THEATRE OF TRAGEDY: Interview mit Nell Sigland und Vegard K. Thorsen

20.08.2006 | 22:59

Wir schreiben den 3.4.2006. Einen Tag vorher hat die MICHAEL SCHENKER GROUP vor der Journalistenschar aktuelle Songs und Klassiker in der Frankfurter Batschkapp gezockt. Tags darauf bin ich an der selben Location, nur diesmal stehen THEATRE OF TRAGEDY auf dem Plan. Aufmerksame POWERMETAL.de-Leser haben wahrscheinlich schon das E-Mailinterview mit Lorentz Aspen, seines Zeichens Keyboarder von TOT, gelesen. Heute knöpfe ich mir Neuzugang Nell Sigland, die auch bei THE CREST hinter dem Mikro steht, und Gitarrist Vegard K. Thorsen vor, um sie mit meinen Fragen zum aktuellen Album "Storm", Tour und andere Geschichtchen auszuquetschen.
Apropos "Storm": Ich bin mit der Scheibe sehr hart ins Gericht gegangen. Nach ein paar Monaten Abstand muss ich gestehen, dass die Scheibe besser ist als von mir beschrieben. So was kommt ab und zu vor, da ich sie zwar mehrmals gehört habe, aber mir der Klasse der Nummern nicht bewusst war. Mea culpa.

Um auf das eigentliche Thema zurück zu kommen, so sei vorweg genommen, dass ich selten bei einem Interview so viel gelacht habe, wie bei den Beiden. Wobei, ganz alleine waren wir nicht, da Sänger Raymond István Rohonyi sich ebenfalls im Raum aufhält, und "nicht die Erlaubnis hat zu sprechen" (O-Ton Nell). Trotzdem lässt er sich's nicht nehmen, aus dem Hintergrund seinen Senf beizusteuern. ;-)

Tolga:
Ihr fühlt euch gut?

Vegard:
Wir hatten gestern einen Day-Off und fühlen uns frisch und voller Cocktails. (alle lachen)

Tolga:
Ihr hattet ja schon zwei Konzerte. Wie waren da die Reaktionen auf eure Auftritte?

Vegard:
Ich denke, die waren ganz gut. Wir haben in Kopenhagen gespielt, wobei wir das erste Mal mit der Band in Dänemark waren. Dementsprechend waren wir auch nervös und wussten nicht, wie die Fans auf uns reagieren. Aber ich denke, der Gig war ganz gut. Dabei haben wir Songs von allen Alben gespielt, was wohl einen ganz guten Querschnitt darstellt.

Tolga:
Ist das die erste Tour mit diesem Line-Up?

Tolga:
Nein, wir haben eine Weihnachtstour mit TIAMAT und PAIN hinter uns. Zusammen mit Nell.

Tolga:
Du bist ja nicht mehr DIE neue Sängerin in der Band. Kannst du mir trotzdem etwas über den Einstieg in die Band und deine Performance auf "Storm" erzählen?

Nell:
Ich hab einen Telefonanruf von Hein (Frode Hansen, Drummer von TOT - Anm. d. Verf.) erhalten, relativ kurz nachdem Liv Kristine die Band verlassen hat. Wir hatten eine kurze Periode, wo wir uns gegenseitig "getestet" und Demos zugeschickt haben, um zu sehen, wie die ganze Sache mit uns klappen könnte. Und es hat gut geklappt. Eigentlich sehr gut. Ich bin in der Band (lacht). Wir mussten uns vielen Fragen stellen, weshalb es so lang nach "Assembly" (das 2002 veröffentlicht wurde - Anm. d. Verf.) gedauert hat. Einige Gründe waren mein Einstieg und ich musste herausfinden, wie die Jungs zusammen arbeiten bzw. die mussten herausfinden, wie ich arbeite. Was war die Frage? (lacht)

Tolga:
Deine Performance auf "Storm". Hast du Songs für das Album geschrieben und konntest du die Gesangsparts so gestalten, wie du es wolltest...

Nell:
Die Art und Weise, wie wir auf dem Demo gearbeitet haben war so, dass vier der Bandmitglieder in Stavanger leben, was an der Westküste von Norwegen liegt. Vegard und ich leben in Oslo. Wir mussten uns unsere Ideen gegenseitig zuschicken. Ich habe Demolyrics und natürlich meine Melodien auf die jeweiligen Parts hinzugefügt. Ich verstand, dass Raymond für das Endresultat und natürlich die meisten Lyrics zuständig ist, bis auf "Assembly", wo Liv die meisten Songs geschrieben hat. Raymond hat über meine Lyrics drübergelesen (lacht), die natürlich ausschließlich als Demolyrics gedacht waren. Einige Songs haben wir jedoch behalten. Aus dem Grund ist es nun so, dass einige Songs 100% von mir stammen, und andere wiederrum zu 100% von Raymond (Rohoyni, Co-Sänger der Band - Anm. d. Verf.). Meine Melodien wurden zu 100% beibehalten. Ich war von Anfang an frei, das zu tun, was ich auch machen wollte. Natürlich konnten wir uns gegenseitig Feedback geben. Wenn ich z.B. mehr Gitarren haben wollte, dann konnte ich zu den Gitarristen sagen: "Fügt noch ein paar Gitarren an den und den Parts hinzu." Genau das selbe Prozedere war auch bei meinen Vocalparts der Fall. Wenn ich z.B. vier Gesangslinien eingesungen habe, dann erhielt ich die Antwort, dass "Nummer eins und zwei brilliant (lacht) bzw. okay sind, aber kannst du nochmal an der Gesangslinie drei und vier arbeiten."

Tolga:
Eine Kollegin von mir ist ein riesengroßer Fan von THE CREST.

Nell:
Wirklich?

Tolga:
Lorentz (Aspen, Keyboarder von TOT - Anm. d. Verf.) hat mir im E-Mailinterview geschrieben, dass du weiterhin bei THE CREST spielen wirst. Wie schaffst du es bei beiden Bands gleichzeitig zu spielen und legst du den Schwerpunkt zur Zeit mehr auf THEATRE OF TRAGEDY?

Nell:
Wir sind emsig am promoten, denn der Schwerpunkt liegt schon mehr auf TOT. Für mich ist es eigentlich sehr einfach, da Kristian (Sigland - Anm. d. Verf.), der Gitarrist von THE CREST, alle Songs schreibt. Bei THE CREST singe ich hauptsächlich. Dort bin ich kein wichtiger Teil im Songwritingprozess. Natürlich gebe ich schon Feedback dahingehend, was zu meiner Stimme eher passt, und was nicht. Kristian ist bei THE CREST letztenendes für alles verantwortlich, was die Sache sehr vereinfacht.

Tolga:
Kannst du unseren Lesern grob die Musik von THE CREST beschreiben?

Nell:
Es ist nicht das selbe wie bei TOT. Wir sprechen eher die Gothic-Hörer an, wobei ich THE CREST nicht unbedingt als Gothic-Rockband bezeichnen würde. Es ist eher eine Rockband mit Gothic-Einflüssen, wie HIM z.B.

Vegard:
Jemand hat es als Stoner-Goth bezeichnet. Es versprüht die selbe Power wie Stoner Rock, aber auf der anderen Seite auch die Gothicromantik gepaart mit Melodien.

Tolga:
Wie ist das Feeling innerhalb der Band zur Zeit und kennst du (bezogen auf Nell - Anm. d. Verf.) Liv Kristine persönlich?

Nell:
Das Bandfeeling zur Zeit ist sehr gut, und es ist eine Band seit dem ersten Tag. So empfinde ich es zumindest. Bis auf Raymond natürlich (lacht). Nur Spaß. Die Atmosphäre ist gut. Wir haben Spaß und genießen die Anwesenheit von jedem Einzelnen. Ich denke, das ist es! Wir haben eine gute Zeit zusammen und arbeiten sehr gut zusammen.

Vegard:
Eine Sache an Nell ist, dass sie sehr ergebnisorientiert ist. Der Rest von uns, so wie ich z.B., verursachen nur Probleme. (Gelächter)

Tolga:
Also ist es immer gut jemanden zu haben, der die Ergebnisse herausfiltert.

Vegard:
Sie kann uns direkt sagen, dass wir da Bockmist verzapft haben. Es ist wirklich kein Problem. Wir können das dann auf die Art und Weise lösen oder einigen uns auf eine andere Herangehensweise. In der Regel hat sie... Recht! (Gelächter in der Runde). Sie ist eher positiver gestimmt als wir. (Nell lacht)

Tolga:
Und nun der zweite Teil der Frage: Du kennst Liv Kristine persönlich?

Nell:
Ich hab sie ein paar Mal getroffen. Ich würde nicht unbedingt behaupten, dass ich sie kenne, aber wir (überlegt wie man es auf Englisch ausdrücken könnte) kommen miteinander aus. Ich persönlich mag sie und finde, dass sie ein sehr netter Mensch ist. Ich hoffe, dass ich sie mal wieder treffe. Ehrlich.

Tolga:
Lorentz hat mir im Interview mitgeteilt, dass du dich bei der Liveperformance mehr an den Originalversionen halten wirst. Ist das richtig?

Nell:
Ich versuche die Songs - soweit es geht - wie in der Originalversion zu interpretieren. Ich habe nicht die selbe Stimme wie Kristine, weshalb ich es auf meine Art und Weise singen werde, auch wenn ich versuche es wie im Original zu interpretieren.

Tolga:
Als ich mir "Storm" zum ersten Mal angehört habe, fand ich schon, dass es einen sehr starken Popappeal versprüht. Wolltet ihr das so?

Vegard:
Ich denke nicht, das wir die ganze Zeit gedacht haben, gewisse Popelemente in die Songs einfließen zu lassen. Ich denke, als Musiker sind wir so, wie wir sind. Es ist ein natürlicher Prozess und wir mussten nicht daran arbeiten um es auf die eine oder andere Art hinzubekommen. Wenn wir zusammen arbeiten, dann kommt es so heraus wie es ist. Manchmal versuchen wir gewisse Songs in eine bestimmte Richtung zu lenken, aber i.d.R. ist es ein natürlicher Prozess. Das ist auch der Grund, warum das Album sehr variabel ausgefallen und nicht die selben Titelsongs drauf sind. Wir sind nicht Singleorientiert und arbeiten nicht nach einem detaillierten Plan. Wir machen, was wir wollen.

Tolga:
Raymonds Stimme erinnert mich dabei an eine klassische Gothicband. Dabei sind Popelemente wie bei EVANESCENCE drauf, nur halt eben im Gothicstil. Geht ihr mit dieser Meinung konform?

Vegard:
Nicht wirklich. Aber ich muss ich auch sagen, dass ich EVANESCENCE nicht kenne.

Tolga:
Wie schaut's mit zur Zeit aktuellen Acts wie WITHIN TEMPTATION aus? Kennt ihr die?

Vegard:
Ich kenne einen Song.

Nell:
Ich auch. (Gelächter)

Tolga:
Um nochmal auf eure Liveperformance zurück zu kommen: Ist alles live auf der Bühne oder werden gewisse Parts vom Band abgespielt?

Vegard:
Wir haben keinen Bassisten.

Tolga:
Aber es ist jetzt nicht so wie bei WITHIN TEMPTATION auf dem Wacken '05, wo 70% der Songs vom Band/CD kamen.

Vegard:
Wir haben ein paar Sachen auf Tape. Ein paar programmierte Parts, die unmöglich für Lorentz zu spielen sind. Er muss ja neben den Keyboards noch den Pianobass spielen. Auf dem Tape sind neben ein paar programmierten Parts noch Gesangsharmonien, um die Dichte des Sounds zu verstärken. Es ist jetzt aber nicht so, dass wir die Songs vom Album nehmen, sie auf's Tape brennen und wie auf dem Eurovision Song Contest Playback spielen. Das Meiste ist live.

Tolga:
Was eure bevorzugte Musik angeht: Gibt es zur Zeit Bands, die ihr auf Tour ganz gerne hört?

Vegard:
Es gibt einen Song von einer norwegischen Band namens LEIKS-UP (oder so ähnlich). Es ist eine elektronische Band. Ich mag die Band zwar nicht, aber sie haben einen Song mit sehr krankem, weiblichem Gesang. Ich höre mir das jede Nacht an, bevor ich mich schlafen lege. (Gelächter)

Tolga:
Und du?

Nell:
Ich hab meinen i-Pod dabei, bin aber nicht dazu gekommen mir was daraus anzuhören.

Tolga:
Du hattest keine Zeit, oder...

Nell:
Wir haben Musik im Bus...

Raymond:
(Aus dem Hintergrund) Es ist nur harter Black Metal.

Nell:
Du hattest doch nicht die Erlaubnis zu sprechen. (Gelächter)

Tolga:
Was für Bands sind auf deinem i-Pod drauf?

Nell:
Hmm, das sollte ich besser nicht laut sagen (lacht). Eine norwegische Band namens DELAWARE (oder so ähnlich), DEPECHE MODE, THE CURE und... BRITNEY (Gelächter) Mit ihr hatten wir viel Spaß.

Tolga:
Auch CHRISTINA AGUILERA und PINK?

Nell:
Nein, aber TATU.

Tolga:
Das Image, das die kreiert haben, ist sehr einfallsreich.

Nell:
Es ist schlimm, aber lustig! Ich habe des Weiteren... (überlegt und fragt Vegard was auf norwegisch) THIN LIZZY.

Tolga:
Cool. Auf dem Weg zum Fitnessstudio hab ich "Stormbringer" von DEEP PURPLE gehört.

Nell:
Mein Lieblingsalbum ist "Burn". (Danach schwärm ich ihr eine ganze Weile von der "Still Of The Night"-DVD von WHITESNAKE vor. - Anm. d. Verf.)

Tolga:
Möchtet ihr noch was loswerden?

Nell:
Natürlich hoffen wir, dass die Fans unsere aktuelle CD mögen und uns auf der Tour besuchen.

Tolga:
Als ich das letzte Mal in der Batschkapp ein Interview hatte, war das mit OBITUARY. Ich hab Donald Tardy dabei ein paar unangenehme Fragen gestellt. Würdet ihr sagen, dass amerikanische Bands nicht so kritikfähig sind wie europäische?

Vegard:
Ich würde das über alle Amerikaner behaupten (Gelächter).

Nell:
Wie gemein!

Tolga:
Ich hab ihm ein paar sehr unangenehme Fragen gestellt und ich sag's mal direkt: Er mächtig sauer!

Vegard:
Ich würde schon sagen, dass die Europäer toleranter sind.

Tolga:
Und sie können auch mit Kritik besser umgehen.

Vegard:
Also, wir können es auf jeden Fall. Sonst hätten wir uns bestimmt längst aufgelöst. (Gelächter)

Redakteur:
Tolga Karabagli

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