TERRIBLE SICKNESS: Interview mit Gitarrist Karsten

22.03.2018 | 09:33

Gut Ding will Weile haben, und dennoch haben sich die Jungs von TERRIBLE SICKNESS relativ lange gedulden müssen, bis man ihnen auf unseren Seiten ein etwas breiteres Forum geschenkt hat. Dabei standen nach dem Release der letzten Scheibe alle Zeichen auf Sturm, wie Gitarrist Karsten bestätigen kann.

"Wir hatten in letzter Zeit alle einen relativ vollgestopften Terminkalender, von daher passt das jetzt sehr gut. Und über Mucke reden ist immer eine fette Sache", beruhigt er den etwas verspätet reagierenden Redakteur. Die Rückmeldungen zur neuen Platte sind nämlich verdammt stark, daher sollte man der Band auch mit etwas Distanz zur Veröffentlichung noch einmal seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenken. "Das Feedback ist bislang wirklich überwältigend, wir haben einige sehr nette Reviews und Stellungnahmen erhalten, auch von außerhalb des Band-Freundeskreises, was uns alle riesig freut! Vielen Dank an dieser Stelle auch nochmal an dich für dein Review, das sich sehr gut lesen lässt. Insbesondere die krasse Bewertung vom Legacy-Magazin hat uns heftig verzückt, da wir dort eines der wenigen Reviews für die erste Scheibe erhalten haben, die noch als Eigenproduktion veröffentlicht wurde; das damalige Review in Kombination mit der alten Platte hatte aber noch nicht so richtig zünden können, weshalb wir uns nun umso mehr freuen, dass von deren Seite eine Qualitätssteigerung wahrgenommen wurde."

Die Ansprüche ans Songwriting waren dabei erst einmal nicht übertrieben groß: "Unsere Erwartung an uns selbst war, eine bessere Scheibe abzuliefern, als unser erstes Album "First Rape, Still Sexy". Dafür haben wir uns bereits beim Songwriting mächtig ins Zeug gelegt und uns auch relativ lange Zeit gelassen, immerhin vergingen zwischen den Recordings etwas mehr als vier Jahre. Im Gegenzug waren wir beim Gang ins Studio dann aber auch davon überzeugt, dass sich die Mühe lohnen wird. Wir wollten insgesamt sowohl von der Produktion als auch von den Songstrukturen her einfach ein rundum besseres und anspruchsvolleres Werk abliefern, was uns unserer Meinung nach auch gelungen ist." Da kann man nur zustimmen. Dennoch ist TERRIBLE SICKNESS nun nicht diejenige Band, über die man in der Vergangenheit dringend hätte stolpern müssen. Die Aktivitäten waren zumeist auf die lokale Ebene begrenzt, wie Karsten nachträgt: "Da fange ich am besten mal vorne an: Im Herbst 2010 haben sich unser Drummer Peter und unser früherer US-amerikanischer Sänger/Gitarrist/Songwriter Kevin zufällig in Hannover getroffen und wegen der gegenseitig für toll befundenen Metalshirts angesprochen. Daraufhin traf man sich zum Jammen und stellte fest, dass Grind-Death gut zusammen funktioniert und auch ordentlich Spaß macht. Nachdem das Demo "Abattoir Of Pleasure" schon im November in Eigenregie eingeprügelt war, kam ich dann über Umwege Anfang 2011 dazu, genauso wie unser ehemaliger Basser Hendrik. Kevin und Peter schrieben quasi im Alleingang die gesamten Songs für die erste Platte, und im Oktober 2011 wurde aufgenommen.
Leider musste Kevin daraufhin kurz nach den Aufnahmen zurück in die USA, sodass wir erstmal unseren Hauptakteur verloren hatten. Allerdings hatte Peter mit seiner "Jugendsünde" Flo für die Vocals noch ein Ass im Ärmel, und Jan hatten wir schon kurz vor Kevins Weggang ebenfalls zufällig in Hannover aufgegabelt, weshalb wir nach sehr kurzer Pause zum Glück quasi nahtlos in Vollbesetzung weitermucken konnten."

Cover_Feasting

"Die erste Scheibe stand, Flo hat lediglich die Vocals nochmal neu eingesungen, und dann ging's nach ein paar Gigs auch direkt mit dem Songwriting für "Feasting On Your Perdition" los. Dabei haben wir uns musikalisch zwar ein bisschen von den durch Kevin gesetzten grindigen Ursprüngen entfernt und eine kleine Prise mehr Thrash verarbeitet, aber damit waren wir alle sehr zufrieden. Das Ergebnis der Arbeit ist dir ja mittlerweile bekannt." Dem Hörensagen nach stammt die Band selbst aus der niedersächsischen Provinz, was es nicht leichter gemacht haben dürfte, die Band am Standort zu etablieren. "Naja, auch aus der abgelegensten Provinz gibt es Straßen zum nächsten Plattenladen", quittiert der Gitarrist mit einem Lachen. "Aber mal im Ernst, ich selbst gehöre ja schon zur Generation Internet, da kriegt man im Laufe seines Metal-Lebens relativ leicht die Möglichkeit, sich in jeder noch so kleinen musikalischen Unterspielart des Metal einzuarbeiten. Und auch der Rest der Band ist mittlerweile gut rumgekommen und hat sich immer mal hier und da ein Stück vom Metal-Kuchen einverleiben können. Nur weil man in der Provinz groß wird, heißt es ja nicht, dass man da auch für immer versifft. Wir alle lieben Death Metal, und für Flo und Peter gilt, dass sie diese Mucke bereits seit knapp 30 Jahren zelebrieren, sodass ein großer Pool an Inspiration auch für uns als Dorfkinder vorhanden ist."

Die neue Scheibe hat einige relativ provokante Titel an Bord. 'Wifebeater' etwa sollte nicht allen Damen auf Anhieb zusagen. Da besteht natürlich die Gefahr, dass man auch schon mal zu stark polarisiert. "Damit sprichst du einen sehr strittigen Punkt an: Wegen des Titels unserer ersten Scheibe, "First Rape, Still Sexy", wurde uns tatsächlich schon mehrfach die Verherrlichung von Gewalt gegen Frauen vorgeworfen. Allerdings will ich hier mal klipp und klar sagen, dass solche Vorwürfe völlig unbegründet sind! Thematisch hat Kevin sich textlich auf der ersten Platte sehr stark an filmischen Rape-and-Revenge-Klassikern wie "I Spit On Your Grave" und "Last House On The Left" orientiert, in denen zwar Gewalt gegen Frauen verübt wird, es im Endeffekt unseres Verständnisses nach aber ja genau um das Gegenteil, nämlich das Bild einer starken, selbstbestimmten Frau geht, die sich aus dem Dreck befreit und zum Schluss die Peiniger dominiert. Genau das spiegelt auch unser unterschiedliches Front- und Backcover für die erste Scheibe wider, weshalb man den Titel und das Frontcover nicht einfach aus dem Kontext ziehen darf. Auch 'Wifebeater' handelt thematisch vom exakten Gegenteil, nämlich der Verurteilung von Gewalt gegen Frauen. Der Text entstand quasi aus Protest, als erstmals die oben genannten Vorwürfe gegen uns laut wurden.
Ansonsten sind die Texte bei uns meiner Meinung nach sehr Death-Metal-typisch, aber inhaltlich bunt gemischt. Insgesamt steht das Thema Gewalt in verschiedenen Ausrichtungen natürlich im Vordergrund, aber ich glaube, die Death-Metal-Bands, die sich textlich ausschließlich z.B. politisch austoben, kann man gefühlt auch an zwei Händen abzählen. 'Defile And Dismember' thematisiert beispielsweise die institutionalisierte Religion, 'Entrenched In Intestines' bezieht sich auf den Ersten Weltkrieg und bei 'Incalculable' wird Science-Fiction-Literatur verarbeitet. Ich würde sagen, die Texte sind für uns nicht von völlig untergeordneter Bedeutung, aber das Hauptaugenmerk liegt definitiv auf der Musik!"

Musikalisch hat man sich dabei offenbar an einigen skandinavischen Bands orientiert, die man nicht immer als offensichtlichen Einfluss heraushört. THE CROWN zum Beispiel scheint sich in den Gedanken der Musiker tief eingenistet zu haben, wie Karsten zustimmend bestätigt: "THE CROWN ist tatsächlich eine Kapelle, die für einen Großteil von uns sehr wichtig ist, von daher, ja. Insgesamt ist besonders Flo stark vom schwedischen Death Metal beeinflusst. Aber alles in allem könnte man wohl alle altvorderen Death-Metal-Combos zu unseren Einflüssen zählen, von DEATH über CARCASS, SUFFOCATION und CANNIBAL CORPSE bis hin zu ASYPHYX und PESTILENCE ist da eigentlich alles in irgendeiner Form vertreten. Natürlich können und wollen wir auch nicht leugnen, dass der Death Metal für uns nicht mit dem Jahre 1998 zu Ende ging, sondern wir auch den neueren Schienen des Brutal Death und Grind zugeneigt sind. Was für mich allerdings musikalisch niemals in Frage kommt, wäre eine Einarbeitung von Beatdown-Parts oder anderen Metalcore-Elementen."

Bandfoto Terrible Sickness Neu

Viele Bands wollen sich nicht gerne auf Einflüsse berufen und betonen, dass sie völlig unabhängig vorgegangen sind - obschon das oftmals großer Unsinn ist, da sich die Parallelen geradezu aufdrängen. Auch da geht es TERRIBLE SICKNESS wesentlich enstspannter an: "Wir verheimlichen da gar nichts, sondern sind sehr stolz auf unsere Einflüsse, ohne die meiner Meinung nach keine der jüngeren Bands da wäre, wo sie jetzt steht. Der Metal ist eine sich fortentwickelnde Geschichte, die in gewisser Weise auf den vorhandenen Elementen aufbaut, aber auch immer wieder die Grenzen neu definiert und auslotet.
Ich bin schon der Meinung, dass wir mit unserer Mucke einen eigenen Stil haben, den man nicht stumpf als Brutal Death Metal bezeichnen kann, aber trotzdem ist uns völlig klar, dass wir mit "Feasting On Your Perdition" das Rad bei weitem nicht neu erfunden haben."

Seit der Veröffentlichung des Albums ist nun schon eine ganze Weile vergangen. Die Band hat schon einiges in Gang setzen können und in Sachen Promotion viel mehr erreicht als zum Release der ersten Scheibe. "Auf jeden Fall haben wir die Platte schon ein wenig promotet! Wir hatten zwei Release-Gigs, bei denen wir ordentlich abgefeiert haben und haben im Juni des letzten Jahres auf dem Protzen Open Air gespielt, was für uns definitiv ein musikalischer Höhepunkt unseres bisherigen Schaffens war. Weitere Gigs stehen zwar bislang nicht an, aber wir sind in der Planung für einige Auftritte, bei denen wir "Feasting On Your Perdition" weiter fleißig präsentieren wollen." Überhaupt scheint die Motivation groß, auch von den üblichen Wochenend-Gigs wegzukommen: "Ich denke, in unserer aktuellen Bandformation wären wir alle ziemlich offen dafür, berufliche Kompromisse einzugehen, um mit der Band den nächsten Schritt machen zu können. Wir stehen voll hinter unserer Mucke und sind auf jeden Fall bereit, weiterhin und mehr Zeit zu investieren." Von daher wundert es auch nicht, dass die Live-Situation zu Beginn des neuen Jahres Schwerpunktthema ist: "An neuen Songs werkeln wir derzeit, bislang stehen grob drei bis vier Stücke, die aber noch nicht präsentierbereit sind und denen mitunter auch noch Texte fehlen. Durch den dauerhaften Eintritt von Eike (Basser und Sänger von PUTREFACTION) Anfang dieses Jahres haben wir auf jeden Fall einen sehr kreativen Kopf hinsichtlich des Songwritings dazugewinnen können, der zukünftig dafür sorgen wird, dass es mit neuen Stücken wohl etwas schneller gehen wird als bisher."

Die Erwartungen sind daher auch erst einmal aufs Wesentliche beschränkt. Der bescheidene Gitarrist denkt nur Schritt für Schritt: "In den nächsten Monaten könnt ihr erstmal hoffentlich ein paar weitere schicke Reviews erwarten, da stehen nämlich noch einige aus. Des Weiteren peilen wir an, bei den nächsten Gigs bereits neues Material zocken zu können, dafür sind wir auch auf einem sehr guten Weg. Letztlich versuchen wir, ein paar Gigs, gegebenenfalls sogar eine Mini-Tour auf die Beine zu stellen. Inwieweit diese Bemühungen dann von Erfolg gekrönt werden, wird sich zeigen. Für Gig-Angebote sind wir auf jeden Fall offen, also schreibt uns an! Von der Szene erwarte ich darüber hinaus persönlich, dass sie auch zukünftig genauso geil zusammensteht, wie bisher, und dass weiterhin regelmäßig krasse neue Bands auftauchen, die den Metalheads ordentlich den Kopf umkrempeln. Wir als Band erwarten von der Szene eigentlich konkret gar nichts, aber natürlich würden wir uns massiv freuen, wenn die aktuelle Scheibe auch weiterhin gut angenommen wird und uns damit ein paar Türen geöffnet werden."

Redakteur:
Björn Backes

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