte bereits 2018 das Licht der Welt. Kannst du mir ein kleines Update geben, wie sich euer Sound seither entwickelt hat - auch über den Nachfolger "Tense" hinaus?
Du bist zur richtigen Zeit eingestiegen, also kein Problem. Wir haben diese "Breathe"-Veröffentlichung begraben, wir haben die Band 2018 gegründet und waren super begierig darauf, einfach zu existieren. Wir haben "Breathe" geschrieben, bevor wir es überhaupt live spielen konnten, und es war eine nach DIY-Schlafzimmerprojekt klingende Platte. Als wir dann dazu kamen, das Zeug live zu spielen, mussten wir es so sehr verändern, dass es sich von dem, was auf "Breathe" aufgenommen wurde, so sehr unterschied, dass wir nicht mehr das Gefühl hatten, dass es richtig war. Lange Rede, kurzer Sinn, wir hätten mehr Zeit damit verbringen sollen, eine Band zu sein und die Dynamik herauszufinden, anstatt in unserem ersten Jahr ein Album zu veröffentlichen. Zum Glück war es eine Selbstveröffentlichung, also bin ich mir sicher, dass es irgendwann wieder auftauchen wird, aber es wird mehr dem entsprechen, was wir wollten.

"Tense" hingegen war eine reine Lockdown-/Pandemie-Übung, um zu sehen, ob wir die gleiche Intensität erzeugen können, aber viel zurückgenommener und mit mehr Fokus auf Pianos und Drones. "Love" ist das erste Werk, das wir veröffentlicht haben, bei dem wir endlich das Gefühl hatten, dass es "uns" entspricht, und endlich die Platte, die wir veröffentlichen wollten.

Ihr habt eine sehr interessante Mischung aus Noise Pop, Industrial Metal und Shoegaze. Habe ich euren Stil gut zusammengefasst? Welche Bands haben euch maßgeblich beeinflusst und was würdet ihr gerne noch hinzufügen?
Unsere Musik hat Elemente aus all diesen Genres, sie ist klanglich rau und intensiv. Wir wollten uns an die extreme Seite davon anlehnen, um Spannung zu erzeugen. Unser Sound lehnt sich an viele Bands an, aber NINE INCH NAILS und Industrial-Soundscapes sind die Richtungen, in die wir uns bewegen. Der Kontrapunkt, der einen durch all das trägt, ist der sanfte Gesang und die poppigen Songstrukturen. Ich denke, die Spannung zwischen Chaos und Schönheit ist etwas, das wir immer in unserem Sound haben wollten, die Gegenüberstellung ist wichtig. Wir haben im Laufe der Jahre versucht, unseren Sound mit vielen Etiketten zu kategorisieren und haben uns für Industrial Noise Pop entschieden.

Einerseits hat eure Musik einen sehr eingängigen Rhythmus, der zum Tanzen einlädt, andererseits verströmt sie eine gewisse dystopische Atmosphäre - wie weit würdet ihr damit gehen?
Ja, wir tendieren zu diesen Disco-Beats oder Sechzehntel-Drums, und wenn es nicht der Disco-Beat ist, dann ist es entweder ein Blastbeat oder ein perkussiverer Tribal-Tom-Beat, vielleicht kommt da der dystopische Vibe rein - wie beim "Terminator"-Soundtrack. Unser Song 'Scars' hat auf jeden Fall etwas von diesem Vibe am Ende des Tracks.

Euer neues Album hat den einfachen und wunderbaren Titel "Love". Aber ganz so einfach ist es nicht - worum geht es in "Love", woher habt ihr die Inspiration für die Texte?
Ja, du hast Recht, wir hätten es "Conflict" nennen sollen, denn das ist wirklich der Schwerpunkt des Albums. Das Albumkonzept sieht Liebe als Konflikt. Diese Idee entstand im Nachhinein, als wir um die Liebe trauerten und uns von ihr besiegt fühlten. Es ist ein bisschen pessimistisch und roh, aber es erforscht eine ehrliche Sichtweise von Konflikten, Opfern und Kompromissen mit sich selbst und mit anderen. Es ist alles wahrhaftig und das Gegenteil von dem, worüber die Leute normalerweise reden wollen, wenn es um Liebe geht.

Ich habe gelesen, dass einige der Texte auf der Beziehung zwischen dir und deinem Vater beruhen. Ich hoffe, meine Frage geht nicht zu weit, aber würdest du gerne ein wenig näher ausführen, was genau damit gemeint ist?
Ja sicher, kein Problem. Auf "Love" geht es um Konflikte, und so lehnte sich der visuelle Aspekt des Artworks und der Musikvideos daran an, eine Geschichte zu erzählen, die auf den Konflikten meines eigenen Vaters mit der Liebe basiert. Es gab ein Gespräch zwischen uns, das einen parallelen Kontext lieferte, der das Album zu einem noch familiäreren Thema machte. Mir ging ein Licht auf, dass meine ganze Existenz aus "Conflict in Love" stammt. Mein Vater war ein Familienvater, verheiratet und hatte Kinder. Dann wurde ihm klar, dass er schwul ist, er hat sich geoutet, sein Leben umgestellt und wieder Liebe und Akzeptanz gefunden. Die drei Akte der Geschichte wurden in jedes einzelne Video unterteilt: der Konflikt - die Verwandlung - die Akzeptanz / Feier.

Interessant. Ist es beabsichtigt, dass das "Love"-Logo stark an Black Metal erinnert? Was ist die Absicht dahinter, was war die Idee dazu?
Das stimmt zu 100%. Dazu gibt es zwei Dinge zu sagen. Visuell gesehen - wir wussten, dass wir eine Schriftart oder ein Logo für "Love" wollten, das unsere Vision davon repräsentiert; es war offensichtlich, dass wir etwas wirklich Knorriges haben wollten, das dem Wort "Love" gegenübergestellt wird, daher das Endergebnis. Thematisch begann die Black-Metal-Bewegung als extreme Musik, die moralische Prinzipien, Religionen und Glauben ablehnt, mit einem Hauch von Pessimismus und dass alles bedeutungslos ist. Ich denke, wir wollten versuchen, diese Ideologien der Liebe und des Pessimismus zu provozieren. Die Liebe ist extrem und stellt die Moral und die Prinzipien in Frage, man muss ständig Kompromisse eingehen, und sobald man anfängt, sie in Frage zu stellen, beginnt sie zu scheitern.

Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit James Spence und Rachel Aspe? Seid ihr schon lange mit ROLO ROMASSI und CAGE FIGHT befreundet?
James ist bei ROLO ROMASSI und sie sind beim selben Label wie wir. Wir hatten ein paar freundschaftliche Gespräche, seit wir vor dem Signing mit dem Label gesprochen haben. Sie waren sehr nett und hilfsbereit, und ich glaube, der Gedanke wurde erwähnt, und James war zum Glück einverstanden. Die Bandbreite von James ist großartig, sie fügt dem Track eine Ebene hinzu, die wir alleine nie erreicht hätten.

Rachel ist eine Freundin - wir arbeiten beide als Tätowierer außerhalb der Band, wir haben zusammen in einem Studio in London gearbeitet und sind einfach Kumpels geworden. CAGE FIGHT ist eine wahnsinnig lustige Band, ich liebe sie, super wütend! Als wir unterschrieben haben, habe ich Rachel gefragt, ob sie Lust hätte, und zum Glück war sie super glücklich, unseren Track zu zerstören. Rach geht hart ran, sie macht das besser als jeder andere Frontmann, ihr Stimmumfang und ihre Vortragsweise sind eine Liga für sich. Ich bin mit dem Ergebnis bei beiden Songs sehr zufrieden und würde mir in Zukunft mehr davon wünschen.

Dein weicher Gesang ist besonders beeindruckend und bildet einen tollen Kontrast zu den härteren Beats und Rhythmen. Genau wie die Liebe, die nicht immer sanft und friedlich ist, sondern auch stürmisch und hart sein kann?
Danke für das Kompliment. Ja, das ist es wirklich, die Spannung zu erzeugen, ist super wichtig für unseren Sound. MY BLOODY VALENTINE ist eine Band, die wir lieben und die ein perfektes Beispiel für diese Spannung in ihrem Sound ist, eine Art Shoegaze und popartiger Gesang mit einer Menge Lärm und Chaos dahinter. Die Vocals sind die führende Hand, die einen durch all das navigiert.

Lief Johnson hat drei Musikvideos mit euch gedreht. Gibt es einen roten Faden zwischen den drei Songs, eine zusammenhängende Geschichte? Und sind weitere Videos geplant?
Es sind sicher noch mehr geplant, aber nur "Live-Band"-Zeug, wir wollten absichtlich nicht in den drei Hauptvideos mitspielen, also wird es in Zukunft ein bisschen mehr von uns geben. Die Geschichte mit den Musikvideos habe ich schon in der Frage nach meinem Vater beantwortet.

Euer Album erscheint recht früh im neuen Jahr. Was wird 2025 noch auf euch zukommen? Was ist geplant?
Mehr Shows - einige Festivals - mehr Musik und mehr Kollaborationen. Wenn irgendjemand in der Musikwelt irgendetwas davon macht und mit uns zusammenarbeiten möchte, melde dich bei uns!

Aus deiner Sicht: Wie hat sich die Industrial-Szene in den letzten Jahren entwickelt? Wie wichtig ist die Geschichte von NINE INCH NAILS oder MINISTRY zum Beispiel für TAYNE?
Ich denke, es scheint eine Wiederbelebung zu geben, was wirklich episch ist. Wir haben mit vielen modernen Industrial-Acts wie HEALTH, KING YOSEPH, TRACE AMOUNT gespielt, alles tolle Künstler, die ihr eigenes Ding machen. Ich glaube, jetzt, wo es Streaming gibt, definieren sich die Leute nicht mehr unbedingt über die Musikrichtung, die sie hören, so wie früher, als ich aufgewachsen bin. Jeder hat heute einen vielseitigeren Geschmack, und das ist großartig. Vielleicht haben Künstler und Bands, die jetzt auf den Markt kommen, keine Angst davor, sich von vielen Genres beeinflussen zu lassen. Aber offensichtlich wuchs ich auf mit Sachen wie NIN und MINISTRY und die hatten einen Einfluss auf das, was wir machen, Industrial-Musik ist die Grundlage für unseren Sound. Einflüsse sind immer wichtig, aber man muss auch etwas Neues und ein Stück von sich selbst einbringen, sonst ist es sinnlos.

Einer der Tracks von "Love" klang irgendwann so sehr nach einem MINISTRY-Track, ich war hin- und hergerissen, weil ich ihn so sehr mochte, aber es ist dieser schmale Grat zwischen dem Anzapfen von etwas, das nach deinen Einflüssen klingt, und dem Versuch, etwas zu schaffen, das nach dir klingt. Der "MINISTRY-Song" wurde verworfen.

Schade, den hätte ich gerne gehört. Dennoch alles Gute mit "Love". Was möchtest du unseren Lesern und euren Fans noch mitteilen?
In einer Welt voller sofortiger und überwältigender Informationen, wenn ihr einen Moment Zeit gefunden habt, um uns zuzuhören, danken wir euch. Ich hoffe, ihr genießt die Verrücktheit.

Fotocredit: Eivind Hansen